2.2 Informationsvermittlung: Sprache und Sprachver- wendung
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Aussagen, die wahr oder falsch sein können, eine gewisse Struktur haben<br />
müssen. Es besteht heute weit gehend Einigkeit darüber, dass wir nur von Sätzen,<br />
genauer eben von sogenannt wohlgeformten Sätzen, sagen können, dass<br />
sie wahr oder falsch sind. Worin besteht nun diese Wohlgeformtheit? Können<br />
z.B. die einzelnen Komponenten des Satzes, der Eigenname 'Louis' allein oder<br />
der Begriff der Perücke allein eine Aussage bilden, die wir bejahen oder verneinen<br />
können? Tatsächlich geht das nicht. Namen wie ›Louis‹ oder Begriffe wie<br />
›Perücke‹ können allein für sich genommen ebenso wenig wie »Au!« wahr oder<br />
falsch sein. Es lässt sich nicht sagen, dass dieser oder jener Begriff falsch sei,<br />
wir können nur sagen, dass dieser oder jener Begriff in einer bestimmten Situation<br />
falsch verwendet wird oder auf einen fraglichen Gegenstand nicht zutrifft.<br />
Analysieren wir die Komponenten unseres Beispielsatzes, lassen sich die Minimalbedingungen,<br />
die erfüllt sein müssen, um eine Äußerung als wahrheitsfähigen<br />
Satz akzeptieren zu können, folgendermaßen herausstellen: Zum einen<br />
muss ein Zeichen oder ein Name für ein Individuum (›Louis‹) <strong>und</strong> zum anderen<br />
ein Prädikatausdruck als Zeichen für ein allgemeines Merkmal (›trägt eine Perücke‹)<br />
vorkommen. Der Eigenname resp. das betreffende Zeichen muss dabei<br />
etwas bezeichnen, <strong>und</strong> vom Prädikatausdruck wollen wir zumindest sagen können,<br />
dass er auf dasjenige Individuum zutrifft, das wir mit dem Eigennamen bezeichnet<br />
haben. 1<br />
Wenn wir bei einer Aussage wie »Louis trägt eine Perücke« nicht wissen, wer<br />
mit ›Louis‹ gemeint ist, können wir den Satz nicht berechtigterweise für wahr<br />
halten. Wir können ihn zwar für wahr halten, wenn eine Vertrauensperson uns<br />
die Sache plausibel versichert. Berechtigterweise für wahr halten heißt aber,<br />
dass wir gegebenenfalls in der Lage sind, unsere Überzeugung, dass Louis<br />
eine Perücke trägt, zu verteidigen. Und das setzt voraus, dass wir wissen, über<br />
wen wir sprechen. Wir müssen aber auch die Bedeutung der verwendeten Prädikate<br />
kennen. Wenn ich nicht weiß, auf welche Gegenstände Prädikatausdrücke<br />
wie ›ist eine Katze‹ <strong>und</strong> ›ist eine Maus‹ oder ein zweistelliges Prädikat wie<br />
›…frisst…‹ zutreffen, wenn ich weiter nicht weiß, dass ›is a cat‹ <strong>und</strong> ›ist eine Katze‹<br />
bedeutungsgleich verwendet werden, <strong>und</strong> wenn ich schließlich eine Zeit<strong>und</strong><br />
Raumangabe nicht in irgendein Koordinatennetz einordnen kann, dann verstehe<br />
ich Sätze mit entsprechenden Komponenten nicht. Wenn ich sie nicht verstehe,<br />
kann ich auch nicht begründetermaßen mit Ja oder Nein zu den Sätzen<br />
Stellung beziehen.<br />
1 Anmerkung für philosophisch Interessierte: Das mag für manche vor dem Hintergr<strong>und</strong><br />
der modernen formalisierten mathematischen <strong>Sprache</strong>n seltsam klingen, aber die Standardlogik<br />
der Moderne, die Aussagen- <strong>und</strong> Prädikatenlogik 1. Stufe baut auf der skizzierten<br />
Gr<strong>und</strong>lage auf, die Mathematik wiederum auf dieser Standardlogik. Hier in die Details<br />
gehen zu wollen sprengt unseren Rahmen. Für InteressentInnen sei auf B. Russell/N. Whiteheads<br />
Einleitung zur 2. Auflage der Prinzipia Mathematica (Suhrkamp Taschenbuch) oder<br />
auf Wittgensteins Traktatus verwiesen. Heute gibt es auch alternative Logiken, z. B.<br />
den sogenannten Individuenkalkül (Mereologie).<br />
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