Luna + mum mum: Ausgabe 1/2014: Kind und Karriere - So läuft's in Großbritannien (Vorschau)
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<strong>mum</strong><br />
Leben<br />
Nachdenklich, aber mit e<strong>in</strong>em ordentlichen Schuss<br />
Humor – so zeigte sich Judith Holofernes im Interview<br />
Henne im Korb: die Sänger<strong>in</strong> im Kreise<br />
ihrer „Wir s<strong>in</strong>d Helden“-Bandkollegen,<br />
zu denen auch Ehemann Pola Roy (r.) gehört<br />
Was ist außerdem anders als zu „Wir s<strong>in</strong>d<br />
Helden“-Zeiten?<br />
Ich habe den Drang verspürt, e<strong>in</strong> Leben zu<br />
führen, <strong>in</strong> dem ich mehr schreibe, als ich das<br />
mit „Wir s<strong>in</strong>d Helden“ konnte. Bei e<strong>in</strong>er so erfolgreichen<br />
Band hat man irgendwann e<strong>in</strong>en so<br />
großen Apparat h<strong>in</strong>ter sich, dass die Schreibphase<br />
e<strong>in</strong>en erstaunlich ger<strong>in</strong>gen Anteil der<br />
Arbeit ausmacht. Man komponiert e<strong>in</strong>e neue<br />
„Ich habe mich<br />
wahns<strong>in</strong>nig<br />
frei gefühlt“<br />
Platte gerne mal zwischen Tür <strong>und</strong> Angel während<br />
e<strong>in</strong>es Festivalsommers. Dann trägt man<br />
dieses Album anderthalb Jahre durch die Gegend,<br />
<strong>und</strong> am Schluss fängt man ganz nebenbei<br />
mit dem nächsten an.<br />
<strong>So</strong> wollten Sie nicht mehr weitermachen?<br />
Für mich ist Schreiben der wichtigste Teil des<br />
Ganzen. Nach dem vorläufigen Ende von „Wir<br />
s<strong>in</strong>d Helden“ habe ich erst e<strong>in</strong>mal me<strong>in</strong>en Blog<br />
gestartet. <strong>So</strong> besitze ich e<strong>in</strong>en Ort, an dem ich<br />
täglich zur Not auch mal nur e<strong>in</strong>en Vierzeiler<br />
unterbr<strong>in</strong>gen kann. Dadurch, dass ich ganz viel<br />
Zeit zum Musikhören hatte, habe ich irgendwann<br />
auch wieder angefangen, eigene Musik<br />
zu schreiben. Das passiert bei mir so. (lacht) Ich<br />
habe es zwölf Jahre lang geschafft, unter sehr<br />
vielen Augen nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Blockade zu verfallen<br />
oder zu viel Angst zu kriegen. Aber es war<br />
schön, dass mir dieses Mal ke<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>e Deadl<strong>in</strong>e<br />
gesetzt hat. Ich habe mich wahns<strong>in</strong>nig frei<br />
gefüllt.<br />
Kl<strong>in</strong>gt, als hätten Sie Ihr ganz persönliches<br />
Glücksrezept gef<strong>und</strong>en ...<br />
Ich b<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Mensch, bei dem sich immer mal<br />
wieder der Gedanke e<strong>in</strong>schleicht:<br />
„Eigentlich geht’s<br />
mir zu gut.“ Vielleicht liegt es<br />
daran, dass ich früher unheimlich<br />
viel von John Irv<strong>in</strong>g gelesen<br />
habe. In se<strong>in</strong>en Büchern<br />
passiert ja im Leben e<strong>in</strong>es<br />
Menschen immer das Drama<br />
der ganzen Menschheit. Da<br />
muss man irgendwem die Genitalien<br />
abbeißen, Hautkrebs haben, von e<strong>in</strong>em<br />
Meteor am Kopf getroffen werden <strong>und</strong><br />
mit se<strong>in</strong>em Ehepartner <strong>in</strong> drei verschiedenen<br />
Flugzeugen gleichzeitig abstürzen. Ich habe<br />
me<strong>in</strong> Leben lang mit e<strong>in</strong>em Auge auf das<br />
16-Tonnen-Gewicht geschielt, das aus dem<br />
Himmel auf mich stürzen muss – bis ich auf<br />
die Idee gekommen b<strong>in</strong>, die Dramatiker aus<br />
me<strong>in</strong>em Leben rauszuschmeißen. Das Lustige<br />
ist, dass das tatsächlich funktioniert. Wenn <strong>in</strong><br />
me<strong>in</strong>em Kopf wieder die Dramavisionen losgehen,<br />
s<strong>in</strong>g ich jetzt: „John Irv<strong>in</strong>g, wenn ich dir<br />
den Hut br<strong>in</strong>g!“ <strong>So</strong> komm ich aus diesem Tief<br />
wieder raus. Schließlich macht man sich das<br />
Drama im Leben ja bloß selbst.<br />
ZUR PERSON<br />
Judith Holofernes, geboren am 12. November<br />
1976 <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>, sammelte als Jugendliche erste<br />
musikalische Erfahrung als Straßenmusiker<strong>in</strong>.<br />
Mit ihren po<strong>in</strong>tierten Texten machte sie „Wir<br />
s<strong>in</strong>d Helden“ zu e<strong>in</strong>er der erfolgreichsten<br />
deutschen Bands – <strong>und</strong> die deutsche Sprache<br />
<strong>in</strong> der Musik wieder hip. Judith Holfelder-<br />
Roy, so ihr bürgerlicher Name, ist mit „Helden“-<br />
Schlagzeuger Pola Roy verheiratet. Im<br />
Dezember 2006 kam ihr geme<strong>in</strong>samer <strong>So</strong>hn<br />
Friedrich, im August 2009 Tochter Mimi zur<br />
Welt. Anfang 2012 entschieden sich die Mitglieder<br />
von „Wir s<strong>in</strong>d Helden“ zu pausieren.<br />
Seitdem hat Holofernes ihre Fans auf ihrem<br />
Blog judithholofernes.com mit schrägen Anekdoten<br />
<strong>und</strong> Tiergedichten unterhalten. Jetzt<br />
steht ihr <strong>So</strong>loalbum „E<strong>in</strong> leichtes Schwert“ <strong>in</strong><br />
den Plattenläden. Im April geht sie auf Tour<br />
durch Deutschland <strong>und</strong> Österreich. Mehr<br />
dazu: www.judithholofernes.com/konzerte