Aktueller Gemeindebrief (Mai-Juni) - in der deutschsprachigen ...
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LUTHERDEKADE 2013<br />
REFORMATION UND TOLERANZ<br />
Auszüge aus dem EKD-Magaz<strong>in</strong> zum Themenjahr „Reformation und Toleranz“<br />
„Das Jahresthema <strong>der</strong> Lutherdekade<br />
ist nicht e<strong>in</strong>fach“, schreibt <strong>der</strong> Vorsitzende<br />
des Rates <strong>der</strong> Evangelischen Kirche <strong>in</strong><br />
Deutschland, Nikolaus Schnei<strong>der</strong>. Für Toleranz<br />
s<strong>in</strong>d wir (fast) alle, doch schon bei<br />
<strong>der</strong> Def<strong>in</strong>ition des Begriffs zeigen sich Probleme:<br />
Heißt Toleranz, ich muss alle an<strong>der</strong>en<br />
Menschen und alle mir fremden und<br />
wi<strong>der</strong>ständigen Verhaltensweisen wi<strong>der</strong>spruchslos<br />
annehmen? Wo beg<strong>in</strong>nt Toleranz<br />
für mich, wo hört sie auf? Wo liegen<br />
für mich ihre Wurzeln und ihre Wi<strong>der</strong>stände?<br />
Ist das Kreuz Christi e<strong>in</strong> christliches<br />
S<strong>in</strong>nbild für unbed<strong>in</strong>gte Toleranz?<br />
Die evangelische Kirche hatte <strong>in</strong> den<br />
letzten 500 Jahren e<strong>in</strong>e lange schmerzvolle<br />
Lerngeschichte <strong>in</strong> Sachen Toleranz.<br />
Und diese Lerngeschichte ist nicht abgeschlossen.<br />
Selbst oft verfolgt, verhielt sie<br />
sich meist nicht weniger <strong>in</strong>tolerant und<br />
gewaltsam gegenüber M<strong>in</strong><strong>der</strong>heiten,<br />
wenn sie die Macht dazu hatte. Zur Vorbereitung<br />
des Reformationsjubiläums 2017<br />
gehört es auch, sich <strong>der</strong> bleibenden<br />
Wirkungen dieser dunklen Schattenseiten<br />
<strong>der</strong> eigenen Tradition bewusst zu werden.<br />
Wir tun dies <strong>in</strong> dem Wissen um die Fehlbarkeit<br />
und Schuldverstrickungen aller<br />
Menschen, auch unserer Reformatoren.”<br />
<strong>Mai</strong> — <strong>Juni</strong> 2013 8<br />
Der blutige Kampf um den neuen<br />
Glauben<br />
„Zu den dunklen Kapiteln <strong>der</strong> Reformation<br />
gehört <strong>der</strong> buchstäblich mör<strong>der</strong>ische<br />
Kampf um Geist und Buchstabe, um<br />
religiöse und soziale Gerechtigkeit, um unmittelbare<br />
Gottesherschaft als Volksherrschaft<br />
e<strong>in</strong>erseits und von Gott abgeleitete<br />
Obrigkeit mit Untertanengehorsam<br />
an<strong>der</strong>erseits“, heißt es <strong>in</strong> dem Beitrag<br />
Friedrich Schorlemmers. Zwischen Mart<strong>in</strong><br />
Luther und dem Theologen und Bauernführer<br />
Thomas Müntzer tobt e<strong>in</strong> erbitterter<br />
Kampf.<br />
Schorlemmer schreibt weiter:<br />
„Rechthaberisch wurden Wahrheiten <strong>in</strong><br />
Stellung, nicht <strong>in</strong>s Gespräch gebracht.<br />
Luther schlägt zu, Müntzer schlägt zurück.<br />
Müntzer versteigt sich dazu, dass man die<br />
gottlosen Regenten, son<strong>der</strong>lich Pfaffen und<br />
Mönche töten sollte, die uns das heilige<br />
Evangelium Ketzerei schelten und wollen<br />
gleichwohl die besten Christen se<strong>in</strong> …<br />
Der Mystiker Müntzer versteht sich<br />
als unmittelbarer Abgesandter Gottes.<br />
Hatte Luther zunächst die Sache <strong>der</strong> Bauern<br />
verteidigt und gerecht genannt, so<br />
wettert er nun über das eitel Teufelswerk,<br />
wenn sie mit Gewalt um ihr Recht<br />
kämpfen. Er lässt alle Barmherzigkeit<br />
h<strong>in</strong>tenan stehen und rechtfertigt se<strong>in</strong>e<br />
harte Schrift gegen die Bauern. E<strong>in</strong> Aufrührer<br />
ist es nicht wert, dass man ihm mit<br />
Vernunft antwortet, denn Vernunft nimmt<br />
er nicht an. Solchen Mäulern muss man<br />
mit <strong>der</strong> Faust antworten, dass ihnen das<br />
Blut aus <strong>der</strong> Nase läuft.<br />
Was das Wort Gottes will, das weiß<br />
Luther, er hält sich selbst für den wahren<br />
Bibelausleger.<br />
Und Müntzer reklamiert für sich den<br />
kämpfenden Propheten und leidensbereiten<br />
Herold göttlicher Gerechtigkeit. Hurtig<br />
wird beidseitig mit Gott und Teufel<br />
hantiert. Die Juden waren für Luther gar<br />
e<strong>in</strong> vom Satan verführtes Volk, und <strong>der</strong><br />
Islam e<strong>in</strong>e vom Teufel <strong>in</strong>spirierte Religion.<br />
Bei Beiden ke<strong>in</strong> Gedanke mehr an den<br />
Bergprediger, son<strong>der</strong>n gnadenlose Vernichtungsimperative.<br />
Solange je<strong>der</strong> auf se<strong>in</strong>er<br />
Wahrheit als alle<strong>in</strong>iger beharrt, kann<br />
es ke<strong>in</strong>e Tolernaz geben, nicht e<strong>in</strong>mal notdürftige<br />
Koexistenz.<br />
Der Toleranzgedanke bricht sich erst<br />
lange nach dem Dreißigjährigen Krieg<br />
Bahn. Doch nicht Theologen standen