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CD<br />
REVIEWS<br />
AVERY MILE<br />
A PLACE CALLED HOME<br />
Nein, hört man die Musik dieses Albums,<br />
ahnt man keinesfalls, dass man hier fünf<br />
jungen Männern aus dem Raum Bremen<br />
lauscht, klingt es doch weit mehr nach<br />
Manchester, London oder gleich nach New<br />
York. Dabei darf man auch nicht den Fehler<br />
machen, Avery Mile vorschnell in die<br />
Brit-Pop-Schublade zu stecken, denn auch<br />
wenn die Einflüsse von Keane, Coldplay<br />
oder der Manic Street Preachers klar herauszuhören<br />
sind, ist es ihnen gelungen, A<br />
PLACE CALLED HOME ihren eigenen<br />
Stempel zu verpassen. Unterschiedliche<br />
Attribute stehen auf diesem Stempel, mal<br />
rückt hymnische Romantik im Vordergrund<br />
(“Blind Your Eyes”), manchmal<br />
sonnige Crowded-House-Rhythmen (“In<br />
The Waterfall”), manchmal gelingt ihnen,<br />
wie bei “Sail Away”, aus dem Nichts heraus<br />
eine versponnene Melodie, die einem<br />
einfach nicht mehr aus den Gehörgängen<br />
gehen will.<br />
(Fuego/Rough Trade, 2012, 10/34:44) us<br />
CALIGOLA<br />
BACK TO EARTH<br />
Scheinbar<br />
wurde<br />
den beiden Mando-<br />
Diao-Frontmännern<br />
Björn Dixgård und<br />
Gustaf Norén das<br />
musikalische Korsett<br />
ihrer Hauptband mit<br />
wachsendem Erfolg zu eng, mit BACK<br />
TO EARTH verschaffen sie sich nun Luft.<br />
Unterstützt von den schwedischen Hip-<br />
Hop-Produzenten Salla und Masse Salazar,<br />
realisieren sie mit Caligola nun ihren eigenen<br />
Traum von moderner No<strong>the</strong>rn Dance-<br />
<strong>Music</strong> – einen ersten Vorgeschmack davon<br />
gab es ja mit “Dance With Somebody”<br />
schon auf dem letzten Mando-Diao-Album<br />
zu hören. Dabei überrascht weniger die geballte<br />
Rock’n’Soul-Wucht, mit der sie ihre<br />
Songs auf den Dancefloor hämmern, nein,<br />
es sind vielmehr die kleinen Verspiel<strong>the</strong>iten<br />
am Rande, die man so nicht erwartet hätte.<br />
Sei es der düstere, Thriller-artige Beginn<br />
von “Capo”, die einsame Geige im Outro<br />
von “Hapokalypse” oder die beschwingte<br />
Leichtigkeit des Electro-Pop-Songs “Morning<br />
Light”, die Möglichkeiten, während<br />
dieser knappen Stunde erstklassige Details<br />
zu entdecken, sind schier unerschöpflich!<br />
(Vertigo/Universal, 2012,<br />
15/49:03) tk<br />
HEINZ RUDOLF KUNZE<br />
ICH BIN<br />
Es habe einiges an Überredungskunst gebraucht,<br />
erklärt Heinz Rudolf Kunze, bis<br />
er davon überzeugt war, einen „Zwischengrabstein”<br />
(wie er ein Best-Of-Album oder<br />
eine Werkschau nennt) zu veröffentlichen.<br />
Und etwas Besonderes wollte er seinen<br />
Fans dazu noch bieten, also wurden für<br />
die aktuellen Neuaufnahmen seiner Lieder<br />
zahlreiche Freunde und Kollegen ins Studio<br />
eingeladen. Mit dabei natürlich langjährige<br />
Weggefährten wie Hartmut Engler von<br />
Pur, Tobias Künzel von den Prinzen, Julia<br />
Neigel oder Purple Schulz, frische oder<br />
aufgefrischte Freundschaften wie die mit<br />
Achim Reichel, Heiner Lürig oder Joachim<br />
Witt, aber auch ein Duett mit Selig-Sänger<br />
Jan Plewka, den Heinz Rudolf Kunze zuvor<br />
noch nie persönlich getroffen hatte,<br />
findet seinen Platz auf ICH BIN. Und trotz<br />
der ziemlich werkgetreuen Neuversionen<br />
dieser Rückschau passt das Konzept dieses<br />
Albums, einmal durch die illustre und<br />
abwechslungsreiche Gästeliste und dann<br />
natürlich durch die unzerstörbaren Gassenhauer<br />
aus Kunzes Feder, von “Dein ist mein<br />
ganzes Herz” über “Mit Leib und Seele” bis<br />
zu “Finden Sie Mabel”.<br />
(Ariola/Sony <strong>Music</strong>, 2012, 14/56:36) us<br />
SCOTT MATTHEWS<br />
WHAT THE NIGHT DELIVERS<br />
Scott<br />
Mat<strong>the</strong>ws,<br />
Jahrgang 1976, ist<br />
eines der gefeierten<br />
jungen Talente des<br />
britischen Folk-Pop.<br />
Auf dem Vorgängeralbum<br />
ELSWHERE<br />
(2009) war u.a. Robert Plant als Gastsänger<br />
zu hören; auch auf seinem neuen Werk<br />
WHAT THE NIGHT DELIVERS erhält<br />
er prominente Unterstützung: neben dem<br />
Cellisten Danny Keane vor allem von<br />
dem Bassisten Danny Thompson, der in<br />
den 60ern und 70ern Mitglied bei Alexis<br />
Korner’s Blues Incorporated und der Folk-<br />
Rockband Pentangle war und an Alben von<br />
Richard Thompson, Tim Buckley und Nick<br />
Drake mitwirkte. An den sensiblen, introvertierten<br />
Folk-Pop von Nick Drake und<br />
Tim Buckley muss man auch mitunter bei<br />
den zehn Songs auf WHAT THE NIGHT<br />
DELIVERS denken: impressionistisch hingetupft,<br />
zart und fragil, sehr atmosphärisch,<br />
zwischen Kammer-Jazz und Psychedelia-<br />
Folk changierend – zehn großartige Kleinode!<br />
(San Remo/Indigo, 2012, 10/<strong>50</strong>:57) frs<br />
MORTEN HARKET<br />
OUT OF MY HANDS<br />
Nach der endgültigen (?) Auflösung von<br />
a-ha macht Morten Harket das einzig Richtige.<br />
Er veröffentlicht das nächste a-ha-<br />
Album ganz einfach unter seinem eigenen<br />
Namen. Dabei ist OUT OF MY HANDS<br />
schon das vierte Solo-Album des Sängers,<br />
dessen charakteristische Stimme den Sound<br />
der norwegischen Band über <strong>Jahre</strong> hinweg<br />
prägte. Und da sich seine Solosongs fast<br />
identisch anhören wie die der letzten a-ha-<br />
Alben, dürften die meisten Fans seiner alten<br />
Band hocherfreut auf dieses Lebenszeichen<br />
reagieren. Dennoch bleibt selbst für eingefleischte<br />
Harket-Bewunderer ein kleiner<br />
Wermutstropfen: Mit Pal Waaktar-Savoy<br />
und Magne Furuholmen fehlen bei OUT<br />
OF MY HANDS die beiden Komponisten,<br />
die im Falle von a-ha für mehr musikalische<br />
Abwechslung sorgten. So aber nutzt sich<br />
dieses Album relativ schnell ab, klingen die<br />
Songs insgesamt gesehen zu ähnlich.<br />
(Island/Universal, 2012,<br />
7 Tracks, Promo-CD) us<br />
BENJAMIN SCHOOS<br />
CHINA MAN VS. CHINA GIRL<br />
Wenn Benjamin Schoos ruft, so hat man<br />
den Eindruck, kommen sie alle. Auf dem<br />
neuen Album des talentreichen Vertreters<br />
des neuen Chanson geben sich als<br />
Gastsänger das Mikro in die Hand: Chrissie<br />
Hynde (Pretenders), Laetitia Sadier<br />
(Stereo lab), Mark Gardener (Ride) sowie<br />
die Pariser 70er-<strong>Jahre</strong>-Ikone Marie France.<br />
Nicht nur in punc<strong>to</strong> Anziehungskraft auf<br />
Duettpartner(innen) gibt es eine Parallele<br />
zum großen Chansonier Serge Gainsbourg,<br />
auch musikalisch wandelt Schoos auf den<br />
Spuren des kettenrauchenden Enfant terrible.<br />
Inspiriert von einem Treffen mit<br />
Gainsbourgs früherem Orchesterarrangeur<br />
Jean Claude Vannier veredelt er die Songs<br />
auf CHINA MAN VS. CHINA GIRL mit<br />
vergleichbar opulenten Cinemascope-Arrangements<br />
aus Streichern, Bläsern, Orgel,<br />
Piano und Seventies-Syn<strong>the</strong>sizern. Seine<br />
Chansons sind zum Träumen schön – ob<br />
die Ballade “La Chinoise” oder das jazzige<br />
“Catch”, vor allem aber die fröhlich-poppig<br />
daherkommenden Duette “Je Ne Vois Que<br />
Vous” (Schoos mit Sadier) sowie “Un Garcon<br />
Qui Pleure” (Hynde mit France). Très<br />
formidable!<br />
(Freaksville/Indigo, 2012, 12/40:15) frs<br />
NEIL DIAMOND<br />
THE VERY BEST OF<br />
Best-Of-Anthologien<br />
von Neil Diamond<br />
gibt es zuhauf. Was<br />
also spricht für die<br />
neueste? In erster<br />
Linie, dass es sich<br />
erstmals um eine<br />
Label Lbl übergreifende Kompilation handelt.<br />
An früheren Zusammenstellungen war stets<br />
unbefriedigend, dass sie nicht Songs von<br />
allen drei Plattenfirmen, bei denen Diamond<br />
unter Vertrag war, enthielten oder<br />
dass versucht wurde, mit Live-Aufnahmen<br />
zu tricksen. Nun sind wirklich alle großen<br />
Hits (u.a. “Forever In Blue Jeans”, “I Am<br />
… I Said”, “Sweet Caroline”, “Song Sung<br />
Blue”) versammelt sowie die Originale<br />
von Songs, die durch andere Interpreten<br />
bekannt wurden: “I’m A Believer” (Monkees),<br />
“Red Red Wine” (UB 40), “Solitary<br />
Man” (Johnny Cash) und “Girl, You’ll<br />
Be A Woman Soon” (Urge Overkill). Ein<br />
weiterer Pluspunkt ist, dass auch ein paar<br />
unbekanntere Lieder, einige von Diamonds<br />
persönlichen Favoriten auf der Scheibe landeten,<br />
etwa das wunderbare, von Robbie<br />
Robertson produzierte “Beautiful Noise”<br />
oder das komplex-gospelige “Bro<strong>the</strong>r<br />
Love’s Traveling Salvation Show”. In den<br />
Liner-Notes gibt Diamond zu jedem der 23<br />
Songs persönliche Kurzkommentare ab.<br />
(Columbia/Sony <strong>Music</strong>, 2011,<br />
23/78:48) frs<br />
Pop<br />
MELANIE FIONA<br />
THE MF LIFE<br />
Melanie Fionas Debütalbum THE BRIDGE<br />
mit den Hits “Monday Morning” und dem<br />
genialen “Time Of The Season”-Remake<br />
“Give It To Me Right” war vielversprechend,<br />
doch zum Durchbruch in Deutschland<br />
reichte es leider nicht. Zweieinhalb<br />
<strong>Jahre</strong> ließ sie sich Zeit für die Produktion<br />
des neuen Albums THE MF LIFE. Aber<br />
auch diese verhältnismäßig lange Zeitspanne<br />
brachte nicht viel. Es gelang einfach<br />
nicht, für die gute Soulstimme auch<br />
gute Songs zu finden. Die Kompositionen<br />
sind ideenlos, der aufgesetzte Gesang (teilweise<br />
schwache Whitney-Hous<strong>to</strong>n-Nachahmungen)<br />
nervt, und zu allem Unheil<br />
kommt der Instrumentalteil vom Computer<br />
mit einer unangenehm scheppernden<br />
Drum-Machine. Auch balladeske Stücke<br />
wie “Gone And Never Coming Back” und<br />
“Bones” helfen nicht. Lediglich der Mini-<br />
Hit “4 AM” ragt etwas aus dem Einheitsbrei<br />
heraus. Sehr schade für eine Künstlerin,<br />
die beim SWR3-New-Pop-Festival in<br />
Baden-Baden 2009 derart überzeugte, dass<br />
man ihr einiges zutraute. Aber auch beste<br />
Performerqualitäten nützen nicht, wenn<br />
das Songmaterial unterirdisch ist. Schade.<br />
(SRC/Universal, 2012, 17/68:10) p<br />
NITS<br />
MALPENSA<br />
Auch wenn sie es<br />
nicht besonders feiern<br />
und eher als<br />
selbstverständlich<br />
ansehen, nicht jeder<br />
Band gelingt es, im<br />
Laufe ihrer Karriere<br />
so viele il Platten Pltt zu veröffentlichen – MAL-<br />
PENSA ist tatsächlich schon das 25. Album<br />
der Nits. Und erfreulicherweise beschränken<br />
sich Henk Hofstede, Robert Jan Stips und<br />
Rob Kloet keinesfalls darauf, ihre Ausnahmestellung<br />
im Pop-Business mit dem neuen<br />
Werk nur zu verwalten. Wie von Beginn an<br />
bleibt ihre Musik kompromisslos innovativ,<br />
lässt die Entdeckung neuer Horizonte zu,<br />
verarbeitet Einflüsse, die sie auf ihren langen<br />
Reisen aufgesogen haben. Dass sie es aktuell<br />
– trotz vermehrten Syn<strong>the</strong>sizer-Einsatzes –<br />
mit weniger Avantgarde als zuletzt angehen,<br />
dass sie größtenteils ruhig und getragen, fast<br />
schon altersweise melancholisch klingen,<br />
ist ein weiterer Beweis ihrer erfahrenen Gelassenheit.<br />
Thematisch geht es über Europa<br />
– ein Song widmet sich den Vorhängeschlössern<br />
der Verliebten der Kölner Hohenzollernbrücke<br />
– und New York bis zum Tahir-Platz<br />
in Kairo. Anspieltipp: ganz klar “Schwebebahn”,<br />
die auf Deutsch gesungene Hommage<br />
an Kraftwerk.<br />
(Global Satellite/Rough Trade, 2012,<br />
11/47:48) us<br />
JOHNNIE ALLAN<br />
LOUISIANA MAN<br />
Johnnie Allan, als John Allen Guillot 1938<br />
in Lousiana geboren und noch heute dort<br />
lebend, gehört – auch international – zu den<br />
bekanntesten Vertretern der Cajun-Musik.<br />
Zunächst spielte er traditionelle Cajun-<br />
Formen, aber als er 1956 Elvis Presley live<br />
erlebte, lief er zum Rock’n’Roll über, den<br />
er alsbald zum Sondergenre der Swamp-<br />
Pop-<strong>Music</strong> umformte. Das hatte den Vorteil,<br />
dass Allan unabhängig von wechselnden<br />
Moden „seine höchsteigene” Musik<br />
machen konnte, die – je nach Heraushebung<br />
einzelner Stilelemente – mal herzhaft-munter<br />
rock’n’rollig im Stil von Fats<br />
Domino, mal gediegen countryesk, mal<br />
tiefsüdlich bluesig klingt, innerhalb ihrer<br />
Möglichkeiten ein hohes Maß an Abwechslung<br />
bietet und aus guten Songvorlagen<br />
regelmäßig kleine Meisterwerke macht. So<br />
auch hier: LOUSIANA MAN, 1991 live in<br />
London aufgenommen, bringt Klassiker<br />
wie “Lonely Days, Lonely Nights”, “South<br />
To Louisiana”, “The Promised Land” und<br />
“Sweet Dreams”; dazu markante Tracks<br />
wie “Rubber Dolly”, “Sittin’And Thinkin’”<br />
oder “Opelousas Sostan”. Johnny Allan<br />
singt unverbraucht in Bestform, die Saxo-<br />
Seite 32 ■ <strong>GoodTimes</strong> 3/2012 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>