09.03.2014 Aufrufe

Das Standardmodell der Kosmologie, Teil 2 - Institut für ...

Das Standardmodell der Kosmologie, Teil 2 - Institut für ...

Das Standardmodell der Kosmologie, Teil 2 - Institut für ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Einen eleganten Ausweg schlug Jim<br />

Peebles (Abb. 2) vor. Er argumentierte,<br />

dass die Schwankungen im Millikelvin-<br />

Bereich nur dann zu erwarten wären,<br />

wenn alle Materie im Universum elektromagnetisch<br />

wechselwirken könnte.<br />

Sollte die Dunkle Materie, aus <strong>der</strong> die<br />

kosmischen Strukturen überwiegend bestehen,<br />

aber gar nicht mit Licht in Wechselwirkung<br />

treten können, so würden die<br />

Temperaturschwankungen im CMB etwa<br />

um das Hun<strong>der</strong>tfache geringer ausfallen<br />

und im Bereich von einigen zehn Mikrokelvin<br />

liegen. Es war ein Triumph dieser<br />

Überlegung, als schließlich <strong>der</strong> Satellit<br />

Cobe genau solche Schwankungen im<br />

CMB fand (Abb. 3). Damit wurde die Tatsache,<br />

dass Temperaturschwankungen<br />

im CMB nicht im Bereich von Millikelvin,<br />

son<strong>der</strong>n im Bereich von etwa zehn Mikrokelvin<br />

liegen, zum kräftigsten Argument<br />

für die Annahme, dass die Dunkle<br />

Materie aus Elementarteilchen bestehe,<br />

die nicht elektromagnetisch wechselwirken<br />

können.<br />

Die Bestätigung <strong>der</strong> Temperaturschwankungen<br />

im CMB war eine von<br />

zwei bahnbrechenden Leistungen, die<br />

mit dem Cobe-Satelliten gelangen und<br />

die mit dem Nobelpreis für das Jahr 2006<br />

ausgezeichnet wurden. Die an<strong>der</strong>e war<br />

die genaue Vermessung des Spektrums<br />

des CMB und die Bestätigung, dass es<br />

sich in <strong>der</strong> Tat um das erwartete Planck-<br />

Spektrum handelt (Abb. 4). Tatsächlich ist<br />

das Spektrum, das <strong>der</strong> Cobe-Satellit vom<br />

CMB aufnahm, das bisher genaueste experimentell<br />

bestätigte Planck-Spektrum,<br />

einschließlich aller Labormessungen.<br />

Die daraus abgeleitete Temperatur von<br />

2.728 Kelvin bestätigte Gamows Abschätzung<br />

aus den 1940er Jahren auf eindrucksvolle<br />

Weise.<br />

Eine interessante Frage schließt sich<br />

hier unmittelbar an. Vorhin wurde erwähnt,<br />

dass <strong>der</strong> CMB nicht instantan freigesetzt<br />

wurde, son<strong>der</strong>n im Verlauf von<br />

etwa 40 000 Jahren. Währenddessen fiel<br />

die Temperatur um etwa 200 Kelvin ab.<br />

Manche <strong>der</strong> CMB-Photonen, die wir heute<br />

beobachten, sollten also etwas früher<br />

ein etwas heißeres, manche etwas verspätet<br />

ein etwas kühleres Plasma verlassen<br />

haben. Wir sollten also gerade nicht<br />

ein Planck-Spektrum zu einer einzigen,<br />

scharf definierten Temperatur sehen,<br />

son<strong>der</strong>n eine Mischung von Planck-Spektren<br />

aus einem Temperaturbereich von<br />

etwa 200 Kelvin. Wie kann es sein, dass<br />

wir trotzdem ein Planck-Spektrum zu einer<br />

Temperatur beobachten?<br />

Die Antwort liefert einen weiteren indirekten<br />

Hinweis auf die Gültigkeit <strong>der</strong><br />

Friedmann-<strong>Kosmologie</strong>. Ein verfrühtes<br />

CMB-Photon hatte eine etwas längere Reise<br />

vor sich als ein verspätetes. Zwischen<br />

<strong>der</strong> Aussendung des verfrühten Photons<br />

und heute dehnte sich das Universum<br />

daher etwas mehr aus und kühlte damit<br />

das verfrühte Photon etwas stärker ab.<br />

Im Rahmen <strong>der</strong> Friedmann-<strong>Kosmologie</strong><br />

ist diese etwas stärkere Abkühlung gerade<br />

so groß, dass sie die etwas höhere Anfangstemperatur<br />

des Photons exakt ausgleicht.<br />

Erst diese nachträgliche, leicht<br />

unterschiedliche Abkühlung reduziert die<br />

eigentlich erwartete Mischung aus Planck-<br />

Spektren zurück auf ein einziges. Die Tatsache,<br />

dass Cobe mit höchster Genauigkeit<br />

ein Planck-Spektrum fand, beweist<br />

also neben dem thermischen Ursprung<br />

des CMB auch, dass die Temperatur im<br />

Lauf <strong>der</strong> Entwicklung des Universums gerade<br />

in <strong>der</strong> Weise abgefallen ist, wie ein<br />

Friedmann-Modell es erwarten lässt.<br />

Strukturen im CMB<br />

Für die Strukturen im CMB (Abb. 5) sind<br />

drei physikalische Effekte verantwortlich.<br />

Zu den bereits angelegten Dichteschwankungen<br />

gehören Schwankungen<br />

des Gravitationspotentials. Wo die Dichte<br />

etwas erhöht war, war das Potential<br />

geringer, und umgekehrt. Photonen, die<br />

aus Potentialsenken herauslaufen mussten,<br />

als <strong>der</strong> CMB freigesetzt wurde, verloren<br />

einen kleinen <strong>Teil</strong> ihrer Energie, und<br />

ebenso gewannen solche Photonen Energie,<br />

die von Potentialhügeln loslaufen<br />

konnten. Dieser Effekt, <strong>der</strong> allein dadurch<br />

bedingt ist, dass die CMB-Photonen in einer<br />

leicht hügeligen Potentiallandschaft<br />

freigesetzt wurden, heißt Sachs-Wolfe-Effekt<br />

und spielt auf den größten Skalen die<br />

wesentliche Rolle.<br />

Auf kleineren Skalen setzen Schwingungen<br />

ein. Sie werden dadurch verursacht,<br />

dass Überdichten aus Dunkler<br />

Materie aufgrund ihrer Schwerkraft<br />

das Gemisch aus Photonen und Gas zu<br />

komprimieren beginnen, sodass dessen<br />

Druck steigt und <strong>der</strong> Kompression<br />

entgegen wirkt. <strong>Das</strong> ist <strong>der</strong>selbe Mechanismus,<br />

<strong>der</strong> es Schallwellen ermöglicht,<br />

sich durch die Luft auszubreiten, weshalb<br />

man von akustischen Schwingungen spricht.<br />

Sie breiten sich mit einer Schallgeschwindigkeit<br />

aus, die knapp sechzig Prozent <strong>der</strong><br />

Lichtgeschwindigkeit beträgt und kamen<br />

daher in den etwa 400 000 Jahren zwischen<br />

dem Urknall und <strong>der</strong> Freisetzung<br />

des CMB höchstens etwa 230 000 Lichtjahre<br />

weit. Strukturen, die größer als die-<br />

Intensität [MJy/steradian]<br />

400<br />

300<br />

200<br />

100<br />

2<br />

Wellenlänge [mm]<br />

1<br />

0.67<br />

0<br />

0 150<br />

300 450<br />

600<br />

Frequenz [GHz]<br />

0.5<br />

Nasa/Cobe<br />

<br />

<br />

Abb. 4: <strong>Das</strong> vom Firas-Instrument<br />

an Bord des Cobe-Satelliten aufgenommene<br />

Spektrum des kosmischen<br />

Mikrowellenhintergrunds<br />

ist das beste jemals gemessene<br />

Planck-Spektrum. Die Fehlerbalken<br />

<strong>der</strong> einzelnen Messpunkte<br />

entsprechen 400 Standardabweichungen!<br />

Abb. 5: Der Wmap-Satellit hat inzwischen<br />

eine sehr viel detailliertere<br />

Karte <strong>der</strong> Temperaturschwankungen<br />

im CMB aufgenommen.<br />

Anhand <strong>der</strong> charakteristischen<br />

Skalen <strong>der</strong> sichtbaren Strukturen<br />

können viele kosmologische<br />

Parameter genau bestimmt werden.<br />

38 Sterne und Weltraum September 2007

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!