18.04.2014 Aufrufe

Download: R.F. Fellner: Die Psychoanalyse S ... - Ulrichtemme.de

Download: R.F. Fellner: Die Psychoanalyse S ... - Ulrichtemme.de

Download: R.F. Fellner: Die Psychoanalyse S ... - Ulrichtemme.de

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Fach: Pädagogik <strong>Fellner</strong>: <strong>Die</strong> <strong>Psychoanalyse</strong> Sigmund Freuds LK 12<br />

hung bil<strong>de</strong>t sich später auch zum Vater, weshalb die Elternbeziehung<br />

1090 grundsätzlich als ambivalent und somit als problembehaftet zu betrachten<br />

ist. So läßt sich die häufig von schwierigen Ablösungskonflikten gekennzeichnete<br />

Pubertät auch als Prozeß verstehen, daß das Kind, das<br />

nun immer weniger auf die Nährung durch die Eltern angewiesen ist, die<br />

von <strong>de</strong>n Eltern unterschiedlichen Bedürfnisregungen stärker zulassen<br />

1095 und verfolgen will. Das "Eigene" wird dann vor allem in <strong>de</strong>m wahrgenommen,<br />

was unterschiedlich zu <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Eltern ist.<br />

Der amerikanische Psychoanalytiker René Spitz hat sich in beson<strong>de</strong>rer<br />

Weise mit <strong>de</strong>m 1. Lebensjahr beschäftigt. So stellte er fest, dass das<br />

‘Frem<strong>de</strong>ln’ im Alter von ca 8 Monaten (Spitz bezeichnete dies als ‘Acht-<br />

1100 Monate-Angst’) darauf beruht, dass das Kind jetzt in <strong>de</strong>r Lage ist, verschie<strong>de</strong>ne<br />

Gesichter voneinan<strong>de</strong>r zu unterschei<strong>de</strong>n, wogegen es früher<br />

offensichtlich alle Antlitze als diejenigen <strong>de</strong>r Mutter interpretierte.<br />

Im Zuge seiner Forschungen befaßte sich Spitz beson<strong>de</strong>rs mit <strong>de</strong>m Zusammenhang<br />

zwischen <strong>de</strong>m Verhalten <strong>de</strong>r Mutter und <strong>de</strong>ssen Auswir-<br />

1105 kungen auf das Kind, wobei er 6 verschie<strong>de</strong>ne problematische Einstellungen<br />

<strong>de</strong>r Mutter zum Muttersein o<strong>de</strong>r zum Kind feststellte, welche bei<br />

diesem zu teils erheblichen psychischen Schädigungen führen können:<br />

1. unverhüllte Ablehnung<br />

2. ängstlich übertriebene Besorgnis<br />

1110 3. in Ängstlichkeit verwan<strong>de</strong>lte unbewusste Feindseligkeit<br />

4. ständiges Schwanken zwischen Verwöhnen und Feindseligkeit<br />

5. zyklische Stimmungsschwankungen <strong>de</strong>r Mutter (Launenhaftigkeit)<br />

6. kompensierte Feindseligkeit (z.B. durch Verwöhnen)<br />

Berühmt gewor<strong>de</strong>n sind die Spitz’schen Untersuchungen von Kin<strong>de</strong>rn<br />

1115 einerseits in einem Waisenhaus, wo diese durch häufig wechseln<strong>de</strong><br />

Wärterinnen betreut wur<strong>de</strong>n und in einer sehr reizarmen Umwelt (weiß<br />

und steril) lebten, und an<strong>de</strong>rerseits in einem Frauengefängnis, in welchem<br />

sich die Mütter ganz ihren Kin<strong>de</strong>rn widmen und sie selber stillen<br />

und pflegen konnten. Er stellte sehr <strong>de</strong>utliche Entwicklungsunterschie<strong>de</strong><br />

1120 fest: <strong>Die</strong> Kin<strong>de</strong>r im Frauengefängnis gediehen wun<strong>de</strong>rbar, waren selten<br />

krank, entwickelten eine überdurchschnittliche Intelligenz und waren –<br />

wie man so sagt – ‘putzmunter’. Bei <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn im Waisenhaus hingegen<br />

musste er nicht nur häufige Erkrankungen, son<strong>de</strong>rn auch ziemlich<br />

viele To<strong>de</strong>sfälle feststellen, und mehr o<strong>de</strong>r weniger alle Kin<strong>de</strong>r fielen<br />

1125 durch verschie<strong>de</strong>ne Störungen und Anzeichen gehemmter Entwicklung<br />

auf. Er bemerkte, dass Kin<strong>de</strong>r, die von klein auf in Spitälern aufwachsen<br />

und einer reizarmen, sterilen Umwelt sowie einer gewissen Massenabfertigung<br />

beim Füttern und Trockenlegen ausgesetzt sind, dieselben<br />

Symptome zeigen wie die untersuchten Kin<strong>de</strong>r im Waisenhaus und be-<br />

1130 zeichnete daher das beschriebene Krankheitsbild als ‘Hospitalismus’.<br />

Beson<strong>de</strong>rs gefähr<strong>de</strong>t sind davon insbeson<strong>de</strong>re Kin<strong>de</strong>r, die zwischen<br />

<strong>de</strong>m 6. Lebensmonat und 3 Jahren hospitalisiert sind. Sie zeichnen sich<br />

oft durch Kontaktarmut, Apathie, verzögertes Gehen- und Sprechenlernen,<br />

soziale Anpassungsschwierigkeiten, intellektuelle Entwicklungs-<br />

1135 rückstän<strong>de</strong>, gesteigerte Krankheitsanfälligkeit, erhöhte Sterblichkeit,<br />

Passivität, Interesselosigkeit und stereotype Bewegungen aus.<br />

Als Spätfolgen treten die bekannten und zu Teil schon erwähnten Auswirkungen<br />

einer gestörten oralen Phase auf: Süchte, Zurückschrecken<br />

vor Lebensaufgaben, Gierigkeit, mangeln<strong>de</strong> Initiative, übergroße Bedürf-<br />

1140 tigkeit nach Zuwendung und Liebe.<br />

6.2. Anale Phase<br />

Ausweitung und Überschreitung <strong>de</strong>s symbiotischen Bereiches, Selbstbestimmung<br />

von Nähe und Distanz, Entwicklung hin zu Objektkonstanz<br />

und Selbstkonstanz<br />

1145 Zwischen 1. und 3. Lebensjahr verlagert sich die Bedürfnisbefriedigung<br />

auf die anale Zone: die anale und urethrale Muskulatur wird trainiert, das<br />

Kind lernt, "zurückzuhalten" und "auszustoßen". Es kann nun seit einiger<br />

Zeit sitzen, und die Eltern setzen es, um nicht unnötig lang Win<strong>de</strong>ln waschen<br />

zu müssen, von Zeit zu Zeit aufs Töpfchen. Das Kind ist nun zu-<br />

1150 nehmend in <strong>de</strong>r Lage, die Darmentleerung willentlich zu steuern, d.h.<br />

<strong>de</strong>n Kot entwe<strong>de</strong>r zurückzuhalten o<strong>de</strong>r loszulassen. Offensichtlich ermöglicht<br />

ihm dies eine neue Weise <strong>de</strong>s Lustgewinns: Kin<strong>de</strong>r dieses Alters<br />

benutzen ihren Kot mit ungebändigter Lust als Mo<strong>de</strong>lliermasse, bemalen<br />

damit auch Bett und Wän<strong>de</strong> und stopfen ihn auch ohne weiteres<br />

1155 in <strong>de</strong>n Mund.<br />

Analog zur oralen Modalität erkennt Freud in diesem konkreten körperlichen<br />

Vorgang gewissermaßen das Grundmo<strong>de</strong>ll einer allgemeinen Lebensgebär<strong>de</strong>:<br />

<strong>de</strong>r Modalität <strong>de</strong>s Besitzens und Hergebens. Tatsächlich<br />

stellt sich <strong>de</strong>m Menschen als einem Wesen, das aufnimmt und einver-<br />

1160 leibt, logischerweise auch die Aufgabe, zu entschei<strong>de</strong>n, was und wie viel<br />

behalten und was ausgeschie<strong>de</strong>n (losgelassen) wer<strong>de</strong>n soll. Das betrifft<br />

materielle Güter genauso wie psychische Verhaftungen und geistige<br />

‘Besitztümer’. Nach Ansicht <strong>de</strong>r <strong>Psychoanalyse</strong> wird das Verhältnis zu<br />

diesen Lebensaufgaben in <strong>de</strong>r frühen Kindheit emotional grundgelegt,<br />

1165 und zwar eben im körperlichen Erleben eines Vorgangs, <strong>de</strong>r gewissermassen<br />

das Grundmo<strong>de</strong>ll ist für alles an<strong>de</strong>re, wo auch Behalten o<strong>de</strong>r<br />

Hergeben-Müssen bzw. Hergeben-Wollen zur Diskussion steht.<br />

In diesem Zusammenhang weist die <strong>Psychoanalyse</strong> auf eine gewisse<br />

Wesensverwandtschaft zwischen Fäkalien und materiellem Besitz hin.<br />

1170 So sagt man etwa von einem Geizhals, er ‘hocke auf seinem Geld’, arme<br />

Menschen wünschen sich einen ‘Geldscheisser’, im Märchen vom<br />

Tischlein-Deck-dich "scheisst" <strong>de</strong>r Gol<strong>de</strong>sel auf <strong>de</strong>n Befehl ‘briklebrit!’<br />

tatsächlich Goldstücke, und wenn jemand um Geld betrogen wur<strong>de</strong>, ist<br />

er "beschissen" wor<strong>de</strong>n.<br />

1175 Freud weist darauf hin, dass das Kind mit seiner nun entstehen<strong>de</strong>n Fähigkeit<br />

<strong>de</strong>r Kontrolle über die Defäkation zum Erlebnis <strong>de</strong>r Macht über<br />

die Eltern kommt – also tatsächlich auch selbst etwas außerhalb seiner<br />

selbst kontrollieren zu können. Bei<strong>de</strong>s sind auch wesentliche Grundpfeiler<br />

für Grundgefühle wie Autonomie und Selbstbewusstsein. Insofern es<br />

1180 seine Macht genießt, keimen im Kind erste Gefühle <strong>de</strong>s Sadismus auf,<br />

weshalb Freud diese Phase auch als ‘anal-sadistische’ Phase bezeichnet.<br />

Man könnte somit sagen: Psychische Themen, welche in <strong>de</strong>r analen<br />

Phase gefühlshaft grundgelegt wer<strong>de</strong>n, sind das Verhältnis zum Besitz,<br />

zur Macht, zum Behalten und Hergeben und damit auch zur Ordnung.<br />

1185 Störungen in <strong>de</strong>r analen Phase führen logischerweise zu Störungen in<br />

<strong>de</strong>n oben erwähnten Bereichen. Es bil<strong>de</strong>n sich Geiz o<strong>de</strong>r Verschwendungssucht,<br />

chaotisches Gebaren o<strong>de</strong>r übertriebene Ordnungsliebe, Eigensinn<br />

und zwanghaftes Verhalten heraus.<br />

Kluge Eltern lassen <strong>de</strong>r Schmutzlust <strong>de</strong>r Kleinen in <strong>de</strong>r analen Phase<br />

1190 <strong>de</strong>n ihr gebühren<strong>de</strong>n Raum, in<strong>de</strong>m sie ihnen Fingerfarben geben und<br />

sie im Garten mit nassem Sand und nasser Er<strong>de</strong> so richtig herummatschen<br />

lassen. Unkluge Eltern versuchen mit lieblosem Druck, ihre Kin<strong>de</strong>r<br />

so früh wie möglich ‘sauber’ zu bekommen, um damit ihren eigenen<br />

Ehrgeiz zu befriedigen ("Wissen Sie, Frau Müller, unsere Lisa ist schon<br />

1195 seit 4 Monaten sauber!“). Der Wunsch nach Selbständigkeit gerät nun<br />

ständig in Konflikt mit <strong>de</strong>n Anpassungsfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r Umwelt - um hier<br />

eine zufrie<strong>de</strong>nstellen<strong>de</strong> Lösung zu ermöglichen, müssen diese also so<br />

formuliert wer<strong>de</strong>n, daß sie vom Kin<strong>de</strong> angenommen wer<strong>de</strong>n können.<br />

Alle sog. Zwangsneurosen haben ihren Ursprung in dieser Phase. Im<br />

1200 Hinblick auf diesen Zusammenhang spricht die <strong>Psychoanalyse</strong> von einem<br />

‘analen Charakter’ und meint damit einen Menschen, <strong>de</strong>r überkontrolliert<br />

ist, zu fixen I<strong>de</strong>en neigt, sich nirgends anpassen kann, stets<br />

recht haben muss und gewiss nicht ‘Fünfe gera<strong>de</strong> sein lassen’ kann.<br />

6.3. Phallische Phase<br />

1205 Stabilisierung <strong>de</strong>r Selbstkonstanz und Entwicklung <strong>de</strong>r Geschlechteri<strong>de</strong>ntität,<br />

bei positiver Auflösung <strong>de</strong>s ödipalen Konflikts: Bildung und<br />

Konsolidierung <strong>de</strong>s Über-Ich, wodurch <strong>de</strong>r Übergang von einem mehr<br />

dyadischen zu einem triadischen Beziehungsmuster vollzogen wer<strong>de</strong>n<br />

können sollte.<br />

1210 In <strong>de</strong>r phallischen Phase verlagert sich die erogene Zone auf die Genitalien.<br />

Dass Freud diesen Lebensabschnitt generell nach <strong>de</strong>m männlichen<br />

Glied (Phallus) benennt, haben ihm Frauen natürlich immer wie<strong>de</strong>r übel<br />

genommen. Seine Verteidigung, dass sich in <strong>de</strong>r embryonalen Entwicklung<br />

die männlichen und weiblichen Geschlechtsorgane lange nicht un-<br />

1215 terschei<strong>de</strong>n und sich später das, was beim Knaben zum Phallus wird,<br />

beim Mädchen zur Klitoris entwickelt, irritiert dann noch mehr, <strong>de</strong>nn daraus<br />

leitet sich – setzt man eine rein quantitative Sichtweise an – die Ansicht<br />

ab, die Frau sei, sexuell betrachtet, ein unvollkommener Mann. <strong>Die</strong><br />

Sache wird dann noch problematischer, wenn Freud feststellt, dass die<br />

1220 Kin<strong>de</strong>r dieses Alters ihre unterschiedliche Geschlechtlichkeit ent<strong>de</strong>cken<br />

Freud-<strong>Fellner</strong>.doc <strong>Fellner</strong>: <strong>Die</strong> <strong>Psychoanalyse</strong> Sigmund Freuds Seite 10 von 19

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!