Linux-Magazin 20 Jahre Linux (Vorschau)
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Titelthema<br />
www.linux-magazin.de Missmanagement 09/<strong>20</strong>11<br />
40<br />
Abbildung 3: Wienux, so hieß das vom Magistrat der Stadt Wien entwickelte und<br />
mangels Interesse fallen gelassene <strong>Linux</strong>.<br />
Abbildung 4: Auch der Deutsche Bundestag in Berlin wollte mal auf <strong>Linux</strong> und<br />
freie Software umstellen, doch die „heterogene“ Lobbyarbeit der Open-Source-<br />
Community hat das erfolgreich vereitelt.<br />
Ganz ähnlich klingt die Geschichte aus<br />
München, zumindest wenn man mit<br />
Brüsseler Politikern spricht. Hinter vorment,<br />
das das freie System benachteiligt<br />
hat, in diesem Fall durch schlichte Nichtbeachtung.<br />
E Fall 4: Lobbyismus<br />
Etwas länger zurück in der <strong>Linux</strong>-Geschichte<br />
liegt der Fall des Deutschen Bundestages<br />
([7], Abbildung 4). Dort hatten<br />
sich die Verantwortlichen um die Jahrtausendwende<br />
mit viel Vorschusslorbeer für<br />
eine <strong>Linux</strong>-Migration auf Desktops und<br />
Servern entschieden. Herausgekommen<br />
ist nur wenig. Microsofts Lobbyisten haben<br />
vermutlich erfolgreichere Arbeit ge-<br />
leistet, während die Open-Source-Lobby<br />
zähneknirschend eingestehen muss, dass<br />
da vieles falsch gelaufen ist. Fast zehn<br />
<strong>Jahre</strong> danach läuft <strong>Linux</strong> nur im Backend<br />
und Exchange arbeitet als Groupware.<br />
Das <strong>Linux</strong>-<strong>Magazin</strong> hat Elmar Geese<br />
und Peter Ganten vom <strong>Linux</strong>-Verband<br />
um eine rückblickende Stellungnahme<br />
gebeten, ihre Antworten dokumentiert<br />
der Kasten „Berlin – ein Open-Source-<br />
Lobbyismus-Desaster?“.<br />
Fakt ist: Am Beispiel des Deutschen<br />
Bundestages zeigt sich, dass überlegene<br />
Technologie nicht ausreicht. <strong>Linux</strong> und<br />
Open Source unterliegt eben auch den<br />
Gesetzen des Marktes, und da sind Lobbyismus,<br />
Beratung, Strategien, professionelles<br />
Produktmanagement und Kinderbetreuung<br />
gefragt. Vor zehn <strong>Jahre</strong>n war<br />
die <strong>Linux</strong>-Welt dazu offenbar noch nicht<br />
in der Lage. Sündenbock ist jedoch die<br />
Community, wieder mal: „Auch in Berlin<br />
ist wenig rumgekommen.“<br />
E Fall 5: Münchner Kindl –<br />
Erfolge wenig bekannt<br />
Berlin – ein Open-Source-Lobbyismus-Desaster?<br />
Elmar Geese, Live-Vorstand und Geschäftsführer<br />
der Firma Tarent:<br />
„Ich sehe die Bundestags-Migration als gutes<br />
Beispiel dafür, was wir, die Open-Source-Community,<br />
noch lernen können und müssen und wo<br />
die OSS-Bewegung sowie die beteiligten Unternehmen<br />
gemeinsam noch Lernbedarf haben.<br />
Auch aus der Sicht der Interessenvertretung<br />
sind wir jetzt schlauer.<br />
Vier Punkte sind mir dabei besonders wichtig:<br />
Proprietäre Mitbewerber nehmen uns mittlerweile<br />
so ernst, das sie an allen Fronten schießen.<br />
Ohne alte Feindbilder zu pflegen – hier ist<br />
nach wie vor Microsoft am aktivsten und auch<br />
am erfolgreichsten. Hauptangriffsszenarien<br />
sind dabei die Verhinderung offener Standards<br />
und die Schaffung von technischen Tatsachen in<br />
der Anwendungsinfrastruktur. “<br />
Microsoft schießt scharf mit Sharepoint<br />
„Die Rolle, die vor <strong>20</strong>07 noch einem Mailund<br />
Group ware-Produkt wie Exchange zufiel,<br />
nimmt heute im Bereich des Dokumenten-<br />
Managements Sharepoint wahr. Dabei vereinen<br />
die Angreifer zwei erfolgreiche Konzepte der<br />
Vergangenheit: Die Bottom-up-Strategie, sich<br />
über die Bürofunktionen einzunisten, sowie die<br />
einfache Integration über proprietäre Schnittstellen.<br />
Jemand, der Sharepoint einsetzt, lässt<br />
sich kaum mehr von Microsoft Office wegbringen,<br />
das Vendor-Lock-in ist geschafft.“<br />
Schlechte Zeiten für OSS-Politik<br />
„Auch die Zeiten der politischen OSS-Unterstützung<br />
sind gerade schlecht. Wir hoffen, dass<br />
sich das durch den Nachhaltigkeitsaspekt mit<br />
dem Trend hin zu Grün wieder ändert. Die Interessenvertretung<br />
der OSS-Unternehmen stellt<br />
sich gerade neu auf, das wird helfen. Die Stärke<br />
und Durchschlagskraft des proprietären Wettbewerbs<br />
werden wir aber nicht erreichen.<br />
Hier schließt sich der Kreis bezüglich der Bundestagsthematik:<br />
Wir mussten lernen, dass es<br />
eben nicht reicht, die besseren Argumente zu<br />
haben, wenn der politische Wille fehlt. Hier<br />
müssen wir noch zulegen.“<br />
Peter Ganten, Live-Vorstand und Geschäftsführer<br />
von Univention:<br />
„Elmar Geese hat absolut Recht. Ich möchte<br />
nur hinzufügen, dass einige den Fehler gemacht<br />
haben zu glauben, bei der Einführung von Open-<br />
Source-Software würde man ohne professionell<br />
geführte und ausgestattete Projekte auskommen.<br />
Ist der Hauptgrund für die Einführung von<br />
OSS eine Umsonst-Mentalität und stehen nicht<br />
die eigentlichen Vorteile im Vordergrund, dann<br />
ist diese Gefahr besonders hoch.“<br />
Ein professionellerer Ansatz ist gefragt<br />
„Ebenso wird leider immer wieder übersehen,<br />
dass nicht jede Behörde oder jedes Unternehmen<br />
die Verantwortung für die Pflege einer<br />
individuell entwickelten Lösung selbst übernehmen<br />
kann. Hier ist dringend die Zusammenarbeit<br />
mit Produktherstellern oder Dienstleistern<br />
geboten, die solche Leistungen genauso wie die<br />
Hersteller proprietärer Software, aber mit entscheidenden<br />
Vorteilen für die Anwender sehr<br />
professionell liefern können.“