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PH_BLAU IST EINE WARME FARBE - Babylon Kino

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Und wie verhielt es sich mit Adèle Exarchopoulos?<br />

&<br />

Wir haben erst ein riesiges Casting veranstaltet, als dann aber Adèle auftauchte, habe ich mich sofort<br />

für sie entschieden. Ich hatte sie in ein Lokal eingeladen, wo sie sich einen Zitronenkuchen bestellte,<br />

und ich brauchte sie nur dabei zu beobachten, wie sie diesen verschlang, um gleich zu wissen: "Die<br />

ist's!" Ihre Art, den Mund zu bewegen und zu kauen, hat etwas sehr Sinnliches. Der Mund war ein<br />

sehr wichtiges Element für diesen Film, die Münder beider Protagonistinnen, und das aus sehr humanen<br />

Gründen: Münder bringen Eindrücke und Gefühlsregungen verschiedenster Art zu Ausdruck.<br />

Oft ist es ein bestimmtes Detail eines Gesichts, das einen besonders anspricht, mal eine Nase, mal ein<br />

Mund. Für mich ist das der Motor, der die Dinge ins Laufen bringt.<br />

Warum haben Sie sich dafür entschieden, den Vornamen einer der beiden Heldinnen zu ändern,<br />

sprich die Clémentine des Comics im Film in Adèle umzubenennen?<br />

Aus Clémentine wurde Adèle, weil ich einfach Lust hatte, den Vornamen meiner Darstellerin beizubehalten.<br />

Auch sie störte sich nicht daran. Ich glaube sogar, dass es ihr dabei half, mit ihrer Rolle zu<br />

verschmelzen, und auch ich fühlte mich ihr auf diese Weise näher. Letztlich war das eine Frage des<br />

Klangs: Adèle, Emma, Léa – das sind alles leichte, wohlklingende Namen. Natürlich ist das ziemlich<br />

subjektiv. Daneben spielte aber auch der Wortsinn im Arabischen eine Rolle: Adèle klingt nämlich wie<br />

das arabische Wort für Gerechtigkeit, und dieser Gedanke gefiel mir recht gut.<br />

Gerechtigkeit, zumal soziale Gerechtigkeit, ist ja ein Schlüsselbegriff bei all Ihren Filmen. Wird dies<br />

hier dadurch thematisiert, dass die beiden Heldinnen aus verschiedenen sozialen Schichten stammen?<br />

In der Tat ist das eine Thematik, die in allen meinen Filmen wiederkehrt und von der ich fast besessen<br />

bin: Wie äußern sich die sozialen Unterschiede? Vielleicht spielten dabei auch meine eigenen<br />

Beobachtungen eines Milieus eine Rolle, dem ich mich selbst zugehörig fühle: das des Proletariats,<br />

dem auch Adèle entstammt.<br />

Emma hingegen entstammt einer Schicht, die man als die geistige und künstlerische Elite bezeichnen<br />

könnte. Beide Protagonistinnen sind Gefangene ihrer sozialen Herkunft. Die ganze Problematik ihrer<br />

Beziehung, das, woran sie am Ende zerbricht – letztlich also die ganze Geschichte, die der Film erzählt<br />

–, all dies ist auf ihre unterschiedliche Schichtenzugehörigkeit zurückzuführen, die auch Unterschiede<br />

hinsichtlich ihrer persönlichen Vorstellung von Selbstverwirklichung bedingt. Die Probleme rühren<br />

überhaupt nicht von ihrer Homosexualität her, die ja von den Menschen in ihrer Umgebung mehr<br />

oder weniger toleriert oder verstanden wird.<br />

Warum haben Sie sich dafür entschieden, die Homosexualität lediglich als eine Spielart der Liebe<br />

wie jede andere auch darzustellen, ohne das mit spezifischen Forderungen bezüglich der manchmal<br />

sich doch recht intolerant gebärdenden Gesellschaft zu verbinden?<br />

Es lag mir fern, irgendeine militante Aussage zum Thema Homosexualität zu äußern. Ich versuchte<br />

nicht, ihr näher auf den Grund zu gehen, und habe mir auch während der gesamten Produktion des<br />

Films niemals große Gedanken darüber gemacht, dass da ja zwei Frauen eine Beziehung miteinander<br />

haben. Ich ließ mich eher von dem Gefühl leiten, die Geschichte eines Paares, des Liebespaares<br />

schlechthin zu erzählen. Ich wüsste nicht, aus welchen Gründen ich das Thema der Homosexualität<br />

besonders in den Vordergrund hätte rücken sollen. Und selbst wenn es mir darum gegangen wäre,<br />

eine bestimmte Ansicht zu eben diesem Thema zu vertreten, so wäre es das beste gewesen, keiner<br />

vorgefassten Ansicht zu folgen, sondern das Ganze wie eine alltägliche Liebesgeschichte zu filmen,<br />

mit all der Schönheit, die einer Liebesgeschichte eigen ist.<br />

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