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Ich wollte jedoch – und das nur weil meine deutschen<br />

Freunde ins Gymnasium gehen wollten – das Gymnasium<br />

besuchen und habe meine Eltern auch selber davon überzeugt.<br />

Dann ging ich aufs Gymnasium und habe anschließend<br />

mein Abitur und danach mein Studium absolviert.<br />

Hätte ich die Realschule besucht, hätte ich vielleicht<br />

eine Lehre gemacht und nicht studiert. Ich denke, dass auch<br />

viele Lehrkräfte zu wenig über die Möglichkeiten überhaupt<br />

aufgeklärt haben.<br />

Heutzutage sehen wir ja, dass die dritte Generation an<br />

Migranten höhere Abschlüsse erlangen, was sehr positiv zu<br />

beurteilen ist. Das ist aber auch nur dadurch entstanden,<br />

dass die zweite Generation das System kennengelernt hat<br />

und dementsprechend die Chancen ihrer Kinder fördert.<br />

Ein besonders schwieriges Problem scheint zu sein, wenn<br />

Kinder dringend Förderung brauchen. Viele Migranten<br />

lehnen das ab. Warum wird diese Hilfe nicht angenommen?<br />

Ich habe während meiner Schullaufbahn keine Förderangebote<br />

– zu meiner Zeit gab es nur wenige – wahrgenommen.<br />

Heute denke ich, dass es durchaus sinnvoll gewesen wäre,<br />

diese wahrzunehmen. Es hätte mir sicherlich einiges<br />

erleichtert.<br />

Hier sollte angesetzt werden und mehr Aufklärungsarbeit<br />

in den Migrantenverbänden geleistet werden. Ich denke,<br />

dass viele Familien immer noch keinen Nutzen in solchen<br />

Förderangeboten sehen. Diese Angebote, wenn sie denn<br />

kostenpflichtig sind, können leider von einigen Familien<br />

nicht wahrgenommen werden. Die Angebote sollten nicht<br />

kostenpflichtig sein. Wenn diese Angebote nachmittags<br />

stattfinden, kollidiert es meist mit dem konsularischen<br />

Türkischunterricht. So war es zumindest bei mir der Fall.<br />

Hier muss wieder das Bildungssystem der türkischen<br />

Sprache eine größere Bedeutung beimessen. Die Familien<br />

möchten nicht, dass ihre Kinder der türkischen Sprache<br />

nicht mächtig sind. Deshalb wollen Sie, dass ihre Kinder<br />

sowohl die deutsche als auch die türkische Sprache gut<br />

beherrschen und schicken dementsprechend ihre Kinder in<br />

diesen Unterricht. Würde Türkisch jedoch regulär im<br />

Unterricht erteilt, hätten wir das Problem nicht und die<br />

Kinder würden keiner Doppelbelastung ausgesetzt werden.<br />

Einige Schulen fühlen sich insbesondere von den Moscheen<br />

wenig unterstützt. Dabei könnten doch die Moscheen<br />

ihren Einfluss nutzen, um die Probleme im Bildungsbereich<br />

besser zu lösen. Wie sehen Sie die Rolle der Moscheen?<br />

Was können Moscheen tun, um die Bildungschancen für<br />

Migrantenkinder zu verbessern?<br />

Die Aufgaben der Moscheen sind vielfältig und wichtig. Sie<br />

haben Recht, wenn Sie behaupten, die Moscheen könnten<br />

diese Brückenfunktion wahrnehmen und in der Lösung des<br />

Problems eine große Rolle spielen.<br />

Sprachcafe Deutsch<br />

Ungezwungen Deutsch sprechen in gemütlicher Atmosphäre – das ist<br />

das Ziel des im vergangenen Jahr erstmals eingerichteten „Sprachcafé<br />

Deutsch“ im café brand in Gröpelingen. Sprachcafés sind Konversationsnachmittage,<br />

an denen Menschen mit guten bis sehr guten deutschen<br />

Sprachkenntnissen bzw. Muttersprachler und Menschen, die mindestens<br />

Grund kenntnisse in der deutschen Sprache besitzen, aber wenig<br />

Gelegenheit haben diese anzuwenden, teilnehmen.<br />

Sprachcafé-Nachmittage sind keine reinen Sprachkurse, sie sollen vor<br />

allem dazu dienen, das Kennenlernen und den Austausch zwischen<br />

Menschen im Stadtteil zu fördern und dabei die Deutschkenntnisse der<br />

TeilnehmerInnen weiterzuentwickeln.<br />

Das Sprachcafé findet unter der Leitung der Moderatorin Ruken Aytas<br />

statt, die mit großer Sensibilität durch die Veranstaltung führt und verschiedene<br />

Gesprächsthemen einbringt, wie z.B. Familie, Zweisprachigkeit<br />

bei Kindern, Freizeit, Sport. Auch die bisher für die Dauer der Gesprächszeit<br />

angebotene Kinderbetreuung gehört zum Konzept.<br />

Die Pilotphase von November 2008 bis März diesen Jahres wurde vom<br />

Stadtteilbeirat Gröpelingen finanziell unterstützt. Das Ergebnis war so<br />

ermutigend, dass sich die Bremer Volkshochschule West jetzt zur Fortführung<br />

des Projektes entschlossen hat. Einmal im Monat soll es dieses<br />

Angebot künftig geben. Initiatorinnen sind Susanne Nolte von der Bremer<br />

Volkshochschule West und Ulrike Pala aus dem <strong>Ort</strong>samt West, die<br />

sich über das steigende Interesse des Projektes freuen. Ihre Einschätzung:<br />

„Wer dieses Angebot wahrnimmt, muss auch Vertrauen in das Projekt<br />

und die Menschen haben, die es durchführen. Dieses Vertrauen ist in<br />

den bisherigen Veranstaltungen gewachsen und bildet eine gute Basis<br />

für die Fortsetzung des Sprachcafé“.<br />

Susanne Nolte<br />

Weitere Informationen erhalten Sie unter 361-82 08 (VHS) oder<br />

361-84 70 (<strong>Ort</strong>samt West).<br />

Jedoch gibt es eine Tatsache, die leider immer wieder<br />

ausgeblendet wird: Die Arbeit in den Moscheen findet<br />

ausschließlich ehrenamtlich statt. Erwerbstätige <strong>Vor</strong>standsmitglieder<br />

versuchen nach ihrer regulären Arbeit den<br />

Moscheebetrieb aufrecht zu erhalten. Die Moscheen<br />

finanzieren sich ausschließlich aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen,<br />

die gerade mal die Kosten jeder Gemeinde<br />

abdecken.<br />

Gleichzeitig erleben wir, dass gerade die Jugendlichen, die<br />

in der Moschee sind und diese auch regelmäßig besuchen,<br />

die ethischen Werte mitnehmen und höhere Abschlüsse<br />

erlangen als gleichaltrige Migranten, die die Angebote der<br />

Moschee nicht nutzen.<br />

Es wird in den Moscheen – ihren Möglichkeiten entsprechend<br />

– viel getan. Da diese Arbeit jedoch ausschließlich<br />

ehrenamtlich stattfindet, stößt sie an ihre Grenzen.<br />

Hier muss wieder die Politik eingreifen und die Moscheen<br />

OECD Studie<br />

unterstützen. Seit vielen Jahrzehnten wird die Arbeit ohne<br />

jegliche Unterstützung der Politik fortgesetzt. Nun ist es an<br />

der Zeit, die Moscheen und die islamischen Dachverbände<br />

zu unterstützen, um die Probleme, die Sie ansprechen, zu<br />

bewältigen.<br />

Die Politik sollte dazu auf Bundes- und Landesebene<br />

Staatsverträge mit den Dachverbänden unterzeichnen, die<br />

eine <strong>Vor</strong>stufe auf dem Weg zur „Körperschaft des öffentlichen<br />

Rechts“ darstellen. Somit könnten die Gemeinden<br />

viel mehr leisten und genau zur Lösung dieser Probleme<br />

beitragen.<br />

Viele sehen in mangelnden Deutschkenntnissen eine<br />

Ursache der Probleme für Migrantenkinder im deutschen<br />

Schulsystem. Welche Rolle spielt aus Ihrer Sicht die<br />

Sprache?<br />

Die fehlenden Deutschkenntnisse sind mit Sicherheit ein<br />

Hindernis auf dem Weg zu einem erfolgreichem Schulabschluss.<br />

Hier kann ich nur wieder auf das eben genannte<br />

Defizit in der sprachlichen Förderung zu sprechen kommen.<br />

Auch bei gleichen Bildungsabschlüssen sind Nachkommen der Migranten benachteiligt<br />

Nachkommen von Einwanderern haben in Deutschland und Österreich<br />

deutlich schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt als junge<br />

Menschen mit zumindest einem im Inland geborenen Elternteil.<br />

Dies gilt auch, wenn sie das gleiche Bildungsniveau erreichen. In<br />

der Schweiz gelingt die Arbeitsmarktintegration der sogenannten<br />

„zweiten Generation“ dagegen vergleichsweise gut. Zu diesem Ergebnis<br />

kommt eine Vergleichsstudie zur Arbeitsmarktintegration<br />

der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung<br />

(OECD), die im Oktober 2009 in Paris vorgestellt wurde.<br />

Zum ersten Mal liegen mit dieser Studie Vergleichszahlen für 16<br />

OECD-Länder zur Arbeitsmarktintegration der im Inland geborenen<br />

Nachkommen von Migranten vor. Die Daten sind ein wichtiger<br />

Indikator für den Integrationserfolg, da sowohl die Nachkommen<br />

von Migranten als auch die Vergleichsgruppe ohne Migrationshintergrund<br />

(schließt auch Personen mit nur einem im Ausland geborenen<br />

Elternteil ein) ihre gesamte Sozialisation und Ausbildung im<br />

gleichen Land erhalten haben. Die Studie ist Teil eines gemeinsamen<br />

Projektes von OECD und Europäischer Kommission und wurde<br />

Anfang Oktober in Brüssel unter Fachleuten diskutiert.<br />

Geringqualifizierte unter Migrantenkindern deutlich<br />

überrepräsentiert<br />

In Deutschland ist unter den 20 bis 29-Jährigen mit Migrationshintergrund<br />

der Anteil der Geringqualifizierten ohne Abitur oder abgeschlossene<br />

Berufsausbildung doppelt so hoch wie in der gleichen<br />

Altersgruppe ohne Migrationshintergrund, in Österreich sogar dreimal<br />

so hoch. Auch bei den PISA-Studien zeigt sich ein ähnliches Bild:<br />

Die Migranten werden in ihrer Herkunftssprache nicht<br />

unterstützt. Wir sehen leider gerade auch in Bremen, dass<br />

die türkische Sprache aus den Lehrplänen gestrichen und in<br />

den Schulen nicht mehr angeboten wird. Das ist eine<br />

gravierende Fehlentwicklung. Wissenschaftliche Studien<br />

belegen, dass Kinder, die ihre eigene Herkunftssprache gut<br />

beherrschen, auch die deutsche, bzw. die Sprache des<br />

Landes, in dem sie leben, besser verstehen und lernen<br />

können. Die Sprache ist das wichtigste Element auf dem<br />

Weg zu einem erfolgreichen Abschluss. Deshalb sollte die<br />

Herkunftssprache gefördert werden, damit das Problem<br />

keines mehr ist.<<br />

Der vergleichsweise hohe Anteil an Geringqualifizierten bei den 20-<br />

bis 29-Jährigen mit Migrationshintergrund korrespondiert in<br />

Deutschland und Österreich mit großen Defiziten, die Jugendliche<br />

mit Migrationshintergrund in ihren schulischen Leistungen aufweisen.<br />

Hochqualifizierte Einwandererkinder werden diskriminiert<br />

Besonders bemerkenswert ist aber ein weiteres Ergebnis der Studie:<br />

Auch bei gleichem Bildungsstand haben junge Erwachsene mit<br />

Migrationshintergrund deutlich geringere Beschäftigungschancen<br />

als die Vergleichsgruppe ohne im Ausland geborene Eltern.<br />

So haben in Deutschland 90 Prozent der 20 bis 29-jährigen hochqualifizierten<br />

Männer ohne Migrationshintergrund einen Arbeitsplatz.<br />

Bei der vergleichbaren Gruppe mit Migrationshintergrund<br />

sind es dagegen nur 81 Prozent.<br />

Je besser sich die Kinder der Einwanderer qualifizieren, je höhere<br />

Bildungsabschlüsse sie erreichen, desto weniger Chancen haben<br />

sie, einen angemessenen Beruf ausüben zu können. „Dieser Befund<br />

überrascht, da beide Gruppen ihre Bildungsabschlüsse in der<br />

Regel im Inland erworben haben. Eine Erklärung könnte sein, dass<br />

in Deutschland und Österreich auf dem Arbeitsmarkt die Erwartung<br />

vorherrscht, dass Migranten und deren Nachkommen eher<br />

gering qualifiziert sind. Bildungserfolge von Migranten und deren<br />

Nachkommen werden entsprechend noch nicht ausreichen honoriert“,<br />

sagte OECD-Migrationsexperte Thomas Liebig.<br />

www.oecd.org/document/63/0,3343,de_34968570_35008930_4388025<br />

5_1_1_1_1,00.html

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