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Ess-KlasseJunior - Cafe Future.net

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Lebensqualität und Sinnesschulung.<br />

Man sollte Kinder immer wieder an unbekannte<br />

Geschmäcker heranführen und wirklich<br />

frische Zutaten verarbeiten, damit sie<br />

den echten Geschmack der Lebensmittel<br />

kennenlernen. Die Eltern sollten sich nicht<br />

entmutigen lassen, wenn die Kleinen mal etwas<br />

nicht mögen, das geht uns doch genauso.<br />

Die Kinder sollten es aber zumindest probieren.<br />

Nur so kann sich Geschmacksfähigkeit<br />

entwickeln. Und das geht am besten in<br />

jungen Jahren. Wenn ein Kind immer nur Tütenpüree<br />

essen durfte, wird ihm als Erwachsener<br />

frisches Kartoffelpüree als unbekannter<br />

Geschmack vorkommen.<br />

Was muss denn ein kindergerechtes<br />

Angebot berücksichtigen, damit es hohe<br />

Akzeptanz findet?<br />

Johann Lafer: Kinder, die von Anfang an<br />

bewusst, abwechslungsreich und liebevoll<br />

bekocht wurden, akzeptieren eigentlich fast<br />

alles, es sei denn, sie mögen es nach dem<br />

Probieren nicht, haben also eine persönliche<br />

Abneigung.<br />

Kinder, die dies nicht erleben durften,<br />

muss man langsam an gute, frische Speisen<br />

heranführen. Das geht mit einfachen<br />

Gerichten, in denen auch etwas natürliche<br />

Süße, wie z. B. Reibekuchen mit<br />

selbst gemachtem Apfelmus, vorhanden<br />

ist. Man sollte die Auswahl der Gerichte<br />

abwechslungsreich gestalten und langsam<br />

steigern.<br />

Am besten ist natürlich, wenn Eltern die Kinder<br />

mitkochen lassen. Kinder lieben es,<br />

selbst Speisen zuzubereiten. Das beweisen<br />

meine zahlreichen Kinderkochveranstaltungen.<br />

Wie bewerten Sie die momentane Verpflegungssituation<br />

in deutschen Schulen<br />

aus eigenen Erfahrungen?<br />

Johann Lafer: Leider viel zu häufig - katastrophal!<br />

Die Automaten sind voll von zuckerhaltigen<br />

Getränken, am Kiosk gibt es<br />

nicht wirklich gesunde Angebote für die<br />

Pausenverpflegung. Die Gründe für diese<br />

derzeitig negative Gesamtsituation sind allerdings<br />

vielfältig.<br />

Was müsste aus Ihrer Sicht besser<br />

laufen?<br />

Johann Lafer: Schnellgerichte und Süßwaren<br />

in der Schule fördern das „falsch essen“.<br />

Hier sind sinnvolle „Anti-Konzepte“ gefragt.<br />

Mein Plädoyer geht ganz klar in Richtung<br />

„Gesunder Genuss“:<br />

„Der Schlüssel zur<br />

Veränderung findet sich im<br />

persönlichen Genuss.“<br />

Johann Lafer<br />

1. Von politischer Seite sollte darüber nachgedacht<br />

werden, die Mehrwertsteuer für<br />

Schulessen zu streichen und den Großteil<br />

der Kosten zu tragen. Es ist unmöglich bei<br />

2,00 € pro <strong>Ess</strong>en + 19 % Mwst etwas Gesundes,<br />

Schmackhaftes anzubieten. Dabei<br />

liegt das Problem für den Caterer weniger an<br />

den Preisen für frische Lebensmittel, sondern<br />

an den hohen Personalkosten.<br />

2. Es müssen dringend die Vorschriften der<br />

HACCP eingehalten werden und die Empfehlungen<br />

der Deutschen Gesellschaft für<br />

Ernährung (DGE) müssen Eingang in die Praxis<br />

der Schulcaterer finden.<br />

3. Stichwort Preise: Ganz umsonst würde ich<br />

Schulessen nicht anbieten. Ein Anerkennungsbetrag<br />

von z.B. 1,00 € pro Kind lässt<br />

nicht zu, dass das <strong>Ess</strong>en „wertlos“ erscheint.<br />

4. Die Bundesministerien für Ernährung/Verbraucherschutz<br />

und Landwirtschaft, Gesundheit,<br />

Bildung und Familie müssten sich<br />

effizient ver<strong>net</strong>zen. Erste Schritte sind mit<br />

der Initiative IN FORM zwar getan, doch aus<br />

meiner Sicht greifen sie noch zu kurz angesichts<br />

des Problems von Übergewicht und<br />

weiteren <strong>Ess</strong>störungen bei unseren Kindern<br />

und Jugendlichen. Momentan ist viel Projekt-Aktionismus<br />

zu beobachten. Ich bin der<br />

Meinung, die vielen Aktivitäten sollten in einem<br />

Gesamtkonzept gebündelt werden.<br />

Können Sie einige Projekte nennen, die<br />

Ihnen aus der Praxis einfallen und die<br />

ermutigend sind?<br />

Johann Lafer: Das schrittweise Einführen<br />

einer „Woche des Geschmacks“, ein Projekt,<br />

welches vor rund eineinhalb Jahren<br />

von dem damaligen Bundesminister Horst<br />

Seehofer und mir an den Start gebracht<br />

wurde, halte ich für ein sehr gutes „Tool“<br />

zur Aufklärung, denn es weckt das Interesse<br />

an Geschmacks- und Ernährungsbildung.<br />

Solche Ansätze, die sich in der Praxis<br />

bereits bewährt haben, sollten unbedingt<br />

weiterverfolgt werden. Die Ernährungsempfehlungen<br />

alleine stellen nur<br />

wirkungslose Appelle dar. Der Schlüssel<br />

zur Veränderung findet sich im persönlichen<br />

Genuss.<br />

Ich halte auch nichts von purem „Projekt-<br />

Aktionismus“ aus Gründen der Selbstdarstellung.<br />

Ab und zu an einzelnen Schulen<br />

und Kitas Kochkurse durchzuführen oder<br />

zum Showkochen mit Kindern einzuladen,<br />

macht zwar Spaß, lässt aber die geforderte<br />

Nachhaltigkeit vermissen. Lernen geschieht<br />

durch Wiederholung.<br />

Anders bei der Initiative für gesunde Kinder-<br />

und Schülerverpflegung der Hochschule<br />

Fulda, deren Schirmherr ich sein<br />

darf. Hier werden Schuloecotrophologen<br />

ausgebildet, die als Schnittstellenmanager<br />

in den Schulen vor Ort dauerhaft die<br />

Pausen- und Mittagsverpflegung mit der<br />

schulischen Ernährungsbildung und praktischen<br />

und genussvollen Kochangeboten<br />

verbinden.Dahinter steht ein multiplizierbares<br />

Konzept, das schülerorientierte Angebote<br />

bereithält, die den Empfehlungen<br />

der DGE entsprechen.<br />

Lehrer dafür auszubilden, halte ich für<br />

nicht durchführbar. Was sollen diese denn<br />

noch übernehmen? Zumal sie durch das<br />

verkürzte Abitur schon Mühe haben werden,<br />

den Schulstoff in verminderter Zeit zu<br />

lehren. Wir sind mit der Initiative dabei,<br />

durchführbare Lösungen zu finden.<br />

Gibt es in Ihren Restaurants<br />

eigentlich eine Kinderkarte?<br />

Silvia Buchholz-Lafer: In unseren Restaurants<br />

gibt es keine Kinderkarte. Weil<br />

wir sowieso nur frisch kochen, fragen wir<br />

die Kinder, worauf sie gerade Appetit haben.<br />

Wir nehmen sie sogar oft mit in die<br />

Küche, um ihnen durch Zeigen der Lebensmittel<br />

Spaß am Probieren zu vermitteln.<br />

Die Fragen stellte Burkart Schmid<br />

Interview<br />

<strong>Ess</strong>-Klasse junior 1/2009 13

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