NEUE BAUTEN VON PAUL WOLF-DRESDEN
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Abb. 6 / Hollßock House, Hollywood /Architekt:<br />
Frank Lloyd Wright<br />
Neigungen dem Architekten allmählich aber sicher die Hand<br />
und überwinden selbst die Vorurteile seines Standes.<br />
Bis dann der Kreislauf von neuem beginnt. Sobald nämlich<br />
eine neue Materialkonstellation auf den Plan tritt, gibt<br />
es zunächst wieder Schwierigkeiten, bis abermals das Gesetz<br />
der Trägheit den Widerstand der Profession überwindet.<br />
Die Literatur über Beton füllt heute ganze Büchereien.<br />
Seine physikalischen Eigenschaften sind wohlbekannt. Seine<br />
ästhetischen Qualitäten sind jedoch weder besungen noch<br />
beschrieben.<br />
Es ist auch nicht einfach, in diesem Stoff hohe ästhetische<br />
Qualitäten zu linden, da er seinem Wesen nach ein Gemisch<br />
ist. Und Zement, das Bindematerial, ist ebenfalls an sich<br />
charakterlos. Das Ergebnis ist im besten Fall ein künstlicher<br />
Stein, im schlimmsten ein versteinerter Haufen Sand.<br />
Wenn dieses Material Form, Textur oder Farbe haben soll,<br />
muß sie ihm die menschliche Phantasie erst geben. Es gehört<br />
also zu den Charakter- und seelenlosen Baustoffen, die man<br />
benutzt, um andere nachzuahmen.<br />
Es ist ein Unglück für diesen Baustoff, als hölzerner Balken<br />
hervorstehen zu müssen oder mühsam wie ein Gesims zurechtgestutzt<br />
zu sein. Dagegen hängt es zuverlässig in Plattenform,<br />
steht, sauber durchbohrt, wie ein persischer Fayenceschirm<br />
und liegt niedrig und schwer auf dem Boden. Es ist<br />
wieder sein Pech, wenn es aufstehen und die Form von hölzernen<br />
Pfosten annehmen soll.<br />
Beton kann jede beliebige Form annehmen und mit Stahlrippen<br />
Großes vollbringen. Wenn es alt ist, wird es so hart,<br />
daß es oft mehr kostet, das Gebäude zu entfernen, als der<br />
Boden, auf dem es steht, wert ist.<br />
Für den schöpferischen Geist liegt hier sicherlich eine Versuchung.<br />
Die Versuchung, ein so ehrbares Material vor Mißbrauch<br />
zu bewahren. Denn Beton ist ein plastisches Material,<br />
dem man bisher noch keine Gelegenheit gegeben hat, eine<br />
seinem Wesen entsprechende plastische Form anzunehmen.<br />
So wie es bisher verwandt wurde» hätte es ebensogut Talg,<br />
Gußeisen oder Gips sein können, die in Formen gegossen<br />
werden und auf deren Gnade und Ungnade angewiesen sind.<br />
Gewisse Wahrheiten liegen klar zutage. Erstens ist Beton<br />
ein Massenmaterial, zweitens läßt seine Oberfläche sich bedrucken,<br />
drittens ist es ein Stoff, der zusammenhängend und<br />
monolithisch ist, und zwar in bestimmten, sehr weiten<br />
Grenzen; viertens kann es chemisch behandelt, gefärbt oder<br />
wasserdicht gemacht und schließlich innerlich mit Farbe oder<br />
Mustern durchsetzt werden; fünftens ist es willig, solange<br />
es frisch, und zerbrechlich, solange es jung ist; es wird<br />
hart, wenn es alt ist und besitzt nur begrenzte Spannkraft.<br />
Was ist also die Ästhetik des Betons ?<br />
Ist Beton Stein ? Ja und nein.<br />
Ist es Gips ? Ja und nein.<br />
Ist es Ziegel oder Schiefer ? Ja und nein.<br />
Ist es Gußeisen? Ja und nein.