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Heliumbrennen - Institut für Theoretische Astrophysik

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Entstehung der chemischen Elemente<br />

im Kosmos<br />

H.-P. Gail<br />

<strong>Institut</strong> für <strong>Theoretische</strong> <strong>Astrophysik</strong>, Heidelberg<br />

WS 2011/12


7. <strong>Heliumbrennen</strong><br />

Durch das Wasserstoffbrennen ist es möglich, aus H Kerne bis A = 4<br />

und in den p-p–II und p-p–III Ketten bis A = 7 (allerdings nur in<br />

kleinsten Mengen) aufzubauen. Die Aufklärung dieser Prozesse liefert<br />

auch eine Lösung für das Problem, warum 4 He das zweithäufigste Element<br />

im Kosmos ist. Das gegenwärtig beobachtete 4 He/H Verhältnis<br />

von ≈ 0.1 ist das Ergebnis des H-Brennens beim Urknall und von ca. 13<br />

Milliarden Jahren Wasserstoffbrennen in Sternen, verbunden mit Sternentstehung,<br />

Massenverlust in den Endphasen der Sternentwicklung und<br />

Durchmischung in der interstellaren Materie.<br />

Die beiden nächst häufigen Kerne sind 12 C und 16 O. Wenn man zu erklären<br />

versucht, wie diese Kerne entstanden sind, dann stellt sich das<br />

Problem, daß es keine stabilen Kerne mit A = 5 und A = 8 gibt. Es<br />

gibt auch keinen möglichen Reaktionspfad, an dem nur leichte Kerne<br />

beteiligt sind, mit dem man die Lücken bei A = 5 und A = 8 umgehen<br />

könnte. Insbesondere kann auch der Kern 8 Be (A = 8) nicht direkt<br />

durch Fusion zweier 4 He Kerne gebildet werden, da er mit einer Lebensdauer<br />

von τ = 2 × 10 −16 s sofort wieder in zwei α-Teilchen zerfällt.<br />

Seite: 7.1


<strong>Heliumbrennen</strong><br />

Die Tatsache, daß 12 C und 16 O aus einer solchen Zahl von Protonen<br />

und Neutronen bestehen, die zwei bzw. drei 4 He Kernen entsprechen,<br />

legt aber nahe, daß diese Kerne bei Prozessen aufgebaut werden, an denen<br />

Stöße mit mehreren α-Teilchen beteiligt sind. In einem solchen Fall<br />

aber ergibt sich sofort eine neue Schwierigkeit daraus, daß die Raten von<br />

Dreiteilchenstößen außerordentlich klein sind. Die Quantenmechanik resonanter<br />

Reaktionen zeigt aber, daß eine resonante Reaktion zwischen<br />

α-Teilchen zu einer genügend großen Reaktionsrate führen kann. Sofern<br />

es eine derartige Reaktion gibt, könnten 12 C und 16 O ohne weiteres in<br />

genügend großen Mengen gebildet werden, wie sie im Kosmos beobachtet<br />

werden.<br />

Die Lösung des Problems wurde von Salpeter (1952) und Öpik (1951)<br />

gefunden, die vorschlugen, daß 12 C in einem Zweistufenprozeß gebildet<br />

wird.<br />

Seite: 7.2


Die 3α-Reaktion<br />

Das Kernstück einer Reaktion der Form<br />

3 4 He −→ 12 C + γ (238)<br />

ist die temporäre Bildung eines 8 Be Kerns im Grundzustand. Diese<br />

Reaktion ist leicht endotherm(!) mit einer Reaktionsenergie von<br />

Q = 92.1 keV.<br />

Assoziation mit 4 He →<br />

← Zerfall in 2 4 He<br />

4 He<br />

8 Be<br />

✘ ✘✘ ✘ ✘✘ ✘ ✘✘ ✘ ✘✘ ✘ ✘✘ ✘ ✘✘ ✘ ✘ ✘ ✘ ✘✿<br />

Seite: 7.3


Die 3α-Reaktion<br />

Wie Salpeter erkannt hat, ist die Lebensdauer eines 8 Be Kerns gegenüber<br />

dem Zerfall in zwei α-Teilchen von 2.6 × 10 −16 s auf jeden<br />

Fall groß gegenüber der Zeitdauer eines Streuvorgangs zwischen zwei<br />

α-Teilchen. Diese ist<br />

τStoß ≈ a v , (239)<br />

wobei a ≈ 10 −13 die Reichweite der Kernkräfte und v die mittlere thermische<br />

Geschwindigkeit der α-Teilchen<br />

v =<br />

√<br />

kT<br />

m ≈ √<br />

Q<br />

m ≈ 1.5 × 108 cm s −1 (240)<br />

ist. Es ergibt sich<br />

Das bedeutet, daß durch die Reaktion<br />

τStoß ≈ 10 −21 s . (241)<br />

4 He +<br />

4 He −→<br />

8 Be (242)<br />

zunächst die Kerne 8 Be gebildet werden.<br />

Seite: 7.4


Die 3α-Reaktion<br />

Die Lebensdauer von 8 Be ist zwar kurz, nichts desto trotz baut sich aber<br />

eine kleine Population dieser Kerne bis zu einer solchen Konzentration<br />

auf, daß die Zerfallsrate der Bildungsrate gleicht. Es stellt sich folgendes<br />

Reaktionsgleichgewicht ein<br />

4 He +<br />

4 He ←→<br />

8 Be . (243)<br />

Die Gleichgewichtsdichte von 8 Be kann dann mit den Methoden der<br />

statistischen Mechanik berechnet werden. Danach gilt für die Teilchendichten<br />

der an der Reaktion beteiligten Teilchensorten im thermodynamischen<br />

Gleichgewichtszustand das Massenwirkungsgesetz in der Form<br />

n8 Be<br />

= U8 Be U8 Be,transl<br />

e −Q/kT = U8 Be<br />

n 2 4 He<br />

U 2 4 He<br />

U 2 4 He,transl<br />

U 2 4 He<br />

( 2π 2m p kT<br />

h 2 ) −<br />

3<br />

2<br />

e −Q/kT . (244)<br />

Die Größen U sind die Zustandssummen für die angeregten Zustände,<br />

hier also die statistischen Gewichte der Grundzustände. Für 4 He und<br />

8 Be sind die Grundzustände 0 + –Zustände, das heißt U = 1. Für eine<br />

Temperatur von T = 10 8 K und ρ = 10 5 g cm −3 ergibt sich beispielsweise<br />

n8 Be<br />

n4 He<br />

= 5.2 × 10 −10 . (245)<br />

Seite: 7.5


Die 3α-Reaktion<br />

Abbildung 7.1: Häufigkeit von 8 Be im statistischen Gleichgewicht bei einer Dichte von<br />

ϱ = 10 5 g cm −3 (rote Linie) und ϱ = 10 4 g cm −3 (grüne Linie).<br />

Seite: 7.6


Die 3α-Reaktion<br />

Diese Konzentration ist zwar klein, aber sie reicht aus, daß ein weiteres<br />

α–Teilchen mit dem 8 Be Kern irgendwann während der Lebensdauer<br />

des Kerns reagieren kann<br />

4 He +<br />

8 Be −→<br />

12 C + γ . (246)<br />

Dieser zweite Reaktionsschritt ist von dem ersten, der Bildung von 8 Be,<br />

völlig unabhängig, sodaß die Bildung von 12 C ein zweistufiger Prozeß<br />

und keine Dreiteilchenreaktion ist. Letztere würde eine gleichzeitige Reaktion<br />

4 He+ 4 He→ 8 Be und 8 Be+ 4 He→ 12 C inerhalb der Lebensdauer von<br />

≈ 10 −21 s des Streuzustands erfordern.<br />

Insgesamt ergibt sich die Nettoreaktion<br />

3 4 He −→ 12 C + γ .<br />

Dieser Prozeß wird als der 3α–Prozeß bezeichnet.<br />

Seite: 7.7


Die 3α-Reaktion<br />

Hoyle (1953) hat dann gezeigt, daß die Rate für die Erzeugung von 12 C<br />

durch den 3α–Prozeß viel zu klein ist, um die tatsächlich im Kosmos<br />

vorhandene Menge an 12 C zu erklären, wenn man direkte radiative Assoziation<br />

von 4 He mit 8 Be annimmt. Hoyle wies aber darauf hin, daß die<br />

Reaktionsrate sehr viel größer wäre und die beobachtete 12 C Häufigkeit<br />

erklärt werden könnte, wenn die Reaktion über eine Resonanz ablaufen<br />

würde. Da 4 He und 8 Be als Grundzustand einen 0 + –Zustand haben,<br />

könnte eine s-Wellen Resonanz existieren, wenn der 12 C Kern einen<br />

angeregten 0 + –Zustand in der Nähe der Schwellenergie der 8 Be+α Reaktion<br />

hätte, also etwa 7.6 MeV über dem Grundzustand des 12 C.<br />

Dieser Vorschlag löste zunächst Skepsis aus, aber einige Exprimentalphysiker<br />

machten sich doch an die Arbeit, um die Existenz eines solchen<br />

Zustands und ggf. seine Eigenschaften festzustellen. Cook, Fowler, Lauritzen<br />

& Lauritzen (1957) konnten dann tatsächlich die Vorhersage von<br />

Hoyle bestätigen. Dies ist ein Fall, in dem die Eigenschaften eines Kerns<br />

aus rein astrophysikalischen Gründen vorhergesagt werden konnten.<br />

Seite: 7.8


Die 3α-Reaktion<br />

Abbildung 7.2: Energieniveaus im 12 C Kern und die 3α–Reaktion<br />

Seite: 7.9


Die 3α-Reaktion<br />

Das Termschema von 12 C ist in Abb. 7.2 dargestellt. Die Bildung von<br />

12 C beginnt mit dem Einfang eine α–Teilchens durch<br />

8 Be in den angeregten<br />

0 + –Zustand des 12 C. Dieser angeregte Zustand zerfällt in nahezu<br />

allen Fällen wieder in den Ausgangszustand 8 Be+α. Eine Stabilisierung<br />

ist nur durch einen γ–Übergang in den 2 + –Zustand möglich, dem<br />

ein weiterer γ–Übergang in den 0 + –Grundzustand folgt. Eine Stabilisierung<br />

durch einen direkten γ–Übergang in den Grundzustand ist nicht<br />

möglich, weil 0 + → 0 + –Übergänge verboten sind. Eine zweite Möglichkeit<br />

zur Stabilisierung besteht in der Emission eines e + -e − Paares, die<br />

aber sehr viel seltener als ein γ–Übergang ist.<br />

Seite: 7.10


Die 3α-Reaktion<br />

Die Breite der Resonanz ist durch die Lebensdauer des Zustands 0 +<br />

gegenüber<br />

ˆ dem Zerfall in 8 Be+α,<br />

ˆ dem 0 + → 2 + Übergang durch Emission eines γ–Quants und<br />

ˆ dem Übergang in den Grundzustand durch Emission e + -e − Paares<br />

gegeben. Insgesamt ist<br />

Γ = Γα + Γγ + Γpaar . (247)<br />

wobei Γ = /τ ist. τ ist die mittlere Lebensdauer des Zustands. Der<br />

Ratenkoeffizient für die 3α–Reaktion ist dann nach (237)<br />

( )3<br />

2π 2<br />

k = 2 ω (Γ rad − Γα)Γα<br />

e −E r/kT<br />

µkT<br />

Γ<br />

mit<br />

Γrad = Γγ + Γpaar . (248)<br />

Der Faktor ω ist hier gleich eins, da alle beteiligten Teilchen den Spin<br />

null haben.<br />

Seite: 7.11


Die 3α-Reaktion<br />

Die Reaktionsrate der 3α–Reaktion ist<br />

R3α = n8 Be nα k3α , (249)<br />

wobei die Teilchendichte n8 Be durch (244) gegeben ist. Insgesamt ergibt<br />

sich folgender Ausdruck<br />

R3α = n 3 3 3 (<br />

2 h 2 ) 3 2<br />

1 (Γrad − Γα)Γα<br />

α<br />

e −Q/kT . (250)<br />

2 2πmαkT Γ<br />

Die Reaktionsenergie Q entspricht der Massendifferenz zwischen 12 C im<br />

angeregten 7.654 MeV Zustand und drei α–Teilchen<br />

Q = M12 C ∗ − 3m α<br />

. (251)<br />

c 2<br />

Seite: 7.12


Die 3α-Reaktion<br />

Die Größen, die in (250) eingehen, müssen durch Laboruntersuchungen<br />

bestimmt werden. Das ist etwas schwierig, weil keine 8 Be Targets<br />

hergestellt werden können, um direkt die 8 Be(α, γ) 12 C Reaktion zu untersuchen.<br />

Die Umkehrreaktion 12 C(γ, α) 8 Be kann auch nicht untersucht<br />

werden, weil 0 + → 0 + Übergänge verboten sind. Es müssen indirekte<br />

Methoden verwendet werden (siehe Rohlfs & Rodney). Es ergibt sich<br />

Γα = 8.90 ± 1.08 eV<br />

Γγ = 3.58 ± 0.5 meV<br />

. (252)<br />

In diesem Fall gilt demnach<br />

Γpaar = 60.5 ± 3.9 µeV<br />

ΓradΓα<br />

Γ<br />

≈ Γrad .<br />

Nur Γrad braucht in diesem Fall wirklich genau bekannt zu sein und<br />

diese Größe läßt sich glücklicherweise relativ genau in den 12 C( 3 He,α) 12 C<br />

oder 12 C(p, p ′ ) 12 C ∗ Reaktionen messen, bei denen die nachfolgenden γ-<br />

Übergänge zum 12 C Grundzustand beobachtet werden.<br />

Seite: 7.13


Die 3α-Reaktion<br />

Die Energieproduktionsrate im 3α–Prozeß ist<br />

ɛ3α = R 3α<br />

ρ = 3.9 × 1011 ρ2 Y 3<br />

T 3 8<br />

e −42.94/T 8<br />

erg g −1 s −1 . (253)<br />

Der 3α–Prozeß umgeht die stabilen Kerne zwischen A = 6 und A = 11:<br />

6 Li,<br />

7 Li,<br />

9 Be,<br />

10 B und<br />

11 B. Diese Elemente werden deswegen im Sterninneren<br />

nicht produziert sondern nur verbrannt. Das ist in Übereinstimmung<br />

mit der geringen Häufigkeit dieser Elemente im Kosmos. Diese<br />

leichten Elemente müssen in anderen Prozessen als Brennprozessen im<br />

Sterninneren synthetisiert werden.<br />

Seite: 7.14


7.2 Die Bildung von 16 O<br />

Die 3α–Reaktion erklärt, warum 12 C das vierthäufigste Element im Kosmos<br />

nach H, 4 He und 16 O sein kann. Es liegt deswegen nahe anzunehmen,<br />

daß auch das dritthäufigste Element, 16 O, durch den Einfang eines<br />

α–Teilchens aus 12 C gebildet wird:<br />

12 C(α, γ)<br />

16 O .<br />

Wegen der höheren Coulombbarriere erfordert die Reaktion höhere<br />

Temperatur als die 3α–Reaktion. Diese Reaktion müßte aber trotzdem<br />

parallel zum 3α–Prozeß ablaufen, damit nicht schon alles 4 He aufgebraucht<br />

ist, ehe die Reaktion zum 16 O anläuft. Da andererseits im Kosmos<br />

das Häufigkeitsverhältnis von 12 C/ 16 O ≈ 0.6 ist, kann die Reaktion<br />

von 12 C weiter zu 16 O aber nicht sehr effizient sein, damit noch genügend<br />

12 C nachbleibt, wenn das<br />

4 He aufgebraucht ist.<br />

Der nächste Schritt wäre dann die Reaktion<br />

16 O(α, γ)<br />

20 Ne ,<br />

die zu einer Zerstörung von 16 O führt. Sie erfordert nochmals höhere<br />

Temperatur wegen der noch höheren Coulombbarriere, aber auch sie<br />

müßte parallel zum 3α–Prozeß ablaufen, damit nicht schon alles 4 He<br />

aufgebraucht ist, ehe die Reaktion zum 20 Ne anläuft.<br />

Seite: 7.15


Die Bildung von 16 O<br />

Daß trotzdem O das dritthäufigste Element ist, zeigt, daß die Reaktion<br />

von 16 O mit 4 He nur sehr ineffizient sein kann. Tatsächlich kann die<br />

Reaktion bei Temperaturen, bei denen der 3α–Prozeß abläuft, praktisch<br />

nicht stattfinden. Die Gründe dafür werden später erläutert.<br />

Allerdings ist Ne tatsächlich das fünfthäufigste Elemente im Kosmos.<br />

Die Bildung von Ne erfolgt aber auf andere Weise als im Zusammenhang<br />

mit dem <strong>Heliumbrennen</strong>.<br />

Seite: 7.16


Die Bildung von 16 O<br />

Abbildung 7.3: Termschema von 16 O<br />

Seite: 7.17


Die Bildung von 16 O<br />

Betrachte die Reaktion 12 C(α, γ) 16 O. Wenn diese eine Resonanz im Bereich<br />

des Gamow-Energiefensters hätte, dann wäre die Reaktionsrate<br />

sehr groß und der vorhandene Kohlenstoff wäre sehr schnell zerstört.<br />

Es würde sich unter diesen Umständen nur eine sehr kleine Population<br />

von 12 C Kernen als Durchgangsstation zum 16 O aufbauen. Tatsächlich<br />

ist die 12 C(α, γ) 16 O Reaktion eine nicht-resonante Reaktion. Das Energieniveauschema<br />

in Abb. 3 zeigt, daß es keinen geeigneten Energiezustand<br />

im fraglichen Energiebereich gibt. Trotzdem muß diese Reaktion<br />

mit einer merklichen Rate ablaufen, da im Kosmos erhebliche Mengen<br />

an 16 O vorhanden sind. Es gibt zwei Möglichkeiten, wie diese Reaktion<br />

ablaufen könnte:<br />

• Der nichtresonante Einfang direkt in den Grundzustand.<br />

• Der nichresonante Einfang in die Flügel nahegelegener Resonanzen.<br />

Seite: 7.18


Die Bildung von 16 O<br />

Der direkte Einfang in den Grundzustand von 16 O ist über einen erlaubten<br />

Dipolübergang nicht möglich, weil alle beteiligten Teilchen den Spin<br />

null haben. Es kommt nur ein Quadrupolübergang von einem Zustand<br />

mit einem Relativdrehimpuls l = 2 (d-Partialwelle) in den s-Orbital<br />

Zustand von 16 O in Frage. Der experimentell bestimmte S(E) Faktor<br />

für diese Reaktion ist<br />

S(E) ≈ 5 × 10 −3 MeV b (254)<br />

Seite: 7.19


Die Bildung von 16 O<br />

Für einen Einfang in den Flügel einer Resonanz kommt ein Zustand<br />

in Frage, der 9.847 MeV über dem Grundzustand von 16 O liegt. Dieser<br />

entspricht einer Energie des α–Teilchens von 2.42 MeV im Schwerpunktsystem.<br />

Die Breite des Zustands ist Γα ≈ 400 KeV, was ausreicht, um die<br />

12 C(α, γ)<br />

16 O Reaktion durch Einfang in den niederenergetischen Flügel<br />

möglich zu machen. Von diesem Zutand aus ist ein direkter, erlaubter<br />

γ-Dipolübergang in den Grundzustand möglich. Die experimentelle Bestimmung<br />

der Parameter dieser Resonanz ergibt einen S(E) Faktor bei<br />

der Energie, die der Temperatur des He-Brennens entspricht, von<br />

S(E) ≈ 1.5 × 10 −3 MeV b (255)<br />

Seite: 7.20


Die Bildung von 16 O<br />

Weiterhin gibt es zwei Zustände 45 keV und 245 keV unter der Schwellenergie<br />

für die Reaktion. Von dem Zustand 45 keV unter der Schwellenergie,<br />

der ein 1 − Zustand ist, ist ein Dipolübergang in den Grundzustand<br />

möglich, von dem anderen Zustand aus, der ein 2 + Zustand ist,<br />

ist ein Quadrupolübergang in den Grundzustand möglich. Die Daten<br />

der Resonanzen können experimentell bestimmt werden und ergeben<br />

folgende S(E) Faktoren<br />

S(E) ≈ 0.1 MeV b (256)<br />

S(E) ≈ 0.2 MeV b . (257)<br />

Das bedeutet, daß die Reaktionsrate der 12 C(α, γ) 16 O Reaktion praktisch<br />

ausschließlich durch die beiden Zustände unterhalb der Schwellenergie<br />

bestimmt wird.<br />

Die genaue Messung des S(E) Faktors bereitet erhebliche Schwierigkeiten,<br />

weswegen die Rate der 12 C(α, γ) 16 O Reaktion noch immer relativ<br />

ungenau bekannt ist. Das hat die Konsequenz, daß die relative Häufigkeit,<br />

mit der 12 C und 16 O in Roten Riesen produziert werden, bis heute<br />

nur mit unbefriedigender Geanauigkeit berechnet werden kann.<br />

Seite: 7.21


Abbruch des He-Brennens bei 16 O<br />

Im Prinzip könnte der α–Einfang über die Reaktion 12 C(α, γ) 16 O hinaus<br />

zum 20 Ne, 24 Mg, 28 Si, . . . fortgesetzt werden. Das ist das, was Burbidge,<br />

Burbidge, Fowler und Hoyle (1957) in ihrer klassischen Arbeit ursprünglich<br />

auch angenommen hatten und als sog. α–Prozeß der Nukleosynthese<br />

bezeichnet hatten. Tatsächlich kann aber schon die Reaktion<br />

16 O(α, γ)<br />

20 Ne nicht mehr stattfinden. Der Grund dafür ist folgender:<br />

1. He–Brennen findet bei einer Temperatur von ≈ 10 8 K und darüber<br />

statt. Die mittlere Energie der α–Teilchen ist dann E ≈ 0.3 MeV. Der<br />

Energiezustand 4.976 MeV über dem Grundzustand von 20 Ne würde<br />

dann genau in den Bereich des Gamow-Energiefensters fallen (vergl.<br />

Abb. 7.4) und zu einem resonanten Einfang des α–Teilchens führen,<br />

wenn dieser Zustand nicht gerade ein 2 − Zustand wäre.<br />

Seite: 7.22


Abbruch des He-Brennens bei 16 O<br />

Abbildung 7.4: Termschema von 20 Ne<br />

Seite: 7.23


Abbruch des He-Brennens bei 16 O<br />

2. Dieser Zustand kann nicht aus einem 4 He Teilchen mit J π = 0 +<br />

und einem 16 O Teilchen mit J π = 0 + kombiniert werden. Die Parität<br />

des Compoundkerns wird im vorliegenden Fall durch den Faktor (−1) l<br />

bestimmt, wobei l die Relativdrehimpulsquantenzahl bei der Reaktion<br />

ist. Für die Bildung des J = 2 Zustands im 20 Ne wird l = 2 benötigt,<br />

aber das ergibt eine gerade Parität der kombinierten Kerne 4 He+ 16 O,<br />

d.h. einen 2 + Zustand, und keinen 2 − Zustand. Der resonante Einfang in<br />

den 2 − Zustand ist deswegen auf Grund der Paritätserhaltung verboten.<br />

Seite: 7.24


Abbruch des He-Brennens bei 16 O<br />

Die Zustände mit Anregungsenergien 5.621 MeV, 5.785 MeV und<br />

6.724 MeV über dem Grundzustand in 20 Ne wären im Prinzip durch<br />

einen Einfang in die niederenergetischen Flügel dieser Resonanzen erreichbar.<br />

Der Zustand mit einer Anregungsenergie von 4.248 MeV über<br />

dem Grundzustand wäre ebenfalls durch einen Einfang in den hochenergetischen<br />

Flügel der Resonanz erreichbar. Diese Resonanzen sind<br />

aber alle sehr schmal und die großen erforderlichen l-Werte für den Relativdrehimpuls<br />

zur Bildung der 4.248 MeV und 5.621 MeV Zustände<br />

bewirken, daß diese Reaktionen bei der Temperatur des <strong>Heliumbrennen</strong>s<br />

alle unwichtig sind. Der einzige mögliche Prozeß zur Bildung des<br />

20 Ne durch α–Einfang ist der direkte Einfang in den Grundzustand, der<br />

aber nur zu einer sehr kleinen Reaktionsrate führt.<br />

Seite: 7.25


Abbruch des He-Brennens bei 16 O<br />

Abbildung 7.5: Termschemata der Kerne, die am <strong>Heliumbrennen</strong> beteiligt sind, und<br />

die wesentlichen Reaktionen beim <strong>Heliumbrennen</strong>.<br />

Seite: 7.26


Abbruch des He-Brennens bei 16 O<br />

Bei den Temperaturen, bei denen <strong>Heliumbrennen</strong> stattfindet, spielt die<br />

16 O(α, γ)<br />

20 Ne Reaktion keine Rolle. Das ändert sich erst bei sehr hohen<br />

Temperaturen, wie sie in späteren Brennphasen beim Schalenbrennen<br />

und bei explosiven Prozessen vorkommen können. Dann sind die höher<br />

gelegenen Zustände für resonanten Einfang leicht erreichbar. In den ruhigen<br />

Brennphasen endet das <strong>Heliumbrennen</strong> beim 16 O. Ein weiterer<br />

Einfang von α–Teilchen darüber hinaus ist durch das fehlen geeigneter<br />

resonanter Zustände im 20 Ne nicht möglich.<br />

Abbildung 7.5 faßt noch einmal die wesentlichen Schritte beim <strong>Heliumbrennen</strong><br />

zusammen und Abb. 7.6 zeigt die Entwicklung der Häufigkeiten<br />

bei einer relativ niedrigen Brenntemperatur.<br />

Seite: 7.27


Abbruch des He-Brennens bei 16 O<br />

Abbildung 7.6: Zeitliche Entwicklung der Isotopenhäufigkeiten beim <strong>Heliumbrennen</strong><br />

bei einer Brenntemperatur von 110 × 10 6 K und einer Dichte ϱ = 10 5 g cm −3 .<br />

Seite: 7.28


7.4 Begleitreaktionen des He-Brennens<br />

<strong>Heliumbrennen</strong> findet in einem Material statt, das als Rückstand des<br />

Wasserstoffbrennens im CNO-Zyklus nachgeblieben ist. In diesem Material<br />

ist der ursprüngliche Bestand des Sterns an Kernen der Elemente<br />

C, N und O in die spezielle Verteilung der Isotope umgewandelt worden,<br />

die dem Isotopengleichgewicht im CNO-Zyklus enstspricht. Der<br />

größte Teil davon entfällt auf 14 N, aber auch signifikante Anteile an 16 O,<br />

12 C und<br />

13 C finden sich in der Asche des He-Brennens. Alle anderen<br />

schweren Kerne sind aus dem H-Brennen mit praktisch unveränderten<br />

Häufigkeiten wieder hervorgekommen, weil die Temperaturen für keine<br />

ihrer möglichen Reaktion hoch genug war, um mit merklicher Rate abzulaufen.<br />

Beim He-Brennen ist die Temperatur hoch genug, daß auch die beiden<br />

Nuklide 13 C und 14 N, die nicht Teil des Reaktionsschemas im He-<br />

Brennen sind, mit 4 He reagieren können. Im Vergleich zu He sind die<br />

Häufigkeiten dieser Nuklide viel zu gering, um einen wesentlichen Beitrag<br />

zur Energieproduktion zu liefern, aber ihre Reaktionen parallel<br />

zum He-Brennen sind für die Nukleosynthese immens wichtig. Daneben<br />

können bei sehr hohen Brenntemperaturen auch einige noch schwerere<br />

Kerne mit 4 He reagieren.<br />

Seite: 7.29


Begleitreaktionen des He-Brennens<br />

Abbildung 7.7: Häufigkeit der einzelnen Isotope von C, N, und O relativ zur Gesamtzahl<br />

dieser Nuklide in Abhängigkeit von der Brenntemperatur im stationären<br />

Gleichgewicht im CNO–Zyklus.<br />

Seite: 7.30


Begleitreaktionen des He-Brennens<br />

Die wesentlichen Reaktionen sind<br />

14 N(α, γ)<br />

18 F(β<br />

+ , ν)<br />

18 O(α, γ)<br />

22 Ne<br />

und<br />

13 C(α, n)<br />

16 O<br />

Durch die erste Reaktionskette werden große Mengen 22 Ne produziert,<br />

sodaß am Ende des He-Brennens die Asche auch substantielle Mengen<br />

Ne enthält. Durch die zweite Reaktion werden Neutronen freigesetzt,<br />

die zum Aufbau schwerer Elemente jenseits der Eisenspitze führen.<br />

Bei sehr hohen Brenntemperaturen im He-Brennen ( 4 × 10 8 K) ist<br />

auch die Reaktion<br />

22 Ne(α, n)<br />

25 Mg<br />

möglich, durch die ebenfalls Neutronen freigesetzt werden. Die Reaktion<br />

ist leicht endotherm, deswegen ist eine hohe Temperatur zur Aktivierung<br />

dieser Neutronenquelle erforderlich.<br />

Seite: 7.31


Begleitreaktionen des He-Brennens<br />

Eine andere Reaktion bei sehr hoher Brenntemperatur ( 6 × 10 8 K) ist<br />

18 O(α, n)<br />

21 Ne<br />

Sie konkurriert mit der 18 O(α, γ) 22 Ne Reaktion und wird erst bei der<br />

angegebenen Temperatur von vergleichbarer Bedeutung. Auch diese Reaktion<br />

käme theoretisch als Neutronenquelle in Frage.<br />

Praktisch sind die Reaktionen von 13 C und 22 Ne mit 4 He die wesentlichen<br />

Neutronenquellen in Sternen. Es gibt zwar auch noch einige weitere<br />

außer den beiden angegebens (α,n) Reaktionen (siehe Tabelle 5.1),<br />

doch haben in allen diesen Fällen die Ausgangskerne zu kleine Häufigkeit<br />

oder zu hohe Coulombbarrieren um mit den Reaktionen von 13 C<br />

und 22 Ne konkurrieren zu können.<br />

Die freigesetzten Neutronen werden von anderen Kernen eingefangen.<br />

Dabei sind keine Coulombbarrieren zu überwinden, sodaß auch Kerne<br />

mit sehr hoher Ladung leicht weitere Nukleonen einfangen und in der<br />

Nukleonenzahl anwachsen können, sobald eine der Neutronenquellen im<br />

<strong>Heliumbrennen</strong> angeschaltet wird.<br />

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Begleitreaktionen des He-Brennens<br />

Abbildung 7.8: Ratenkoeffizient für die Reaktion von Kernen mit thermischen Neutronen<br />

entsprechend einer Temperatur kT = 30 keV, entsprechend einer Brenntemperatur<br />

von 350×10 6 K.<br />

Seite: 7.33


Begleitreaktionen des He-Brennens<br />

Die Neutronen werden von den Kernen mit den höchsten Einfangquerschnitten<br />

bei der Energie entsprechend der thermischen Energie bei der<br />

Brenntemperatur beim He-Brennen eingefangen. Abbildung 7.8 zeigt<br />

den Ratenkoeffizient k = 〈σv〉 · A0 dieser Reaktionen für alle stabilen<br />

Kerne von H bis Bi.<br />

1. Der häufigste Kern in der He-Brennzone, 4 He, fängt keine Neutronen<br />

ein, weil es keine Kerne mit A = 5 gibt.<br />

2. Der nächst häufigste Kern ist 14 N. Dieser repräsentiert den ursprünglichen<br />

Gesamtbestand an C, N und O. Er hat eine sehr großen Querschnitt<br />

für die 14 N(n,p) 14 C Reaktion.<br />

3. Die danach nächst häufigen Kerne sind die Isotope von Mg, 28 Si und<br />

56 Fe, mit jeweil etwa vergleichbarer Häufigkeit.<br />

Solange noch viel 14 N vorhanden ist, sammelt dies trotz seines nur mäßigen<br />

Einfangquerschnitts einen großen Teil der Neutronen auf. Ansonsten<br />

ist der Hauptabsorber 56 Fe, weil dieser Kern zu den häufigsten gehört<br />

und der Einfangquerschnitt für Neutronen wesentlich größer als für die<br />

anderen häufigen Kerne ist.<br />

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Begleitreaktionen des He-Brennens<br />

Die 56 Fe(n,γ) 57 Fe Reaktion ist der Ausgangspunkt für eine ganze Serie<br />

von Neutroneneinfängen. Wenn die Kerne zu neutronenreich werden,<br />

werden sie instabil gegenüber β − Zerfall, wodurch ein stabiler Kern<br />

mit höherer Ordnungszahl Z entsteht. Die Kette endet erst bei Bi.<br />

Das nächste Element das durch β − Zerfall von neutronenreichem Bi<br />

ensteht ist Po, das schnell durch α-Zerfall in Pb zerfällt. In diesem sog.<br />

s-Prozeß werden im Kosmos als Begleiterscheinung des <strong>Heliumbrennen</strong>s<br />

alle schweren Elemente jenseits von Fe bis Bi aufgebaut.<br />

Seite: 7.35


Begleitreaktionen des He-Brennens<br />

Die Reaktionen, die durch Neutroneinfang von 14 N ausgelöst werden,<br />

sind<br />

14 N(n,p)<br />

14 C<br />

Das Proton reagiert nach<br />

12 C(p,γ)<br />

13 N(β<br />

+ , ν)<br />

13 C oder<br />

13 C(p,γ)<br />

14 N<br />

und 14 C zerfällt wieder in 14 N. Damit sind insgesamt zwei Neutronen<br />

und ein 12 C in ein 14 N, ein β + und zwei β − umgewandelt worden.<br />

Der 14 N Kern wirkt als Falle für die Neutronen; er behindert den Aufbau<br />

der schweren Elemente durch Neutroneneinfang am 56 Fe. Dieser Prozeß<br />

kann erst richtig in Gang kommen, wenn das 14 N in 22 Ne umgewandelt<br />

ist.<br />

Seite: 7.36

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