26.02.2014 Aufrufe

Der Bierstaedter Mai 2011

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Seite 10<br />

<br />

„Folgende Kurzgeschichte ist als Beitrag im<br />

Rahmen des Studientages 2010 am CVG entstanden."<br />

Achtung! <strong>Der</strong> folgende Text ist mitunter bewusst<br />

trashig und klischeehaft geschrieben,<br />

das heißt er trieft nur so vom übermäßigen<br />

Gebrauch von Stilmitteln, fremdinspirierten<br />

Phrasen und übertrieben pathetischen, pseudopsychologischen<br />

Reflexionsmonologen.<br />

Wer ein gehobeneres und reiferes Niveau<br />

wünscht, soll sich bitte mit einem Buch von<br />

Stefan Zweig oder so und einem Glas stillen<br />

Wasser vergnügen. Soviel dazu.<br />

Schicksalsschläge kündigen sich nicht an. Sie<br />

tauchen einfach auf und treffen einen blitzschnell<br />

und unerwartet wie die Kugel einer<br />

44er Magnum. Wie die meisten Dinge, die<br />

das Leben eines Mannes schlagartig und für<br />

immer verändern begann diese Geschichte<br />

mit einer Lady...<br />

Ich saß in meinem Büro in der 47ten und<br />

wollte mir einen gemütlichen Abend mit meinem<br />

Freund Jim Beam und einer Packung<br />

Filterloser machen, während der Regen unablässig<br />

an mein Fenster schlug wie die Tränen<br />

eines weinenden Gottes. Gerade als ich kurz<br />

davor war, einzunicken öffnete sich die Tür.<br />

Klienten verirrten sich immer seltener an den<br />

gottverlassenen Winkel der Welt, den ich meinen<br />

Arbeitsplatz nenne, weshalb ich zuerst<br />

glaubte es handle sich bei diesem späten Gast<br />

um meine Vermieterin, gekommen um mich<br />

endgültig aus diesem schäbigen Ort zu verbannen,<br />

doch stattdessen trat diese Lady aus<br />

dem Flur und in mein Leben. Sie würde mir<br />

einen Auftrag hinterlassen... Und ein schweres<br />

Herz... Sie betrat, sich nervös umsehend,<br />

mein kleines Büro und setzte sich vorsichtig,<br />

fast widerstrebend auf den Sessel gegenüber<br />

meinem Schreibtisch. Diese Frau wirkte etwas<br />

fehl am Platz, denn trotz ihres billigen Parfüms,<br />

der freizügigen Kleidung und der übertriebenen<br />

Schminke (alles Merkmale einer billigen<br />

Prostituierten) lag in ihrer Gestalt, in<br />

ihrem Gesicht, in ihren Augen etwas, was<br />

man in dieser Stadt kaum mehr antraf: Wahre<br />

Eleganz, ja ich würde fast schon sagen, dass<br />

sie eine Aura der Grazie umgab, die in einem<br />

heruntergekommenen Büro eines ebenso heruntergekommenen<br />

Detektivs fast schon wie<br />

Ironie wirkte.<br />

„Je später der Abend umso schöner die<br />

Gäste...“, seufzte ich. Meine Bemerkung<br />

ignorierend, antwortete sie kurz: „Sie sind<br />

doch dieser bezahlte Schnüffler, nicht wahr?“<br />

„Ich bevorzuge den Terminus Private Eye.<br />

Spucken Sie aus was Sie wollen und verschwenden<br />

Sie nicht meine Zeit.“<br />

„Ach, wie ich sehe sind Sie gerade<br />

schwer beschäftigt.“ Sie linste auf die halbleere<br />

Flasche. „Hören Sie, wenn Sie mit allen<br />

Ihren Klienten so umspringen, wundert es<br />

mich nicht, dass Sie Ihre Abende allein verbringen<br />

müssen.“<br />

„Wenn Sie etwas bräuchten, was man<br />

mit Freundlichkeit und einem Lächeln erreichen<br />

kann, dann hätten Sie’s wahrscheinlich<br />

selbst gemacht.“<br />

„Natürlich.“ Das arme Mädchen blickte<br />

betreten zu Boden. „Tut mir leid. Sie müssen<br />

mir... oder besser uns helfen. Eine meiner...<br />

Kolleginnen, Amanda Black ist vor 3 Tagen<br />

Kurzgeschichte<br />

FILM-NOIR<br />

Von Severin Spies<br />

verschwunden. Spurlos, ohne einen einzigen<br />

Hinweis auf ihren Verbleib. Hier, ein Photo.“<br />

Sie reichte mir ein Schwarzweißbild einer<br />

typischen Arbeiterfamilie: <strong>Der</strong> Vater verwahrlost<br />

und leer in die Kamera starrend, die<br />

Hände schlaff auf der uralten, zu kurzen<br />

Sonntagshose, die Mutter mit stolzem Blick,<br />

der aber dennoch nicht über ihre Verzweiflung<br />

hinwegtäuschen konnte, und dazwischen, aus<br />

einem Schwarm von Kindern mit offenen<br />

Mündern und ernstem Blick herausragend<br />

Amanda, als einzige leicht lächelnd. Hoch<br />

gewachsen, bräunliche Haut, weiße Zähne,<br />

schwarzes Haar.<br />

„Tut mir leid, Miss, aber ich mache diese<br />

Art von Job nicht mehr. Gehen Sie zur Polizei.“<br />

Was mir Angst machte, war nicht, wie<br />

leicht mir diese Worte über die Lippen gingen.<br />

Was mir Angst machte war, dass ich mich<br />

nicht mal mehr dafür schämte dieses bedauernswerte<br />

Geschöpf so einfach wegzuschicken.<br />

Vielleicht war es gerade ihre Unschuld,<br />

ihr scheinbar hilfloses Wesen, das mir so grausam<br />

den Spiegel vorhielt, das mir so unbarmherzig<br />

vor Augen führte, was aus mir geworden<br />

war. Sie blickte mich fassungslos an, was<br />

alles nur noch schlimmer machte.<br />

„Aber da waren wir doch schon! Sie<br />

haben ein Protokoll aufgenommen und das<br />

war alles! Können Sie sich das vorstellen?<br />

Die haben noch nicht mal so getan als würde<br />

sie die Sache interessieren! Bitte, sie müssen<br />

mir helfen!“ Das Mädchen lehnte sich in<br />

einem verzweifelten Akt der Selbsterniedrigung<br />

lasziv zu mir vor. Es hatte anscheinend<br />

seine erste Lektion über Zivilcourage und<br />

Hilfsbereitschaft im Westviertel gelernt. Die<br />

Stadt würde sie schon noch abhärten und<br />

alles Naive und Kindliche in ihr abtöten und<br />

auf dem großen Altar der Gosse opfern. Was<br />

konnte ich schon tun? Aber diese Augen, dieses<br />

Haar, ihre weiche Stimme... Sie erinnerte<br />

mich mehr und mehr an Kate. An eine Zeit,<br />

als die Dinge noch anders waren, an meine<br />

Zeit bei der Polizei, an eine Zeit, in der ich<br />

noch glauben und hoffen konnte. Allein schon<br />

Kate zuliebe. Mein Gegenüber riss mich aus<br />

meinen wirren Gedanken.<br />

„Aber Mister! Sie sind unsere letzte<br />

Hoffnung, wir wissen nicht was wir sonst noch<br />

tun sollen! Glauben Sie mir, ich habe vielleicht<br />

nicht viel Geld, aber... es soll ihr<br />

Schaden nicht sein.“<br />

„Hören Sie...“ Ich überlegte einen<br />

Moment ob ich die Farce einer Rechtfertigung<br />

aufrechterhalten sollte, ließ es aber doch lieber<br />

bleiben.<br />

„Es tut mir leid.“ war alles was ich herausbrachte.<br />

Und nicht mal das war ehrlich<br />

gemeint.<br />

Sie legte mir einen Zettel auf den Schreibtisch.<br />

„Wie Sie wollen. Hier, meine Adresse.<br />

Sie werden sie brauchen. Auf Bald!“<br />

Ich nahm den Zettel, zerknüllte ihn und<br />

versenkte ihn im Mülleimer zwischen Zigarettenstummeln,<br />

leeren Verpackungen und jeder<br />

Menge Papierkram.<br />

„Ich meine es ernst, Sie brauchen...“<br />

Doch bevor ich meinen Satz beenden<br />

konnte, war sie schon entschwunden, als<br />

wäre sie nie da gewesen. Wie ein flüchtiger<br />

Traum, ein Gedanke, Erinnerungen, nach denen<br />

man sich fragt, ob sie tatsächlich stattgefunden<br />

haben. Wie um mich zu versichern,<br />

dass diese Lady tatsächlich kein Traumbild<br />

war, hob ich die Rollladen ganz leicht an und<br />

schielte auf die Straße. Tatsächlich, da stand<br />

sie noch, im fahlen Licht einer Straßenlaterne.<br />

Die Dame war es wohl gewohnt, dass ihr<br />

Männer hinterher sahen, denn wie selbstverständlich<br />

drehte sie sich auf dem Trottoir um<br />

und winkte mir lächelnd zu. Dann packte sie<br />

ihr adrettes Schirmchen aus und verschmolz<br />

mit der anonymen, grauen Masse, die sich<br />

hektisch über den Gehweg walzte.<br />

Ich blieb noch eine Weile am Fenster stehen<br />

und ließ meinen Blick über die Dächer<br />

schweifen. <strong>Der</strong> Begriff „Stadt“ schien mir für<br />

diesen Moloch fast schon euphemistisch. Für<br />

mich bedeutet das Wort „Stadt“ ein Ort, an<br />

dem Menschen leben. Hier existierten die<br />

meisten bloß. Im Kino haben sie mal so einen<br />

Büffel gezeigt, der in seinem eigenen Unrat<br />

langsam und stöhnend verreckt. Jedes mal<br />

wenn ich seitdem aus diesem Fenster blicke<br />

muss ich an dieses Tier denken, und dann wirken<br />

all diese kleinen Punkte auf der Straße,<br />

die sich von A nach B bewegen wie kleine<br />

Maden, die sich wimmelnd am Fleisch des<br />

Rindes laben, unwissend, dass sie letztendlich<br />

verdammt sind ebenso elendiglich zu verrecken<br />

wie ihr Wirt. Angewidert wandte ich<br />

mich ab, mit dem Bewusstsein, dass ich kein<br />

Stück anders war.<br />

An jenem Abend habe ich viel nachgedacht,<br />

noch mehr als sonst, über diese Lady,<br />

über mich, wer ich war, wer ich einst gewesen<br />

bin, über Kate.<br />

Naja und dann hab ich diesen Zettel aus<br />

dem Müll gefischt. Nur aus reinem Interesse,<br />

wollte nur mal wissen, wo sie so wohnte.<br />

Tenpenny Avenue. Ein weiterer Schauplatz<br />

aus meiner Zeit bei der Polizei. Ne ganze<br />

Familie. Das jüngste Kind war gerade mal 5.<br />

Schreckliche Sache, damals. Heutzutage liest<br />

man so was ja fast täglich in der Zeitung.<br />

Einer der Gründe, warum ich mich schließlich<br />

selbstständig gemacht hab.<br />

Genaugenommen ist man doch in dieser<br />

Welt der Dumme, wenn man einer komplett<br />

Fremden einfach so aus Gutmütigkeit hilft.<br />

Hehre Ideale, mein Gott, das war vielleicht<br />

mal. Die Welt hat sich weiterbewegt. In einer<br />

modernen Welt gibt es andere Tugenden:<br />

Kaltblütigkeit, Gerissenheit, Selbsterhaltungstrieb,<br />

so was eben. <strong>Der</strong> Kluge schaut auf sich<br />

selbst zuerst. Jedem vernünftigen Menschen<br />

ist das klar.<br />

Ich seufzte, nahm Hut und Trenchcoat<br />

vom Haken und machte mich auf. Zur Tenpenny<br />

Avenue waren es von hier aus gerade<br />

mal 10 Minuten. Ich wusste dass ich diese<br />

Entscheidung noch bereuen würde, aber mein<br />

ganzes Leben hatte bis zu diesem Zeitpunkt<br />

nur aus einer Aneinanderreihung von Fehlern<br />

bestanden. Mittlerweile glaubte ich, dass es<br />

sowieso keine Rolle mehr spielte. Ich hatte<br />

nie wirklich die Wahl gehabt.<br />

Anzeigen<br />

PPP: PITTIS POSTAUS PORTUGAL<br />

Hallo Kulmbach, seid Ihr gut drauf?<br />

Grönemeyer hat eine neue Platte. Die ist<br />

ziemlich gut. Vielleicht fragt Ihr Euch jetzt:<br />

Was soll das? Ich bin mit Grönemeyer aufgewachsen,<br />

habe zuerst das Album „Bochum“<br />

gehört, dann „Sprünge“ 1986. Da war ich<br />

15. Mein zweites Konzert auf der dazugehörigen<br />

Tournee. Das erste war die Spider Murphy<br />

Gang in der Hofer Freiheitshalle<br />

1985: unvergesslich. Seitdem<br />

sind ein paar hundert dazugekommen,<br />

aber darum soll es<br />

heute nicht gehen.<br />

Grönemeyer und seine Musik<br />

begleiten mein Leben. Als Teenager<br />

waren diese bedeutungsvollen<br />

Texte, die außergewöhnliche,<br />

oft schwer kategorisierbare<br />

Musik noch viel faszinierender<br />

als heute. Er behandelt immer<br />

die großen Themen: Liebe, Tod,<br />

Eifersucht, Diskriminierung, Heimweh,<br />

Fernweh, die Deutsche Einheit, Krieg,<br />

die ganze Welt aus der Sicht eines Deutschen.<br />

Darum mögen ihn auch so viele. Jeder<br />

Mensch im Ausland wundert sich ein bisschen,<br />

warum gerade Grönemeyer der erfolgreichste<br />

deutsche Musiker ist. Nicht besonders<br />

attraktiv, nicht besonders charismatisch,<br />

nicht gerade die schönste Stimme, nicht<br />

besonders humorvoll, aber immer authentisch;<br />

einer von uns, dem das Schicksal trotz<br />

aller Millionen auf dem Konto nicht immer<br />

gut mitgespielt hat. Einer, mit dem wir uns<br />

identifizieren, wenn er über den Tod seiner<br />

Frau, über Soldaten in Afghanistan, über<br />

Kinder oder Neonazis singt.<br />

Wenn ich zu Hause bin, höre ich Grönemeyer<br />

kaum noch. Ist nicht mehr wirklich<br />

mein Stil, oftmals zu ernst, zu wenig rockig,<br />

nervt manchmal ein bisschen. Aber jetzt ist<br />

mir wieder aufgefallen, dass ich bei meinem<br />

letzten Auslandsaufenthalt als Student in<br />

England 1995 oft in meinem kleinen, kalten<br />

Zimmer gesessen und Grönemeyer gehört<br />

habe, genauso wie gestern Abend hier in<br />

Portugal. Das neue Album. „Schiffsverkehr“.<br />

Und danach stundenlang alte Videos auf<br />

Youtube. Das Medium hat sich geändert,<br />

aber die Musik ist geblieben. Das ist immer<br />

ein Stückchen Heimat, die vertraute Stimme,<br />

die typisch deutschen Themen, die Nostalgie,<br />

Verkaufsoffener Sonntag bei Reiner WohnSinn<br />

Hoch ging es her, als Reiner Späth (Reiner<br />

WohnSinn) zum verkaufsoffenen Sonntag<br />

die beiden Vollblutmusiker LeRoy und Hecy<br />

aufspielen ließ. Die beiden ließen sich auch<br />

nicht lange bitten und spielten sogar , als sie<br />

vom Geburtstag Thomas Weiß’ gehört hatten,<br />

der zu diesem Anlass mit seiner Wurstküche<br />

angerückt war, ein „besonderes“<br />

Ständchen, das dieser mit Sicherheit nicht<br />

vergessen wird. Zahlreiche Passanten blieben<br />

stehen und lauschten den gekonnten Klängen,<br />

die in Kulmbach ansonsten nur anlässlich<br />

der Saurier-Stammtischabende erklingen<br />

– oder in diesem besonderen Falle – am<br />

27.05. um 19.00 Uhr im Bockela, wenn<br />

LeRoy mit seinen bluesigen, swingigen und<br />

fränkischen Liedern mitunter das Zwerchfell<br />

zum Beben bringen wird.<br />

das Erinnern an die Jugendzeit und das<br />

Wissen, der Mann ist eine Konstante. Er<br />

kommt immer wieder, er ist immer da, wir<br />

können uns auf ihn verlassen. Vielleicht mögen<br />

wir Grönemeyer so, weil er der deutscheste<br />

Künstler ist, den wir haben.<br />

Einer meiner besten Freunde hat schon<br />

gefragt, ob ich dieses Jahr mit zum Konzert<br />

komme. Wird leider nicht klappen, aber in<br />

Gedanken bin ich dabei. Von der Freiheitshalle<br />

in Hof ins Olympiastation in München.<br />

Und als wir das letzte Mal 2007 dort waren,<br />

da kam dieses Gemeinschaftsgefühl auf. Wir<br />

sind mit Grönemeyer älter geworden, haben<br />

Haare verloren, Kinder bekommen, Familien<br />

gegründet, studiert, einen Job bekommen,<br />

Autos gekauft. Und immer war Grönemeyer<br />

irgendwie mit dabei. Mal mehr, mal weniger.<br />

Ist aber gut zu wissen.<br />

In diesem Sinne: Hört Euch mal das neue<br />

Album von Grönemeyer an. Ist ziemlich gut.<br />

Euer Pitti<br />

Für bestimmte Gebiete<br />

Austräger gesucht: Tel.: 09221 - 67495<br />

Ihr Inserat 4 Wochen im Internet: www.bierstaedter.de

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!