Programmheft - Klassik Stiftung Weimar
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vorspringende Nase, Lippenpartie, energisches<br />
Kinn –, doch keine kleinteiligen<br />
Schilderungen prägen die Darstellung.<br />
Ein wenig beachteter, in <strong>Weimar</strong> aufbewahrter<br />
Klebeband mit Zeichnungen<br />
Reinharts aus seiner thüringischen Zeit<br />
enthalten drei ganzfigurige Bildnisse, die<br />
nicht nur stilistisch dem Bildnis des auf<br />
dem Esel rauchenden Schiller erstaunlich<br />
nahe stehen. Die drei Zeichnungen aus<br />
dem <strong>Weimar</strong>er Klebeband zeigen dieselbe<br />
Person. In Hinsicht auf die Tracht – der<br />
breitkrempige Hut, der Mantel, die Stiefel<br />
– bestehen Übereinstimmungen mit<br />
dem »rauchenden Schiller«. Insbesondere<br />
jedoch auch die markant angedeutete<br />
Physiognomie und die Altersstufe lassen<br />
es wahrscheinlich werden, Reinhart habe<br />
auch hier seinen Dichterfreund zeichnend<br />
festgehalten (Abbn. Titelseite sowie vorherige<br />
und nachfolgende Seiten). Ein weiteres<br />
Bildnis aus dem Klebeband dürfte<br />
Schillers Meinin ger Schwager, den Bibliothekar<br />
Wilhelm Friedrich Hermann Reinwald<br />
(1737–1815) darstellen.<br />
Altbekannt aus dem Bestand der<br />
<strong>Klassik</strong> <strong>Stiftung</strong> <strong>Weimar</strong> sind zwei Zeichnungen<br />
Reinharts, die Schiller, abermals<br />
auf einem Esel reitend, von hinten gesehen<br />
zeigen (Abb. Rückseite) sowie dessen<br />
Freund Wilhelm Friedrich von Wolzogen,<br />
Sohn von Schillers Gönnerin Henriette<br />
Freifrau von Wolzogen, der gleichfalls<br />
auf dem Lasttier unterwegs ist.<br />
Eine weitere historisch bezeugte,<br />
nach Rom mitgenommene, doch heute<br />
nicht mehr auffindbare Bildniszeichnung<br />
Reinharts von Friedrich Schiller diente<br />
als Vorlage postumer Schiller-Bildnisse,<br />
so für einen Stich Carl Küchlers von 1841<br />
oder einen Stahlstich Carl Mayers aus<br />
dem Jahre 1859.<br />
Prägend im öffentlichen Bewußtsein<br />
wurde diese verschollene, von Reinhart<br />
in Rom gehütete Bildniszeichnung des<br />
Freundes bereits ab 1839, als der dänische<br />
Bildhauer Bertel Thorvaldsen den<br />
Auftrag annahm, das große Schiller-<br />
Denkmal in Stuttgart auszu führen. Der<br />
gefeierte Bildhauer, der mit Reinhart<br />
befreundet war, bekam von ihm das Blatt<br />
als physiognomische Vorlage zur Verfügung<br />
gestellt. Neben Johann Heinrich<br />
Dan neckers Schiller-Büsten hat Thorvaldsens<br />
Statue des Dichters eine herausragende<br />
öffentliche Resonanz erfahren.<br />
Dass physio gno misch prägend hinter der<br />
antik isierend überhöhten Darstellung<br />
des gedanken vollen Stuttgarter Bildwerks<br />
eine anekdotenhafte Zeichnung aus der<br />
Meininger Zeit steht, mag eine amüsante<br />
Pointe bleiben.<br />
Hermann Mildenberger<br />
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im Profil nach rechts (Friedrich Schiller?), um 1787, Johann Christian Reinhart