Senioren Zeitschrift Frankfurt
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Gesundes Leben<br />
Erschöpft und ausgebrannt<br />
Prof. Dr. Martin Teising<br />
Foto: privat<br />
Bei Burnout scheint die Welt manchmal kopfzustehen.<br />
Foto: Oeser<br />
Burnout, zu Deutsch „Ausgebrannt“,<br />
gilt als eine Mode-Diagnose.<br />
Entstanden ist der Begriff<br />
Mitte der 70er Jahre. Der amerikanische<br />
Psychoanalytiker Herbert<br />
Freudenberger bezeichnete damit<br />
eine verbreitete, chronische<br />
Erschöpfung von Menschen in helfenden<br />
Berufen, etwa Krankenschwestern<br />
oder Altenpflegern. Er<br />
hielt diesen Zustand aber nicht für<br />
eine psychische Erkrankung. Für<br />
ihn war Burnout die Folge einer<br />
Arbeitsbelastung in Gesundheitsberufen.<br />
In Deutschland eroberte der<br />
Begriff nach und nach immer neue<br />
Arbeitsfelder und hat sogar in der<br />
Medizin einen festen Platz. Bis heute<br />
gibt es aber keine einheitliche wissenschaftliche<br />
Definition. „Es gibt daher<br />
auch keine international klassifizierte<br />
Diagnose und etwa 250<br />
Symptome unterschiedlichster Art,<br />
die dem Burnout zugeordnet werden“,<br />
sagt der Psychoanalytiker Prof.<br />
Dr. Martin Teising. Der Präsident<br />
der Psychoanalytischen Hochschule<br />
Berlin hat sich viele Jahre an der<br />
Fachhochschule <strong>Frankfurt</strong> mit psychischen<br />
Erkrankungen bei älteren<br />
Menschen beschäftigt, insbesondere<br />
mit geschlechtsspezifischen Aspekten<br />
bei Männern.<br />
Auch wenn es keine einheitliche<br />
Definition gibt, ernst zu nehmen ist<br />
die Diagnose Burnout trotzdem. Sie<br />
50 SZ 2/ 2013<br />
ist eng mit der Arbeitswelt verbunden<br />
und trifft besonders Männer, die<br />
sehr im Job eingebunden sind. Sie<br />
sind chronisch überarbeitet, erschöpft,<br />
können einfach nicht mehr.<br />
Für Martin Teising versteckt sich<br />
hinter dem Begriff eine Depression.<br />
„Doch mit der Diagnose Depression<br />
haben viele Männer ein Problem“,<br />
sagt Teising. „Viele Männer meinen<br />
aufgrund des traditionellen Rollenbildes,<br />
dass sie immer stark und potent<br />
sein müssen, sie fühlen sich als<br />
Macher, wollen keine Weicheier sein“,<br />
beschreibt Teising das Dilemma. Da<br />
klingt die Diagnose Burnout schon<br />
akzeptabler. Denn dann liegt die Ursache<br />
vermeintlich im Außen, nämlich<br />
am stressigen Job. Das sei für viele<br />
Männer ein sehr entgegenkommendes<br />
Konzept, sagt Psychoanalytiker<br />
Teising. Frauen sind da anders. Sie<br />
suchen Fehler eher bei sich selbst.<br />
Ein Zusammenhang mit der Arbeitsbelastung<br />
lässt sich aber nicht<br />
von der Hand weisen. Männer neigten<br />
nämlich dazu, sich viele Belastungen<br />
und Verpflichtungen aufzuhalsen,<br />
sagt Teising. Oftmals gerieten<br />
sie durch Konfliktsituationen<br />
unter Druck. Beispielsweise wenn<br />
der Kollege oder Vorgesetzte etwas<br />
einfordere, was der Betreffende partout<br />
nicht will. „Dann bewahren<br />
Männer nach außen oftmals Haltung,<br />
doch hinter der künstlichfreundlichen<br />
Fassade brodelt häufig<br />
eine starke Aggression“, sagt Teising.<br />
So ein Spannungsverhältnis<br />
koste viel Kraft. Die negativen Gefühle<br />
richteten Männer dann oftmals<br />
gegen sich selbst, „aber schuld<br />
sind die anderen“. Diese Opferrolle<br />
gelte es zu überwinden, die Betroffenen<br />
müssten lernen, das eigene<br />
Verhalten zu reflektieren. Allein<br />
kämen Betroffene meist nicht mit<br />
der Situation zurecht. Die Diagnose<br />
Burnout sei deshalb eine Erleichterung.<br />
Teising rät zum Psychotherapeuten.<br />
Dort fängt dann nach der<br />
Burnout-Diagnose die eigentliche<br />
Arbeit am Problem erst an. Der<br />
Therapeut müsse das Verhalten insgesamt<br />
hinterfragen und die Depression<br />
behandeln.<br />
So sieht das auch die Deutsche<br />
Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie<br />
und Nervenheilkunde.<br />
„Burnout ist für sich genommen<br />
keine Krankheit, aber ein Risikozustand<br />
für die psychische und physische<br />
Gesundheit und muss deshalb<br />
sehr ernst genommen und untersucht<br />
werden“, sagte der designierte<br />
Präsident Professor Wolfgang Maier.<br />
Länger anhaltende Erschöpfungszustände<br />
erhöhten generell das<br />
Risiko, an einer Depression, Angstoder<br />
Suchtstörung zu erkranken.<br />
Nicole Galliwoda