6 Titelthema „Fit älter werden“ Titelthema „Fit älter werden“ 7 Pro-Aging statt Anti-Aging In der Altersmedizin geht es nicht darum, alle Erkrankungen zu therapieren, die jemand hat. Entscheidend ist vielmehr, dem Leben nicht mehr Jahre, sondern den Jahren mehr Leben zu geben. VON RÜDIGER STETTINSKI Vergesslichkeit ist nicht gleich Demenz Mehr als die Hälfte der Deutschen fürchtet sich vor Gedächtnisverlust im Alter. Einer aktuellen DAK-Umfrage zufolge ist die Angst vor Demenz bei Senioren inzwischen größer als vor Krebs oder einem Schlaganfall. Doch nicht immer ist Vergesslichkeit ein erstes Anzeichen der gefürchteten Krankheit. VON REBECCA BERNSTEIN Wie altern wir gesund? Dieser Frage widmet sich die Geriatrie, sprich Altersmedizin. Drei Aspekte spielen eine Rolle: körperliche Aktivität, Ernährung und gesellschaftliche Kontakte. „Der Mensch ist ein Sozialtier“, sagt Prof. Dr. Wolfgang von Renteln-Kruse, Chefarzt der Geriatrie im Albertinen-Haus. Davon, wie stark jemand sozial aktiv ist, also zum Beispiel Freundschaften pflegt und im Verwandtschaftskreis integriert ist, hängt sogar die Behandlung ab. Wichtig für von Renteln-Kruse ist: Welche Befunde sind tatsächlich relevant, weil sie erhebliche Einschränkungen in der Lebensqualität mit sich bringen? Älter werdende und alte Menschen durch Prävention, Betreuung, Medizin und Pflege darin zu Altersmedizin vor Ort Geriatrische Kliniken finden Sie unter anderem hier: • Agaplesion Diakonieklinikum Hamburg • Albertinen-Haus • Bethesda Krankenhaus Bergedorf • Ev. Amalie Sieveking-Krankenhaus • Evangelisches Krankenhaus Alsterdorf • Kath. Marienkrankenhaus • Wilhelmsburger Krankenhaus Groß-Sand PROF. DR. WOLFGANG VON RENTELN-KRUSE Chefarzt der Geriatrischen Klinik im Albertinen-Haus unterstützen, im Alter Gewinn und nicht (nur) Verlust zu sehen, ist Kernanliegen der Geriatrie. Nicht „Anti- Aging“, sondern „Pro- Aging“ lautet das Motto. Um die Patienten ganzheitlich in den Blick zu nehmen, verbindet das Albertinen-Haus Praxis, Lehre und Forschung, Prävention und Gesundheitsförderung, akute, rehabilitative und palliative, ambulante sowie stationäre Behandlung und alle an diesen Prozessen beteiligten Experten. Außerdem wird ständig nach innovativen Ansätzen für diese interdisziplinäre Versorgung gesucht. Wertvolle Erkenntnisse dafür liefert eine Langzeit-Untersuchung namens LUCAS. Im Fokus: Männer und Frauen ab 60 Jahren, von denen in der Metropolregion Hamburg etwa 425.000 leben. Jüngstes Resultat der Studie sind im Albertinen-Haus die neuen Einheiten „kognitive“ und „palliative Geriatrie“ – zwei passgenaue Angebote für die besonderen Bedürfnisse von Personen höheren Alters. „Weniger als 25 Prozent des Alterungsprozesses ist genetisch bedingt“, betont von Renteln-Kruse, „zu mehr als 75 Prozent ist er abhängig vom Gesundheitsverhalten jedes Einzelnen, vom Lifestyle, und nicht zuletzt von der Bildung, also vom Zugang zu gesundheitsrelevanten Informationen, die etwa Einfluss darauf haben, ob man zu Vorsorgeuntersuchungen geht.“ Anders gesagt: Man kann in erheblichem Maß selbst entscheiden, wie fit man im Alter sein will. Rund 1,4 Millionen Menschen sind derzeit in Deutschland an Demenz erkrankt und die Zahl steigt. „Damit wird es immer wichtiger, sich mit dementiellen Erkrankungen auseinanderzusetzen“, sagt Brunhilde Merk, Chefärztin der Medizinisch-Geriatrischen Klinik im Agaplesion Diakonieklinikum Hamburg. Wer einen Termin vergisst, seinen Schlüssel verlegt oder mal kurzfristig die Orientierung verloren hat, BRUNHILDE MERK Chefärztin der Medizinisch-Geriatrischen Klinik im Agaplesion Diakonieklinikum Hamburg muss sich noch keine Sorgen machen. „Wer aber zunehmend Schwierigkeiten hat, sich im Alltag zurechtzufinden, sollte einen Arzt aufsuchen“, so Merk. Eine frühe Diagnose kann die weitere Lebenssituation von Betroffenen günstig beeinflussen und den Krankheitsverlauf verzögern. Erste Anlaufstelle ist dabei der Hausarzt, der bei Bedarf an eine neurologische Praxis oder eine Memory-Clinic überweist. Demenzerkrankungen können verschiedene Ursachen haben. Die häufigste Demenzerkrankung ist die Alzheimer-Krankheit, es gibt aber noch viele weitere Formen. Etwa 20 bis 30 Prozent sind gefäßbedingte, sogenannte vaskuläre Demenzen. Die Anzeichen sind im Anfangsstadium ähnlich wie bei Alzheimer-Patienten, sie setzen aber häufig früher und heftiger ein. Es gibt auch Erkrankungen, die ähnliche Symptome zeigen, aber andere Ursachen haben. Hierzu zählen z. B. das Delir und die Depression. „Rechtzeitig erkannt, lassen sich diese Erkrankungen therapieren und heilen.“ Deshalb warnt Brunhilde Merk vor vorschnellen Diagnosen: „Nicht jeder verwirrte Patient hat eine Demenz!“ Treten Verwirrtheit, Vergesslichkeit und Unruhezustände akut, also plötzlich auf, können andere Erkrankungen wie Stoffwechselstörungen, Entzündungen oder auch Nebenwirkungen von Medikamenten verantwortlich sein. „Mitunter entsteht ein Delir auch, wenn Patienten zu wenig Flüssigkeit trinken. Und eine Wesensveränderung kann Zeichen einer Depression sein“, erklärt die Expertin. Zur Abgrenzung und rechtzeitigen Behandlung dieser Erkrankungen ist die frühzeitige Diagnose besonders wichtig.