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Statement herunterladen (pdf) - Evangelische Kirche in Deutschland

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Orig<strong>in</strong>altext<br />

Herausgegeben<br />

von der Pressestelle<br />

der <strong>Evangelische</strong>n<br />

<strong>Kirche</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> (EKD)<br />

Herrenhäuser Str. 12<br />

30419 Hannover<br />

Tel.: (0511) 2796-264/268<br />

Fax: (0511) 2796-777<br />

Sperrfrist: Montag, 27. Januar 2014, 12:00 Uhr<br />

Achtung! Es gilt das gesprochene Wort<br />

Hans-Jürgen Papier<br />

Vorsitzender der Kammer für Öffentliche Verantwortung<br />

der <strong>Evangelische</strong>n <strong>Kirche</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> (EKD)<br />

Berl<strong>in</strong>, 27. Januar 2014<br />

<strong>Statement</strong> auf der Pressekonferenz zur Vorstellung des Textes<br />

„,Selig s<strong>in</strong>d die Friedfertigen‘ – Der E<strong>in</strong>satz <strong>in</strong> Afghanistan:<br />

Aufgaben evangelischer Friedensethik“<br />

Der Ratsvorsitzende sprach davon, dass die Stellungnahme der Kammer e<strong>in</strong>e grundsätzliche<br />

friedensethische Orientierung ermöglichen soll. Im Text der Stellungnahme selbst werden Sie<br />

allerd<strong>in</strong>gs e<strong>in</strong>e ausführliche, im engeren S<strong>in</strong>ne theologische Reflexion vergeblich suchen. Als<br />

Referenzpunkt und Maßstab dient vielmehr die Friedensdenkschrift der EKD aus dem Jahr 2007. Die<br />

Denkschrift entwickelt das Leitbild des „Gerechten Friedens“ <strong>in</strong> ebenso e<strong>in</strong>fachen wie klaren und<br />

überzeugenden Maximen: Recht stiftet Frieden; wer den Frieden will, muss den Frieden vorbereiten;<br />

der „Gerechte Friede“ ist ausgerichtet am vorrangigen Paradigma der Gewaltlosigkeit; Friede ist<br />

ausgerichtet an menschlicher Sicherheit und menschlicher Entwicklung; militärische Gewalt hat als<br />

„rechtserhaltende Gewalt“ ihren ausschließlichen Ort als „ultima ratio“, legitimiert durch e<strong>in</strong> Mandat der<br />

<strong>in</strong>ternationalen Geme<strong>in</strong>schaft. Dieses Leitbild des „Gerechten Friedens“ ist tief verankert <strong>in</strong> der<br />

biblischen Überlieferung. Es lebt davon, dass der Friede Gabe Gottes ist und erst von dieser<br />

ursprünglichen Gewährung her menschlicher Auftrag se<strong>in</strong> kann.<br />

Der Rat der EKD hat, wie vom Ratsvorsitzenden erläutert, die Kammer beauftragt, dieses Leitbild des<br />

„Gerechten Friedens“ <strong>in</strong> Beziehung zu setzen zum deutschen E<strong>in</strong>satz <strong>in</strong> Afghanistan. Die Kammer hat<br />

diesen Auftrag unter den folgenden Leitfragen bearbeitet:<br />

1. Inwiefern kann die deutsche Beteiligung - gemessen am Leitbild des „gerechten Friedens“ und an<br />

den mit diesem Leitbild verknüpften friedensethischen Pr<strong>in</strong>zipien und Kriterien - als legitim bezeichnet<br />

werden?<br />

Und haben sich 2. das Leitbild, die Pr<strong>in</strong>zipien und Kriterien im Licht der Erfahrungen dieses E<strong>in</strong>satzes<br />

bewährt oder müssen sie fortgeschrieben werden?<br />

E<strong>in</strong>e besondere Herausforderung dieses Arbeitsprozesses bestand auch dar<strong>in</strong>, die Exponenten<br />

unterschiedlicher friedensethischer Optionen und Überzeugungen <strong>in</strong>nerhalb der Kammer mite<strong>in</strong>ander<br />

im Gespräch zu halten. E<strong>in</strong>en Reflex dieses <strong>in</strong>tensiven Gesprächsprozesses erkennen Sie dar<strong>in</strong>, dass<br />

wir e<strong>in</strong>erseits e<strong>in</strong>en die unterschiedlichen Positionen verb<strong>in</strong>denden tragfähigen Konsens vorlegen<br />

können, dass wir andererseits aber an e<strong>in</strong>igen Punkten die Spannung und Bandbreite der Positionen<br />

auch <strong>in</strong>nerhalb des Textes abgebildet haben, <strong>in</strong>dem argumentative Weichen e<strong>in</strong>gestellt wurden. Sie<br />

werden bei genauer Lektüre feststellen, dass diese Weichen <strong>in</strong> unterschiedlicher Weise e<strong>in</strong>e<br />

sozusagen klassische Alternative evangelischer Ethik wiedergeben. Auf der e<strong>in</strong>en Seite dieser<br />

Alternative f<strong>in</strong>det sich die Überzeugung von e<strong>in</strong>er klaren normativen Ausrichtung an Leitbild,<br />

E-Mail: pressestelle@ekd.de - Internet: http://www.ekd.de


Pr<strong>in</strong>zipien und Kriterien, auf der anderen Seite die Option für e<strong>in</strong> stärker an der Situation und ihren<br />

komplexen Anforderungen orientiertes ethisches Urteil.<br />

Auf e<strong>in</strong>e detaillierte Wiedergabe der Inhalte des Textes muss ich an dieser Stelle verzichten und mich<br />

darauf beschränken, zum e<strong>in</strong>en den klaren Konsens der Kammer zu beschreiben und zum anderen<br />

die wesentlichen Weichenstellungen. Zum Abschluss werde ich kurz auf die <strong>in</strong> der Schlussbemerkung<br />

des Textes genannten Anregungen zur Weiterarbeit e<strong>in</strong>gehen.<br />

1. Zur Frage der Legitimität des E<strong>in</strong>satzes anhand der Kriterien der Friedensdenkschrift:<br />

Unstrittig ist, dass der ISAF-E<strong>in</strong>satz völkerrechtlich durch e<strong>in</strong>e UN-Mandatierung legitimiert ist und <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong> kollektives <strong>in</strong>ternationales System der Friedenssicherung e<strong>in</strong>gebunden ist.<br />

Strittig ist allerd<strong>in</strong>gs, ob diese Legitimität der Ausgangsentscheidung der UN ausreichend war, um alle<br />

Folgeentscheidungen zu tragen. E<strong>in</strong> Teil der Kammer urteilt hier sehr kritisch: Die ursprüngliche<br />

Mandatierung <strong>in</strong> der UN-Resolution 1368 argumentiert mit dem Selbstverteidigungsrecht des<br />

Angegriffenen. Diese Begründung könne nicht für 13 E<strong>in</strong>satzjahre aufrecht erhalten werden. Zudem<br />

seien wesentliche Prüfkriterien der Friedensdenkschrift nicht erfüllt gewesen. Gravierende Mängel<br />

habe es h<strong>in</strong>sichtlich der Konfliktprävention und Friedenskonsolidierung gegeben, ebenso <strong>in</strong> Bezug auf<br />

die E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung der afghanischen Kräfte. E<strong>in</strong> anderer Teil der Kammer sieht die Legitimität des<br />

E<strong>in</strong>satzes als fortgesetzt gegeben an: besonders die unvorhersehbare Komplexität der<br />

E<strong>in</strong>satzsituation habe flexible Reaktionen nötig gemacht. Zudem sei <strong>Deutschland</strong> durch die<br />

Bündnissolidarität zu fortgesetzter Beteiligung verpflichtet gewesen.<br />

2. Zur Frage, ob und <strong>in</strong>wiefern sich das Leitbild des gerechten Friedens bewährt hat:<br />

Es herrscht grundsätzliche Übere<strong>in</strong>stimmung dar<strong>in</strong>, dass sich das Leitbild des gerechten Friedens<br />

unter den Bed<strong>in</strong>gungen e<strong>in</strong>es konkreten E<strong>in</strong>satzes bewährt hat. Weiterh<strong>in</strong> besteht Konsens dar<strong>in</strong>,<br />

dass der deutsche E<strong>in</strong>satz <strong>in</strong> Afghanistan sehr weitgehend darunter gelitten hat, dass e<strong>in</strong> konzises<br />

politisches Rahmenkonzept fehlt und von dieser Leerstelle her die angemessene Wahl von Umfang<br />

und Art der zum E<strong>in</strong>satz gebrachten Kräfte und Mittel schwierig war.<br />

Vom Leitbild des “Gerechten Friedens“ her ergeben sich aus dem Afghanistan-E<strong>in</strong>satz e<strong>in</strong>ige<br />

grundsätzliche Anforderungen an humanitäre Interventionen:<br />

1. Militärische Mittel müssen an ihrem möglichen Beitrag für die politischen Ziele gemessen werden.<br />

Dazu bedarf es e<strong>in</strong>er politischen Gesamtstrategie unter Priorität der zivilen Mittel. Die Eigendynamik<br />

der militärischen Mittel muss politisch begrenzt werden.<br />

2. Entscheidender Teil e<strong>in</strong>er politischen Gesamtkonzeption e<strong>in</strong>es E<strong>in</strong>satzes s<strong>in</strong>d Exit-Strategien, die<br />

schon vom Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>es E<strong>in</strong>satzes an entwickelt werden müssen. Aktuell heißt dies auch:<br />

<strong>Deutschland</strong> trägt Verantwortung im Prozess des Abzugs, afghanische Partner etwa der Bundeswehr<br />

müssen schnell und unbürokratisch Unterstützung und ggf. Aufnahme <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> f<strong>in</strong>den.<br />

3. Die E<strong>in</strong>sicht bleibt: Nur Recht schafft Frieden. „Rechtserhaltende Gewalt“ im S<strong>in</strong>ne der Kriterien der<br />

Friedensdenkschrift muss auf den Aufbau rechtsstaatlicher Strukturen ausgerichtet se<strong>in</strong>. Dies kann<br />

mit Aussicht auf Erfolg nur geschehen <strong>in</strong> Anknüpfung an lokale Rechtstraditionen und Institutionen,<br />

also unter Wahrung des Pr<strong>in</strong>zips der „local ownership“.<br />

4. Militäre<strong>in</strong>sätze müssen von Beg<strong>in</strong>n an durch Evaluation begleitet se<strong>in</strong>. Gegen die Eigendynamik<br />

und Zwangsläufigkeit militärischer Gewalt müssen E<strong>in</strong>sätze Gegenstand politischer Lernprozesse und<br />

Fehleranalyse se<strong>in</strong>.<br />

Gerade wenn wir diese Lernerfahrungen formulieren, kommen wir zu dem Schluss: Der „Gerechte<br />

Frieden“ ist mehr denn je als friedensethisches Leitbild bestätigt!<br />

Die friedenethische Reflexion wird und muss weitergehen. Ich nenne hier nur drei konkrete Aufgaben,<br />

wie sie auch am Schluss des Textes festgehalten s<strong>in</strong>d. Wir brauchen kirchliche, gesellschaftliche und<br />

politische Debatten über<br />

1. Umfassende zivile Mandatierungen von humanitären E<strong>in</strong>sätzen durch den Deutschen Bundestag.<br />

2. E<strong>in</strong>e Fortentwicklung des humanitären Völkerrechts, das nach se<strong>in</strong>er Konzentration auf<br />

Rechtsschranken für den E<strong>in</strong>satz von militärischer Gewalt (Fortentwicklung des ius ad bellum zum<br />

ius contra bellum), dem Recht <strong>in</strong> konkreten E<strong>in</strong>satzbed<strong>in</strong>gungen stärkere Aufmerksamkeit widmen<br />

muss (ius <strong>in</strong> bello).<br />

3. Die Entwicklung und den E<strong>in</strong>satz der „Drohnen“-Technologie.<br />

E-Mail: pressestelle@ekd.de - Internet: http://www.ekd.de

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