07.04.2014 Aufrufe

Aktueller Gemeindebrief (Mai-Juni) - in der deutschsprachigen ...

Aktueller Gemeindebrief (Mai-Juni) - in der deutschsprachigen ...

Aktueller Gemeindebrief (Mai-Juni) - in der deutschsprachigen ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

vornan, son<strong>der</strong>n Philosophen: <strong>der</strong> Englän<strong>der</strong><br />

Locke, <strong>der</strong> Franzose Voltaire und <strong>in</strong><br />

Deutschland <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> jüdische<br />

Philosoph Moses Mendelssohn.“<br />

Macht <strong>der</strong> Glaube an e<strong>in</strong>en Gott <strong>in</strong>tolerant?<br />

Wenn man an die Kreuzzüge <strong>der</strong><br />

Christenheit und an die Attentate von<br />

New York, Madrid und London denkt,<br />

drängt sich e<strong>in</strong>em die Frage auf: Beför<strong>der</strong>n<br />

Bibel und Koran die Gewalt im<br />

Namen Gottes? Dieser Frage g<strong>in</strong>g <strong>der</strong><br />

Journalist und Pfarrer Burkhard Weitz<br />

nach.<br />

„Die Geschichtsbücher <strong>der</strong> Bibel s<strong>in</strong>d<br />

voller Gewalt. Denn die Bibel erzählt realistisch<br />

von <strong>der</strong> anarchischen Frühzeit <strong>der</strong><br />

Menschheit, <strong>in</strong> <strong>der</strong> das Recht nur mühsam<br />

durchzusetzen war. Später wurden diese<br />

Gewaltberichte umgedeutet: Die Geschichten<br />

von Mord und Totschlag sollten nun<br />

nicht mehr das Töten legitimieren, son<strong>der</strong>n<br />

dienten als Parabel für das Volk.<br />

E<strong>in</strong> Grundgedanke von Bibel und<br />

Koran: Wer Unrecht tut, kehrt sich von<br />

Gott ab, nicht bloß von e<strong>in</strong>em Nationalgott,<br />

son<strong>der</strong>n vom Schöpfer des Universums,<br />

<strong>der</strong> alle Menschen als Geschwister<br />

gleich geschaffen hat. Alle monotheistischen<br />

Traditionen entwerfen große Visionen<br />

vom Weltfrieden.<br />

Die wohl radikalste Form des Gewaltverzichts<br />

verkörpert Jesus von Nazareth.<br />

Er tritt als Heiler auf und for<strong>der</strong>t<br />

Fe<strong>in</strong>desliebe e<strong>in</strong>. Endlich erleidet er Unrecht<br />

und physische Gewalt und stirbt den<br />

Foltertod.<br />

Vom Propheten Mohammed bis <strong>in</strong><br />

die späten 1970er Jahre erschien <strong>der</strong> Islam<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Wahrnehmung <strong>der</strong> Weltöffentlichkeit<br />

überwiegend als tolerante und friedfertige<br />

Religion, die zwar traditionell ke<strong>in</strong><br />

Recht auf Glaubenswechsel anerkennt,<br />

wohl aber weitgehende Freiheit für<br />

An<strong>der</strong>sgläubige. Seit <strong>der</strong> iranischen Revolution<br />

von 1979 drängt sich das Bild vom<br />

kämpferischen, <strong>in</strong>toleranten Islam <strong>in</strong> den<br />

Vor<strong>der</strong>grund. Charismatische Dschihadisten<br />

wie Osama B<strong>in</strong> Laden verengten die<br />

islamische Rechtsauffassung gegenüber<br />

An<strong>der</strong>sgläubigen und lenkten den Terror<br />

generell gegen den Westen und se<strong>in</strong>e<br />

Werte.<br />

Trotzdem: Der Monotheismus hat<br />

ke<strong>in</strong>e qualitativ neue Gewalt hervorgebracht.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs ist auch er wie jede<br />

an<strong>der</strong>e Lehre geeignet, Gewalt zu legitimieren.“<br />

Lästiger Nahbereich<br />

Die Sicht Dr. Arnulf von Schelias, Professor<br />

für Religionsphilosophie, Dogmatik<br />

und Ethik an <strong>der</strong> Universität Osnabrück,<br />

wendet sich <strong>der</strong> Toleranz heutiger Christen<br />

zu.<br />

„Anonyme Bestattungen auf kirchlichen<br />

Friedhöfen? E<strong>in</strong> gleichgeschlechtliches Paar<br />

im Pfarrhaus? E<strong>in</strong> muslimischer Ehemann<br />

e<strong>in</strong>er Pastor<strong>in</strong>? Auch die Kirchen <strong>der</strong> Reformation<br />

tun sich gelegentlich schwer mit<br />

<strong>der</strong> toleranten Haltung abweichenden<br />

Verhaltens- und Lebensformen gegenüber.<br />

Doch gegenwärtig dürfte klar se<strong>in</strong>:<br />

Toleranz ist e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> wichtigsten Erfor<strong>der</strong>nisse<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Gesellschaft, denn<br />

durch die Individualisierung und Pluralisierung<br />

hat sich die Erfahrung von An<strong>der</strong>sheit<br />

und Fremdheit vervielfältigt. Weil auf<br />

ke<strong>in</strong>em Gebiet des sozialen Lebens mehr<br />

Uniformität herrscht o<strong>der</strong> gewollt wird, ist<br />

die Bildung e<strong>in</strong>er toleranten Haltung im<br />

Privaten, im Beruf und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

unausweichlich. Toleranz hat sich im lebensweltlichen<br />

Nahbereich zu bewähren,<br />

sie benötigt <strong>in</strong>stitutionelle Unterstützung<br />

und politische Rückendeckung, weil das<br />

Management von Vielfalt schwierig und<br />

anstrengend ist, beson<strong>der</strong>s wenn unterschiedliche<br />

Wahrheitsansprüche aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong>prallen.<br />

Wir bewegen uns <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

weiten Spektrum von Toleranz. Auf e<strong>in</strong>er<br />

niedrigsten Stufe steht das resignierte Ertragen<br />

des An<strong>der</strong>en, dessen Existenz zwar<br />

h<strong>in</strong>genommen wird, dem man aber mit<br />

<strong>Mai</strong> — <strong>Juni</strong> 2013 9

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!