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Stellungnahme zur Sozialen Benachteiligung von Kindern und ...

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KREISJUGENDRING FÜRTH<br />

DES BAYERISCHEN JUGENDRINGS<br />

KÖRPERSCHAFT DES ÖFFENTLICHEN RECHTS<br />

<strong>Stellungnahme</strong> der Kreisjugendrings Fürth <strong>zur</strong> <strong>Sozialen</strong><br />

<strong>Benachteiligung</strong> <strong>von</strong> <strong>Kindern</strong> <strong>und</strong> Jugendlichen<br />

Auch wenn im sozialen Kontext häufig <strong>von</strong> sozial benachteiligten <strong>Kindern</strong> <strong>und</strong> Jugendlichen die Rede<br />

ist, gibt es in der Literatur keine klare Definition. Die WHO <strong>und</strong> UNICEF definiert Armut anhand des<br />

Verhältnisses des individuellen Einkommens zum „mittleren Einkommen“ in einem Land. Arm ist, wer<br />

monatlich weniger als die Hälfte des aus der Einkommensverteilung seines Landes berechneten<br />

Medians <strong>zur</strong> Verfügung hat. Die Definition reicht nicht aus, um soziale <strong>Benachteiligung</strong> umfassend zu<br />

beschreiben. Zusätzlich zu der rein finanziellen Betrachtungsweise ist die Einbeziehung <strong>von</strong><br />

kulturellem <strong>und</strong> sozialem Kapital notwendig (1).<br />

Wenn <strong>von</strong> sozial benachteiligten Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen gesprochen wird, ist die soziale Lage <strong>und</strong><br />

Prägung des Umfeldes insbesondere der Eltern einzubeziehen (2). Die soziale Lage, das<br />

Bildungsniveau <strong>und</strong> die berufliche Stellung der Eltern haben Einfluss auf die<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

materielle Versorgung (z.B. Ernährung, Kleidung, Urlaub, Ausstattung, Taschengeld,<br />

selbstverdientes Geld),<br />

Familie (z.B. Familienform, Familienklima, Zusammenhalt, Aktivitäten, Erziehungsstil),<br />

Wohnen (z.B. Eigenes Zimmer, Wohnungsgröße, Lärmbelästigung),<br />

Schule (z.B. Schultyp, Interesse am Lernen, Lernerfolg, Zukunftssorgen, häusliche<br />

Unterstützung) <strong>und</strong><br />

Freizeit (z.B. Peers, Aktivitäten, Probleme).<br />

Insgesamt lässt sich so ein zirkelförmiger Verlauf des Sozialisationsprozesses skizzieren (3).<br />

Nachwievor sind Kinder in Deutschland ein Armutsrisiko. „Nach den Daten des SOEP ist das<br />

Armutsrisiko <strong>von</strong> <strong>Kindern</strong>, anders als nach der europäischen Statistik, mit einem Unterschied <strong>von</strong><br />

acht Prozentpunkten deutlich höher als in der Gesamtbevölkerung. Ihr Armutsrisiko ist danach


zwischen 2002 <strong>und</strong> 2005 mit vier Prozentpunkten auch stärker gestiegen als in der<br />

Gesamtbevölkerung“ (4)<br />

Der dritte Armuts‐ <strong>und</strong> Reichtumsbericht der B<strong>und</strong>esregierung(4) zeigt ein eindrucksvoll wie sehr der<br />

Schulabschluss <strong>von</strong> der Situation der Eltern abhängt:<br />

Statistiken aus dem Jahr 2006 zeigt, dass für folgende Gruppen eine geringere Wahrscheinlichkeit<br />

besteht unmittelbar in Ausbildung zu kommen (5):<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Mädchen<br />

Jugendliche mit Migrationshintergr<strong>und</strong><br />

Insbesondere Jugendliche mit türkischem Migrationshintergr<strong>und</strong><br />

Jugendliche, bei denen beide Eltern arbeitslos sind<br />

Eltern mit geringer kultureller Alltagspraxis<br />

Schlechte Noten in Deutsch <strong>und</strong> Mathematik (noch schlechtere Chancen als Jugendliche<br />

ohne Abschluss)<br />

Fehlender realistischer Berufswunsch


Dahingegen haben Jugendliche eine größere Wahrscheinlichkeit nach der Schule in Ausbildung zu<br />

gelangen, wenn:<br />

ein klarer Berufswunsch,<br />

mehrere Praktika während der Schulzeit,<br />

Optimismus in Bezug auf eine Ausbildungs‐ <strong>und</strong> Arbeitsstelle,<br />

gute Noten in Deutsch <strong>und</strong> Mathematik <strong>und</strong>/oder<br />

personale, soziale, kulturelle <strong>und</strong> sprachliche Kompetenzen<br />

bestehen.<br />

Unter sozialer <strong>Benachteiligung</strong> leidet auch die Ges<strong>und</strong>heit. So achten Menschen mit einer schwachen<br />

Persönlichkeit weniger auf ihre Ges<strong>und</strong>heit. Das schlechte Ges<strong>und</strong>heitsverhalten wiederum führt zu<br />

einer Verschlechterung des Selbstwertgefühls. Diese Rückkopplung gilt auch im positiven Sinne (2).<br />

Allgemein lässt sich festhalten, dass der Zugang zu Ausbildung <strong>und</strong> Beschäftigung, Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong><br />

Ges<strong>und</strong>heitsverhalten in hohem Maße <strong>von</strong> der sozialen Lage beeinflusst werden. Entscheidend für<br />

die Ausprägung sozialer <strong>Benachteiligung</strong> sind nicht alleine objektive Problemfaktoren, wie Armut <strong>und</strong><br />

ein schwieriger Zugang zum Ausbildungs‐ <strong>und</strong> Arbeitsmarkt. Wer über soziales Kapital verfügt,<br />

mindert die Folgen <strong>von</strong> Armutslagen. Verschärft werden die Folgen sozialer <strong>Benachteiligung</strong> durch<br />

ein sich selbst beschränkendes, selbst beschädigendes <strong>und</strong> teilweise ausgrenzendes Verhalten.<br />

Besondere Unterstützung brauchen daher:<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Mädchen <strong>und</strong> junge Frauen<br />

Jugendliche mit Migrationshintergr<strong>und</strong>, insb. Türkische Jugendliche<br />

Jugendliche aus Familien mit geringen Unterstützungsmöglichkeiten<br />

Jugendliche mit schwierigen Bildungsbiographien<br />

Jugendliche ohne klare berufliche Perspektive<br />

Forderungen des Kreisjugendrings Fürth an die Politik:<br />

Soweit das Erwerbs‐ <strong>und</strong> Vermögenseinkommen einer Familie nicht mindestens der Summe<br />

der sozio‐kulturellen Existenzminima der Familienmitglieder entspricht, muss die Lücke<br />

zwischen dem Existenzminimum <strong>und</strong> den tatsächlichen Einkommen durch staatliche<br />

Transferleistungen geschlossen werden.<br />

<br />

<br />

<br />

Die Regelunterhaltssätze <strong>von</strong> <strong>Kindern</strong> sind auf die Höhe des sozio‐kulturellen<br />

Existenzminimums anzuheben. Die Unterhaltsvorschusskasse ist am tatsächlichen Ende der<br />

Unterhaltsberechtigung des Kindes aus<strong>zur</strong>ichten.<br />

Die Einführung eines branchenübergreifenden gesetzlichen Mindestlohns. Dieser muss bei<br />

einer Vollzeitstelle existenzsichernd sein <strong>und</strong> die kulturelle <strong>und</strong> soziale Teilhabe sicherstellen.<br />

Die (Hoch‐) Schule muss vollständig kostenlos <strong>und</strong> auch <strong>von</strong> versteckten Kosten sein.<br />

Insbesondere die Studiengebühren, sowie das Büchergeld sind abzuschaffen. Weitere<br />

Zusatzkosten, zum Beispiel für den Erwerb <strong>von</strong> Heften oder für Klassenfahrten aber auch für<br />

Nachhilfeunterricht, sind durch deren kostenloses Angebot durch die Schule zu vermeiden.


Die Einführung eines kostenlosen <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Mittagessens für alle Kinder <strong>und</strong><br />

Jugendlichen, die eine öffentliche Einrichtung der Kindestagesbetreuung oder eine Schule<br />

besuchen.<br />

Volle Übernahme der Kosten des Schulwegs im Rahmen des Schulwegkostenfreiheitsgesetzes<br />

(SchKFrG) durch das Land, sowie die flächendeckende Einführung vergünstigter<br />

Semestertickets. Darüber hinaus die Gewährleistung der Mobilität der <strong>von</strong> Armut betroffene<br />

Familien über Sozialtickets, Ferientickets etc.<br />

Strukturschwache Regionen <strong>und</strong> die damit Verb<strong>und</strong>enen vielschichtigen Probleme müssen<br />

deutlicher in den Fokus der Politik in den verschiedensten Ebenen gelangen – gerade in<br />

Bereichen der Infrastruktur (öffentlicher Nahverkehr) <strong>und</strong> des flächendeckenden<br />

Hilfsangebotes für junge Menschen<br />

Die Ges<strong>und</strong>heitsprävention für junge Menschen muss ausgebaut werden.<br />

Ges<strong>und</strong>heitsangebote müssen niedrigschwellig <strong>und</strong> nach sozialräumlichen Überlegungen<br />

gestaltet werden.<br />

Was kann die Jugendarbeit leisten?<br />

Im Bereich des ökonomischen Kapitals der Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen <strong>und</strong> ihres Umfeldes kann die<br />

Jugendarbeit nicht viel beeinflussen. Die Stärken der Jugendarbeit liegen in den Bereichen des<br />

kulturellen <strong>und</strong> sozialen Kapitals. Jugendarbeit kann <strong>Kindern</strong> <strong>und</strong> Jugendlichen echte Teilhabe<br />

ermöglichen <strong>und</strong> außerschulische Bildung vermitteln. Die Freizeitpädagogik, die Kulturarbeit <strong>und</strong> der<br />

Sport sind nicht nur eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung, sondern vermitteln Sozialkompetenz durch<br />

Gruppenpädagogik <strong>und</strong> eine positive Peerkultur. Jugendarbeit leistet soziale Integration <strong>und</strong><br />

ermöglicht gerade in den Verbänden <strong>und</strong> Initiativen Partizipationserfahrungen. Zudem bedeutet die<br />

Teilnahme oder gar das Engagieren in der Jugendarbeit eine Stärkung des Persönlichen Netzwerks.<br />

Unsere Forderungen:<br />

<br />

Eine stärkere Förderung der Jugendarbeit auf allen Ebenen um die Angebote der<br />

Jugendarbeit auch für <strong>von</strong> Armut betroffene Familien erschwinglich halten zu können. Sowie<br />

die niedrigschwellige <strong>und</strong> unbürokratische Kostenübernahme der entstehenden Kosten im<br />

Rahmen der „Bildungscard“.<br />

Eine finanzielle Entlastung der Kommunen, um diesen die Wahrnehmung ihrer Aufgaben in<br />

den Bereichen der Jugendarbeit, der Kultur sowie der Sportförderung zu ermöglichen. Dies<br />

sind insbesondere:<br />

o Den Erhalt <strong>und</strong> (Aus‐) Bau <strong>von</strong> Sportanlagen <strong>und</strong> Jugendräumen <strong>und</strong> deren<br />

kostenlose Zurverfügungstellung an Vereine <strong>und</strong> Jugendverbände.<br />

o Den Betrieb, Ausbau <strong>und</strong> die Weiterentwicklung der offenen <strong>und</strong> ggf. der<br />

aufsuchenden Jugendarbeit.<br />

o Die Förderung der verbandlichen Jugendarbeit.<br />

Weiterhin fordern wir unsere Mitgliedsverbände zu einem bewussten Umgang mit dem Thema auf.<br />

Hierzu sollten als ein erster Schritt die „individuelle Ausstattung“ der eigenen Mitglieder <strong>und</strong>


Teilnehmer/‐innen berücksichtigt werden. Auf dieser Gr<strong>und</strong>lage sollen die eigenen Konzepte kritisch<br />

hinterfragt <strong>und</strong> weiterentwickelt werden.<br />

Der Kreisjugendring Fürth initiiert einen Arbeitskreis unter Beteiligung der Mitgliedsverbände, der<br />

geeignete Förderungen, Maßnahmen <strong>und</strong> Konzepte erarbeitet, welche die Teilnahme <strong>von</strong>, <strong>von</strong> Armut<br />

betroffenen <strong>Kindern</strong> <strong>und</strong> Jugendlichen an Angeboten der verbandlichen Jugendarbeit fördern <strong>und</strong><br />

ermöglichen sollen.<br />

Als eine erste konkrete Maßnahme führt der Kreisjugendring eine „Förderung für<br />

Geschwisterermäßigungen in Angeboten der Verbände“ ein.<br />

Quellen:<br />

1. Bourdieu, P. Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. Frankfurt :<br />

Suhrkamp, 1982.<br />

2. Jungbauer‐Gans, M. Soziale <strong>Benachteiligung</strong> <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit bei <strong>Kindern</strong> <strong>und</strong> Jugendlichen.<br />

Wiesbaden : Verlag für Sozialwissenschaften, 2004.<br />

3. G., Frank. Referat: Soziale <strong>Benachteiligung</strong> <strong>und</strong> Anforderungen an die Jugendarbeit. Ansbach : .,<br />

2009.<br />

4. Dritter Armuts‐ <strong>und</strong> Reichtumsbericht der B<strong>und</strong>esregierung. 2010.<br />

5. Lex T. u.a. Übergangsmanagement: Jugendliche <strong>von</strong> der Schule ins Arbeitsleben lotsen. München :<br />

DJI Verlag, 2006.

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