Kriteriengeleitete Individualisierung im Erstleseunterricht
Kriteriengeleitete Individualisierung im Erstleseunterricht
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KRITERIENGELEITETE INDIVIDUALISIERUNG IM<br />
(ERST)LESEUNTERRICHT (KIL)<br />
Projektbeschreibung des Modells Linz-Land<br />
Problemaufriss:<br />
Lesen ist in der heutigen Mediengesellschaft eine Schlüsselkompetenz.<br />
Die Schlussfolgerungen aus den PISA-Ergebnissen machen eine Veränderung<br />
der unterrichtlichen Maßnahmen zur wirksamen Leseförderung aller<br />
Schülerinnen und Schüler ab Schuleintritt erforderlich.<br />
Aus der Forschung ist bekannt, dass Schriftsprachprobleme um so schwieriger zu<br />
beeinflussen sind, je älter die betroffenen Kinder sind. Laut Ernst Pöppel (von der<br />
Universität München) ist das Gehirn nur in den ersten 10 Lebensjahren fähig, so<br />
lesen zu lernen, dass man es ohne Anstrengung beherrscht. (Vgl. Garbe, 2005)<br />
Seit Jahren zeichnen sich daher vermehrt wissenschaftliche Bemühungen ab, die<br />
Früherkennung von kindlichen Lese- und Rechtschreibproblemen als Voraussetzung<br />
für zielgerichtete und wirksame pädagogische Interventionen zu verbessern. Eine<br />
Reihe von Studien spricht für die Wirksamkeit einer frühzeitigen Diagnostik und<br />
daraus abgeleiteter präventiver und unterrichts<strong>im</strong>manenter Maßnahmen. (Vgl.<br />
Hartmann, 2008) Defizite von Kindern <strong>im</strong> Schriftspracherwerb können so rechtzeitig<br />
erkannt und durch entsprechende unterrichtliche Maßnahmen reduziert bzw.<br />
behoben werden.<br />
Das Hauptaugenmerk <strong>im</strong> <strong>Erstleseunterricht</strong> muss auf der Vermittlung basaler<br />
Lesefähigkeiten liegen, um den Grundstein zur Erreichung von Lesekompetenz<br />
zu legen.<br />
Das Wissen über die Lernvoraussetzungen <strong>im</strong> Schriftspracherwerb bzw. über<br />
den Verlauf der Leseentwicklung stellt eine unverzichtbare Voraussetzung für<br />
einen entwicklungsorientierten <strong>Erstleseunterricht</strong> dar. Nur so können die<br />
Lesestrategien der Kinder rechtzeitig erkannt und diagnostisch begründete<br />
Entscheidungen bezüglich pädagogischer Maßnahmen getroffen werden.<br />
SPZ Linz-Land, Pitzer Anneliese, Kühr Brigitte 1
Praktische Durchführung<br />
Die Einhaltung einer Schuleingangsphase <strong>im</strong> Ausmaß von 8 Schulwochen ist<br />
seit dem Schuljahr 2005/06 für alle Lehrerinnen und Lehrer der 1. Klassen<br />
verpflichtend. Ziel des Anfangsunterrichts ist es, die individuelle<br />
Lernausgangslage eines jeden Kindes zu erkennen und seine Lernentwicklung<br />
zu unterstützen.<br />
Alle Lehrerinnen und Lehrer, die in einer ersten Klasse einer Volksschule<br />
unterrichten, erhalten in einer verpflichtenden Fortbildung Einblicke in den<br />
Entwicklungsprozess des Lesens und der Vorläuferfertigkeiten für den<br />
Schriftspracherwerb, Informationen bezüglich Beobachtungskriterien und -<br />
materialien zur Erkennung der Lernvoraussetzungen und des<br />
Entwicklungsstandes der Schülerinnen und Schüler <strong>im</strong> Schriftspracherwerb so<br />
wie Konzepte für unterrichts<strong>im</strong>manente Maßnahmen zur entwicklungsorientierten<br />
Förderung der Kinder.<br />
Nach den ersten acht erlernten Buchstaben wird mit allen Kindern einer ersten<br />
Klasse durch Mitarbeiterinnen des SPZ Linz-Land eine Leselernstandsüberprüfung<br />
durchgeführt. Angelehnt ist diese Überprüfung an das Verfahren<br />
des WFT (=Wiener Früherkennungstest) von Klicpera, Schabmann u. Humer<br />
(2005). Die Leselernstandsüberprüfung des Modells Linz-Land konzentriert sich<br />
auf die Leseleistungen in den Teilbereichen „Graphem-Phonem-Korrelation“,<br />
„Zusammenschleifen von Phonemen“ und „direkte Worterkennung“. Mit diesem<br />
Verfahren ist es möglich, die Lesestrategien der Schülerinnen und Schüler<br />
frühzeitig zu erkennen.<br />
Auf diesen Ergebnissen basierend können differenzierte entwicklungsorientierte<br />
Lernangebote <strong>im</strong> Unterricht gesetzt werden. Eine Demotivation der<br />
Schülerinnen und Schüler <strong>im</strong> <strong>Erstleseunterricht</strong> wird so verhindert und ihre Lernund<br />
Leistungsbereitschaft gefördert.<br />
Nach weiteren 8 erlernten Buchstaben wird der Lernstand bei Risikokindern <strong>im</strong><br />
Bereich schriftsprachlicher Leistungen nochmalig festgestellt, um noch<br />
bestehende Leistungsdefizite durch individuelle Maßnahmen verringern bzw.<br />
beheben zu können.<br />
SPZ Linz-Land, Pitzer Anneliese, Kühr Brigitte 2
Zielstellungen<br />
• Kompetenzerweiterung der Lehrerinnen und Lehrer <strong>im</strong> <strong>Erstleseunterricht</strong><br />
• Differenzierung und <strong>Individualisierung</strong> des Unterrichts durch eine<br />
entwicklungsorientierte Lesedidaktik<br />
• Etablierung bzw. Verbesserung von Diagnostik und Intervention bei<br />
Lernstörungen in der allgemeinen Pädagogik<br />
• Früherkennung von schriftsprachlichen Lernstörungen<br />
• Präventive Interventionen <strong>im</strong> allgemeinpädagogischen Kontext<br />
Ergebnisse<br />
Die Durchführung der Leselernstandsüberprüfung wurde über mehrere Jahre <strong>im</strong><br />
Bezirk Linz- Land in zahlreichen ersten Klassen erprobt und seit dem Schuljahr 2008/<br />
09 flächendeckend in allen ersten Klassen des Bezirkes Linz-Land durchgeführt. Sie<br />
ergab eine hohe Zufriedenheit der Lehrerinnen und Lehrer in Bezug auf die<br />
Durchführung, die Interpretation der Ergebnisse sowie die darauf aufbauenden<br />
unterrichts<strong>im</strong>manenten und individuellen Fördermaßnahmen.<br />
Die Ergebnisse einer zweiten Überprüfung der Risikokinder zeigten eine wesentliche<br />
Verbesserung der Lesekompetenz durch die frühzeitig gesetzten<br />
entwicklungsorientierten Maßnahmen <strong>im</strong> Unterricht.<br />
Literatur<br />
Garbe, Ch (2005): Warum Leseförderung vor und in der Grundschule ansetzen muss. Erkenntnisse<br />
der biographischen Leseforschung. In: Lesekompetenz fördern von Anfang an (2005), 24-35<br />
Hartmann, E. (2008): Konzeption und Diagnostik von schriftsprachlichen Lernstörungen <strong>im</strong><br />
Responsiveness-to-Intervention-Modell: eine kritische Würdigung. In: VHN, 77.JG (2008),<br />
123-137<br />
Klicpera Ch.,Schabmann A., Gasteiger-Klicpera B. (2003): Legasthenie<br />
SPZ Linz-Land, Pitzer Anneliese, Kühr Brigitte 3