Arrangierte Liebe : Leitfaden zur Sonderausstellung in der ... - Oapen
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Lotosschuhe –<br />
Schritte wie e<strong>in</strong>e Seiltänzer<strong>in</strong><br />
Jessica Allermann<br />
40<br />
In asiatischen Län<strong>der</strong>n gibt es viele kulturelle Praktiken,<br />
die zeigen, dass sich die Menschen Gedanken<br />
darüber machen, wie sie ihrem Partner gefallen<br />
können. Diese hängen von den jeweiligen<br />
Schönheitsidealen, die man anstrebt ab. E<strong>in</strong> solcher<br />
Brauch ist das Füßeb<strong>in</strong>den <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a, das <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />
spezifischen Form nirgendwo an<strong>der</strong>s auf <strong>der</strong> Welt<br />
zu f<strong>in</strong>den ist. Hier hat das B<strong>in</strong>den <strong>der</strong> Füße von<br />
Frauen und das Tragen <strong>der</strong> dafür extra angefertigten<br />
Schuhe e<strong>in</strong>e lange Tradition. Der Ursprung<br />
des Brauches ist nicht abschließend zu klären, die<br />
häufigste und wahrsche<strong>in</strong>lichste Geschichte ist die<br />
von Kaiser Li Yu und se<strong>in</strong>er Konkub<strong>in</strong>e Yaoniang<br />
(Hong 1997:22): Li Yu lebte von 937-978 n.Chr. als<br />
zweiter Kaiser des südlichen Tang-Reiches. Der<br />
Überlieferung nach wollte er, dass Yaoniang als<br />
se<strong>in</strong>e Diener<strong>in</strong> und favorisierte Konkub<strong>in</strong>e auf e<strong>in</strong>er<br />
für sie hergestellten Lotosblüte für ihn tanzte.<br />
Zu diesem Zweck bandagierte sie sich ihre Füße,<br />
um sich auf beson<strong>der</strong>e Art und Weise bewegen zu<br />
können. Zunächst umwickelte sie ihre Füße noch<br />
recht locker mit Seidenbän<strong>der</strong>n, was mit den Spitzenschuhen<br />
<strong>der</strong> heutigen Baller<strong>in</strong>a vergleichbar ist.<br />
Daraufh<strong>in</strong> begann die Fasz<strong>in</strong>ation für e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en,<br />
weiblichen Fuß und die Weiterentwicklung dieser<br />
Praxis führte schließlich zu e<strong>in</strong>er immer strafferen<br />
und engeren Art des B<strong>in</strong>dens, die den natürlichen<br />
Fuß nahezu vollständig verän<strong>der</strong>te. Die angestrebte<br />
Idealgröße des abgebundenen Fußes lag früher<br />
bei 10 cm. Sie wurde jedoch selten erreicht, so dass<br />
<strong>der</strong> Normalfall zwischen 12-15 cm lag (Kürschner<br />
1901:105).<br />
Abbildung 3: Lotosschuhe<br />
Der Name für die so entstellten Füße ist e<strong>in</strong> Euphemismus,<br />
e<strong>in</strong>e beschönigende Umschreibung:<br />
„Lotosfüße“, „goldener Lotos“ o<strong>der</strong> „goldene Lilie“.<br />
Beide Blumen haben <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a bis heute e<strong>in</strong>e<br />
wichtige Bedeutung. Die Lotosblüte wurzelt im<br />
Schlamm, entsteigt aus ihm als etwas Re<strong>in</strong>es, Duftendes<br />
und gilt als Attribut des Unsterblichen (Bie<strong>der</strong>mann<br />
1998:272). Die Lilie steht für Re<strong>in</strong>heit<br />
(Bie<strong>der</strong>mann 1998:269). Der Name stammt zum<br />
e<strong>in</strong>en aus <strong>der</strong> Geschichte von Li Yu und Yaoniang<br />
und zum an<strong>der</strong>en aus zu dieser Zeit sehr populären<br />
Gedichten und Lie<strong>der</strong>n. Diese thematisieren die<br />
Füße, die Art des Tanzens und die Bewegungen des<br />
Körpers. Das E<strong>in</strong>gehen des Themas <strong>in</strong> die Lyrik<br />
unterstützte die Verbreitung des Brauches. Denn<br />
das, was als schick und mo<strong>der</strong>n für den Kaiser, se<strong>in</strong>e<br />
Frauen und die höheren Gesellschaftsschichten<br />
galt, fand durch Nachahmung auch E<strong>in</strong>gang <strong>in</strong> die<br />
niedrigeren Schichten. So durchdrang die kulturelle