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Geschichten erzählen. Das ist natürlich ein anderes Konzept,<br />

als wenn ich ein Haus bespiele, wo ich möchte, dass sich<br />

Immer und überall Stolz<br />

bei Kindern und Jugendlichen die Erfahrung gemacht, dass<br />

ihr Lebensraum ein wichtiger Faktor ist. Der Stadtteil bildet<br />

Sozioökonomische Eckdaten Gröpelingen<br />

möglichst viele Menschen darin wiederfinden. Das ist bei<br />

uns nebensächlich geworden. Bei uns ist der Stadtteil das<br />

Thema und die Plattform, auf der sich alles entwickelt.<br />

Was hat sich am meisten verändert an eurer Arbeit in den<br />

letzten zehn Jahren?<br />

Wir haben am Anfang eine Arbeit aufgebaut, die sich nach<br />

außen und nach innen richtet, denn neben unserer<br />

kulturellen Arbeit ist das zweite Standbein das Stadtmarketing.<br />

In dem Programm haben wir auch ein touristisches<br />

Angebot. Da gab es damals einen Aufschrei in Bremen,<br />

denn ein Stadtteil mit solchen Sozialdaten, wie wir das hier<br />

haben, braucht ja kein touristisches Programm, das braucht<br />

doch nur die Innenstadt. Dass wir das gemacht haben, hat<br />

aber für Bewegung und Aufmerksamkeit gesorgt. Wir<br />

machen Stadtrundgänge, bei denen es immer um die<br />

Vergangenheit und die Zukunft geht. Ein weiterer Schwerpunkt<br />

war, eine Plattform zu schaffen, die qualitatives<br />

Ehrenamt möglich macht, und dazu kommen die großen<br />

Feste, die den Netzwerken und Akteuren im Quartier<br />

Gelegenheit geben, sich darzustellen. Nachdem wir diese<br />

Infrastruktur, quasi einen Jahresreigen, aufgebaut hatten,<br />

ergab sich in einem weiteren Schritt, dass wir das erste<br />

Haus übernommen haben. Das nutzen wir als organisatori-<br />

Stolz wegen des letzten Klaus<br />

Stolz wegen deiner Familie und den Freunden,<br />

die es endlich geschafft haben das Opfer von nebenan zu verprügeln<br />

Stolz wegen deinen Waffen, dem Schlagring und der Pistole<br />

Stolz wegen deinem Land das alles richtig macht im Gegensatz zu hier<br />

Stolz wegen deiner Sprache, wegen deiner Stärke, wegen deines<br />

Aussehens<br />

Stolz wegen deines reichen Vaters, den du jedoch nie kennen lerntest<br />

Stolz, Stolz, Stolz immer und überall woher nimmst du ihn,<br />

du hast doch eigentlich gar nichts.<br />

Janna, 16 Jahre, schrieb diesen Text während eines Slam-Workshops von <strong>Kultur</strong> <strong>Vor</strong> <strong>Ort</strong><br />

mit Xochíl Schütz.<br />

hat es dadurch geschafft, das erste Kinder- und Jugendatelier<br />

hier aufzubauen. Heute arbeiten im Atelier fast 100<br />

Kinder und Jugendliche in der Woche.<br />

Wenn man sich eure Arbeit anschaut, sieht man, dass ihr<br />

ein klares Profil habt und eine definierte Aufgabenstellung.<br />

Was lässt sich daraus ableiten? Was kann/soll Soziokultur<br />

heute tun, um mehr Menschen anzusprechen?<br />

mit. Das heißt zwar nicht, dass sich aus all den Kindern, die<br />

hier jetzt in den Ateliers arbeiten, Menschen entwickeln,<br />

die später eine künstlerische Laufbahn einschlagen oder ein<br />

immerwährendes Interesse an <strong>Kultur</strong> behalten, aber sie<br />

lernen Entscheidungen zu treffen. Und sie erleben einen<br />

anderen Lernzusammenhang, eine andere Selbstwahrnehmung<br />

oder auch Selbstreflexion und kommen dadurch<br />

in Kontakt mit sich. Das ist die Strategie, die wir hier mit der<br />

Kinder- und Jugendarbeit verfolgen. Bei den Jugendlichen<br />

ist es dann eher die Frage nach Empowerment: Welche<br />

Chancen habe ich überhaupt außerhalb meiner schulischen<br />

Laufbahn, die ja oft schon sehr beschränkt ist? Wo kann ich<br />

mich weiterentwickeln? Und diese Kinder arbeiten viel an<br />

sich, wenn sie in die Ateliers kommen. Sie haben die<br />

Möglichkeit sich auszudrücken, das allein ist eine ganz<br />

wichtige Arbeit. Wir haben in den ersten Ateliers die Kinder<br />

gefragt: „Was macht ihr denn hier?“ Und da gab es eine<br />

sehr kluge Antwort und die hieß: „Wenn ich wüsste, was<br />

ich hier mache, würde ich es ja sagen, dann bräuchte ich es<br />

nicht mehr zu machen.“<br />

Das Interview führte GUDRUN GOLDMANN.<br />

Das Interview ist erstmals erschienen in der Zeitschrift soziokultur 1/2010,<br />

S. 38. Abdruck mit freundlicher Genehmigung.<br />

Gröpelingen wird wesenlich durch Ausländer (23,5% – Bremen<br />

Stadt 13,2%) bzw. Menschen mit Migrationshintergrund<br />

(mehr als 40%) geprägt. Die Einbürgerungsrate liegt deutlich<br />

niedriger als im städtischen Durchschnitt (17,3%).<br />

Mit einer Arbeitslosenquote von bis zu 27,1% (Bremen Stadt<br />

13,4 %) ist der Stadtteil überdurchschnittlich von negativen<br />

Effekten des Strukturwandels betroffen.<br />

Mit einem Aging-Index von 60 bis 70 (Verhältnis von Einwohnern<br />

über 65 Jahren zu 100 Einwohnern unter 18 Jahren)<br />

ist Gröpelingen ein besonders junger Stadtteil (Bremen<br />

Stadt 102,7).<br />

Gröpelingen hat den höchsten Anteil von FörderschülerInnen.<br />

Schon 2008 lebte ein Drittel junger Menschen in ALG-II-<br />

Bedarfsgemeinschaften. Heute betrifft das bereits die Hälfte<br />

der unter 18-Jährigen.<br />

sche Einheit, aber dort hatten wir zum ersten Mal auch<br />

Früh genug anfangen, das scheint mir die einzige Antwort<br />

einen eigenen Saal, für den dann eine Programmatik<br />

zu sein. Es gibt eine Studie aus den Niederlanden, die<br />

entwickelt wurde. Dort wurden Jazzkonzerte organisiert<br />

besagt, dass wenn Kinder nicht im frühen Alter Zugang zu<br />

oder Filmvorführungen, also Sachen, die es hier sonst nicht<br />

künstlerischen Produktionen haben, dann gelingt es sehr<br />

gab. Und 2006 kam das Atelierhaus Roter Hahn dazu, und<br />

selten, dies nach der Pubertät noch aufzunehmen. Das<br />

damit haben wir erstmal eine künstlerische Infrastruktur<br />

heißt, wenn wir das wirklich in die Breite tragen wollen,<br />

angesiedelt.<br />

dann kann man nicht früh genug anfangen. Und für<br />

Du sprichst von qualitativem Ehrenamt, kannst du ein<br />

Beispiel dafür nennen?<br />

Im Zuge der Gründung des Atelierhauses hat sich im Verein<br />

eine Gruppe von Ehrenamtlichen zusammengefunden, die<br />

dort ein Kinder- und Jugendatelier aufgebaut haben. Wir<br />

konnten da schon sehen, dass die Problematik des Quartiers<br />

mit der Sanierung nicht abgeschlossen sein wird, und<br />

haben die soziale Ausgrenzung und die Problematik der<br />

immer größer werdenden Armutsgebiete stärker in unseren<br />

Fokus genommen. Wir schneiden jetzt viele der Arbeitsbereiche<br />

auf Kinder und Jugendliche zu und bauen das auch<br />

noch weiter aus. Dieser Bereich wurde bei uns von den<br />

Ehrenamtlichen entwickelt, denn dafür bekommen wir<br />

kaum öffentliche Gelder. Diese Gruppe hat dann außerdem<br />

Quartiere, die extrem von Armut betroffen sind, ist es noch<br />

mal wichtiger, dass die vorhandenen kulturellen Einrichtungen<br />

eine sozialräumliche Orientierung entwickeln dahingehend,<br />

dass sie sich im Kontext entwickeln. Warum soll<br />

eine Bücherei nur Bücher ausleihen? Das reicht doch nicht<br />

mehr aus, die müssen extrem offen sein für Schulen,<br />

Kindergärten oder gemeinsame <strong>Kultur</strong>projekte. Warum<br />

sollte <strong>Kultur</strong> <strong>Vor</strong> <strong>Ort</strong> nur Grundlagen der Malerei vermitteln,<br />

wenn wir doch sehen, dass die Kinder kaum noch erreichbar<br />

sind und die Probleme in KiTas und Schulen immer größer<br />

werden. Da kann <strong>Kultur</strong> eine Funktion haben.<br />

Ist Soziokultur nur in kleineren Einheiten erfolgreich, wenn<br />

sie sich beispielsweise ganz klar auf einen Stadtteil<br />

bezieht?<br />

die Kampagne „Talente brauchen Förderer“ aufgebaut und<br />

Ist Gröpelingen mit 35.000 Einwohnern aus 150 Nationen<br />

klein? Es gibt bundesdeutsche Kleinstädte, die in dieser<br />

Größenordnung eine ganz andere künstlerische und<br />

kulturelle Infrastruktur vorhalten. Aber Angebote, die es<br />

direkt vor <strong>Ort</strong> gibt, sind ganz wesentlich. Wir haben gerade

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