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T I C K E R<br />

+++ <strong>start</strong> <strong>ticker</strong> +++<br />

> Wir gratulieren Martin Heigl zum erfolgreichen Abschluß seines Studiums und<br />

wünschen ihm viel Spaß und Erfolg auf dem beruflichen Weg. Wir hoffen wir<br />

sehen Dich dennoch weiter oft bei den Münchner <strong>Jusos</strong>!<br />

> Jens Röver wurde als neuer Vorsitzender der <strong>Jusos</strong> München gewählt.<br />

Die Redaktion gratuliert und wünscht viel Erfolg bei der politischen Arbeit!<br />

> Auf der JHV des RV West wurde ein neuer Vorstand gewählt. Die Redaktion<br />

gratuliert den Gewählten!<br />

> Als neuen Geschäftsführer der <strong>Jusos</strong> München wurde Christian Köning<br />

gewählt. Wir gratulieren und wünschen ihm viel Spaß bei der Arbeit!<br />

> Der Arbeitskreis Anti-Faschismus hat sich nach seiner Wiedereinsetzung<br />

konstituiert. Wir gratulieren den Gewählten im Vorstand und freuen uns auf<br />

spannende Veranstaltungen!<br />

+++ ende <strong>ticker</strong> +++<br />

Impressum:<br />

Links im Druck - Die Mitgliederzeitschrift der Münchner <strong>Jusos</strong><br />

Druck:<br />

V.i.S.d.P. :<br />

Redaktion:<br />

Innenlayout:<br />

Auflage: 500<br />

Erscheinungsweise: 6 Ausgaben pro Jahr<br />

Osiris Druck, Karl-Heine-Str. 99, 04229 Leipzig<br />

Jürgen Glatz, c/o <strong>Jusos</strong> München, Oberanger 38/IV, 80331 München<br />

Jürgen Glatz, Simone Burger, Philipp Obermüller, Mike Raab,<br />

Jakob Rinkewitz, Oliver Kohlmaier, Jens Röver, Jerome Schäfer<br />

Philipp Obermüller<br />

Wir freuen uns über Mitarbeit, Kritik, Artikel und andere Rückmeldungen;<br />

Kontakt über lid@jusos-m.de oder über Jürgen Glatz, tel. 81 89 45 94.<br />

Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder.<br />

Die Redaktion behält sich vor, Artikel abzulehnen oder zu kürzen.<br />

Wenn Sie spenden wollen: <strong>Jusos</strong> München, Konto-Nr. 111 500, Stadtsparkasse München, BLZ 701 500 00.<br />

Wir stellen Ihnen unaufgefordert eine steuerabzugsfähige Spendenquittung aus.


E D I T O R I A L<br />

Inhalt<br />

04 Schwerpunkt<br />

Reklamation!<br />

Ich will meine Partei zurück.<br />

09 Vorstellung<br />

Die Neuen im Vorstand<br />

stellen sich vor (Teil 2)<br />

10 Schwerpunkt<br />

Eine Kritik des<br />

Bremer Entwurfs<br />

CHRISTIAN BLUME<br />

15 Meinung<br />

Öl im Getriebe<br />

OLIVER KOHLMEIER<br />

16 SchriftstellerInnen<br />

Wladimir Majakowski<br />

JEROME SCHÄFER<br />

19 Vorstellung<br />

Die Neuen im Vorstand<br />

stellen sich vor (Teil 3)<br />

20 Bericht<br />

Juso-Großstädte-Netzwerk<br />

ISABELLA FIORENTINO<br />

22 Resolution<br />

des Juso-Großstädtenetzwerk<br />

26 Bericht<br />

vom Jung-Parteien-Cup<br />

27 Das letze Wort<br />

JENS RÖVER<br />

Editorial<br />

Die Grundwerte einer jeden Partei sind sowohl Basis als auch Wegweiser<br />

ihrer programmatischen und praktischen Ausrichtung. Durchaus spannend<br />

also, wenn sich eine Partei ein neues Grundsatzprogramm gibt und ihren<br />

Standort im politischen Spektrum neu bestimmt. Ein Grundsatzprogramm<br />

gibt Identität nach Innen und Außen und sollte die Richtung der parteilichen<br />

Arbeit, ob in Regierungsverantwortung oder auf der Oppositionsbank,<br />

vorgeben und beschreiben.<br />

Versuche, das Grundsatzprogramm von oben an die aktuelle praktizierte<br />

Politik auf höchsten Ebenen anzupassen, müssen deshalb dringend gestoppt<br />

werden. Die Parteispitze und die Verantworlichen in politischen Mandaten<br />

sind es, die sich an unseren Grundsätzen zu orientieren haben -<br />

und nicht umgekehrt. Den Worten (Grundsatzprogramm), müssen wo<br />

immer sich die Möglichkeit dazu bietet, Taten (gesetzgeberisches Handeln)<br />

folgen, und selbstverständlich muss man das Regieren wollen. Opposition<br />

ist Mist. Keine Frage. Aber eine progressive, und sozialdemokratische<br />

Politik hat gewiss andere Namen als Agenda 2010 und Hartz IV. Vieles<br />

davon wurde dennoch versucht, uns als kompatibel zu unserem Grundsatzprogramm<br />

zu verkaufen. Das dürfen wir uns zukünftig nicht mehr gefallen<br />

lassen. Denn schafften zum Beispiel gerade jene eben genannten<br />

Reformpakete deutlich mehr Abhängigkeit, und waren in weiten Teilen eher<br />

ungerecht und unsolidarisch. Keine Spur also von den Grundwerten Freiheit,<br />

Gerechtigkeit und Solidarität.<br />

Das neue Grundsatzprogramm muss, meiner persönlichen Meinung nach,<br />

von all den vielen Genossinnen und Genossen aus den Ortsvereinen mit<br />

ganzer Überzeugung an Infoständen vertreten werden können und deshalb<br />

auch die nötigen Visionen und Ziele aufzeigen für die es sich zu streiten<br />

lohnt – andernfalls wird das Grundsatzprogramm scheitern und im Rückblick<br />

mit den Worten „...der Linkspartei artig Platz gemacht“ bewertet<br />

werden.<br />

Vieles wurde bereits bei uns Münchner <strong>Jusos</strong> diskutiert und auch auf dem<br />

Parteitag der SPD München konnten wir uns mit vielen Änderungsvorschlägen<br />

bereits durchsetzen. Die aktuelle Ausgabe des „Links im Druck“ soll<br />

einen weiteren Beitrag zur Diskussion leisten und mit dem Schwerpunkt<br />

„Programmdebatte“ zum Mitmachen anregen.<br />

PHILIPP OBERMÜLLER<br />

02 03


S C H W E R P U N K T<br />

Reklamation!<br />

Ich will meine Partei zurück.<br />

Die SPD muss wieder<br />

Programmpartei werden<br />

Die SPD ist programmatisch ausgebrannt:<br />

Im Moment opfert die SPD<br />

mit der Bürgerversicherung das letzte<br />

ausstrahlungsfähige Projekt im<br />

„Kompromiss“ um die Gesundheitsreform.<br />

Das Profil der SPD ist an<br />

zentralen Stellen immer weniger erkennbar.<br />

Vor diesem Hintergrund ist<br />

es uns wichtig, dass die Debatte um<br />

das Grundsatzprogramm Platz bietet,<br />

um Visionen zu diskutieren, die<br />

über die alltägliche Regierungspolitik<br />

hinausgehen. In diesem Prozess<br />

muss Raum sein, die rot-grüne Regierungszeit<br />

kritisch zu beleuchten.<br />

Es darf z.B. nicht verniedlichend<br />

von einer gefühlten Unsicherheit<br />

gesprochen werden, wenn es eine<br />

wirkliche Unsicherheit gibt. Wir<br />

brauchen eine ernsthafte Analyse der<br />

Situation. Es muss klar werden wofür<br />

die SPD steht.<br />

Dabei wird uns sozialdemokratische<br />

Prosa nicht weiter helfen, die SPD<br />

muss greifbar werden. Was ist die<br />

SPD? Unter Punkt 5 „Unser Weg“<br />

finden sich folgende Zuschreibungen:<br />

„Wir sind die Partei der engagierten<br />

BürgerInnen“, „Wir sind die<br />

Partei der solidarischen Mitte“, „Wir<br />

sind die Partei für ganz Deutschland“.<br />

Wer sich nach der Lektüre<br />

dieser Allgemeinplätze ein wenig<br />

verloren fühlt, der steht nicht allein<br />

da. Die Analyse der Gesellschaft<br />

muss mehr sein als ein paar nette<br />

Worte. Nur wer weiß, wo er steht,<br />

kann Gestaltungsvorschläge aufzeigen<br />

und damit Orientierung stiften.<br />

Die Analyse in weiten Teilen des Bremer<br />

Entwurfs ist schlichtweg platt<br />

und in ihrer Vereinfachung auch<br />

falsch. So bringt z.B. der wachsende<br />

Welthandel nicht überall die lang<br />

ersehnte Arbeit. Damit verbunden ist<br />

auch die Frage, für wen machen wir<br />

Politik? Konzentrieren wir uns heimlich<br />

und leise nun doch nur auf die<br />

ominöse Mitte der Gesellschaft, wie<br />

einst von Gerhard Schröder gefordert,<br />

oder meinen wir es noch ernst<br />

mit der linken Volkspartei? Einer<br />

Partei, welche die Mitte der Gesellschaft<br />

in ihre Reformvorschläge mit<br />

einschließt, sich allerdings bewusst<br />

ist, dass es in dieser Gesellschaft<br />

klare Interessenskonflikte gibt, diese<br />

nicht verschweigt und für die ArbeitnehmerInnen<br />

Position bezieht.<br />

Linke Volkspartei zu sein bedeutet für<br />

uns Partei für alle Menschen in<br />

Deutschland, für unsere gesamte<br />

Bevölkerung zu sein. Die richtige<br />

Feststellung, dass jeder Mensch die<br />

gleiche Würde hat, unabhängig von<br />

seiner Leistung und seiner wirtschaftlichen<br />

Nützlichkeit muss sich auch<br />

im weiteren Programm widerspiegeln.<br />

Hier ist der Bremer Entwurf<br />

unzulänglich: Die Aussage, wir<br />

brauchten mehr „qualifizierte Einwanderinnen<br />

und Einwanderer“ gipfelt<br />

in der Feststellung „Beide Seiten<br />

müssten einen Nutzen davon [von<br />

Einwanderung] haben“.<br />

Wir wollen, dass das Bekenntnis zu<br />

dem universellen Grundrecht auf<br />

Asyl in unserem Programm fest verankert<br />

wird. Dies muss durch konkrete<br />

Forderungen unterfüttert werden:<br />

wie ein Ende der bisherigen<br />

Schengen-Politik, der Praxis der<br />

Abschiebehaft, der Residenzpflicht<br />

und der Auszahlung in Sozialleistungen<br />

in Waren. Gleichzeitig brauchen<br />

wir ein klares Bekenntnis zu<br />

einem neuen Staatsbürgerrecht, weg<br />

von ius sanguis. Jeder in Deutschland<br />

geborene Mensch soll automatisch<br />

die deutsche Staatsbürgerschaft<br />

bekommen.Echte Integration gelingt<br />

nur durch echte, gleichberechtigte<br />

Teilhabe in der Gesellschaft, der<br />

Kultur und der Politik und nicht<br />

durch repressive Sanktionen.<br />

Die SPD muss Mitgliederpartei<br />

sein<br />

Viele sozialdemokratische Parteien<br />

in Europa bauen im Moment ihre<br />

Parteien um; „Aktivist“ ist das neue<br />

Stichwort. Demokratische Gremien<br />

werden abgebaut oder delegitimiert,<br />

die Basis soll gestärkt werden, indem<br />

demokratisch legitimierte Gremien


S C H W E R P U N K T<br />

abgebaut und direkte Beteiligungsmöglichkeiten<br />

geschaffen werden,<br />

die sich ziemlich schnell als Illusionen<br />

entpuppen, da damit keine verbrieften<br />

Rechte verbunden sind.<br />

Dadurch hat nur noch eine kleine<br />

Funktionärsclique Mitgestaltungsmöglichkeiten,<br />

die große Masse wird<br />

nur noch entertaint. Die „Basta Politik“<br />

Gerhard Schröders ist eines der<br />

besten Beispiele für die Delegimitierung<br />

von demokratischen Gremien.<br />

Leider hat sich daran seit dem Weggang<br />

Schröders hier wenig geändert.<br />

Im Bremer Entwurf fehlt völlig<br />

eine grundsätzliche Auseinandersetzung<br />

mit dem Verhältnis Partei und<br />

Regierung. Für uns ist die Partei Ideengeber<br />

und Motor für die Regierung<br />

und nicht andersherum. Dafür<br />

müssen demokratisch gefasste<br />

Beschlüsse wieder ernst genommen<br />

werden. Wer es mit der Mitgliederpartei<br />

SPD ernst meint, müsste dies<br />

auch im Prozess zum Grundsatzprogramm<br />

deutlich machen, doch<br />

dies ist nicht der Fall. Wieder gibt<br />

es Regionalforen, auf denen die<br />

Möglichkeiten zur Aussprache sehr<br />

gering sind. Die Mitgliederbefragung<br />

über den Fragebogen ermöglicht<br />

keine klare Stellungnahme zu<br />

den wichtigen Auseinandersetzungen.<br />

Der Parteirat ist in den Prozess<br />

nicht eingebunden. Dennoch werden<br />

wir alle Möglichkeiten nutzen,<br />

um Einfluss zu nehmen.<br />

Ein deutliches Bekenntnis zur Mitgliederpartei<br />

findet sich im Bremer<br />

Entwurf nicht.<br />

Dem demokratischen Sozialismus<br />

den Platz geben, den er<br />

verdient<br />

Es geht nicht darum, wie oft man<br />

den Begriff demokratischer Sozialismus<br />

über die Suchfunktion im<br />

Grundsatzprogramm findet, sondern<br />

welchen Platz er tatsächlich im<br />

Konzept der SPD einnimmt. Im vorliegenden<br />

Bremer Entwurf gibt es<br />

eine Passage zum demokratischen<br />

Sozialismus. Danach wird nur noch<br />

von Sozialer Demokratie gesprochen.<br />

Ein flüchtiger Blick über das<br />

Programm genügt, um zu wissen,<br />

dass die Worte: „Er ist kein Dogma<br />

und beschreibt keinen Endzustand,<br />

sondern die Vision einer freien, gerechten<br />

und solidarischen Gesellschaft,<br />

für deren Verwirklichung wir<br />

auch weiterhin eintreten.“ leer sind.<br />

In diesem Entwurf finden sich weder<br />

Ziele, die über den heutigen Tag<br />

hinausgehen, noch solche, die den<br />

Weg in diese Richtung weisen. Auch<br />

werden die Grundwerte der Sozialdemokratie<br />

„Freiheit, Gerechtigkeit<br />

und Solidarität“ nicht mehr aus dem<br />

Demokratischen Sozialismus hergeleitet,<br />

wie dies noch im Berliner Programm<br />

geschah. Damit wird der<br />

demokratische Sozialismus de fakto<br />

zum historischen Relikt in der<br />

Ahnengalerie.<br />

Für uns bleibt der demokratische<br />

Sozialismus der Begriff, der dieses<br />

Konzept einer anderen Gesellschaft<br />

am Besten beschreibt. Der deutlich<br />

macht, dass wir in der SPD eine<br />

Kapitalismuskritik brauchen, dass es<br />

in dieser Gesellschaft grundsätzliche<br />

Interessenskonflikte gibt. Einen<br />

„demokratischen Sozialismus light“<br />

über den gesetzten Begriff „Soziale<br />

Demokratie“, bei dem es nur noch<br />

um Korrekturen und nicht mehr um<br />

eine andere, bessere Gesellschaft<br />

geht, werden wir nicht akzeptieren.<br />

Der demokratische Sozialismus ist<br />

für uns nicht historischer Ballast,<br />

sondern tägliche Handlungsmaxime.<br />

Für wirkliche Gerechtigkeit<br />

Im Zuge der Debatte um das<br />

Grundsatzprogramm gilt es auch,<br />

Pflöcke einzuschlagen, wenn es um<br />

den Punkt Gerechtigkeit geht. In den<br />

letzten Jahren wurde versucht, über<br />

Begriffe wie Chancengerechtigkeit,<br />

eine ‚Gerechtigkeit light’ einzuführen.<br />

Gerechtigkeit misst sich für uns<br />

nie an den Chancen, sondern immer<br />

am Ergebnis. Eine zu akzeptierende<br />

oder gar gewünschte Ungleichheit<br />

wird es mit uns nicht geben.<br />

An manchen Stellen des Entwurfs<br />

wurde gerecht durch fair/ Fairness<br />

ersetzt, vor allem im Europaund<br />

internationalen Teil.<br />

Für uns gibt es keine erste und zweite<br />

Klasse Gerechtigkeit. Die internationale<br />

Solidarität gebietet es,dass<br />

unsere Ziele für alle Menschen gelen.<br />

>><br />

04 05


S C H W E R P U N K T<br />

Arbeit<br />

„Die solidarische Mitte hat die Soziale<br />

Marktwirtschaft möglich gemacht<br />

und sie wird das Land auch<br />

in Zukunft mit ihrer Leistung und<br />

ihrer Solidarität zusammenhalten.“*<br />

Mit dem Bremer Entwurf übernimmt<br />

die SPD mit der neuen sozialen<br />

Marktwirtschaft das Konzept der<br />

Union und damit auch all seine<br />

Probleme, vor allem in das grundsätzliche<br />

Vertrauen in den Markt. So<br />

ist der Sozialstaat keine Errungenschaft<br />

der sozialen Marktwirtschaft,<br />

sondern er wurde durch die ArbeitnehmerInnen<br />

erkämpft. Immer wieder<br />

scheint im Entwurf die Unterscheidung<br />

in gute und schlechte<br />

Unternehmen durch. Dass dem<br />

Prinzip der Profitmaximalisierung<br />

alle unterworfen sind, wird dabei<br />

ausgeblendet. Auch in dem Absatz<br />

zu den Finanzmärkten zeigt sich<br />

eine klare Unterscheidung in langfristige<br />

- und damit gute - und kurzfristige<br />

- und damit schlechte - Investitionen.<br />

Natürlich gewährleisten<br />

langfristige Investitionen mehr Planungssicherheit,<br />

dieses Schwarz-<br />

Weiß Denken allerdings hat nichts<br />

mit der Realität zu tun. Auch langfristige<br />

Investitionen können Volkswirtschaften<br />

erheblichen Schaden<br />

zufügen. Der angestimmte Lobgesang<br />

auf die Soziale Marktwirtschaft<br />

vergisst, dass zentrale Versprechungen<br />

nicht erfüllt wurden. So sind wir<br />

weit davon entfernt alle Bevölkerungsteile<br />

an der Wohlstandsentwicklung<br />

teilhaben zu lassen. Auch<br />

das Grundversprechen der Vollbeschäftigung<br />

ist nicht erfüllt. Wir<br />

brauchen deshalb Alternativen zur<br />

Sozialen Marktwirtschaft.<br />

Die SPD steht weiter für das Ziel der<br />

Vollbeschäftigung ein. Auf dem<br />

Weg dahin gibt sie aber das Ziel der<br />

Arbeitsplatzsicherheit und das Recht<br />

auf eine wohnortnahe Beschäftigung<br />

auf. Wer kritiklos Flexibilisierung<br />

fordert, der nimmt unter anderem<br />

die Abwanderung aus dem Osten<br />

einfach hin und versucht nur noch<br />

damit umzugehen. Im Mittelpunkt<br />

der Arbeitsmarktpolitik steht der<br />

ungebrochene Glauben an die Innovation,<br />

die Macht des Wissens,<br />

die Kultur der Selbstständigkeit als<br />

Teil der offensiven Strategie des<br />

Qualitätswettbewerbs. Dabei wird<br />

die Frage, inwieweit insbesondere<br />

die Globalisierung international<br />

über Regulierungen gestaltet werden<br />

muss, vollkommen vernachlässigt.<br />

Es geht aus unserer Sicht nicht darum,<br />

der Beste im Wettbewerb zu<br />

sein, sondern gleiche Bedingungen<br />

als ersten Schritt festzulegen, um ein<br />

weiteres Auseinanderklaffen zwischen<br />

arm und reich zu verhindern.<br />

Im Entwurf findet sich auch die alte<br />

Debatte um die zu hohen Lohnnebenkosten<br />

wieder. So soll die Steuerfinanzierung<br />

des Sozialstaates<br />

dazu benutzt werden, Lohnnebenkosten<br />

abzubauen, insbesondere<br />

in den unteren Einkommensgruppen.<br />

Dies führt das von uns vertretene<br />

Prinzip „Gerechte Bezahlung<br />

für Arbeit“ ad absurdum. Einen wie<br />

auch immer gestalteten staatlich<br />

subventionierten Niedriglohnsektor<br />

lehnen wir ab.<br />

Die wirtschaftliche Demokratie bleibt<br />

Bestandteil der Politik der SPD, allerdings<br />

in abgeschwächter Form.<br />

Zwar setzen wir uns für eine paritätische<br />

Mitbestimmung ein, ansonsten<br />

ist von einem Ausbau kaum die<br />

Rede. Dafür wird als zweite Säule die<br />

Beteiligung der ArbeitnehmerInnen<br />

am Unternehmenskapital mittels Investivlöhnen<br />

als ökonomische Teilhabe<br />

eingeführt. Dies halten wir für<br />

eine Sackgasse, denn zu groß ist die<br />

Gefahr, das Risiko auf die ArbeitnehmerInnen<br />

zu übertragen oder<br />

Löhne niedrig zu halten, Beispiele<br />

der Vergangenheit wie die Telekom-<br />

Aktien belegen dies. Wir fordern<br />

eine Beteiligung der ArbeitnehmerInnen<br />

am Gewinn über eine Lohnsteigerung,<br />

die sich nicht nur am<br />

Inflationsausgleich orientiert, sondern<br />

auch darüber liegt und einen<br />

stärkeren Ausbau der Mitbestimmung,<br />

insbesondere auf europäischer<br />

Ebene z.B. durch ein europäisches<br />

Streikrecht und eine Ausweitung<br />

der Euro-Betriebsräte. Genauso<br />

wenig schafft es die SPD über den<br />

Mindestlohn hinaus zu definieren,<br />

was „gute Arbeit“ ist. Unter anderem,<br />

welchen Stellenwert Arbeitsschutzgesetze<br />

haben, wie eine immer<br />

weiterreichende Flexibilisierung<br />

die Grenzen zwischen Arbeit und<br />

Freizeit immer mehr verschwimmen<br />

lässt und dass hier neue Regelungen<br />

gefragt sind. Am Ende des Kapitels<br />

wird an die Verantwortung der<br />

Verbraucher appelliert, über den<br />

Einkaufskorb mitzubestimmen. Dass<br />

diese Möglichkeit durch die Höhe<br />

des Einkommens deutlich beschränkt<br />

ist, wird nicht gesehen.


S C H W E R P U N K T<br />

Staat und Sozialstaat<br />

Unser neues Leitbild soll der aktivierende,<br />

präventive und investive<br />

„vorsorgende Sozialstaat“ sein, der<br />

Teilhabe, Emanzipation und Sicherheit<br />

als Ziele hat. Bisher ist die Formulierung<br />

ein reiner Formelkompromiss<br />

zwischen den verschiedenen<br />

Richtungen in der SPD. Es findet<br />

sich mit dem aktivierenden Sozialstaat<br />

„das fördern und fordern“ der<br />

Schröder-Linie wieder und der investive<br />

Charakter soll die Bedenken<br />

der Linken abmildern. Dennoch lässt<br />

sich ein klarer Rückschritt erkennen,<br />

so spricht der Entwurf davon, dass<br />

nur die großen Lebensrisiken abgesichert<br />

werden müssen - ein Schritt<br />

hin zu einer Minimalversorgung<br />

durch den Staat. Wir werden uns<br />

deshalb massiv dafür einsetzen<br />

müssen, dass der investive Sozialstaat<br />

gestärkt und nicht geschwächt<br />

wird. Konkret bedeutet dies unter<br />

anderem, dass sich gegen Armut<br />

nicht Bildung als einziges Gegenmittel<br />

findet.<br />

Für uns ist Bildung mehr als ein Instrument<br />

in der wirtschaftspolitischen<br />

Debatte. Bildung muss für uns<br />

emanzipatorischen Charakter haben,<br />

sie ist ein Baustein um es Menschen<br />

zu ermöglichen ihr Leben<br />

selbst zu gestalten.<br />

Völlig fehlt auch der Umverteilungscharakter<br />

des Sozialstaats: Wer wirklich<br />

Emanzipation, Teilhabe und soziale<br />

Sicherheit erreichen will, muss<br />

von Umverteilung sprechen und sie<br />

in konkrete Forderungen und Politik<br />

umsetzen, beispielsweise eine<br />

höhere Besteuerung von Vermögen<br />

und Erbschaften. Hier reicht die<br />

vage Formulierung, dass vermögende<br />

Privathaushalte entsprechend<br />

ihrer Leistungsfähigkeit bei Bildungsinvestitionen<br />

beteiligt werden müssen,<br />

bei weitem nicht aus. Außerdem<br />

spricht der Entwurf nur von einer der<br />

Leistung angemessenen Vermögungs-<br />

und Einkommensverteilung.<br />

Vollkommen unkritisch hat die SPD<br />

unter Kurt Beck den Leistungsbegriff<br />

übernommen. Was ist eine der Leistung<br />

angemessene Vergütung? Leistung<br />

ist kein objektiver Maßstab,<br />

sondern wird von der Gesellschaft<br />

definiert und wertet dabei auch immer<br />

bestimmte Bereiche ab.<br />

Wir fordern auch weiterhin eine<br />

gerechte und gleiche Vermögensund<br />

Einkommensverteilung. Neu im<br />

Programmentwurf findet sich das<br />

Thema „Flexicurity“. Dabei wird Flexibilität<br />

nicht mehr Grundsätzlich in<br />

Frage gestellt, sondern als berechtigtes<br />

Interesse der Unternehmen<br />

bezeichnet. Zwar wird deutlich gemacht,<br />

dass auch die Bedürfnisse<br />

der Beschäftigten berücksichtigt<br />

werden müssen, allerdings ist damit<br />

die Forderung nach Arbeitszeitkonten<br />

verbunden, die in der Praxis oftmals<br />

zu weniger Rechten der Beschäftigten<br />

geführt haben. Der Bezug,<br />

dass Teilhabe am gesellschaftlichen<br />

Leben auch von geregelten<br />

Arbeitszeiten abhängt, fehlt komplett.<br />

Frieden<br />

„Wir wissen, dass es Situationen<br />

geben kann, in denen militärisches<br />

Eingreifen notwendig ist. Deutschland<br />

kann sich an diesen Missionen<br />

beteiligen, wenn die durch ein völkerrechtlich<br />

bindendes Mandat der<br />

Vereinigten Nationen legitimiert<br />

sind, der Einsatz dem deutschen<br />

Interesse nicht widerspricht und der<br />

Deutsche Bundestag zustimmt.“*<br />

Im Grundsatzprogramm sucht man<br />

eine kritische Auseinandersetzung<br />

mit den Bundeswehreinsätzen der<br />

rot-grünen Bundesregierung vergeblich.<br />

Stattdessen sollen die Einsätze<br />

über Kriterien (siehe Zitat), die<br />

keine sind, nachträglich legitimiert<br />

werden. Es wird die hervorragende<br />

Arbeit der Bundeswehr gelobt. Ziel<br />

ist ein „Weiter so“, verbunden mit<br />

der Neuausrichtung der Bundeswehr<br />

hin zu den Aufgaben der internationalen<br />

Krisenbewältigung.<br />

Das umfasst den Ausbau der Eliteeinheiten,<br />

die sich schon jetzt dem<br />

Zugriff des Parlaments entziehen,<br />

die Modernisierung der Waffensysteme<br />

anstatt einer wirklichen Abrüstung<br />

und keine wirklichen Anstrengungen<br />

bei der Krisenprävention.<br />

Von der antimilitaristischen Tradition<br />

der SPD (Lehren aus dem 1. und<br />

2. Weltkrieg und die Debatte um die<br />

Wiederbewaffnung) bleibt nichts<br />

mehr übrig.<br />

Die Hauptkritik gilt allerdings dem<br />

Versuch „das deutsche Interesse“<br />

als Kriterium für Kriegseinsätze zu<br />

verankern. Für uns als InternationalistInnen<br />

ist dies ein Bruch mit unseren<br />

Grundsätzen. Die internationale<br />

Frage findet sich in unserer<br />

alltäglichen Arbeit wieder, denn wir<br />

machen Politik für alle Menschen auf<br />

dem Globus und nicht nur isoliert<br />

für Deutschland. >><br />

06 07


S C H W E R P U N K T<br />

Wir diskutieren Wirtschaftspolitik<br />

eben nicht aus einer nationalen Interessenlage<br />

heraus. Viele ökonomische<br />

und soziale Probleme können<br />

auch nur international gelöst<br />

werden, wie der Abbau der Arbeitslosigkeit<br />

-, will man sich nicht in<br />

einem nationalistischen Standortwettkampf<br />

wieder finden. Der Kampf<br />

der Arbeiterbewegung, von der wir<br />

ein Teil sind, ist international. Ausgehend<br />

von diesem Verständnis ist<br />

für uns das „deutsche Interesse“<br />

kein Kriterium.<br />

Frauen<br />

Der Bremer Entwurf vollzieht die<br />

Wende der rot-grünen Regierungspolitik<br />

im Bereich Gleichstellung<br />

nach. Gleichstellungspolitik wird fast<br />

nur mehr unter dem Aspekt der Vereinbarkeit<br />

von Familie von Beruf<br />

bearbeitet. Frauen werden nicht<br />

mehr als eigenständige Wesen gesehen,<br />

sondern nur noch in Zusammenhang<br />

mit einem Partner und/<br />

oder Kindern gedacht. Junge Frauen<br />

ohne Kinder kommen nicht mehr<br />

vor. Dies wird deutlich in den Passagen<br />

„Wer die menschliche Gesellschaft,<br />

wer ein Leben in Partnerschaft<br />

will, muss die Gleichstellung<br />

von Mann und Frau hier und heute<br />

verwirklichen.“ Oder „Wir wollen,<br />

dass junge Frauen ihre Vorstellung<br />

von einem selbst bestimmten Leben<br />

verwirklichen können. Sie wollen<br />

beides: Beruf und Familie.“*<br />

Es wird auch darum gehen, Frauen<br />

in allen Lebensbereichen wieder in<br />

den Mittelpunkt der Gleichstellungspolitik<br />

zu stellen: Bildung, Freizeit,<br />

der Weg in den Arbeitsmarkt, Aufstiegschancen,<br />

Sexismus und Mobbing,<br />

gesellschaftliche Anerkennung,<br />

schlechte Arbeitsbedingungen<br />

in typischen Frauenberufen,<br />

Altersarmut, Hausarbeit, Kindererziehung,<br />

Beziehung...<br />

Anstatt sich auf künstliche Kategorien<br />

zu versteifen, wie junge Frauen<br />

und damit die Frauen gegeneinander<br />

auszuspielen. Auch wird nicht<br />

deutlich wo die Reise grundsätzlich<br />

hingehen soll. Bedeutet die Selbstbestimmung<br />

der Frau, dass wir nicht<br />

nur die traditionelle Arbeitsteilung<br />

überwinden wollen, sondern auch<br />

die Rollenmodelle an sich? Wir fordern<br />

eine komplette Neufassung des<br />

Gleichstellungsteils.<br />

Was vom Bremer Entwurf übrig<br />

bleibt<br />

Gerade in den Bereichen Globalisierung<br />

und Europa bietet der Bremer<br />

Entwurf weder eine fundierte<br />

Analyse noch tragfähige Forderungen,<br />

die über den heutigen Tag hinausgehen.<br />

Wo wollen wir hin mit der<br />

Europäischen Union? Leerstelle.<br />

Wir fordern weiter die Vereinigten<br />

Staaten von Europa. Dass eine Friedensmacht<br />

Europa, auch eine<br />

grundsätzliche Verantwortung bei<br />

der Abrüstung hat und in diesem<br />

Punkt auch die Europäische Verfassung<br />

in Frage gestellt werden muss.<br />

Leerstelle. Und bei einem sozialen<br />

Europa geht es nicht nur um einen<br />

fairen Standortwettkampf. Die gerechte<br />

Weltordnung wurde vorsorglich<br />

gleich durch eine gerechtere<br />

ersetzt. Dabei waren doch die großen<br />

Veränderungen in diesem Bereich,<br />

neben dem Ende des Ost-<br />

Westkonflikts, die ursprünglichen<br />

Gründe für die Überarbeitung des<br />

Berliner Programms.<br />

Herausgekommen ist ein neues Programm,<br />

das keine Orientierung zu<br />

stiften vermag. Dass ursprüngliche<br />

Versprechen der Sozialdemokratie<br />

für ein besseres Leben der Menschen<br />

zu kämpfen:<br />

Probleme zu sehen und gemeinsam<br />

an einem Weg zu arbeiten um diese<br />

zu lösen – egal wie groß und<br />

gewaltig sie erscheinen; ist nicht<br />

mehr erkennbar. Übrig bleibt eine<br />

technische Anleitung. Wohin? Egal.<br />

* Zitate sind dem Bremer Entwurf<br />

entnommen.<br />

Positionspapier mit Unterstützung<br />

der Juso-Landesverbände Rheinland-Pfalz,<br />

Saarland, Mecklenburg-<br />

Vorpommern und Thüringen, sowie<br />

dem Juso-Unterbezirk Frankfurt am<br />

Main und Nicole Bormann (Mitglied<br />

des Bundesausschuss), Simone Burger<br />

(Stellv. Juso-Bundesvorsitzende)<br />

und Thomas Goger (Juso-Landesvorsitzender<br />

Bayern).


V O R S T E L L U N G<br />

Marina Karbowski<br />

Beisitzerin für (Neu-)Mitgliederbetreuung<br />

Seit 2004 studiere ich in München Politische Wissenschaften, Neuere und Neuste<br />

Geschichte und Soziologie. Im Frühjahr 2005 bin ich der SPD beigetreten und habe<br />

kurz darauf mein Engagement im RV Süd der <strong>Jusos</strong> München begonnen, wo ich mittlerweile<br />

stellvertretende Vorsitzende bin.<br />

Beigetreten bin ich, da ich mich den sozialdemokratischen Grundwerten verbunden fühle<br />

und es schon immer für ausgesprochen wichtig gehalten habe, sich für diese Werte aktiv einzusetzen. Mein<br />

politischer Schwerpunkt liegt in der Entwicklungszusammenarbeit und der Beschäftigung mit politischer Kultur<br />

im Ländervergleich. Die Auseinandersetzung mit diesen Themen hat mir immer wieder bewusst gemacht, welche<br />

bedeutende Rolle das politische Engagement von Bürgerinnen und Bürgern spielt. Aus diesem Grund freue<br />

ich mich darauf, als Neumitgliederbeauftragte die Möglichkeit zu haben, „Neueinsteigern“ für alle Fragen zur<br />

Verfügung zu stehen, ihnen einen ersten Überblick über die Arbeit der <strong>Jusos</strong> München vermitteln zu können<br />

und somit das politische Engagement eines jeden und einer jeden ein bisschen mit fördern bzw. befördern zu<br />

dürfen. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es gerade zu Beginn schwierig sein kann diesen Überblick über<br />

Struktur und Themen der <strong>Jusos</strong> zu bekommen. Dafür möchte ich als Ansprechpartnerin jeder Zeit da sein, aber<br />

natürlich auch als Anlaufstelle für Kritik und Ideen.<br />

Ich freue mich auf viele Anfragen in diesem Jahr!<br />

Robert Ulbricht<br />

Beisitzerin für den RV Süd<br />

Am 28. März 1983 in der Elbestadt Dresden geboren, verbrachte ich dort einen großen<br />

Teil meines jungen Lebens. Während der Schulzeit schien mir wenig außer Mathematik<br />

und Physik zu liegen, so dass ein naturwissenschaftliches Studium lange Zeit als sicher<br />

galt; um so verwunderlicher (vielleicht auch für mich selbst) war es von daher, als ich<br />

im Sommer 2002 beschloss in Tübingen Volkswirtschaftslehre zu studieren. Ex post<br />

interpretiert (und glasklar: genauso verhielt es sich damals!), war es natürlich mein wachsendes Interesse an<br />

gesellschaftlichen Prozessen und die Erkenntnis, dass die Wirtschaft untrennbar mit der heutigen Soziologie<br />

verbunden ist, welche/s diese Studienwahl motivierte. Die empirischen Fakten lassen daran keinen Zweifel:<br />

begann ich doch (1) ein Semester später auch noch Politikwissenschaft zu studieren und nahm außerdem (2)<br />

erste Kontakte zu den örtlichen <strong>Jusos</strong> auf. Da angekommen verflochten sich <strong>Jusos</strong> und SPD zunehmend mit<br />

meiner Freizeit (ein Umstand über den zu urteilen mir noch nicht gelungen ist). Erste Vorstandserfahrungen in<br />

Tübingen, sind es vor allem die <strong>Jusos</strong> München-Süd für die ich seit meinem studienbedingten Umzug nach<br />

München zunehmend Verantwortung übernahm. Letztes Jahr im Dezember wurde ich dann als Vertreter meines<br />

RVs in den Vorstand der <strong>Jusos</strong> München gewählt, was mich neben meiner neuen Mittwoch-Abend-Beschäftigung<br />

nun dazu bringt diese Zeilen zu schreiben. (q.e.d.)<br />

08 09


S C H W E R P U N K T<br />

Eine Kritik<br />

des Bremer Entwurfs<br />

(Dieser Beitrag spiegelt die rein persönliche<br />

Meinung des Autors wieder,<br />

Anm. d. Red.)<br />

1. Die Geschichte der<br />

Sozialdemokratie<br />

Die Geschichte der Sozialdemokratie<br />

und des demokratischen Sozialismus<br />

verliert im Bremer Entwurf zusehends<br />

an Bedeutung. Noch im<br />

Berliner Programm wurde erfolgreich<br />

sozialdemokratische Politik nicht nur<br />

an gegenwärtigen Herausforderungen<br />

sondern auch an geschichtlichen<br />

Errungenschaften der Sozialdemokratie<br />

gemessen. Wir brauchen<br />

wieder mehr historische Bezüge,<br />

um Leitbilder und Ideale sowie<br />

sozialdemokratisches Handeln zu<br />

begründen. Die Frage ist: Woher<br />

kommen wir und wohin wollen<br />

wir? Die Suche nach dem Ursprung<br />

und das Streben nach zukünftigen<br />

Werten bedingen sich gegenseitig<br />

und können nicht getrennt voneinander<br />

behandelt werden; gerade<br />

nicht in einem Programm das<br />

Grundwerte beschreiben will. In diesem<br />

Kontext fordere ich ein Programm<br />

das endlich wieder Visionen<br />

beschreibt für die Sozialdemokraten<br />

seit vielen Jahrzehnten kämpfen.<br />

2. Der Begriff<br />

„Soziale Demokratie“<br />

Der Begriff der Sozialdemokratie<br />

geht zurück auf die Gründung der<br />

Sozialdemokratischen Arbeiterpartei<br />

(SDAP) im Jahre 1869<br />

durch August Bebel und Wilhelm<br />

Liebknecht, woraus sich durch den<br />

Zusammenschluss mit dem Allgemeinen<br />

Deutschen Arbeiterverein<br />

(ADAV) im Jahre<br />

1875 die Sozialistische Arbeiterpartei<br />

Deutschlands (SAP) formierte. Im<br />

Herbst 1890 nach dem Wegfall des<br />

„Sozialistengesetzes“ nannte sich die<br />

Partei in Sozialdemokratische Partei<br />

Deutschlands um. Man erkennt<br />

welche Tragweite und geschichtliche<br />

Bedeutung dieser Begriff<br />

für die Menschen haben muss. Er<br />

ist mit Leben und Sinn gefüllt und<br />

das besonders deshalb, weil die SPD<br />

sich in ihren grundlegenden Werten<br />

und sinngebenden Begriffen immer<br />

treu geblieben ist. Ich als Jungsozialist<br />

weiß für mich was Sozialdemokratie<br />

ist und was sie bewirken<br />

möchte. Was aber ist „soziale Demokratie“?<br />

Diese zwei Wörter werden<br />

im Bremer Entwurf unsäglich oft<br />

verwendet, eine genaue Definition<br />

fehlt jedoch. Es sei denn man setzt<br />

Sozialdemokratie mit sozialer<br />

Demokratie gleich, was jedoch einem<br />

Verrat an der Geschichte der<br />

SPD gleich käme. Im Godesberger<br />

Programm von 1959 kommt „soziale<br />

Demokratie“ nicht vor, im Berliner<br />

Programm genau zwei mal, im<br />

Bremer Entwurf jedoch kommt die<br />

Phrase 24 mal vor, wohingegen<br />

eine Identifizierung mit dem geschichtlich<br />

gewachsenen Begriff der<br />

Sozialdemokratie deutlich weniger<br />

zu Buche schlägt. Es gibt Menschen,<br />

die mögen keine Zahlen,<br />

aber jeder erkennt deutlich,<br />

dass hier eine Umwälzung im Gange<br />

ist. Womöglich eine Umwälzung<br />

auf Kosten von Identität und Struktur<br />

und zu Gunsten von noch mehr<br />

„Mitte“ und vermeintlichen Wählerzuwächsen.<br />

Diese Begrifflichkeit<br />

birgt für mich die Gefahr eines Identitätsverlustes,<br />

einer wachsenden<br />

Ignoranz gegenüber der Geschichte<br />

und schließlich eines Ausverkaufs<br />

von sozialdemokratischen Grundwerten.<br />

Für mich scheint dies nur ein<br />

Anfang zu sein, der darin gipfeln<br />

könnte, dass sozialdemokratische<br />

Prinzipien und politisches<br />

Handeln und Entscheiden sich nur<br />

noch an der Meinungsmitte der<br />

Gesellschaft sowie den nächsten<br />

Wahlen orientieren. Ich denke, dass<br />

auf diese Art und Weise eher viele<br />

besonders ältere Mitglieder sich von<br />

der SPD wenden werden und jüngere<br />

nicht mehr wissen, woran sie<br />

sich halten können. Meiner Meinung<br />

nach ist „Sozialdemokratie“<br />

der wichtigste Begriff<br />

der politischen Entwicklung der SPD.<br />

Daher meine Forderung: Ein Festhalten<br />

daran, schon allein aus geschichtlicher<br />

Verantwortung aber<br />

besonders auch aus den Gründen,<br />

die ich oben genannt habe. Im


S C H W E R P U N K T<br />

Weiteren die Streichung der Phrase<br />

„soziale Demokratie“ und Ersetzung<br />

durch Sozialdemokratie (das gleiche<br />

auch mit entsprechenden Adjektiven).<br />

Die einzige Ausnahme<br />

könnte man machen, wenn man<br />

über gesamteuropäische Politik<br />

spricht, da dort die SPD eine von<br />

vielen sozialdemokratischen bzw.<br />

sozialistischen Parteien ist. Außerdem<br />

fordere ich eine Grundwertecharta<br />

der SPD, die noch fundamentaler<br />

als ein Grundsatzprogramm<br />

die elementaren Eigenschaften,<br />

Forderungen und Grundwerte der<br />

Sozialdemokratischen Partei<br />

Deutschlands auf wenigen Seiten<br />

festschreibt. Diese darf sich nicht an<br />

gesellschaftlichen Strömungen orientieren,<br />

sondern muss dringend<br />

notwendige Definitionen und Identifikationsmöglichkeiten<br />

liefern.<br />

3. Das Verständnis der SPD<br />

als Friedensmacht<br />

Die SPD ist und bleibt eine Friedensmacht.<br />

Dieses zieht sich von der<br />

Gründungszeit bis zur Gegenwart<br />

wie ein roter Faden durch die Geschichte<br />

mit jedoch wichtigen Ausnahmen.<br />

Mit Ausbruch des Ersten<br />

Weltkrieges hat die SPD- Reichstagsfraktion<br />

die für den Krieg notwendigen<br />

Kriegskredite gebilligt<br />

ohne die der Krieg nie solche Ausmaße<br />

hätte annehmen können.<br />

Wichtige geistige Führer, besonders<br />

der Linken haben damals die Partei<br />

verlassen und andere politische Vereinigungen<br />

gegründet. Die SPD hat<br />

wohl eine ihrer schwersten Krisen<br />

durchlebt. Die Tragödie gipfelte<br />

in der Ermordung von Karl Liebknecht<br />

und Rosa Luxemburg im Jahr<br />

1919 durch Freikorps, die unter der<br />

militärischen Verantwortung von<br />

Gustav Noske (SPD) standen und<br />

von Friedrich Ebert zumindest gebilligt<br />

wurden.<br />

Im Bremer Entwurf steht nun geschrieben:<br />

„Wir sind stolz<br />

darauf, niemals Krieg, Unterdrükkung<br />

oder Diktatur über unser Volk<br />

gebracht zu haben.“ (S.10, Z.4).<br />

Den ersten Weltkrieg hat die SPD,<br />

wie oben beschrieben, klar mitzuverantworten.<br />

Die Niederschlagung<br />

des Spartakusaufstandes mit dem<br />

Ende des zweiten Weltkrieges<br />

ist ein deutliches Zeichen von Unterdrückung<br />

durch Gewaltanwendung.<br />

Mit ihrer sogenannten Tolerierungspolitik<br />

in den Jahren von<br />

1930 bis 1932 unter Reichskanzler<br />

Brüning hat die Partei einen Beitrag<br />

zur Machtergreifung des Nationalsozialismus<br />

geleistet.<br />

Ich bin der Meinung, dass durch<br />

diese geschichtlichen Vorkommnisse,<br />

zu denen sich die Partei bekennen<br />

muss, der oben genannte Satz<br />

aus dem Bremer Entwurf zur absoluten<br />

Farce wird und gestrichen<br />

werden sollte. Das einzige, was die<br />

Partei wohl wirklich nie über<br />

Deutschland gebracht hat, ist Diktatur.<br />

Ich denke, dass man in einem<br />

Grundsatzprogramm geschichtliche<br />

Fehler nicht unbedingt einräumen<br />

sollte, man darf sie aber auch nicht<br />

verleumden. So etwas kann eine<br />

Partei sehr schnell unglaubwürdig<br />

erscheinen lassen. Als älteste Partei<br />

Deutschlands sind wir vor allem der<br />

Wahrheit verpflichtet und müssen<br />

Fehler aufgreifen und aus ihnen die<br />

richtigen Schlüsse für die Zukunft<br />

ziehen. Statt objektiv falsche Sätze zu<br />

benutzen, sollte man sich eher auf<br />

die wirklich positiven Profilierungen<br />

der SPD als Friedensmacht<br />

berufen. Verweise auf das Nein der<br />

SPD zum Ermächtigungsgesetz<br />

1933, den Friedensnobelpreis für<br />

Willy Brandt im Jahre 1971 oder<br />

auch das Nein zum Irakkrieg sollten<br />

in ein sozialdemokratisches<br />

Grundsatzprogramm aufgenommen<br />

werden. Es muss aber auch<br />

erwähnt werden, warum Krieg in<br />

Ausnahmefällen nötig wird, um Frieden<br />

zu erzwingen.<br />

4. Einwanderung<br />

Auf Seite 33ff. des Bremer Entwurfs<br />

beziehen die Autoren Stellung zum<br />

Leben von und mit ausländischen<br />

Mitbürgern in Deutschland.<br />

Die Forderung der Sozialdemokratie<br />

nach Gleichheit der Würde aller<br />

Menschen, unabhängig >><br />

10 11


S C H W E R P U N K T<br />

von ihrer Leistung und wirtschaftlicher<br />

Nützlichkeit wird hier auf eine<br />

harte Probe gestellt. Es sind zwei<br />

Aussagen mit denen sich ein Sozialdemokrat,<br />

der sich als Teil einer<br />

linken Volkspartei versteht, besonders<br />

schwer tun dürfte. Zunächst<br />

wird gesa$gt, dass Deutschland<br />

mehr qualifizierte Einwanderinnen<br />

und Einwanderer benötigt.<br />

Hinter diesem Satz verstecken sich<br />

zweierlei Dinge. Richtigerweise<br />

wird festgestellt, dass Deutschland<br />

ein Einwanderungsland ist und<br />

ohne diesen Fakt kaum lebensfähig<br />

wäre. Andererseits wird so eine<br />

Selektierung nach guten und<br />

schlechten Zuwanderern vorgenommen.<br />

Eine Unterscheidung von<br />

Nützlichkeit für Wirtschaft und Sozialsysteme.<br />

Dies kommt auch in<br />

folgendem Satz zur Geltung: „Beide<br />

Seiten müssen einen Nutzen davon<br />

[von Einwanderung] haben.“<br />

Hier werden sozialdemokratische<br />

Grundsätze wie Gerechtigkeit und<br />

Solidarität gerade mit den Schwachen<br />

in unserer Gesellschaft unterhöhlt.<br />

Ich fordere hier eine deutliche<br />

Umformulierung dieser Aussagen<br />

und im weiteren ein Bekenntnis zu<br />

einem universellen Grundrecht auf<br />

Asyl.<br />

5. Das Leben der Menschen<br />

im Alter<br />

Die Menschen in der Bundesrepublik<br />

werden immer älter und können,<br />

wie im Entwurf richtig festgestellt<br />

wird, nach ihrer Pensionierung<br />

noch viele Jahre genießen. Was<br />

aber, wenn die finanziellen Mittel<br />

nicht ausreichen, um ein würdevolles<br />

Leben im Alter führen zu können?<br />

Viele alte Menschen in Deutschland<br />

leben am Existenzminimum. Besonders<br />

alleinstehende Seniorinnen trifft<br />

es in Deutschland immer noch besonders<br />

hart. Hier müssen wir als Sozialdemokraten<br />

endlich gegensteuern<br />

und Härtefallregelungen finden,<br />

die sich nicht an den Hartz-Gesetzen<br />

orientieren dürfen. Weiter fordere<br />

ich eine längst überfällige Reform<br />

der Pflegeversicherung. Aufgrund<br />

des demographischen Wandels ist<br />

sie an ihre Leistungsgrenze gestoßen.<br />

Wir brauchen neue Finanzierungsmöglichkeiten,<br />

nicht nur um<br />

die Pflege zu konsolidieren, sondern<br />

auch, um die Bedarfssätze<br />

der einzelnen Pflegestufen an die<br />

Realität anzupassen, sprich zu erhöhen.<br />

Gerade alte und pflegebedürftige<br />

Menschen verdienen unsere<br />

größte Solidarität.<br />

6. Studium und Forschung<br />

Im Bremer Entwurf wird dazu auf<br />

Seite 57 in ein paar knappen<br />

Zeilen zu diesem äußerst wichtigen<br />

Thema Stellung bezogen. Allerdings<br />

viel zu dünn, wie ich finde. Auf die<br />

herausragende Stellung von Forschung<br />

und Entwicklung für die<br />

deutsche Industrie wird nicht<br />

eingegangen.Es fehlen Bekenntnisse<br />

auch weiterhin große Summen<br />

aus staatlichen Töpfen für Forschung<br />

in Deutschland bereitzustellen,<br />

um mit der stetig wachsenden<br />

Konkurrenz aus den USA, Asien oder<br />

Europa selbst mitzuhalten.<br />

Noch immer ist das Budget deutscher<br />

Hochschulen und angegliederter<br />

Forschungseinrichtungen<br />

nicht vergleichbar mit dem, was<br />

amerikanische Institute zur Verfügung<br />

gestellt bekommen.<br />

Die herausragende Stellung der<br />

Max-Planck-Institute für die Wissenschaft<br />

auf dem Land muss herausgestellt<br />

und ein Ausbau der finanziellen<br />

Mittel fixiert werden. Weiter<br />

brauchen wir verstärkte Konkurrenz<br />

unter den Universitäten, um das Niveau<br />

der Lehre zu erhöhen. Die Idee<br />

der Eliteuniversitäten muss im Lichte<br />

von Begabung und Förderung<br />

Eingang in unser Grundsatzprogramm<br />

finden. Hier müssen langfristig<br />

Universitäten in allen großen


S C H W E R P U N K T<br />

Regionen Deutschlands Elitestatus<br />

erhalten, um einer Zentralisierung<br />

von Wissen vorzubeugen. Eine Dezentralisierung<br />

von Bildung ist eine<br />

Voraussetzung für eine positive wirtschaftliche<br />

Entwicklung aller Regionen<br />

in Deutschland. Wir dürfen<br />

nicht vergessen, dass Forschung in<br />

Deutschland wieder Spitze<br />

werden muss und ein gutes Studium<br />

den Grundstein für eine geistige<br />

Elite in Deutschland legt, ohne<br />

die sich unsere Gesellschaft nicht<br />

weiterentwickeln kann.<br />

7. Energie und Ressourcen<br />

Dieses Thema muss wesentlich breiter<br />

in einem Grundsatzprogramm<br />

der SPD Eingang finden als bis jetzt<br />

auf kaum mehr als einer Seite (S.61).<br />

So fehlt der Bezug zum zukunftsträchtigen<br />

Gebiet der Kernfusion.<br />

Mitte dieses Jahrhunderts kann diese<br />

Energiequelle zur Verfügung stehen<br />

und ein Gros der Energieprobleme<br />

der Welt langfristig verschwinden<br />

lassen. Hier brauchen<br />

wir ein Bekenntnis zur finanziellen<br />

Förderung entsprechender Einrichtungen,<br />

die an diesem Forschungsschwerpunkt<br />

beteiligt sind. Auch der<br />

sich noch im Bau befindliche internationale<br />

Forschungsreaktor ITER<br />

muss erwähnt werden. In diesem<br />

Zusammenhang sollte natürlich<br />

auch kurz der essenzielle Unterschied<br />

zwischen Kernspaltung<br />

und Kernfusion herausgestellt werden,<br />

und dass Kernenergie eben<br />

nicht gleich Kernenergie ist. Weiter<br />

fordere ich weitere Anstrengungen,<br />

um Energie effizienter als bisher<br />

speichern zu können.<br />

Ein fundamentaler Fehler unterlief<br />

den Autoren des Bremer<br />

Entwurfs mit der Erwähnung von:<br />

„solares Energiezeitalter“ (S.61,<br />

Z.38). Für den Lesenden entsteht<br />

dadurch der Eindruck, dass all unsere<br />

fernzukünftlichen Energieprobleme<br />

durch den Strom aus Sonnenenergie<br />

gelöst werden könnten.<br />

Das ist aber alsch, es sei denn man<br />

könnte hoch effektive, elektrische<br />

Langzeitspeicher bauen, die jedoch<br />

noch in ferner Zukunft liegen. Strom<br />

wird nun mal besonders Nachts und<br />

im Winter benötigt. Wie jeder weiß,<br />

steht zu diesen Zeiten in unseren<br />

Breiten Sonnenlicht nur sehr eingeschränkt<br />

zur Verfügung. Auch der<br />

Stromtransport aus klimatisch günstigeren<br />

Gebieten wie der Sahara<br />

ist aus verschiedenen technischen<br />

Gründen nicht sinnvoll. Der Anteil<br />

erneuerbarer Energien betrug im<br />

Jahr 2005 ca. 10% (BMU). Davon<br />

kamen auf die solare Stromerzeugung,<br />

der Fotovoltaik, 1,6%. Das<br />

heißt, dass die Fotovoltaik im Jahr<br />

2005 einen Anteil an der gesamten<br />

Stromerzeugung in Deutschland<br />

von gerade einmal etwa 0,2% hatte.<br />

Das dieser Anteil nicht höher ist,<br />

liegt an klimatischen Faktoren aber<br />

auch an Ineffizienz, Hochpreisigkeit<br />

von Fotovoltaikalagen und schlicht<br />

an Platzmangel. Statt von einem solaren<br />

Energiezeitalter zu sprechen,<br />

sollte man Begriffe wie Energiemix,<br />

Energiespeicherung verwenden und<br />

von einem Zeitalter des bewussten<br />

Umgangs mit Energie sprechen.<br />

Langfristig wird es in Deutschland<br />

einen ausgewogenen Mix der verschiedenen<br />

Arten der Stromerzeugung<br />

geben. Auch das sollte der Erwähnung<br />

wert sein. Eine Forderung<br />

an den Bürger und die Industrie<br />

sparsamer mit den erschöpfbaren<br />

Ressourcen der Welt umzugehen,<br />

sollte ebenso Eingang finden.<br />

8. Sonstiges<br />

Auf Seite 55 heißt es: „Die Förderung<br />

von Kindern beginnt für uns<br />

bei der gezielten Unterstützung von<br />

Schwangeren und Eltern. Die ersten<br />

Wochen und Jahre des Lebens sind<br />

entscheidend.“ (Z.12). Um einen<br />

besseren Ausdruck zu erreichen,<br />

sollte man etwa besser schreiben:<br />

„Die ersten Monate und Jahre des<br />

Lebens sind entscheidend.“<br />

>>><br />

12 13


S C H W E R P U N K T<br />

Auf Seite 46 heißt es: „Dies wollenwir<br />

in Einklang bringen mit<br />

einer langfristig und nachhaltigen<br />

ausgerichteten Wirtschaftspolitik.“<br />

Nach meinen orthographischen<br />

Kenntnissen heißt es in diesem Fall<br />

„nachhaltig“ statt „nachhaltigen“.<br />

Auf Seite 34 wird eine Erklärung<br />

zum Datenschutz gegeben. Diese<br />

fällt jedoch nur sehr zaghaft und<br />

halbherzig aus. Ich fordere hier ein<br />

klares Bekenntnis zum Schutz der<br />

persönlichen Daten eines jeden<br />

Bürgers. Die Bundesrepublik<br />

Deutschland darf kein Überwachungsstaat<br />

werden. Bei polizeilichen<br />

Ermittlungen muss weiterhin<br />

der Grundsatz gelten, dass der Bürger<br />

unschuldig ist, solange nicht das<br />

Gegenteil bewiesen wird. In diesem<br />

Kontext darf die Exekutive bestimmte<br />

Grenzen nicht überschreiten, die<br />

in einem Grundsatzprogramm fixiert<br />

werden sollten.<br />

Das neue Grundsatzprogramm der<br />

SPD muss auch als Abstract, als<br />

Zusammenfassung der wichtigsten<br />

Thesen verfügbar sein. Dieses sollte<br />

nicht nur auf deutsch sondern in<br />

mindestens fünf weiteren wichtigen<br />

europäischen Sprachen abrufbar<br />

sein: Englisch, Französisch, Spanisch,<br />

Italienisch und Türkisch. So<br />

haben wir die Chance noch mehr<br />

besonders junge Menschen anzusprechen.<br />

Aber auch Menschen<br />

anderer Altersgruppen, die der<br />

deutschen Sprache nicht auf dem<br />

Niveau eines Grundsatzprogramms<br />

mächtig sind, könnten dadurch<br />

endlich erreicht werden.<br />

Wir brauchen ein Grundsatzprogramm,<br />

das im Internet wie bisher<br />

zum Lesen als pdf aber auch zum<br />

Anhören als mp3 verfügbar ist und<br />

das sich jeder Mensch kostenlos im<br />

Medium seiner Wahl nach Hause<br />

liefern lassen kann.<br />

9. Zum Abschluss<br />

Abschließend möchte ich sagen,<br />

dass ich den Bremer Entwurf mit Sicherheit<br />

in den angegebenen Punkten<br />

für verbesserungsfähig halte, die<br />

meisten Formulierungen jedoch gelungen<br />

sind und den Geist der Zeit<br />

widerspiegeln. In der Diskussion mit<br />

Genossen kam immer wieder der<br />

Wunsch $nach einem<br />

wesentlich kürzeren Grundsatzprogramm<br />

auf. Diesem möchte ich widersprechen.<br />

Eine sich rasant entwickelnde<br />

Welt schafft viele neue<br />

Herausforderungen, derer sich die<br />

Politik bewusst sein muss, um sie in<br />

die richtigen Bahnen lenken zu können.<br />

Daher fordere ich ein Grundsatzprogramm,<br />

das wirklich alle<br />

bedeutenden Themen, auch solche,<br />

die moderne Entwicklungen<br />

mit sich bringen, mit einbezieht. Seit<br />

dem Berliner Programm von 1989<br />

hat sich die Welt dramatisch verändert<br />

und wird sich weiter<br />

verändern. Darauf müssen wir gefasst<br />

sein.<br />

Freundschaft!<br />

CHRISTIAN BLUME<br />

Spielbericht<br />

auf Seite 26


M E I N U N G<br />

Öl im Getriebe<br />

Soll man über Tote nur Gutes sagen,<br />

oder soll man gut über sie reden?<br />

Und wo liegt der Unterschied? Wenn<br />

man gut über sie redet, schließt dies<br />

die Wahrheit nicht aus, auch wenn<br />

diese negativ ist. Günther Oettinger<br />

(CDU), amtierender Ministerpräsident<br />

von Baden-Württemberg, hat<br />

sich dazu entschlossen, über seinen<br />

kürzlich verstorbenen Vor-Vorgänger<br />

Hans Filbinger nur Gutes zu sagen.<br />

Das war nicht gut.<br />

Filbinger war von 1966 bis 1978<br />

Ministerpräsident im Ländle und<br />

musste weniger aufgrund der Tatsache<br />

zurücktreten, dass er im Dritten<br />

Reich Marinerichter war, sondern<br />

deshalb, dass er nicht müde wurde,<br />

sein Handeln zu rechtfertigen. Ausschlaggebend<br />

war wohl jener Satz:<br />

„Was damals rechtens war, kann<br />

heute nicht Unrecht sein“.<br />

Sein Nach-Nachfolger Oettinger<br />

machte nun mindestens den gleichen<br />

grundsätzlichen Fehler wie Filbinger:<br />

Unbelehrbarkeit. Er bezeichnete<br />

ihn als Nazigegner, der „den<br />

Nationalsozialismus immer verachtet“<br />

habe. Welcher Nazigegner<br />

schreibt schon 1935 als Student Artikel,<br />

in dem so eindeutige Begriffe<br />

wie „Blutsgemeinschaft“ und „rassisch<br />

wertvolle Teile des deutschen<br />

Volkes“ auftauchen? Welcher Nazigegner<br />

tritt aus freien Zügen in die<br />

SA ein und war gegen Ende des<br />

Krieges (nachweislich) an Todesurteilen<br />

gegen Deserteure beteiligt?<br />

Und vor allem: Welcher Nazigegner<br />

richtet nach der Kapitulation des<br />

Nazi-Regimes fleißig mit NS-Recht<br />

weiter?<br />

Nein, Filbinger war kein Gegner<br />

des NS-Regimes, er war ein Helfer.<br />

Der Freiburger Historiker Wolfram<br />

Wette ergänzt in einem Interview<br />

der SZ, Filbinger war, wie dieser<br />

selbst behauptete, nicht Sand, sondern<br />

Öl im Getriebe der Militärjustiz.<br />

Die Rede Oettingers sei eine<br />

Verhöhnung der wahren Widerstandskämpfer.<br />

Der Ministerpräsident ging noch<br />

weiter. Kein Soldat sei durch ein<br />

Urteil Filbingers ums Leben gekommen.<br />

Diese Aussage nutzt nicht die<br />

angebliche Unklarheit in einigen<br />

Fällen. Sie ist schlichtweg falsch.<br />

Nach seiner umstrittenen Trauerrede<br />

stand Oettinger tagelang unter<br />

Druck, auch von Parteikollegen<br />

und der Kanzlerin, die sich freilich<br />

an ihren Fehler vor einigen Jahren<br />

erinnerte, als sie nach dem Fall<br />

Hohmann erst wochenlang zögerte,<br />

bevor sie einen Schritt unternahm,<br />

und damit ihrer Partei schadete.<br />

Erst nach einigem Zögern<br />

entschied sich Oettinger, sich<br />

gleichsam von sich selbst zu distanzieren:<br />

„Ich halte meine Formulierung<br />

nicht aufrecht, sondern ich<br />

distanziere mich davon“.<br />

Die Trauerrede Oettingers ist ein<br />

weiteres trauriges Beispiel für den<br />

fragwürdigen Umgang einiger<br />

CDU-Spitzenpolitiker mit der deutschen<br />

Vergangenheit. Es sei hier<br />

nur an den jüngsten Fall Martin<br />

Hohmann erinnert. Die CDU tut<br />

sich mit der Vergangenheitsbewältigung<br />

scheinbar besonders schwer.<br />

Volker Kauder z. B. hielt sich in der<br />

Debatte verdächtig zurück. Der ist<br />

aber sowohl aus demselben Landesverband,<br />

als auch Generalsekretär<br />

der CDU und eigentlich für solche<br />

Dinge zuständig. Hä? Die FAZ am<br />

Sonntag vom 22.04. hat recherchiert,<br />

dass Volker Kauder bereits<br />

1993 Filbinger als ausgewiesenen<br />

Gegner des nationalsozialistischen<br />

Regimes bezeichnet hatte. Schon<br />

damals herrschte jedoch unter Historikern<br />

weitgehend Konsens darüber,<br />

dass Filbinger keinerlei Ansätze<br />

einer Gegnerschaft zum NS-Regime<br />

gezeigt hat.<br />

Offensichtlich gehen der CDU nie<br />

die Leute aus, die es mit der deutschen<br />

Vergangenheit nicht so genau<br />

nehmen. Das Schlimmste daran ist,<br />

dass die Entschuldigung Oettingers<br />

nicht auf seine eigene Einsicht zurückzuführen<br />

ist, sondern einzig<br />

und allein auf den Druck, der einfach<br />

zu groß wurde – von allen Seiten.<br />

Warum sonst ist Oettinger Mitglied<br />

des rechtskonservativen Studienzentrums<br />

Weikersheim, das er<br />

zunächst eifrig verteidigte und einen<br />

Tag später verkündete, seine Mitgliedschaft<br />

ruhen zu lassen. Das<br />

Studienzentrum wurde übrigens gegründet<br />

von: Hans Filbinger. Hm.<br />

Oettinger wollte wohl seine Position<br />

in der Südwest-CDU stärken. Er hat<br />

hoch gepokert - und verloren.<br />

OLIVER KOHLMEIER<br />

14 15


S C H R I F T S T E L L E R<br />

Sozialistische Schriftsteller und ihre Werke (6)<br />

Wladimir Majakowski (1893 – 1930):<br />

Futurismus – Dichtung – Revolution<br />

Die Verse: „’Geh ich allein auf die<br />

Straße hinaus...’ sind meiner Meinung<br />

nach eine Werbung für das<br />

Spazierengehen junger Mädchen<br />

mit Dichtern. Einer allein, sehn Sie<br />

mal, das ist ja so langweilig! Ach,<br />

wenn man doch Versen, die zum<br />

Eintritt in die Konsumgenossenschaft<br />

auffordern, eine solche Überzeugungskraft<br />

verleihen könnte!“<br />

Was der am 19. Juli 1893 im georgischen<br />

Bagdady geborene Wladimir<br />

Wladimirowitsch Majakowski<br />

hier so par avant formuliert, ist<br />

nichts anderes als eine knappe Zusammenfassung<br />

des Ineinandergreifens<br />

von Leben, Poesie und Politik,<br />

wie es typisch für den noch jungen<br />

sowjetischen Staat der späten<br />

1910er- und frühen 1920er-Jahre<br />

gewesen war. Wer zu dieser Zeit in<br />

den Künstlerkreisen Moskaus etwas<br />

gelten wollte, der musste Futurist<br />

sein. Und das war nicht wenig: literarischer<br />

Bohemien, stilistischer<br />

Avantgardist und radikaler Revolutionär<br />

– nicht jeder vereinte diese<br />

Attribute in einer einzigen Person.<br />

Die meisten russischen Futuristen,<br />

im Bereich der Malerei auch Kubofuturisten<br />

genannt, hatten eine Biographie<br />

wie Majakowski: dieser war<br />

in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen,<br />

hatte den Vater, einen<br />

georgischen Förster, mit dreizehn<br />

Jahren verloren, zog anschließend<br />

mit der Mutter und den Geschwistern<br />

nach Moskau, wo er das Gymnasium<br />

besuchte und ein Faible für<br />

die marxistische Literatur entwickelte<br />

– in der Folge nahm er nicht nur<br />

an entsprechend motivierten Demonstrationen<br />

teil, sondern trat<br />

auch dem bolschewistischen Flügel<br />

der Russischen Sozialdemokratischen<br />

Arbeiterpartei bei. Wurde<br />

Majakowski 1908, gerade einmal<br />

fünfzehn Jahre alt, wegen seiner<br />

revolutionären Umtriebe in einer<br />

geheimen Druckerei erstmals verhaftet,<br />

kam ihm ein Jahr später die<br />

unfreiwillige Ehre zu, als politischer<br />

Häftling in dem berühmt-berüchtigten<br />

Durchgangsgefängnis Butyrka<br />

einzusitzen.<br />

Obwohl Majakowski seine politischen<br />

Ambitionen niemals vernachlässigte,<br />

richtete er seinen Fokus<br />

nach der Haftentlassung zunehmend<br />

auf die Malerei, bis er 1910 schließlich<br />

ein Studium an der Moskauer<br />

Kunsthochschule beginnen konnte,<br />

wo sich nach der von Filippo Tommaso<br />

Marinetti organisierten Wanderausstellung<br />

des italienischen<br />

Futurismus in St. Petersburg die<br />

Gruppe Gileja bildete. Majakowski<br />

freundete sich mit seinen Kommilitonen<br />

David Burljuk und Wladimir<br />

Chlebnikow an, die zum Kopf der<br />

Gileja gehörten und 1912 das<br />

Manifest Eine Ohrfeige dem öffentlichen<br />

Geschmack herausgaben, zu<br />

dem Majakowski erste Gedichte<br />

beisteuerte.<br />

Tatsächlich war die futuristische Strömung,<br />

die gerade aus Europa –<br />

oder besser Italien – in den slawischen<br />

Raum hinüberschwappte, wie<br />

geschaffen für die revolutionäre<br />

Grundstimmung des nach 1905<br />

dahinbröckelnden Zarenreichs.<br />

Gründer des Futurismus war der<br />

bereits erwähnte Filippo Tommaso<br />

Marinetti, der, im Paris des Fin de<br />

Siècle aufgewachsen, nicht nur gute<br />

Kontakte zu Symbolisten bzw. Avantgardisten<br />

wie Guillaume Apollinaire<br />

und Stephane Mallarmé pflegte,<br />

sondern auch Sympathien zum Anarchismus<br />

eines Bakunin hegte. Das<br />

1909 in der französischen Zeitung<br />

Le Figaro veröffentlichte Manifest<br />

des Futurismus wurde dank der<br />

Unterstützung zahlreicher Künstler<br />

zu einem Paukenschlag gegen die<br />

bürgerliche Welt – es war ein Tabubruch<br />

schlechthin: „Bis heute hat die<br />

Literatur die gedankenschwere Unbeweglichkeit,<br />

die Ekstase und den<br />

Schlaf gepriesen. Wir wollen preisen<br />

die angriffslustige Bewegung, die<br />

fiebrige Schlaflosigkeit, den Laufschritt,<br />

den Salto mortale, die Ohrfeige<br />

und den Faustschlag. [...] Wir<br />

erklären, dass sich die Herrlichkeit<br />

der Welt um eine neue Schönheit bereichert<br />

hat: die Schönheit der Geschwindigkeit.<br />

[...] Schönheit gibt es<br />

nur noch im Kampf. Ein Werk ohne


S C H R I F T S T E L L E R<br />

aggressiven Charakter kann kein<br />

Meisterwerk sein. Die Dichtung<br />

muss aufgefasst werden als ein heftiger<br />

Angriff auf die unbekannten<br />

Kräfte, um sie zu zwingen, sich vor<br />

den Menschen zu beugen. [...] besingen<br />

werden wir die vielfarbige,<br />

vielstimmige Flut der Revolution in<br />

den modernen Hauptstädten; besingen<br />

werden wir die nächtliche, vibrierende<br />

Glut der Arsenale und<br />

Werften, die von grellen, elektrischen<br />

Monden erleuchtet werden“.<br />

Aus diesen Zeilen wird die Maxime<br />

des Futurismus deutlich: Sein Traum<br />

war die Zerstörung der alten, von<br />

Traditionen geprägten Welt, um auf<br />

deren Asche eine Gesellschaft zu<br />

errichten, die in der Lage sein würde,<br />

auch intellektuell und wahrnehmungstheoretisch<br />

mit der Technik<br />

Schritt zu halten.<br />

Während sich der Futurismus in Italien<br />

sehr heterogen entwickelte und<br />

auch politischen Schwankungen<br />

unterworfen war – zuerst bestand<br />

eine große Nähe zu Benito Mussolinis<br />

PNF (Partitio Nazionale Fascista),<br />

dann zu dem Gedanken einer<br />

bolschewistischen Revolution mit<br />

anarchistischen Tendenzen, aber<br />

letztlich erfolgte doch wieder die<br />

Aussöhnung mit Mussolini, so dass<br />

Marinetti italienischer Kultusminister<br />

wurde – erwies sich der russische<br />

Futurismus als politisch zielgerichteter,<br />

brauchte er doch eine längere<br />

Anlaufzeit.<br />

Die Jahre vor dem ersten Weltkrieg<br />

nutzten Majakowski und seine<br />

Freunde, nicht nur um sich eine<br />

neue Art der Literatur- bzw. Kunstsprache<br />

als Ziel zu stecken, sondern<br />

auch um sich möglichst imposant<br />

von der Spätblüte des „Silbernen<br />

Zeitalters“ und ihrem dekadenten<br />

Streben nach Schönheit abzusetzen.<br />

So kleideten sie sich wie avantgardistische<br />

Bürgerschrecks und gingen<br />

auf Moskaus Boulevards spazieren,<br />

nur um möglichst viel Aufsehen zu<br />

erregen. Für die jungen Künstler war<br />

das zu diesem Zeitpunkt vor allem<br />

eine gesellschaftliche Selbstverortung,<br />

ein erster Ausdruck des Selbstvertrauens,<br />

den sie gegenüber Bürgertum<br />

und Adel entwickelt hatten.<br />

Sie standen zu ihrer Herkunft, ja,<br />

kokettierten mir ihr und machten<br />

dies durch einen klaren Ich-Bezug<br />

deutlich. Allen voran Majakowski,<br />

dessen erstes Gedicht Ich! hieß und<br />

der sein erstes Theaterstück in Versen<br />

mit seinem eigenen Namen<br />

betitelte, indem er es tatsächlich<br />

Wladimir Majakowski nannte, was<br />

zahlreichen Zeitgenossen ein<br />

Schmunzeln über die stürmischen,<br />

jungen Kollegen abgerungen haben<br />

mag. Marina Zwetajewa etwa, die<br />

zu den bedeutendsten Dichterinnen<br />

im Russland des 20. Jahrhunderts<br />

gehört und die literarischen Bewegungen<br />

des Akmeismus und Symbolismus<br />

vertrat, mokierte sich später<br />

darüber, dass der junge Majakowski<br />

wohl nicht viel mehr als<br />

„Ich“ habe sagen können und Alexej<br />

Krutschonych, auch bekannt<br />

durch sein Libretto zu der futuristischen<br />

Oper Sieg über die Sonne, die<br />

1913 im Luna-Park Theater in St.<br />

Petersburg uraufgeführt wurde, formulierte<br />

das nicht nur für Literatur-<br />

Kenner geflügelte Wort: „Vorsicht!<br />

Da brüllt ein Menschenfresser!“.<br />

Lagen die russischen Futuristen hier<br />

auf einer Wellenlänge mit ihren italienischen<br />

Kollegen, waren die Differenzen<br />

vor allem auf dem Gebiet<br />

der Frauenpolitik extrem. Während<br />

Marinetti selbst im Manifest des<br />

Futurismus nicht davon lassen<br />

konnte, sich über die „Weiber“ zu<br />

beschweren und den Tod des Feminismus<br />

zu erbitten, arrangierten sich<br />

die russischen Futuristen mit dem<br />

weiblichen Geschlecht, das in der<br />

russischen Literaturgeschichte zu<br />

dieser Zeit zwei starke Vertreterinnen<br />

hatte, die bereits erwähnte Marina<br />

Zwetajewa und Anna Achmatova,<br />

beides schillernde Frauengestalten.<br />

Majakowski selbst hatte 1925 auf<br />

einer Vortragsreise in New York eine<br />

kurze Affäre mit Elli Jones, die neun<br />

Montage später eine Tochter bekam,<br />

die später eine der angesehensten<br />

Psychologinnen der USA und<br />

Professorin an der Columbia University<br />

in New York werden >><br />

16 17


S C H R I F T S T E L L E R<br />

sollte, von der Majakowski zu seiner<br />

Zeit bis zum Jahr 1929 allerdings<br />

nichts wusste. Hinzu kam eine<br />

wenig glückliche Liebe mit Lilja Brik,<br />

der Frau seines Verlegers Ossip Brik,<br />

so dass er eines Tages geläutert erklärte:<br />

„Zuerst liebt man alle und<br />

alle lieben einen. Und das ist gut so.<br />

Dann lieben einen alle außer der<br />

einen, die man selber liebt. Und das<br />

ist immer so.“<br />

Majakowski selbst orientierte sich in<br />

seinem Privatleben und seinem<br />

Werk stark an den sich rasch entwickelnden<br />

politischen Strömungen.<br />

Suchte er in den späten 1910er-<br />

Jahren noch seinen Stil, den er<br />

schließlich in einer desillusionierenden<br />

und provokanten Straßen-Sprache<br />

fand, zog er sich selbst in den<br />

Strom seiner Zeit hinein, in dem sich<br />

der Futurismus zunehmend den revolutionären<br />

Tendenzen annäherte,<br />

die in der Oktoberrevolution ihren<br />

endgültigen Ausdruck finden sollten.<br />

Majakowski rezitierte in Flottentheatern<br />

vor Matrosen politische<br />

Gedichte, bei der ROSTA (Russische<br />

Telegrafenagentur) entwarf er agitatorische<br />

Plakate mit entsprechenden<br />

Kurzgedichten, was ein wesentlicher<br />

Bestandteil der damaligen Straßen-<br />

Kunst war, er wurde Mitglied der Linken<br />

Künstlerfront, nachdem bereits<br />

1915 die futuristische Zeitschrift LEF<br />

(Linke Front) gegründet worden war,<br />

und beteiligte sich an zahlreichen<br />

Filmen, die in jener Zeit entstanden.<br />

Majakowski selbst nannte seine Arbeit<br />

zusammenfassend KOMFUT<br />

(Kommunistischen Futurismus).<br />

Tatsächlich bestimmte der Futurismus<br />

die Ästhetik der jungen Sowjetunion<br />

maßgeblich, was Majakowski<br />

zwar für einige Jahre zum kommunistischen<br />

Vorzeigedichter machte,<br />

ihm jedoch in Bezug zur Führungsriege<br />

zum Verhängnis wurde.<br />

Denn Mitte der 1920er-Jahre fand<br />

die experimentelle Avantgarde ein<br />

jähes Ende, als die Kulturbürokratie<br />

den Sozialistischen Realismus als<br />

neue und einzige Kunstform der<br />

Sowjetunion ausrief, mit der Folge,<br />

dass Intellektuelle und Künstler, die<br />

noch vor wenigen Monaten hoch im<br />

Kurs gestanden waren, sich nun vor<br />

Säuberungsaktionen in Acht zu nehmen<br />

hatten.<br />

Da Majakowski seit jeher eine Vorliebe<br />

für das Reisen gezeigt und<br />

neben Deutschland und Frankreich<br />

auch Lettland, die USA und Mexiko<br />

besucht hatte – in Paris war er auch<br />

Jean Cocteau, Louis Aragon und<br />

Igor Strawinskij begegnet, ging er<br />

durch seine „Weltenbummelei“ den<br />

Sabotagen der Kulturbürokratie<br />

möglichst aus dem Weg. Die letzten<br />

beiden Werke, die er schrieb, Die<br />

Wanze (1929) und Das Schwitzbad<br />

(1930), zeugen davon, wie kritisch<br />

er den Entwicklungen der Sowjetunion<br />

gegenüberstand, doch den Höhepunkt<br />

des stalinistischen Terrors<br />

erlebte Majakowski nicht mehr – am<br />

14. April 1930 beendete er sein Leben<br />

so, wie es ihm scheinbar als<br />

Futuristen seiner Zeit bestimmt war:<br />

mit einer Pistolenkugel mitten durch<br />

das Herz. Wie sein Abschiedsbrief<br />

zeigt, blieb er bis zum letzten Wort<br />

ein Dichter der Moderne: „Wie man<br />

so sagt, der Fall ist erledigt; das<br />

Boot meiner Liebe am Alltag zerschlug.<br />

Bin quitt mit dem Leben.<br />

Gebt niemandem die Schuld, dass<br />

ich sterbe, und bitte kein Gerede.<br />

Der Verstorbene hat das ganz und<br />

gar nicht gemocht“.<br />

Die Nachwelt nahm an, dass ihm<br />

dieser Wunsch erfüllt worden sei, bis<br />

durch die Öffnung nach der Wende<br />

in den 1990er-Jahren Dokumente<br />

in den Akten des damaligen<br />

sowjetischen Geheimdienstes KGB<br />

gefunden wurden, die eine Ermordung<br />

Majakowskis nicht ausschließen.<br />

Trotz eingehender wissenschaftlicher<br />

Studien dieser Akten<br />

konnte bis heute keine eindeutige<br />

Antwort auf die Frage gegeben werden,<br />

was an diesem 14. April 1930<br />

wirklich geschah.<br />

Geschrieben am 02. April 2007 in<br />

Saratow, der Heimatstadt des sozialistischen<br />

Schriftstellers Nikolai Gawrilowitsch<br />

Tschernyschewski, den<br />

ich bereits in der ersten Folge dieser<br />

Essay-Serie mit seinem Werk<br />

„Was tun? Aus Erzählungen vom<br />

neuen Menschen“ vorstellte.<br />

JEROME PHILIPP SCHÄFER


V O R S T E L L U N G<br />

Liebe Genossinnen und Genossen,<br />

am 13. Mai wurde ich auf der Juso<br />

Unterbezirkskonferenz zum Vorsitzenden<br />

der <strong>Jusos</strong> München gewählt.<br />

Ich möchte hier die Gelegenheit<br />

nutzen mich vorzustellen.<br />

Ich bin 26 Jahre alt und studiere<br />

Politische Wissenschaften am Geschwister-Scholl<br />

Institut.<br />

Bei den <strong>Jusos</strong> bin ich seit sieben<br />

Jahren aktiv. Angefangen habe ich<br />

im damaligen Juso-<br />

Kreisverband 5 als stellv. Vorsitzender.<br />

Von 2002 bis 2003 war ich im<br />

Vorstand der <strong>Jusos</strong> München für die<br />

Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich<br />

und habe unter anderem unsere<br />

Sommerkampagne „Roter Sommer“<br />

durchgeführt. Von 2003 bis 2004<br />

habe ich mich im Vorstand um die<br />

politische Bildungsarbeit gekümmert<br />

und diverse Wochenend- und Tagesseminare<br />

durchgeführt. Für zwei<br />

Jahre war ich außerdem stellv. Vorsitzender<br />

der Juso-Hochschulgruppe<br />

München.<br />

Seit Frühjahr 2004 bin ich stellv.<br />

Juso-Landesvorsitzender in Bayern<br />

und bin dort in erster Linie für alle<br />

internationalen Projekte verantwortlich.<br />

So leite ich die Kommission Internationales,<br />

Frieden und Europa<br />

der <strong>Jusos</strong> Bayern, organisiere internationale<br />

Seminare und habe die<br />

bayrischen Delegationen bei IUSY &<br />

Ecosy-Festivals geleitet. Seit zwei<br />

Jahren arbeite ich außerdem in der<br />

Bundeskommission Internationales<br />

der <strong>Jusos</strong> mit (Umbauprojekt „Globalisierung“).<br />

Als Vorsitzender der <strong>Jusos</strong> München<br />

sehe ich vor allem vier zentrale Projekte<br />

für die nächste Zeit.<br />

München ist ROT – München bleibt<br />

ROT.<br />

In weniger als 10 Monaten – am 2.<br />

März 2008 - entscheiden die<br />

Münchner Wählerinnen und Wähler<br />

bei den Kommunalwahlen über<br />

die Zukunft unserer Stadt. Bei der<br />

letzten Wahl konnte die SPD ein super<br />

Ergebnis einfahren. Dies ist nicht<br />

zuletzt den <strong>Jusos</strong> zu verdanken, die<br />

damals eine zentrale Rolle im Wahlkampf<br />

gespielt haben. Daran müssen<br />

wir anknüpfen.<br />

In den nächsten Wochen und Monaten<br />

sollten wir uns intensiv mit<br />

unserem eigenen<br />

Kommunalwahlprogramm dem<br />

„Roten Faden“ auseinandersetzen.<br />

Der Arbeitskreis Kommunalpolitik<br />

hat dabei schon gute Vorarbeit geleistet.<br />

Es gilt nun bis zur Sommerpause<br />

das Programm fertig zu stellen,<br />

um dann im September und<br />

Oktober intensiv in der Partei für<br />

unsere Positionen zu werben.<br />

Wir sollten dabei als linke Kraft<br />

wahrgenommen werden, die sich<br />

um vor allem um die Belange von<br />

SchülerInnen, Azubis und StudentInnen<br />

kümmert und alles unternimmt,<br />

deren Lebenslagen zu verbessern.<br />

Ein Leuchtturm für die SPD<br />

Die SPD befindet sich auf Bundesebene<br />

leider immer noch in einer<br />

schwierigen Situation. In der Großen<br />

Koalition wurden schmerzhafte<br />

Entscheidungen getroffen. Bei den<br />

letzten Umfragen lag die SPD gerade<br />

mal bei beunruhigenden 26%.<br />

Seitdem die Bürgerversicherung bei<br />

den Verhandlungen zur Gesundheitsreform<br />

unter den Tisch gefallen<br />

ist, fehlt der Sozialdemokratie ein<br />

„Leuchtturm-Projekt“ das verdeutlicht,<br />

für wen wir Politik machen.<br />

Dieser Leuchtturm kann und muss<br />

der Mindestlohn werden. Wir müssen<br />

dafür kämpfen, dass ein Mindestlohn<br />

eingeführt wird. Hierbei<br />

sollten wir eng mit den Gewerkschaften<br />

und weiteren Bündnispartnern<br />

zusammenarbeiten.<br />

Kampf gegen Rechtsextremismus<br />

Die Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung<br />

hat verdeutlich, dass fremdenfeindliches,<br />

antisemitisches und<br />

homophobes Gedankengut in unserer<br />

Gesellschaft leider weit verbreitet<br />

ist. Wo Rechtsextremisten auftreten<br />

müssen wir deutlich machen,<br />

dass ihre Meinung nicht auf dem<br />

Boden des Grundgesetzes steht.<br />

Doch Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit<br />

sind auch in konservativen<br />

Kreisen weit verbreitet. Die<br />

Grabrede vom baden-württembergischen<br />

Ministerpräsidenten >><br />

18 19


B E R I C H T<br />

Oettinger hat dies allzu deutlich gemacht.<br />

Wir müssen immer wieder<br />

deutlich machen, dass solche vermeintlichen<br />

Ausrutscher nicht akzeptabel<br />

sind.<br />

In München versuchen die rechtsextremen<br />

Parteien unter dem Deckmantel<br />

der Bürgerinitiative „pro<br />

München“ bei der anstehenden<br />

Kommunalwahl in den Stadtrat zu<br />

kommen. Dies gilt es gemeinsam<br />

mit vielen Bündnispartnern zu verhindern.<br />

EIN Stadtrat von den Republikanern<br />

ist schon zuviel.<br />

Für uns <strong>Jusos</strong> ist klar: „Faschismus<br />

ist keine Meinung sondern ein Verbrechen!“<br />

Die <strong>Jusos</strong> als attraktiver, diskussionsfreudiger,<br />

linker Richtungsverband<br />

Die <strong>Jusos</strong> leben von dem Engagement<br />

ihrer Mitglieder. Wir sollten<br />

den anstehenden<br />

Kommunalwahlkampf nutzen und<br />

viele junge Menschen für die Arbeit<br />

der <strong>Jusos</strong> begeistern. Eine positive<br />

Mitgliederentwicklung muss das Ziel<br />

sein. Gemeinsam mit vielen anderen<br />

macht Politik Spaß und gemeinsam<br />

mit vielen lässt sich Politik auch<br />

gestalten.<br />

Die Arbeitskreise und Regionalverbände<br />

sind unverzichtbarer Bestandteil<br />

für die Arbeit der <strong>Jusos</strong><br />

München. Ich möchte in Zukunft<br />

eine engere Verbindung zwischen<br />

dem Unterbezirksvorstand und den<br />

Arbeitskreisen und Regionalverbänden<br />

herstellen. So sollte zum Beispiel<br />

neben den gewählten RV-Beisitzern<br />

auch jeweils ein/e Vertreter/in aus<br />

den Arbeitskreisen im Vorstand dabei<br />

sein.<br />

JENS RÖVER<br />

Das Juso-Großstädte-Netzwerk –<br />

von Krankenhäusern in Theorie und Praxis<br />

Vom 18. bis zum 20. Mai fand in<br />

den Räumen der Münchner SPD-<br />

Stadtratsfraktion das erste Treffen<br />

des frisch ins Leben gerufenen<br />

„Juso-Großstädtenetzwerkes“ statt.<br />

Außer den Münchnern waren Genossinnen<br />

und Genossen aus<br />

Wien, Innsbruck, Graz, Nürnberg<br />

und Frankfurt am Main dabei. Thema<br />

dieses Auftaktwochenendes war<br />

die kommunale Daseinsvorsorge.<br />

Der Freitag diente hauptsächlich<br />

dazu anzukommen, sich gegenseitig<br />

zu beschnuppern und das lekkere<br />

Abendessen zu vertilgen. Da<br />

insbesondere das Ankommen bei<br />

<strong>Jusos</strong> bekanntermaßen eine langwierige<br />

Angelegenheit sein kann (es<br />

ist übrigens erfreulich, dass so mache<br />

Eigenschaft grenzüberschreitend<br />

zu Tage tritt), dauerte es ein bisschen,<br />

bis wir (noch nicht mit voller<br />

TeilnehmerInnenzahl) in den Genuss<br />

des Einführungsreferates von Helmut<br />

Schmid kamen, der uns über den<br />

Stand der kommunalen Daseinsvorsorge<br />

in München informierte.<br />

Nach einer netten kleinen Vorstellungsrunde<br />

(die so manche/r mit<br />

einer Gelegenheit, sich inhaltlich<br />

ausführlich zu positionieren, verwechselte),<br />

die TeilnehmerInnenzahl<br />

war übrigens zwischenzeitlich deutlich<br />

gestiegen, hielt Franz Maget für<br />

uns ein Grußwort, nein, halt, ein<br />

Einführungsreferat über den Stand<br />

der kommunalen Daseinsvorsorge<br />

in München, nein, halt, ein Grußwort.<br />

Nun ja, jedenfalls wussten wir jetzt<br />

in etwa, worum es an diesem Wochenende<br />

gehen sollte und warum<br />

gewisse Leistungen in kommunaler<br />

Hand bleiben müssen. Wir konnten<br />

uns also – kein Seminar ohne Kopfschmerzen<br />

am Morgen - mit den<br />

Gästen aus den anderen Metropolen<br />

in das Münchener Nachtleben<br />

zu stürzen und uns von geschmacksverirrten<br />

Genossinnen<br />

und Genossen für das „greisliche<br />

Bier“ bemitleiden zu lassen.<br />

Die Rache folgte am nächsten<br />

Morgen: besagte Gäste mussten vor<br />

den noch verschlossenen Fraktionsräumen<br />

warten – sie waren aufgrund<br />

ihrer abendlichen Augustinerverweigerungshaltung<br />

die einzigen, die<br />

pünktlich um neun Uhr anwesend<br />

waren.<br />

Nachdem auch die letzten verschlafenen<br />

Menschen angekommen waren,<br />

berichteten die Delegationen<br />

über den Stand der Dinge in ihren<br />

Heimatstädten. Hierbei fiel insbesondere<br />

auf, dass sämtliche Großstädte<br />

mit ähnlichen Problemen zu


B E R I C H T<br />

kämpfen haben, die Herangehensweisen<br />

allerdings – je nach Mehrheitsverhältnissen<br />

im jeweiligen<br />

Stadtparlament – große Unterschiede<br />

zeigen. So ist die (Warnung:<br />

Euphemismus) Privatisierung, also<br />

das Verscherbeln des Tafelsilbers, in<br />

den Städten unterschiedlich weit<br />

fortgeschritten.<br />

Anschließend informierte uns Florian<br />

Biberbach über die Situation der<br />

Stadtwerke München GmbH. Diese<br />

gehören ja bekanntermaßen zu<br />

100 Prozent der Stadt und sind somit<br />

ein hervorragendes Beispiel für<br />

ein erfolgreiches kommunales Unternehmen<br />

in städtischer Hand, von<br />

dem alle Münchnerinnen und<br />

Münchner profitieren, denn ihr<br />

Gewinn wird regelmäßig reinvestiert.<br />

Nach dem – tollen – Mittagessen<br />

teilte sich das Seminar in 3 Arbeitsgruppen,<br />

nämlich Verkehr (referiert<br />

hat Nik Gradl), sozialer Wohnungsbau<br />

(Maike Brandmayr), und kommunale<br />

Krankenhäuser (Klaus Peter<br />

Rupp). Die Themen waren zum Teil<br />

sehr komplex, die Diskussionen<br />

dafür aber größtenteils sehr angeregt.<br />

Inhalte findet ihr übrigens in der<br />

Resolution<br />

unter<br />

www.großstaedtenetzwerk.de.<br />

Ein kleiner Rückschlag war leider<br />

das Abendessen. Obwohl für uns<br />

die Terrasse des Augustiner reserviert<br />

gewesen war, mussten wir mit einem<br />

(leider zu kleinen) Nebenraum vorlieb<br />

nehmen. Das Bier war aber<br />

trotzdem toll (auch wenn die Nürnberger<br />

Delegation uns das nicht<br />

glauben will!!!). Anschließend betätigten<br />

sich die Teilnehmerinnen<br />

und Teilnehmer des Seminars als<br />

‚Gatecrashers’ und stürmten zu<br />

dreißigst eine eher kleiner angelegte<br />

private Party (Anmerkung an die<br />

Gastgeberin: Tschuldigung!), deren<br />

Nachwirkung vor allem darin bestand,<br />

dass ein österreichischer<br />

Genosse, der auch an der Krankenhäuser-Arbeitsgruppe<br />

teilgenommen<br />

hatte, die Qualität derselben in<br />

München gleich überprüfen konnte.<br />

Leider war es kein kommunales,<br />

angeblich wars aber trotzdem toll...<br />

Der Sonntag <strong>start</strong>ete konsequenterweise<br />

wieder alles andere als pünktlich<br />

(aber wir haben ja Vorurteile zu<br />

bestätigen), und diente zu einer<br />

Feedbackrunde und zum gemeinsamen<br />

Erarbeiten der – natürlich außerordentlich<br />

gelungenen – Resolution,<br />

die natürlich unbedingt jedeR<br />

lesen sollte! Auch die Fortsetzungsplanungen<br />

fanden ihren Raum – es<br />

wird wohl im April 2008 in Frankfurt<br />

am Main weitergehen – Thema<br />

wird voraussichtlich Migration und<br />

Integration sein.<br />

In der Zusammenfassung lässt sich<br />

sagen, dass das Juso-Großstädtenetzwerk<br />

– trotz kleinerer Startschwierigkeiten,<br />

die zu einer Auftaktveranstaltung<br />

wohl dazu gehören –<br />

ein voller Erfolg war. Wir haben viel<br />

gelernt, viel diskutiert, und es ist<br />

sogar etwas dabei raus gekommen.<br />

Der Spaß kam auch alles andere als<br />

zu kurz, und ich persönlich freue<br />

mich wie ein Schnitzel auf die Fortsetzung<br />

im nächsten Jahr.<br />

So long,<br />

Eure Isa<br />

Die Redaktion des „Links im Druck“ sucht:<br />

eine/einen Innenlayouter/-in.<br />

Falls Du daran Interesse hast, melde Dich doch einfach bei Jürgen Glatz<br />

(glatz@jusos-m.de) und erfahre alles weitere.<br />

Es ist keine besondere Erfahrung auf dem Gebiet des Layouts nötig.<br />

Wie man sieht :)<br />

20 21


R E S O L U T I O N<br />

Öffentliche Dienstleistungen:<br />

Notwendigkeiten für Existenzsicherung<br />

und Lebensqualität<br />

30 junge Sozialistinnen und Sozialisten<br />

aus den Verbänden <strong>Jusos</strong>,<br />

SJÖ und VSSTÖ gründeten am 18.<br />

Mai 2007 das sozialistische Großstädtenetzwerk.<br />

Mit dem Auftaktkongress zur kommunalen<br />

Daseinsvorsorge, ein Bereich<br />

der zunehmend der ‚inneren<br />

Landnahme’ des Kapitalismus politisch<br />

geopfert wird, gilt es einen<br />

Gegenentwurf zu den neoliberalen<br />

Konzepten der Privatisierung und<br />

Liberalisierung kommunaler Dienstleistungen<br />

zu entwickeln.<br />

Für uns bedeuten öffentliche Dienstleistungen<br />

Existenzsicherung und<br />

Lebensqualität nicht nur für einen<br />

exklusiven Kreis derjenigen, die es<br />

sich leisten können. Öffentliche<br />

Dienstleistungen müssen für alle<br />

Menschen zugänglich und bezahlbar<br />

sein. Die Bürgerinnen und Bürger<br />

erwarten zu Recht die bestmögliche<br />

Qualität. Sie wollen keine Abstriche<br />

an der Qualität zugunsten<br />

marktwirtschaftlicher Interessen.<br />

Stadtgesellschaften sind auf den<br />

sozialen Zusammenhalt angewiesen,<br />

kommunale Dienstleistungen<br />

sind für uns also ein Ausdruck von<br />

Urbanität.<br />

Öffentliche Dienstleistungen der<br />

destruktiven Kraft des Marktes unterzuordnen<br />

zerstört Solidarität. Öffentliche<br />

Dienstleistungen sollen<br />

dem Subsidiaritätsprinzip folgend<br />

immer von den untersten Ebenen<br />

erbracht werden, wo dies möglich<br />

ist. Übergeordnete Ebenen müssen<br />

die Rahmen dafür bieten, dass kommunale<br />

Einrichtungen ihre Aufgaben<br />

erfüllen können. Im Wettschwimmen<br />

mit privaten Anbietern<br />

werden kommunale Unternehmungen<br />

verlieren, wenn sie gefesselt und<br />

geknebelt ins Wasser geworfen werden.<br />

So richten sich unsere Forderungen<br />

auch an den Landes-, Bundes-,<br />

und EU-Gesetzgeber, ihre<br />

Politik der Förderung der privaten<br />

und der Gängelung der öffentlichen<br />

Erbringer aufzugeben.<br />

Neoliberale von CDU/CSU/ÖVP,<br />

der FDP und Teile der Grünen fordern<br />

seit Jahren eine Privatisierung<br />

breiter Bereiche der öffentlichen<br />

Dienstleistungen. Durch Privatisierung<br />

wird aber nicht nur der politische<br />

Einfluss der Kommunen minimiert,<br />

sondern es werden die Interessen<br />

der Allgemeinheit durch die<br />

der Eigentümer privater Unternehmen<br />

ersetzt. Negative Auswirkungen<br />

auf Qualität, Versorgungssicherheit,<br />

Arbeitnehmer/innenrechte und<br />

Preisgerechtigkeit sind Folge, wie<br />

bereits liberalisierte Branchen deutlich<br />

machen. Versagt der Markt,<br />

wird wieder nach der öffentlichen<br />

Hand gerufen. Ergebnis: Gewinne<br />

privatisiert, Verluste sozialisiert.<br />

Viele Aufgaben der kommunalen<br />

Dienstleistungen sind gemeinwirtschaftlich<br />

und können daher nicht<br />

den Gesetzen des Marktes unterworfen<br />

werden.<br />

Daher müssen die öffentlichen<br />

Dienstleistungen verbessert und<br />

ausgebaut werden, um einer Liberalisierung<br />

oder Privatisierung entgegenzuwirken.<br />

Wo allerdings eine Konkurrenzsituation<br />

zwischen öffentlichen und privaten<br />

Trägern entsteht, dürfen die<br />

Rahmenbedingungen der öffentlichen<br />

Hand nicht schlechter als die<br />

der privaten Träger sein. Das bedeutet<br />

für uns zum Beispiel eine Angleichung<br />

des Lohnniveaus, indem sich<br />

private Tarife an den öffentlichen<br />

Tarifverträgen orientieren.<br />

Wo öffentliche Dienstleistungen in<br />

gewachsenen Bereichen in Konkurrenz<br />

zu privaten Angeboten treten,<br />

wollen wir die öffentlichen Dienstleistungen<br />

gefördert und ausgebaut<br />

wissen, um Einfluss auf diese Märkte<br />

zu nehmen.<br />

Damit die Kommunen in die Lage<br />

versetzt werden, öffentliche Dienstleistungen<br />

anzubieten, bedarf es


R E S O L U T I O N<br />

einer ausreichenden finanziellen<br />

Ausstattung. So fordern wir die Ausweitung<br />

der Bemessungsgrundlage<br />

für die Gewerbeertragsbesteuerung,<br />

um die Einnahmen aus dieser wichtigen<br />

kommunalen Steuer zu verstetigen.<br />

Außerdem wollen wir die<br />

Gewerbekapitalbesteuerung wieder<br />

ermöglicht wissen.<br />

Um einem ‚race to the bottom‘ entgegen<br />

zu wirken bedarf es gesetzlicher<br />

Regelungen, die eine Mindestbesteuerung<br />

festschreiben.<br />

Da die Städte viele Dienstleistungen<br />

der Grundversorgung anbieten, von<br />

denen das Umland in extremem<br />

Maße profitiert, müssen gerechte<br />

Verfahren eines Finanzausgleichs<br />

zwischen Stadt und Umland geschaffen<br />

werden.<br />

Zu öffentlichen Dienstleistungen<br />

gehören für uns untrennbar die<br />

Energieversorgung, der Öffentliche<br />

Personennahverkehr, Bildungs- und<br />

Kinderbetreuungseinrichtungen,<br />

Kulturangebote und Büchereien,<br />

Parks und Spielplätze, Entsorgungsleistungen,<br />

Wohnraumversorgung,<br />

Gesundheitsversorgung sowie Altenbetreuungs-<br />

und Pflegeeinrichtungen.<br />

Öffentliche Dienstleistungen müssen<br />

öffentlich erbracht werden. Fremdvergaben<br />

sind für uns die falsche<br />

Lösung.<br />

Der Wettbewerb mit privaten Anbietern<br />

setzt die öffentlichen Anbieter<br />

massiv unter Druck. Trotzdem müssen<br />

kommunale Arbeitgeber ihrer<br />

sozialen Verantwortung gerecht werden.<br />

Lohndumping, Arbeitszeitverlängerungen<br />

und Outsourcing lehnen<br />

wir ab. Dennoch ist es in der<br />

Klassenauseinadersetzung bei öffentlichen<br />

Arbeitgebern leichter<br />

möglich, diese soziale Verantwortung<br />

zu erzwingen, denn sie unterliegen<br />

den direkten Entscheidungen<br />

der Politik, also dem demokratischen<br />

Willen.<br />

Exemplarisch haben sich die TeilnehmerInnen<br />

des Großstädtenetzwerkes<br />

besonders intensiv mit der<br />

kommunalen Wohnungsbaupolitik,<br />

dem öffentlichen Personennahverkehr<br />

sowie der kommunalen Gesundheitsversorgung<br />

beschäftigt.<br />

Öffentlicher Personennahverkehr<br />

Lange Zeit bestand bei der Diskussion<br />

das Dogma, durch Liberalisierung<br />

und Privatisierung den öffentlichen<br />

Nahverkehr zu verbessern.<br />

Dies ist ein Widerspruch an sich, da<br />

ein gut ausgebauter, für alle bezahlbarer<br />

Nahverkehr mit hohen Standards<br />

sich nicht eigenwirtschaftlich<br />

betreiben lässt. Die Forderung nach<br />

zunehmender Privatisierung kann<br />

also nur in einem Lohndumping<br />

oder in Servicereduktion münden.<br />

Für junge Sozialistinnen und Sozialisten<br />

ist klar, dass gleicher Lohn für<br />

gleiche Arbeit gezahlt werden muss.<br />

Ziel sollte es also sein, die Tarifverträge<br />

im privaten Busverkehr auf das<br />

selbe Niveau der öffentlichen Tarifverträge<br />

anzuheben oder einen<br />

brancheneinheitlichen Mindestlohn<br />

umzusetzen.<br />

Nach dem Beschluss des Europäischen<br />

Parlaments vom 10. Mai<br />

2007 ist klar, dass Kommunen nicht<br />

zu europaweiten Ausschreibungen<br />

gezwungen sind, sondern eine Direktvergabe<br />

an ihre eigenen Verkehrsgesellschaften<br />

erfolgen kann.<br />

Wir streben als langfristiges Ziel an,<br />

dass alle Kommunen ihre eigenen<br />

Verkehrsgesellschaften organisieren,<br />

um weiterhin Einfluss auf Service<br />

und Standards des Nahverkehrs zu<br />

behalten. Wir fordern die Kommunen,<br />

die bereits private Vergaben<br />

durchgeführt haben, auf, nach dem<br />

Ablauf der Konzessionsdauer eine<br />

Direktvergabe zur Realisierung des<br />

besten Standards und zur Wahrung<br />

der Arbeitnehmerrechte durchzuführen.<br />

Für uns sind Investitionen in den<br />

Nahverkehrsausbau von höherer<br />

Priorität als der motorisierte Individualverkehr.<br />

Hohe Standards wie<br />

zum Beispiel Barrierefreiheit, gute<br />

Taktzeiten und Nachtlinienangebote<br />

sind klare Voraussetzungen für<br />

einen attraktiven Nahverkehr (Pull-<br />

Faktoren). Eine Steuerfinanzierung<br />

dieser Investitionen lässt sich eher<br />

rechtfertigen als beim MIV, da der<br />

ÖPNV im Unterschied zum Auto<br />

von allen genutzt werden kann.<br />

Mobilität ist ein Grundrecht, dass<br />

sich jede und jeder leisten können<br />

muss, deswegen bleibt unser langfristiges<br />

Ziel eine steuerfinanzierte<br />

kostenlose Nutzung des ÖPNV.<br />

Kommunale Gesundheitsversorgung<br />

Kommunale Krankenhäuser<br />

Durch Fallpauschalen, Mindererlösausgleich<br />

und Konvergenzphase<br />

befinden sich städtische Kliniken<br />

leider in einer sehr schwierigen Situation.<br />

Wir fordern eine ausreichende<br />

Finanzierung der gesundheitlichen<br />

Grundversorgung durch<br />

die Gesundheitskassen. Um eine<br />

Privatisierung kommunaler Krankenhäuser<br />

zu vermeiden, muss hier<br />

dringend gehandelt werden.<br />

Tarifabschlüsse müssen in Zukunft<br />

Ärzten sowie technischem und Pfle-<br />

22 23


R E S O L U T I O N<br />

gepersonal zugute kommen und<br />

dürfen nicht eine Seite bevorzugen.<br />

Es muss eine breite gesellschaftliche<br />

Debatte über den Wert von Gesundheitsleistungen<br />

geben. Gesundheit<br />

darf nicht als Wirtschaftsgut<br />

behandelt und marktwirtschaftlichen<br />

‚Logiken‘ unterworfen werden.<br />

Wir wollen die Qualität in den Krankenhäusern<br />

erhöhen. Es darf zu<br />

keinen betriebsbedingten Kündigungen<br />

oder Umsetzungen von Personal<br />

in andere Tarifverträge kommen.<br />

Ein Verkauf kommunaler Krankenhäuser,<br />

wie es einige Kommunen<br />

vorgemacht haben, kommt für uns<br />

junge Sozialist/innen nicht in Frage.<br />

Diverse Studien zeigen deutlich,<br />

dass die Qualität der Versorgung<br />

ebenso wie die Patientenzufriedenheit<br />

in Krankenhäusern in öffentlicher<br />

Trägerschaft erheblich höher ist<br />

als in privatwirtschaftlich organisierten.<br />

Der Versorgungsauftrag kann unserer<br />

Meinung nach nur durch Krankenhäuser<br />

in öffentlicher Trägerschaft<br />

voll gewahrt werden. Nur hier<br />

besteht ein echtes Interesse, Maximalversorgung<br />

zu gewährleisten.<br />

Die „Rosinenpickerei“ privater Krankenhäuser<br />

ist ungerecht und gefährlich.<br />

Daher dürfen privatwirtschaftliche<br />

Interessen nicht an die Stelle<br />

sozialer Grundsätze gerückt werden.<br />

Gesundheit muss für alle Menschen<br />

gleichermaßen zugänglich bleiben.<br />

Prävention<br />

In der gesundheitspolitischen Daseinsvorsorge<br />

muss die Gesundheitsförderung<br />

im Mittelpunkt stehen,<br />

sprich primäre, sekundäre und<br />

tertiäre Prävention. Gerade in den<br />

großen Städten kumulieren sich<br />

Gesundheitsrisiken, beispielsweise<br />

durch negative Umweltfaktoren,<br />

aber auch durch ein risikoreiches<br />

soziales Umfeld. So ist das Risiko mit<br />

gefährlichen Suchtstoffen in Kontakt<br />

zu geraten in großen Städten ungleich<br />

größer als auf dem Land. Die<br />

Primärprävention muss im Kindesalter<br />

beginnen. Die Fachstellen Prävention<br />

müssen finanziell und personell<br />

gestärkt werden.<br />

Wir brauchen geschützte Räume<br />

(beispielsweise Druckräume), auch<br />

um einen Kontakt zwischen Süchtigen<br />

und der Drogenhilfe zu ermöglichen.<br />

Tagespolitisch muss der<br />

Druck auf die Bundestagsfraktion<br />

der Unionsparteien erhöht werden,<br />

einer Änderung des BtmG endlich<br />

zuzustimmen, damit eine diamorphingestützte<br />

Behandlung von Heroinabhängigen<br />

ermöglicht wird.<br />

Die deutsche Heroin-Studie hat ergeben,<br />

dass die Heroinvergabe einer<br />

Methadonvergabe weit überlegen<br />

ist. Mit der Zulassung von Diamorphin<br />

können die Modellstädte<br />

auch finanziell entlastet werden,<br />

denn derzeit muss die Therapie<br />

durch die Kommunen; nach der<br />

Zulassung aber durch die Krankenkassen<br />

bezahlt werden.<br />

Kommunale Wohnungsbaupolitik<br />

1. Ziele progressiver Stadtentwicklung<br />

Um eine fortschrittliche Wohnungsbaupolitik<br />

zu verwirklichen, müssen<br />

wir uns zunächst mit den Zielen progressiver<br />

Stadtentwicklung auseinandersetzen,<br />

um dementsprechende<br />

kommunalpolitische Maßnahmen<br />

treffen zu können. Die Herausforderungen<br />

der kommunalen Wohnungsbaupolitik<br />

sind nicht allein mit<br />

der bloßen Reaktion auf kurzfristige<br />

wirtschaftliche Entwicklung zu bewältigen;<br />

vielmehr bedarf es eines<br />

fortschrittlichen Gegenentwurfs, der<br />

zu einer nachhaltigen Verbesserung<br />

der Lebensbedingungen für alle<br />

Bürgerinnen und Bürger führt.<br />

Beste Lebensqualität für alle<br />

Kernziel für eine sozial gerechte<br />

Stadtgesellschaft muss eine für alle<br />

spürbare Steigerung der Lebensqualität<br />

sein. Nicht nur durch die Schaffung<br />

neuer Gebiete mit bezahlbaren,<br />

hochqualitativen Wohn- und<br />

Arbeitsquartieren und Schaffung<br />

von Versorgungsangeboten, sondern<br />

auch durch den Erhalt und die<br />

Schaffung von bezahlbaren Wohnraum<br />

in - durch Lage und Versorgungsgüte<br />

ausgezeichneten - Gebieten.<br />

Ausgewogene Mischung<br />

Ziel ist es Tendenzen der räumlichen<br />

Segregation entgegenzuwirken. Wir<br />

wollen keine privilegierten Stadtquartiere<br />

für Besserverdienende und<br />

Wohnspeicher für die Massen. Unser<br />

Ziel ist die Schaffung einer ausgewogenen<br />

Mischung in unseren<br />

Städten aus allen verschiedenen<br />

Einkommensgruppen, sozialen und<br />

kulturellen Hintergründen und der<br />

Vielfalt der Lebensentwürfe, die<br />

unsere Städte prägen. Wir wollen<br />

keine geteilten Städte sondern eine<br />

Stadt für alle Bürgerinnen und Bürger;<br />

eine ausgewogene Mischung<br />

auch zwischen Wohnen und Arbeiten,<br />

Gewerbe, Handwerk, Handel,<br />

Kultur und Bildungseinrichtungen,<br />

zwischen öffentlichen Plätzen, urbanen<br />

Quartieren und Grün.


R E S O L U T I O N<br />

Öffentlicher Raum<br />

Wir wollen lebenswerte Städte, die<br />

ihren Bürgerinnen und Bürgern<br />

Möglichkeiten der Begegnung und<br />

des urbanen Lebens, der Erholung,<br />

des Rückzuges und der Freizeitbetätigung<br />

bieten. Öffentliche Plätze<br />

müssen offen sein für die vielfältige<br />

Aneignung durch die Bürgerinnen<br />

und Bürger, sie sind integraler Bestandteil<br />

des gemeinsamen Lebens.<br />

Es gilt über das Stadtgebiet ein<br />

Netzwerk von frei zugänglichen<br />

Grünflächen und öffentlichen Lebensräumen<br />

zu legen, vernetzt auch<br />

mit kulturellen Einrichtungen und<br />

Bildungsmöglichkeiten, die einen<br />

zusammenhängenden Erholungsraum<br />

schaffen, der von allen genutzt<br />

werden kann. In diesen Raum werden<br />

Sport- und Spielflächen für jung<br />

und alt integriert. Öffentliche Plätze,<br />

urbane Strukturen und Erholungsräume<br />

bilden gemeinsam den<br />

öffentlichen Raum, der allen Bürgerinnen<br />

und Bürgern offen steht.<br />

Überwachung konterkariert die Freiheit<br />

des öffentlichen Raumes.<br />

Hohe Versorgungsqualität<br />

Ziel ist auf der gesamten Fläche<br />

unserer Städte die beste Versorgung<br />

mit Infrastruktur und öffentlichen<br />

Einrichtungen. Wir wollen keine<br />

Zentralisierung der Einrichtungen in<br />

den Kernstädten und den Rückzug<br />

aus den umliegenden Quartieren,<br />

sondern dezentrale, untereinander<br />

vernetzte Anlaufpunkte für das öffentliche<br />

und kulturelle Leben, die in<br />

den Quartieren den Bürgerinnen<br />

und Bürgern zu Verfügung stehen.<br />

Technische Infrastruktur und ÖPNV<br />

müssen in bester Qualität im gesamten<br />

Stadtgebiet für alle bezahlbar<br />

und erreichbar zur Verfügung stehen.<br />

BürgerInnenbeteiligungsverfahren<br />

Wir wollen keine Stadtplanung, die<br />

an den Wünschen und Bedürfnissen<br />

der Bürgerinnen und Bürger<br />

vorbei geht, sondern die fachlich<br />

moderierte gemeinsame Gestaltung<br />

der Stadträume in Beteiligungsverfahren.<br />

Stabile und günstige Mieten<br />

Wir wollen bezahlbaren Wohnraum<br />

für alle. Wir wollen den Bürgerinnen<br />

und Bürgern Sicherheit geben, dass<br />

bezahlbarer Wohnraum auch bezahlbar<br />

bleibt. Mietpreise müssen<br />

deshalb langfristig stabil bleiben.<br />

Daher fordern wir die Aufstellung<br />

von Mietspiegeln in allen deutschen<br />

Kommunen und die Schaffung dieser<br />

Möglichkeit in Österreich sowie<br />

in allen Kommunen der EU.<br />

2. Forderungen für eine kommunalen<br />

Wohnungsbaupolitik<br />

Städtische Wohnungsbaupolitik<br />

muss versuchen, strukturelle Verbesserungen<br />

zu verwirklichen. Aus diesem<br />

Grund darf sie sich nicht auf<br />

subjektbezogene Einzelförderung<br />

beschränken, sondern muss objektbezogen<br />

agieren.<br />

Städtische Wohnungsbaupolitik<br />

muss gezielt in den (noch) privaten<br />

Wohnungsmarkt eingreifen und ein<br />

strategisches Gegengewicht zu von<br />

Profitmaximierung geleiteten Investoren<br />

schaffen. Dazu bedarf es starker<br />

kommunaler Wohnungsbaugesellschaften.<br />

Bestandteile einer derartigen<br />

Wohnungsbaupolitik sind<br />

die Schaffung von sozial gefördertem<br />

Wohnraum, die Förderung des<br />

genossenschaftlichen Wohnungsbaus<br />

und die bewusste Verpflichtung<br />

privater Investoren, Infrastrukturleistungen<br />

mitzufinanzieren.<br />

Schaffung von bedarfsgerechtem<br />

Wohnraum, unabhängig von ökonomischen<br />

Interessen, beispielsweise<br />

mit seniorengerechtem Wohnen,<br />

Auszubildendenwohnheimen, generationenübergreifenden<br />

Wohnprojekten,<br />

ist Aufgabe der kommunalen<br />

Wohnungsbaupolitik. Wohnungsbau<br />

hat sich an den Bedürfnissen<br />

der Bürgerinnen und Bürger<br />

zu orientieren.<br />

Bezahlbarer Wohnraum muss geschützt<br />

werden vor auf Profitmaximierung<br />

abzielenden Mietsteigerungen.<br />

Gewachsene Milieus, insbesondere<br />

in attraktiv gewordenen Innenstadtrandgebieten<br />

müssen gegen<br />

die Verdrängung durch steigende<br />

Mieten, Luxussanierungen und<br />

Umwandlung in Eigentumswohnungen<br />

geschützt werden. Die Kernstädte<br />

müssen für alle bezahlbar und<br />

bewohnbar bleiben.<br />

Die Instrumentarien, die den Städten<br />

zur Regulierung des Wohnungsmarktes<br />

und des Wohnungsbaus<br />

zur Verfügung stehen, müssen ausgebaut<br />

und verbessert werden.<br />

24 25


B E R I C H T<br />

<strong>Jusos</strong> München holen zweiten Platz<br />

beim Jung-Parteien Cup<br />

Am Freitag, den 26. Mai trafen sich<br />

die Jugenden der 4 großen Münchner<br />

Parteien zu einem Indoor<br />

Fussball-Turnier in der SoccaFive<br />

Arena im Olympiapark. Mit dabei<br />

waren somit die Junge Union, die<br />

das Turnier im Vorfeld organisierte,<br />

die Jungen Liberalen und Grüne<br />

Jugend. Außerdem waren wir <strong>Jusos</strong><br />

– mit 8 Spielern und einer Spielerin<br />

- vertreten. Im Folgenden der Spielbericht:<br />

In einer engen, hart umkämpften<br />

Vorrunde konnten sich die JuLis,<br />

dicht gefolgt von den <strong>Jusos</strong>, Tabellenplatz<br />

eins sichern. Die Junge<br />

Union <strong>start</strong>ete gut in das<br />

Turnier, wurde aber nach einer sehr<br />

herben Niederlage gegen die JuLis<br />

nur Dritter in der Vorrunde. Da alle<br />

3 genannten Mannschaften je 2 Siege<br />

und 1 Niederlage für sich verbuchen<br />

konnten, gab am Ende das<br />

Torverhältnis den Ausschlag.<br />

Die Gründe Jugend spielte „Außer<br />

Konkurrenz“ mit einer reinen Damen-Mannschaft.<br />

Sie konnte gegen<br />

die 3 „Herren“-Mannschaften wenig<br />

bewegen und landete nach 3 Niederlagen<br />

auf Tabellen-Platz 4.<br />

In der anschließenden K.O. Runde<br />

mussten wir <strong>Jusos</strong> im Halbfinale<br />

gegen die JU ran und konnten in<br />

einem spannenden Match dank<br />

einer höchst soliden Torwart-Leistung<br />

und eines starken Offensiv-<br />

Spiels in der Endphase mit 3:1 gewinnen.<br />

Die Jungen Liberalen mussten gegen<br />

die Grünen Frauen ran und<br />

sicherten sich in einem von extremer<br />

Härte geprägten Spiel mit 8:0 den<br />

Einzug ins Finale.<br />

Im Spiel um den 3. Platz gewann die<br />

JU gegen die Grüne Jugend souverän<br />

mit 6:1. Die GJ setzte jedoch<br />

mit ihrem Ehrentreffer ein positives<br />

Highlight und präsentierte sich trotz<br />

100% Frauenquote zweikampfstark.<br />

Das Finale zwischen <strong>Jusos</strong> und Julis<br />

verlief anspruchsvoll, aber auch<br />

sehr aggressiv. In einem von Fouls<br />

und Bolzschüssen - die fast immer<br />

von den JuLis ausgingen - begleiteten<br />

Spiel waren die Zweikämpfe<br />

eng und spannend. Beide Mannschaften<br />

erarbeiteten sich gute Torchancen.<br />

Letztendlich konnten die<br />

Liberalen mit einem für uns <strong>Jusos</strong><br />

unglücklichen, frühen Führungstreffer<br />

den Grundstein für den Sieg legen.<br />

Wir gingen in die Offensive<br />

und hatten gute Torchancen, verpassten<br />

aber den Ausgleich. In der<br />

zweiten Halbzeit machten die JuLis<br />

kurz vor Spielende mit einem Konter-Tor<br />

ihren Erfolg klar. Endstand<br />

2:0.<br />

Während der Siegerehrung bekamen<br />

alle Mannschaften Pokale überreicht.<br />

Die JuLis erhielten außerdem<br />

einen Wanderpokal, den sie beim<br />

nächsten Turnier an den neuen Sieger<br />

abgeben müssen. Hoffentlich an<br />

uns!<br />

Fest stehen dürfte, dass nicht die<br />

fairste Mannschaft gewonnen hat.<br />

Die JuLis bolzten diversen Spielern<br />

aus nächster Nähe den Ball gegen<br />

den Kopf, leisteten sich viele Fouls<br />

zeigten auch in ihren Spielen gegen<br />

die Grünen Frauen eine Härte, die<br />

menschlich deplatziert und aufgrund<br />

ihrer Überlegenheit auch<br />

schlichtweg überflüssig war. Die Torfrau<br />

der Grünen Jugend wurde dabei<br />

vorübergehend schachmatt gesetzt.<br />

Auf Seiten der <strong>Jusos</strong> waren<br />

eine kaputte Brillenfassung und eine<br />

Platzwunde am Knie Zeugnisse „liberaler“<br />

Härte.<br />

Nicht deshalb, aber trotz dieser<br />

Schattenseite kann man am Ende<br />

ein positives Resümee ziehen: Das<br />

Turnier wurde von der Jungen Union<br />

mit viel Engagement und in<br />

ständiger vertrauensvoller Absprache<br />

mit uns und den anderen Partei-Jugenden<br />

organisiert. Bei ihrem<br />

zuständigen Ansprechpartner Daniel<br />

M. wollen wir <strong>Jusos</strong> uns an dieser<br />

Stelle ausdrücklich dafür bedanken.<br />

Die Grüne Jugend wagte mir<br />

ihrer reinen Frauen-Mannschaft<br />

mutig den Sprung in eine Männerdomäne,<br />

zeigte viel olympischen<br />

Geist – und am Ende auch eine<br />

deutliche spielerische Evolution. Wir<br />

<strong>Jusos</strong> ließen uns auch von heftigen<br />

Attacken der JuLis und markigen<br />

Sprüchen einiger JuLi- und JU-Spieler<br />

nicht aus der Ruhe bringen und<br />

waren auch ohne unsportliche<br />

Härte in allen Lebenslagen spielerisch<br />

konkurrenzfähig. In unserem<br />

Spiel gegen die Grüne Jugend war<br />

auch eine engagierte Juso-Frau mit<br />

von der Partie, die sich in der Offensive<br />

Torchancen erspielen konnte.<br />

Absolutes Fair Play der Juso-<br />

Männer war in diesem Match eine<br />

Selbstverständlichkeit und stand einem<br />

Sieg in keinster Weise im Weg.<br />

Auch den JuLis muss man (wenn<br />

auch mit Ironie) letztendlich danken.<br />

Ihr Auftreten beim Münchner Jung-<br />

Parteien Cup hat die vielfach abstrakt<br />

diskutierte Ellenbogen-Gesellschaft<br />

ganz konkret - und sehr<br />

schmerzhaft - fühlbar gemacht.<br />

STEFAN WASNER


D A S L E T Z T E W O R T<br />

Das letzte Wort:<br />

„Wahlkämpfen“ – Damit München ROT bleibt!<br />

Liebe Genossinnen und Genossen,<br />

uns steht ein heißes Jahr bevor. Nicht etwa wegen dem<br />

Klimawandel - nein - es muss „gewahlkämpft“ werden.<br />

In weniger als zehn Monaten ist es soweit. Bei der Kommunalwahl<br />

am 2. März 2008 wird über die Zukunft unserer Stadt entschieden.<br />

Die CSU und vor allem die Ichlinge der Jungen Union dürfen in<br />

dieser Stadt keine Verantwortung übernehmen.<br />

Wir Münchner <strong>Jusos</strong> sind die Vertretung von SchülerInnen, Azubis, StudentInnen und jungen<br />

ArbeitnehmerInnen und sollten alles unternehmen, um deren Lebenslagen zu verbessern.<br />

Lasst uns gemeinsam für ein „Rotes München“ kämpfen.<br />

> Für ausreichend bezahlbaren Wohnraum gibt<br />

> Für die kommunale Daseinsvorsorge<br />

> Für ein gut ausgebautes und ÖPNV-System auch Nachts<br />

> Für eine gut ausgebaute soziale Infrastruktur<br />

> Für ein breites Angebot an auch nichtkommerzieller Jugendkultur<br />

Summa summarum:<br />

Für ein soziales, tolerantes und weltoffenes München<br />

Ich würde mich freuen, wenn wir diese Ziele gemeinsam erreichen.<br />

Freundschaft<br />

Euer Jens<br />

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