Trödler Ansichtskarten (Vorschau)
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BLICKPUNKT<br />
STEINGUT<br />
■ Wächtersbach<br />
Während die meisten der im 19. Jahrhundert<br />
gegründeten Steingutfabriken nach<br />
kurzer Blüte wieder in der Bedeutungslosigkeit<br />
versanken, hatte die Wächtersbacher<br />
Steingutfabrik beinahe 180 Jahre Höhen<br />
und Tiefen standgehalten. Die in den<br />
Brachtauen von Schlierbach gelegene<br />
Produktionsstätte würde in diesem Jahr<br />
ihren runden Geburtstag begehen, wäre<br />
das Werk nicht im Oktober letzten Jahres<br />
endgültig zur Stilllegung gezwungen worden.<br />
Nach 1900 war es zu einer riesigen<br />
Fabrik mit rauchenden Schornsteinen angewachsen.<br />
Sie stand für Fortschritt und<br />
Wohlstand und beschäftigte zu dieser Zeit<br />
allein 800 männliche Arbeiter. Heute existiert<br />
nur noch die Marke, gehalten von der<br />
„Könitz Gruppe" mit Turpin Rosenthal als<br />
Geschäftsführer. Als entscheidend für das<br />
Wachstum des Unternehmens hatte sich<br />
eine stetig fortschreitende technische und<br />
künstlerische Entwicklung erwiesen und<br />
diese ermöglichte eine industrielle Fertigung<br />
auf höchstem Niveau. Verschiedene<br />
Produktionsphasen brachten qualitativ<br />
hochwertige und in breiten Käuferschichten<br />
beliebte Objekte hervor, die recht früh-<br />
Deckeldose, Entwurf: Albin Müller um 1906, Golddekor, bogenartig angeordnete Tulpenblüten, spiralige<br />
Ornamente, H 19,5 cm (Museum für Angewandte Kunst Frankfurt, Inv.-Nr. 14567)<br />
Vase für langstielige Blumen, weinrot und lila<br />
glasiert, Entwurf: Joseph Maria Olbrich 1901, Dekor:<br />
Christian Neureuther 1902 (Institut Mathildenhöhe<br />
Darmstadt – Städtische Kunstsammlung)<br />
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zeitig eigene Sammlungsgebiete entstehen<br />
ließen. Das Interesse konzentrierte<br />
sich vor allem auf die Produktionsperiode<br />
des Max Roesler, auf Entwürfe von Mitgliedern<br />
der Darmstädter Künstlerkolonie,<br />
auf die Erzeugnisse der Kunstabteilung<br />
unter der Leitung Christian Neureuthers,<br />
der Schaffenszeit seines Nachfolgers<br />
Eduard Schweitzer bis zur Auflösung der<br />
Kunstabteilung Ende der 20er-Jahre und<br />
zeitlich noch weit darüber hinaus auf die<br />
Keramiken der Ursula Fesca.<br />
Die jeweils schönsten Exponate beheimatet<br />
die Museumslandschaft Hessen-<br />
Kassel entsprechend der Schwerpunkte<br />
ihrer Sammlungen. Die Staatlichen Museen<br />
Kassel verwahren insbesondere die<br />
Stücke des Historismus, das Institut Mathildenhöhe<br />
Darmstadt solche des Jugendstils,<br />
das Brachttal-Museum in Spielberg<br />
wartet derzeit, über ihre breit angelegte<br />
Sammlung hinaus, mit Stücken der<br />
20er-Jahre auf, das Vonderau-Museum in<br />
Fulda, das Lindenhof-Museum in Streitberg<br />
und noch das Heimatmuseum Wächtersbach<br />
stellen wertvolle Stücke aus der<br />
gesamten Produktionszeit aus. Lange galt<br />
die Publikation des Ehepaares Frensch<br />
aus den 70er-Jahren als die einzige Referenz<br />
für Wächtersbach Keramik, was zur<br />
Folge hatte, dass bis dato nicht identifizierte<br />
Stücke oft allzu leichtfertig über einen<br />
Form- und Dekorvergleich renommierten<br />
Künstlern zugeschrieben wurden.<br />
Erst in den letzten Jahren konnten drei weitere<br />
Veröffentlichungen mit neuen Erkenntnissen<br />
und Belegstücken aufwarten.<br />
Den ausführlichen Artikel „Wächtersbach –<br />
180 Jahre” (zehn Seiten, 27 Abbildungen) von<br />
Dr. Heide Rezepa-Zabel finden Sie in der aktuellen<br />
April-Ausgabe der Zeitschrift „Sammler Journal”<br />
(ab 26. März im Handel erhältlich)<br />
Kakaokanne, Entwurf: Christian Neureuther um<br />
1910 (Von Zezschwitz München, Auktion, Taxe 200<br />
Euro)