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PH_BLAU IST EINE WARME FARBE - Babylon Kino

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Wenn aber jemand wie Sie, ein Franzose mit arabischen Wurzeln, der somit aus einer Region<br />

stammt, in der man der Homosexualität wenig Verständnis entgegenbringt, sich dafür entscheidet,<br />

eine solche Geschichte auf die Leinwand zu bringen, dann muss das doch ein starkes Zeichen aussenden,<br />

oder nicht?<br />

Als ich den Film fertiggedreht hatte, dachte ich mir in der Tat: "Das kann für die tunesische Jugend<br />

nur von Nutzen sein." Man kann keine Revolution veranstalten, ohne dass damit auch eine sexuelle<br />

Revolution einhergehen würde.<br />

Die Sexszenen sind fundamental, um die starke Liebe zum Ausdruck zu bringen, die zwischen den<br />

beiden Hauptfiguren besteht. Wie sind Sie da vorgegangen?<br />

Als wir diese Szenen drehten, war mir vor allem daran gelegen, das zu zeigen, was mir selbst als<br />

schön erschien. Also haben wir sie so gedreht, als hätten wir es in Wahrheit mit Gemälden oder<br />

Skulpturen zu tun. Wir verwendeten viel Zeit auf die Beleuchtung, um sie auch wirklich schön zu gestalten.<br />

Was die Bewegungsabläufe bei den Liebkosungen betraf, so ergaben sich die fast von alleine,<br />

indem wir den Dingen einfach ihren natürlichen Lauf ließen. Es ging mir also vor allem darum, die<br />

Frauen visuell schön aussehen zu lassen, gleichzeitig aber auch die Dimension der "Fleischeslust" zum<br />

Ausdruck zu bringen. Wir haben uns viele Gedanken darüber gemacht und reichlich Arbeit damit<br />

gehabt. Es gab auch viele Diskussionen, doch diese brachten uns im Endeffekt überhaupt nicht weiter.<br />

Auf einem Set wird ja immer viel herumgeredet, am Ende aber zählt all das Gesagte gar nicht so<br />

viel, weil es meistens dem Intellekt entsprang, wohingegen die Realität sehr viel intuitiver ist.<br />

Mit dem Thema der Liebe verbindet sich fast automatisch das der Einsamkeit…<br />

Das Ende einer Beziehung, die Leere, die man danach verspürt, die Einsamkeit, die derjenige erleidet,<br />

der sich nicht mehr geliebt fühlt – kurzum: all die Trauer, die einen in einer solchen Situation überkommt,<br />

das sind Dinge, die jeder von uns irgendwann einmal erlebt hat. Jeder kennt diese Gefühle,<br />

und dennoch ist niemand in der Lage, den Schmerz zu erklären, den sie verursachen können. Mich<br />

interessierte aber vor allem die Tatsache, dass das Leben trotz dieses Schmerzes weitergeht und<br />

gelebt werden will. Und was das betrifft, so ist die Figur der Adèle für mich eine wahre Heldin: Sie<br />

nimmt alles auf sich und geht weiter den Weg, für den sie bestimmt zu sein glaubt.<br />

Die durch den Liebeskummer ausgelöste Einsamkeit erweist sich als Quelle, aus der sich neuer Mut<br />

schöpfen lässt. Auch dieser Aspekt scheint Ihnen in dem Film wichtig gewesen zu sein…<br />

Ich bin ein großer Bewunderer von Adèle, dieser unabhängigen, wahrhaft mutigen, engagierten und<br />

starken Frauenfigur. Zwar wird Adèle vom Schmerz überwältigt, aber nicht einen Augenblick lang<br />

lässt sie die Zügel schleifen, wenn es um ihren Beruf als Lehrerin geht. Irgendwie hält sie dem Schicksalsschlag<br />

stand. Wenn ich erlebe, wie ein Mensch, wer immer das sein mag, so viel Mut aufbringt,<br />

dann verwirrt mich das geradezu. Für mich persönlich habe ich nicht das Gefühl, sonderlich mutig zu<br />

sein, doch die Vorstellung davon fasziniert mich. Gerade bei jungen Frauen erlebe ich oft diese Kraft,<br />

diesen unbändigen Willen zur Selbstbehauptung.<br />

Auch ein anderes Element, das man als Markenzeichen Ihres Filmstils bezeichnen könnte, findet<br />

sich diesmal wieder: das Bemühen, größtmögliche Natürlichkeit im Spiel der Darsteller zu erreichen.<br />

Wie schaffen Sie es nur, das hinzubekommen?<br />

Es erscheint mir sehr wichtig, dass das, was visuell vermittelt wird, auch natürlich erscheint. Zwar<br />

wird auch immer ein wenig geschummelt, aber je weniger man das tut, desto besser ist es. Im Wesentlichen<br />

geht es darum, zu ergründen, wie nahe man der "Wahrheit" einer Figur kommen kann,<br />

und sich über ein bloßes Maskenspiel hinwegzusetzen, wohl wissend, dass man das niemals ganz<br />

erreichen wird.<br />

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