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Der Bierstaedter Mai 2011

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Seite 4<br />

<br />

VOM ABZEICHEN ZUM SAMMLEROBJEKT<br />

Von Wolfram Gittel<br />

Zinn ist ein weiches Material, das bei 232<br />

Grad Celsius schmilzt. Dadurch ist es sehr<br />

leicht zu handhaben. Kein Wunder, dass daraus<br />

schon sehr bald Teller und Trinkgefäße<br />

gefertigt wurden. Die ältesten erhaltenen<br />

Gegenstände aus Zinn sind etwa 2000 Jahre<br />

alt. Rasch fand es auch Eingang in den Pilgerbetrieb<br />

des Mittelalters. Mit ihm konnte<br />

man sehr leicht Pilgerabzeichen in großer<br />

Zahl herstellen. Zinn in Formen gegossen ergab<br />

Figuren von Heiligen und von Tieren.<br />

Es war vermutlich der Spieltrieb von<br />

Kindern, der letztlich die Zinnfigur zu dem<br />

machte, was sie heute ist. Denn mit den flachen<br />

Figuren konnte man trefflich spielen.<br />

Aus dem Jahre 1578 stammt die erste<br />

Erwähnung, dass Zinngießern erlaubt wurde,<br />

Kinderspielzeug herzustellen.<br />

Es waren allerdings zunächst die<br />

Sprösslinge des Adels, die in den Genuss dieser<br />

neuen Möglichkeiten kamen. Da vornehmlich<br />

Einzelstücke erstellt wurden, waren<br />

diese entsprechend teuer. Im 18. Jahrhundert<br />

setzte die Großproduktion von Zinnfiguren<br />

in sog. Offizinen ein. Schlicht gravierte<br />

Formen brachten steif wirkende Figuren<br />

hievor. Doch war das unerheblich. Wichtiger<br />

als Detailgenauigkeit war die Aktualität.<br />

Figuren für aktuelle politische Ereignisse herausgebracht,<br />

sicherten den Herstellern gute<br />

Geschäfte. So konnte es nicht ausbleiben,<br />

dass die Zinnfigur in der Zeit der napoleonischen<br />

Kriege einen wahren Boom erlebte.<br />

Man konnte mit den kleinen Soldaten zu<br />

Hause die Schlachten nachstellen.<br />

Zu den militärischen Motiven gesellten<br />

sich immer mehr auch zivile Figuren und Figurengruppen.<br />

So entstanden neben Weihnachtskrippen<br />

auch Miniaturbauernhöfe,<br />

oder verschiedene Alltagsszenerien. Die Zinnfigur<br />

erzählte immer mehr über das Leben<br />

überall auf der Welt.<br />

Einen wesentlichen Schritt auf dem Weg<br />

zur heutigen Zinnfigur machte um 1848 die<br />

Firma Heinrichsen aus Nürnberg. Sie produzierte<br />

ihre Zinnfiguren in einer Höhe von<br />

3 Zentimetern und grundsätzlich als Flachfigur.<br />

Denn neben den heute am weitest verbreiteten<br />

Flachfiguren gab es auch stets die<br />

Vollfiguren, die aber mit Abstand mehr Zinn<br />

verbrauchten und daher auch wesentlich<br />

kostspieliger waren. Verpackt waren die<br />

Normfiguren in Spanschachteln und wurden<br />

nach Gewicht verkauft. <strong>Der</strong> Inhalt der<br />

Schachteln wurde von den Firmen vorgegeben.<br />

Es waren also quasi „Wundertüten“.<br />

Keiner hat so genau gewusst, was da eigentlich<br />

drin war.<br />

Diese „Nürnberger Größe“ wurde 1924<br />

als internationale Norm anerkannt. In diesem<br />

Jahr wurde auch der Deutsche Zinnfigurensammlerbund<br />

„Klio“ gegründet. Denn seit<br />

Beginn des 20 Jahrhunderts rückte die kleine<br />

Figur immer mehr in das Interesse von<br />

Sammlern. Dies führte dazu, dass Detailgenauigkeit<br />

eine immer größere Rolle spielte.<br />

So muss bei Uniformen jeder Knopf an der<br />

richtigen Stelle sein. Jede Falte eines Kleides<br />

muss so fallen wie es der Realität entspricht.<br />

Das gilt in gleicher Weise für die Bemalung.<br />

Waren ursprünglich die Fabrik-Figuren sehr<br />

einfach coloriert, genügte das den Sammlern<br />

bald nicht mehr. Auch hier muss alles dem<br />

historischen Vorbild getreu sein. So wurden<br />

die kleinen Figuren zu Kostbarkeiten, die sich<br />

in jedem Wohnzimmerschrank gut machen.<br />

So klein eine Zinnfigur auch sein mag, so viel<br />

Kunstfertigkeit steckt darin. Vor der Figur<br />

steht der Entwurf. Er ist bereits ausschlaggebend<br />

für die Qualität des Endproduktes. Je<br />

feiner er gestaltet ist, desto hochwertiger<br />

wird die Figur. Die Zeichnung zeigt die Figur<br />

einmal von der Vorderseite und einmal von<br />

der Rückseite. Dann ist tage-, oft wochenlange<br />

Präzisionsarbeit angesagt. Die Form wird<br />

aus einem Schieferblock mittels Sticheln herausgearbeitet.<br />

Ein Block zeigt wieder die<br />

Vorderseite, der andere die Rückseite. Diese<br />

müssen so gestaltet sein, dass die Gravuren<br />

exakt aufeinander passen. Da das einfließende<br />

Zinn die vorhandene Luft vertreibt, werden,<br />

später leicht entfernbare, Gieß- und<br />

Ihre besondere Wirkung entfalten sie<br />

aber in „Dioramen“, kleinen Kulissen also, in<br />

den Szenen nachgebaut werden. Dioramen<br />

können die Größe einer kleinen Schachtel<br />

besitzen, oder, wie im Zinnfigurenmuseum<br />

auf der Plassenburg, bis 20 Quadratmeter<br />

Fläche einnehmen.<br />

EINE ZINNFIGUR ENTSTEHT<br />

Luftkanäle eingearbeitet. Sodann wird die<br />

Form zusammengesetzt. In einem Ofen wird<br />

das Zinn verflüssigt und mittels einer Kelle in<br />

die Form gegossen. Ist das Material erkaltet<br />

wird die Form, die Spannung steigt: „Wie<br />

wird das Resultat aussehen?“, auseinander<br />

genommen. Nachdem die Guss-Reste sorgfältig<br />

entfernt sind, kann die Figur bemalt werden.<br />

Nach der Grundierung folgt der eigentliche<br />

Farbauftrag, exakt und ebenfalls zeitintensiv,<br />

nach dem etwaigen Vorbild.<br />

Wie viel Arbeit in einem Diorama stecken<br />

kann, zeigt das größte Diorama auf der<br />

Plassenburg, mit mehr als 19 000 Figuren,<br />

alle auf die beschriebene Weise entstanden.<br />

WOG<br />

Im Gegensatz zu ihrer mittelalterlichen Vorgängerin,<br />

die der hl. Elisabeth und dem Leib<br />

Christi geweiht war, ist die Heilige Dreifaltigkeit<br />

der Patron der gegenwärtigen Schlosskirche.<br />

Nach der Zerstörung der Plassenburg im<br />

Bundesständischen Krieg erstand auch das<br />

Gotteshaus unter dem Markgrafen Georg<br />

Friedrich zu Brandenburg (* 1539 † 1603)<br />

wieder aus der Asche. Bald nach Baubeginn<br />

hatte Herzog Christoph von Württemberg<br />

1563 seinem Schwager Georg Friedrich den<br />

Baumeister Alberlin Tretsch, der damals den<br />

Bau des Alten Schlosses in Stuttgart leitete,<br />

nach Kulmbach geschickt. Dieser sollte die<br />

Baufortschritte auf der Plassenburg begutachten<br />

und nahm Einfluss auf die Planung der<br />

Kulmbachs STARKe Geschichte<br />

Ein Besuch in der Schlosskirche auf der Plassenburg<br />

Schlosskirche, die ebenso wie ihr Stuttgarter<br />

Vorbild, als Querhauskirche gebaut wurde.<br />

Das Raumkonzept mittelalterlicher Kirchen<br />

sah als Standort der Kanzel – also den<br />

Ort, wo Gottes Wort verkündet wurde – einen<br />

Wandabschnitt in der Mitte des Langhauses<br />

vor. Die evangelische Lehre und Liturgie stellt<br />

das Wort Gottes in den Mittelpunkt des<br />

Gottesdienstes. Deshalb wurde beim Konzept<br />

der Querhauskirche, das sich in der Kirche im<br />

Alten Schloss in Stuttgart zum ersten Mal<br />

angewendet findet, der Altar in unmittelbarer<br />

Nähe des traditionellen Kanzelstandortes aufgestellt.<br />

In Stuttgart wurde der Altar in einen<br />

an der Breitseite des Langhauses angebauten<br />

Chor gestellt. Auf der Plassenburg war dies<br />

aufgrund des Bauplatzes nicht möglich, weswegen<br />

der Altar ursprünglich an der Ostwand<br />

unter den Fenstern aufgestellt war.<br />

Spätestens 1569 war die Kirche im Rohbau<br />

fertig gestellt. 1574/75 ließ Markgraf<br />

Georg Friedrich den Kirchenraum noch einwölben.<br />

Es war ein großer, schlichter und<br />

saalartiger Kirchenraum mit einer einfachen,<br />

hohen und unbemalten Holzempore entstanden.<br />

<strong>Der</strong> an der Ostseite aufgestellte Altar<br />

sollte nach dem Willen des Fürsten aus<br />

einem großen Tafelbild bestehen, auf dem er<br />

zu Füßen eines Kruzifixes sich selbst und seinen<br />

Vater, Markgraf Georg den Frommen<br />

(* 1484 † 1543), kniend, in schwarzen<br />

Mänteln und mit zum Gebet erhobenen Händen<br />

dargestellt haben wollte.<br />

Einen ersten großen Umbau gab es<br />

schon rund 50 Jahre später unter dem Markgrafen<br />

Christian zu Brandenburg (* 1581<br />

† 1655). Wahrscheinlich wurde schon<br />

damals die Konzeption als Querhauskirche<br />

aufgegeben. <strong>Der</strong> Markgraf ließ unterhalb der<br />

alten Empore eine weitere Etage einziehen<br />

und beide Stockwerke mit der heute wieder<br />

sichtbaren Akanthunsmalerei auf grünem<br />

Grund bemalen. <strong>Der</strong> heutige Altar wird im<br />

wesentlichen Christians Hofbildhauer Abraham<br />

Graß (* ca. 1592 † 1633) zugeschrieben.<br />

Ursprünglich als Kanzelaltar erbaut, erhielt<br />

er seine heutige Gestalt in der Zuchthauszeit<br />

des 19. Jahrhunderts.<br />

Im 18. Jahrhundert wurde die Kirche<br />

barock überarbeitet. Die Emporen erhielten<br />

einen weißen Ölfarbenanstrich mit goldenen<br />

Leisten und „künstlichem Laubwerk". Auch<br />

wurden verschiedene „Kirchenstuhl-Beschläge“<br />

in die Emporen eingebaut. <strong>Der</strong> Kirchenstuhl<br />

des Festungskommandanten konnte sogar<br />

mit einem kleinen Ofen beheizt werden.<br />

Im 19. Jahrhundert wurde das Gotteshaus<br />

als Zuchthauskirche benutzt. Weil in<br />

der Plassenburg sowohl ein evangelischer als<br />

auch ein katholischer Zuchthausgeistlicher<br />

Dienst tat, musste die Kirche für Gottesdienste<br />

beider Konfessionen tauglich sein.<br />

Um 1860 wurde deshalb der alte Kanzelaltar<br />

in seine heutige Gestalt gebracht. Die<br />

heutige Orgel aus der Werkstatt des Bayreuther<br />

Orgelbauers Johann Wolf († 1911)<br />

stammt aus der Zeit um 1890. Sie hat 540<br />

Pfeifen und 9 Register.<br />

Zur alten Ausstattung der Kirche gehören<br />

auch die drei heute an der Ostwand des<br />

Raumes aufgehängten Gemälde. Sie werden<br />

dem Maler Johann Keil d. Ä. (gen. 1637 †<br />

vor 1668) zugeschrieben und stellen die<br />

„Anbetung der Hirten“, die „Bekehrung Pauli“<br />

und die „Abnehmung Christi vom Creutz“<br />

dar. Ein weiteres Bild, das ehemals in der<br />

Schlosskirche hing, ist seit 2002 im zweiten<br />

Markgrafenzimmer ausgestellt: Die „Allegorie<br />

der angefochtenen Seele".<br />

Nach dem Zweiten Weltkrieg war die<br />

Kirche lange Zeit geschlossen. Die Orgel war<br />

während des Krieges ihrer Metallteile beraubt<br />

worden, dem Brennholzmangel im Flüchtlingslager<br />

Plassenburg hatte man teilweise<br />

mit dem Verfeuern des Kirchengestühls auszuhelfen<br />

versucht. Erst durch eine durchgreifende<br />

Restaurierung in den Jahren 1981 bis<br />

1985 war es möglich, die Schlosskirche in<br />

die Führungslinie durch die staatlichen Museen<br />

einzubinden. Bis 1993 fanden in den<br />

Sommermonaten auch regelmäßige Sonntags-Andachten<br />

in dem Gotteshaus statt.<br />

Heute ist sie vor allem eine beliebte Hochzeitskirche.<br />

Besonders erwähnenswert ist die gewölbte<br />

Decke. An den Gewölbekonsolen sind<br />

auf jeder Seite sechs Wappenschilder zu<br />

sehen, welche die Wappenfelder des damaligen<br />

Regenten darstellen. An der Mittelrippe<br />

sind die Symbole der damals bekannten sieben<br />

Planeten samt Sonne und Mond angebracht.<br />

An den beiden Schmalseiten des Kirchenschiffes<br />

schaut unterhalb des Gewölbescheitels<br />

das Antlitz des Markgrafen Georg<br />

Friedrich auf die Kirchenbesucher herab.<br />

Harald Stark<br />

Blick in die Schlosskirche<br />

Das Antlitz Markgraf Georg Friedrichs, des<br />

Bauherrn von Schloss und Kirche<br />

Die Bekehrung des Saulus. ein Werk des für Markgraf Christian in Bayreuth tätigen Malers Johann Keil<br />

d. Ä.<br />

Am Pfingstsonntag gibt es auf der Plassenburg eine Sonderführung in der Schlosskirche<br />

mit anschließender Pfingstandacht:<br />

So. 12.06. Pfingstsonntag 14.15 Uhr „Dies ist das Kirchlein so geweiht der Heiligen<br />

Dreifaltigkeit ..."<br />

Führung in der Schlosskirche der Plassenburg. Treffpunkt in der Schlosskirche.<br />

Im Anschluss Pfingst-Andacht mit Dekan Jürgen Zinck<br />

Ihr Inserat 4 Wochen im Internet: www.bierstaedter.de

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