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Programmheft - Klassik Stiftung Weimar

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»Schöne Welt wo bist du?« – Schubert entdeckt Schiller<br />

Das Lied ist die erste Gattung, in der es<br />

Franz Schubert schon in sehr jungen Jahren<br />

zu kompositorischer Meisterschaft<br />

brachte, und sein Rang als Liedkomponist<br />

ist ihm so unbestritten zugestanden worden,<br />

dass er bis heute als <strong>Klassik</strong>er dieser<br />

Gattung gilt. Lieder waren es auch, mit denen<br />

der erwachsene Komponist zuerst an<br />

die Öffentlichkeit der Druckausgaben gelangte,<br />

die dann seiner Klavier- und Kammermusik<br />

den Weg auf den Musikalienmarkt<br />

zu bahnen vermochten. Zwischen<br />

dem ersten nachweisbaren Lied des Vierzehnjährigen<br />

und der ersten mit einer<br />

Opuszahl versehenen Publikation vergingen<br />

allerdings zehn Jahre – genau die Zeit,<br />

die der junge Komponist brauchte, um in<br />

der Privatheit und Halböffentlichkeit der<br />

Salon- und Vereinsgeselligkeit bekannt genug<br />

zu werden, um das finanzielle Risiko<br />

eines auf eigene Kosten gewagten Drucks<br />

einigermaßen kalkulierbar zu machen.<br />

Im Bewusstsein der Nachwelt hat sich<br />

die Vorstellung von Schuberts frühem<br />

Liedschaffen unauflöslich mit Johann<br />

Wolfgang von Goethe verbunden. In der<br />

Tat waren ja die ersten im Frühjahr 1821<br />

gedruckten Lieder – unter ihnen einige<br />

der bis heute berühmtesten – der Lyrik des<br />

<strong>Weimar</strong>er Dichterfürsten gewidmet (Opus<br />

1: Erlkönig, Opus 2: Gretchen am Spinnrade). In<br />

Wirklichkeit aber hatte Schuberts frühestes<br />

Interesse gar nicht Goethe, sondern<br />

dem anderen der beiden <strong>Weimar</strong>er <strong>Klassik</strong>er<br />

gegolten: Schon das zweite, wohl 1811<br />

entstandene seiner erhaltenen Jugendlieder,<br />

Des Mädchens Klage D 6, bezog seinen<br />

Text von Friedrich Schiller, und eben so die<br />

gleich darauf folgende Leichen fantasie D 7.<br />

Bevor Schubert schließlich am 19. Oktober<br />

1814 mit seinem berühmt gewordenen<br />

Gretchen am Spinnrade D 118 sein erstes<br />

Goethe-Lied komponierte, hatte er bereits<br />

nicht weniger als 27 Gedichte Friedrich<br />

Schillers vertont. Zwar besetzt Goethe unter<br />

allen Textdichtern Schuberts mit fast<br />

80 Ver tonun gen, als Lieder oder mehrstimmige<br />

Gesänge, insgesamt die Spitzenposition,<br />

aber diese wird in Schuberts<br />

Œuvre von der kompositorischen Auseinandersetzung<br />

mit Schiller dicht gefolgt.<br />

Unter den knapp 70 Kompositionen nach<br />

Gedichten Schillers sind weit mehr als die<br />

Hälfte Lieder, und einige von ihnen gehören<br />

zu den eindrucksvollsten und schönsten,<br />

die Schubert überhaupt geschrieben<br />

hat. Und selbst im Bereich der Bühnendramatik,<br />

für die Schubert bekanntlich mit<br />

dem Singspiel Claudine von Villa Bella eine<br />

weitere Goethe-Vorlage benutzte, gibt es<br />

ein Pendant bei Goethes großem Mitstreiter:<br />

Die Fragment gebliebene Schiller-<br />

Oper Die Bürgschaft D 435 bezog ihre Inspiration<br />

zweifellos von der kurz zuvor<br />

vertonten gleichnamigen Ballade, wenn<br />

auch nicht direkt aus einer Schillerschen<br />

Textvorlage.<br />

Was hat Schubert überhaupt so früh<br />

zur Lyrik Friedrich Schillers greifen lassen?<br />

Eine erste Erklärung ergibt sich<br />

zwanglos aus der Tatsache, dass Schubert<br />

auf die gerade ein Jahr vor dem Einsetzen<br />

Linke Seite: Porträt Franz Schubert, Wilhelm August Rieder, Aquarell 1825

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