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Das Standardmodell der Kosmologie, Teil 2 - Institut für ...

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aryonisch, und 24.3 Prozent bestehen<br />

aus Dunkler Materie. Die kosmologische<br />

Konstante trägt gerade so viel bei, dass<br />

die Dichte insgesamt kritisch wird, was<br />

sich daran ablesen lässt, dass unser Universum<br />

räumlich entwe<strong>der</strong> flach o<strong>der</strong> im<br />

Rahmen <strong>der</strong> Messgenauigkeit von einem<br />

flachen Universum nicht zu unterscheiden<br />

ist. Daraus ergibt sich für das heutige<br />

Alter des Universums ein Wert von 13.7<br />

Milliarden Jahren.<br />

Inflation und Dunkle Energie<br />

Mit diesem großen Erfolg des kosmologischen<br />

<strong>Standardmodell</strong>s ist die <strong>Kosmologie</strong><br />

sicher nicht am Ende, aber zweifellos<br />

ist sie in eine neue Phase eingetreten.<br />

Während noch vor recht kurzer Zeit<br />

selbst die wichtigsten kosmologischen<br />

Parameter in Frage standen, steht das kosmologische<br />

Rahmenmodell heute so gut<br />

wie fest. Gleichzeitig stellt es uns vor eine<br />

Reihe schwerwiegen<strong>der</strong> Probleme.<br />

Literaturhinweise<br />

M. Bartelmann: Der kosmische Mikrowellenhintergrund.<br />

SuW 5/2000,<br />

S. 330 – 337<br />

H. Schulz: Dunkle Energie, Antrieb<br />

für die Expansion des Universums.<br />

<strong>Teil</strong> 1: SuW 10/2001, S. 854 – 861,<br />

<strong>Teil</strong> 2: SuW 11/2001, S. 948 – 955<br />

W. Hillebrandt, F. Röpke: Supernovae<br />

vom Typ Ia – die Physik <strong>der</strong> Explosionen.<br />

SuW 5/2005, S. 22 – 28<br />

B. Leibundgut: <strong>Kosmologie</strong> mit Supernovae<br />

vom Typ Ia. SuW 5/2005,<br />

S. 30 – 37<br />

V. Springel: Die Millennium-Simulation.<br />

Auf den Spuren <strong>der</strong> Galaxien,<br />

SuW 11/2006, S. 30 – 40<br />

SuW Dossier 1/2006 »Struktur des<br />

Kosmos«, Spektrum <strong>der</strong> Wissenschaft<br />

Verlagsgesellschaft mbH,<br />

ISSN 1612 4618<br />

SuW Special 1/2006 »Unsere kosmische<br />

Heimat – das neue Bild<br />

<strong>der</strong> Milchstraße«, Spektrum <strong>der</strong><br />

Wissenschaft Verlagsgesellschaft<br />

mbH, ISSN 1434 2057<br />

<br />

Abb. 11: Während <strong>der</strong> (hypothetischen!)<br />

Phase <strong>der</strong> kosmologischen<br />

Inflation wurde das Universum<br />

innerhalb sehr kurzer Zeit<br />

extrem stark ausgedehnt. Dabei<br />

wurden Quantenfluktuationen so<br />

stark vergrößert, dass sie zu Vorläufern<br />

heutiger Strukturen werden<br />

konnten.<br />

Zunächst müssen wir zur Kenntnis<br />

nehmen, dass fast alle Materie im Universum<br />

dunkel ist, o<strong>der</strong> jedenfalls nicht von<br />

<strong>der</strong> baryonischen Art, wie wir sie kennen.<br />

Aus <strong>der</strong> Tatsache, dass die Temperaturschwankungen<br />

im CMB im Bereich von einigen<br />

zehn Mikro- statt Millikelvin liegen,<br />

müssen wir schließen, dass die Dunkle Materie<br />

nicht mit Licht wechselwirken kann.<br />

Am plausibelsten erscheinen uns schwach<br />

wechselwirkende Elementarteilchen, aber<br />

wir haben keinen <strong>der</strong> wahrscheinlichen<br />

Kandidaten bisher auch entdeckt. Möglicherweise<br />

werden Experimente wie <strong>der</strong><br />

Large Hadron Colli<strong>der</strong>, <strong>der</strong> noch 2007 am<br />

Cern in Genf den Betrieb aufnehmen soll,<br />

eine Antwort auf die Frage liefern, woraus<br />

die Dunkle Materie besteht.<br />

Wir verstehen auch, wie kosmische<br />

Strukturen zu ihrer heutigen Amplitude<br />

angewachsen sein können, wenn wir davon<br />

ausgehen, dass sie im jungen Universum<br />

angelegt worden waren. Aber worin<br />

liegt ihr Ursprung? Wodurch wurden sie<br />

angelegt? Es stellt sich heraus, dass die ergänzende<br />

Theorie <strong>der</strong> kosmologischen<br />

Inflation hervorragend dafür geeignet<br />

sein kann, eine Antwort auf diese Frage<br />

zu geben, obwohl sie ursprünglich dazu<br />

geschaffen worden war, die räumliche<br />

Flachheit des Universums zu erklären.<br />

Wie erwähnt, ist Flachheit eine instabile<br />

Eigenschaft <strong>der</strong> Friedmann-Modelle,<br />

weil sie sich davon weg bewegen, falls<br />

sie nicht von Anfang an perfekt räumlich<br />

flach waren. Die kosmologische Inflation<br />

erklärt die Flachheit dadurch, dass sie eine<br />

Entwicklungsphase annimmt, in <strong>der</strong> sich<br />

das Universum sehr rasch sehr stark ausgedehnt<br />

hat (Abb. 10). Dadurch mag sein<br />

Krümmungsradius so groß geworden<br />

sein, dass er bis heute als beinahe unendlich<br />

erscheint und das Universum damit<br />

als räumlich flach.<br />

Wenn es eine solche Phase gab, dann<br />

müssen in ihr auch die unvermeidlichen<br />

Quantenfluktuationen extrem vergrößert<br />

worden sein, die es im sehr jungen<br />

Universum gegeben haben muss. Die Inflation<br />

kann dafür gesorgt haben, dass<br />

ursprünglich subatomar kleine Quantenfluktuationen<br />

so stark vergrößert wurden,<br />

dass sie zu Vorläufern <strong>der</strong> heutigen<br />

kosmischen Strukturen werden konnten.<br />

Für diese atemberaubende These spricht<br />

inzwischen alle Evidenz. Insbeson<strong>der</strong>e<br />

folgen aus ihr eine Reihe statistischer<br />

Eigenschaften solcherart entstandener<br />

Strukturen, die offenbar genau denen<br />

entsprechen, die wir an den kosmischen<br />

Strukturen beobachten können. Obwohl<br />

es noch keinen direkten Nachweis <strong>der</strong><br />

kosmologischen Inflation gibt, liefert sie<br />

inzwischen die einzige plausible Theorie<br />

für die räumliche Flachheit, den Ursprung<br />

kosmischer Strukturen und eine<br />

Reihe weiterer Eigenschaften des kosmologischen<br />

<strong>Standardmodell</strong>s.<br />

Wenn es eine Inflation gab, was mag<br />

sie getrieben haben? <strong>Teil</strong>chenphysiker<br />

sind nicht darum verlegen, eine physikalische<br />

Antwort darauf zu geben. Sie können<br />

zeigen, dass ein genügend stark mit<br />

sich selbst wechselwirkendes, einfaches<br />

Quantenfeld genau dazu führen kann,<br />

dass sich das Universum beschleunigt<br />

ausdehnt. Sie postulieren also ein solches<br />

Feld, das Inflatonfeld, als Ursache <strong>der</strong> kosmologischen<br />

Inflation.<br />

Wir mussten aber auch feststellen,<br />

dass das Universum heute abermals eine<br />

Phase beschleunigter Expansion durchläuft,<br />

was wir oben <strong>der</strong> kosmologischen<br />

Konstante zugeschrieben hatten. Aus vielen<br />

Gründen ist die kosmologische Konstante<br />

aus <strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong> Allgemeinen Relativitätstheorie<br />

etwas sehr einfaches, aus<br />

<strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong> <strong>Teil</strong>chenphysik aber etwas<br />

höchst unbefriedigendes. Also liegt es<br />

nahe, als Ursache <strong>der</strong> heutigen beschleunigten<br />

Expansion ebenso wie für die<br />

kosmologische Inflation ein geeignetes<br />

Quantenfeld anzunehmen, das üblicherweise<br />

als Kosmonfeld, Quintessenz o<strong>der</strong><br />

mit einem Oberbegriff als Dunkle Energie<br />

bezeichnet wird. Auf <strong>der</strong> Suche nach <strong>der</strong><br />

Dunklen Energie, von <strong>der</strong> wir fast nichts<br />

wissen, außer dass sie für die beschleunigte<br />

Ausdehnung des Universums verantwortlich<br />

sein soll, befinden wir uns an<br />

einem bescheidenen Anfang. Ohne Zweifel<br />

sind die Inflation, die Dunkle Materie<br />

und die Dunkle Energie die wichtigsten<br />

Rätsel, die uns das sonst so erfolgreiche<br />

kosmologische <strong>Standardmodell</strong> aufgibt.<br />

Sehr wahrscheinlich wird uns ihre Beantwortung<br />

in eine neue Ära <strong>der</strong> Physik begleiten.<br />

<br />

Matthias Bartelmann<br />

ist Direktor am <strong>Institut</strong><br />

für Theoretische Astrophysik,<br />

einem <strong>der</strong> drei<br />

<strong>Institut</strong>e des Zentrums<br />

für Astronomie <strong>der</strong> Universität<br />

Heidelberg,<br />

und Mitherausgeber<br />

von SuW.<br />

44 Sterne und Weltraum September 2007

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