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Fach: Pädagogik <strong>Fellner</strong>: <strong>Die</strong> <strong>Psychoanalyse</strong> Sigmund Freuds LK 12<br />
erwünschten innerpsychischen Instanzen gera<strong>de</strong>zu zu noch größerer<br />
Gegenwehr "gezwungen" wer<strong>de</strong>n. Es erinnert also gewissermaßen an<br />
Münchhausens Versuch, sich selbst am eigenen Schopf aus <strong>de</strong>m Sumpf<br />
1890 zu ziehen.<br />
9. <strong>Die</strong> psychoanalytische Technik<br />
9.1. Grundsätzliche Erwägungen<br />
So weit heute erkennbar ist, ist Psychotherapie (ob <strong>Psychoanalyse</strong> o<strong>de</strong>r<br />
eine <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren wissenschaftlich anerkannten Metho<strong>de</strong>n) die einzige<br />
1895 Möglichkeit, von einer Neurose geheilt wer<strong>de</strong>n zu können. Dabei ist <strong>de</strong>r<br />
Erfolg allerdings nicht garantiert, wobei er wesentlich mehr vom Patienten<br />
(auch: Klienten, in <strong>de</strong>r <strong>Psychoanalyse</strong>: Analysan<strong>de</strong>n) als vom Psychotherapeuten<br />
(in <strong>de</strong>r <strong>Psychoanalyse</strong>: Analytiker) abhängt. <strong>Die</strong> Motivation,<br />
etwas zu unternehmen, steht jedoch zumeist in einem direkten Zu-<br />
1900 sammenhang mit <strong>de</strong>m Grad <strong>de</strong>s Lei<strong>de</strong>nsdrucks. Viele Menschen sind<br />
erst bereit, sich ihrer eigenen Psyche, ja ihrer Lebensführung insgesamt<br />
gründlich zu stellen, wenn sie unter ihren unangepassten Verhaltensweisen,<br />
Depressionen, Ängsten, Zwängen und Kommunikationsproblemen<br />
<strong>de</strong>rart lei<strong>de</strong>n, dass sie alles auf sich nehmen (also auch <strong>de</strong>n so ge-<br />
1905 fürchteten Psychotherapeuten aufsuchen), nur um Lin<strong>de</strong>rung im Lei<strong>de</strong>n<br />
erfahren zu können.<br />
Der Erfolg von gesprächsbasierten Metho<strong>de</strong>n wie im hier beschriebenen<br />
Fall <strong>de</strong>r <strong>Psychoanalyse</strong> hängt ferner auch von <strong>de</strong>n Fähigkeiten <strong>de</strong>s<br />
Klienten ab. Nur wer über einen gewissen Intellekt, Fähigkeit <strong>de</strong>r<br />
1910 Selbstwahrnehmung (Introspektionsfähigkeit) und Beziehungsfähigkeit<br />
verfügt, nur wer grundsätzlich guten Willen hat und auch getragen ist<br />
durch einen gewissen Lebensernst, ist überhaupt zur Durchführung einer<br />
Psychotherapie, speziell einer <strong>Psychoanalyse</strong>, fähig. Weiters müssen<br />
die Betroffenen in <strong>de</strong>r Lage sein, <strong>de</strong>n psychoanalytischen Vertrag<br />
1915 (siehe unten) einzugehen. <strong>Die</strong>ser ist bei an<strong>de</strong>ren Therapieformen weniger<br />
strikt.<br />
Gut geeignet ist die analytische Metho<strong>de</strong> für alle Formen <strong>de</strong>r neurotischen<br />
Störungen - Störungen, die sich über Jahre langsam aufbauen<br />
und immer weitere Bereiche <strong>de</strong>s Lebens umfassen. Dazu gehören Per-<br />
1920 sönlichkeitsstörungen, wie mangeln<strong>de</strong>s Selbstwertgefühl, Kontaktprobleme,<br />
selbst aufgebauter Leistungszwang. Aber auch leichtere, latente<br />
Angst- und Zwangsneurosen sowie leichtere <strong>de</strong>pressive Störungen können<br />
Thema einer <strong>Psychoanalyse</strong> sein.<br />
Weniger geeignet ist eine psychoanalytische Behandlung in akut belas-<br />
1925 ten<strong>de</strong>n Lebenssituationen, somit etwa auch bei schweren Neurosen,<br />
Depressionen, Zwangserkrankungen, Psychosen und akuten Problemen<br />
wie Sucht und dgl. Denn die <strong>Psychoanalyse</strong> ist als "auf<strong>de</strong>cken<strong>de</strong>s Verfahren"<br />
durch die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Kindheit für das Verständnis und die<br />
Therapie <strong>de</strong>r Krankheitssymptome als eher vergangenheitsbetont zu<br />
1930 bezeichnen – bei einer üblichen Min<strong>de</strong>sttherapiedauer von min<strong>de</strong>stens<br />
160 bis 240 Stun<strong>de</strong>n á 2-3 Stun<strong>de</strong>n pro Woche führt dies zu einer Gesamt-Therapiedauer<br />
von zumin<strong>de</strong>st 2-3 Jahren. Wird also unmittelbare<br />
therapeutische Hilfe o<strong>de</strong>r innere Stabilisierung benötigt o<strong>de</strong>r angepeilt,<br />
erfor<strong>de</strong>rt eine auf<strong>de</strong>ckend orientierte Psychotherapie wie die Psycho-<br />
1935 analyse oftmals zu viel Kraft und Durchhaltevermögen.<br />
Insgesamt lässt sich sagen, daß im Vergleich zu <strong>de</strong>n eher orthodoxen<br />
Positionen Freuds heute ganz allgemein ein weitaus größerer Indikationsbereich<br />
für die <strong>Psychoanalyse</strong> angegeben wird, wobei in zunehmen<strong>de</strong>m<br />
Maße auch die Persönlichkeitsstruktur und die Selbsterfahrung <strong>de</strong>s<br />
1940 Analytikers als Gradmesser <strong>de</strong>r Indikationsstellung betrachtet wer<strong>de</strong>n.<br />
9.2. Der analytische Vertrag<br />
Abgesehen davon, dass <strong>de</strong>r Analysand <strong>de</strong>n Analytiker zu bezahlen hat,<br />
gehen die bei<strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Vertrag ein: Der Analysand erklärt seine Bereitschaft,<br />
grundsätzlich alles, was ihm bewusst wird, zu sagen, gleich-<br />
1945 gültig, ob es ihm peinlich ist, ob es ihm unsinnig, unmoralisch o<strong>de</strong>r nebensächlich<br />
erscheint o<strong>de</strong>r ob er befürchtet, damit in Schwierigkeiten zu<br />
kommen. Der Analytiker stellt <strong>de</strong>m seine Bereitschaft zur Mithilfe bei <strong>de</strong>r<br />
Deutung entgegen.<br />
9.3. Heilungsplan und therapeutische Beziehung<br />
1950 Angesichts <strong>de</strong>r Tatsache, dass je<strong>de</strong> Neurose einhergeht mit einem gegenüber<br />
<strong>de</strong>n Inhalten <strong>de</strong>s Es geschwächten Ich, besteht <strong>de</strong>r Heilungsplan<br />
grundsätzlich darin, dass sich <strong>de</strong>r Analytiker mit <strong>de</strong>m geschwächten<br />
Ich <strong>de</strong>s Analysan<strong>de</strong>n verbün<strong>de</strong>t und alles daran setzt, das Ich in<br />
echter Weise zu stärken. Das kann mitunter be<strong>de</strong>uten, dass sich <strong>de</strong>r<br />
1955 Analytiker in all jenen Fällen, wo <strong>de</strong>r Analysand Wi<strong>de</strong>rstän<strong>de</strong> gegen die<br />
Bewusstmachung von Es-Impulsen zeigt, auf die Seite <strong>de</strong>s Es stellen<br />
muss, um <strong>de</strong>ssen Impulsen Zugang zum Bewussten <strong>de</strong>s Analysan<strong>de</strong>n<br />
zu ermöglichen o<strong>de</strong>r erleichtern.<br />
<strong>Die</strong> therapeutische Beziehung steht im Vor<strong>de</strong>rgrund <strong>de</strong>r analytischen<br />
1960 Arbeit. Als "Prozeßvariablen" wird hierbei <strong>de</strong>r Übertragung, <strong>de</strong>m Wi<strong>de</strong>rstand<br />
sowie <strong>de</strong>n Abwehrmechanismen beson<strong>de</strong>re Aufmerksamkeit gewidmet.<br />
9.4. <strong>Die</strong> psychoanalytische Dialogstruktur (Setting)<br />
Der Analysand liegt nach Möglichkeit entspannt auf einer Couch, <strong>de</strong>r<br />
1965 Analytiker sitzt hinter ihm. Der Analysand ist aufgefor<strong>de</strong>rt, alles zu sagen,<br />
was ihm in <strong>de</strong>n Sinn kommt o<strong>de</strong>r was er empfin<strong>de</strong>t. Hierbei ist es<br />
von Wichtigkeit, daß er nicht selektiv zwischen ihm belanglos, als peinlich<br />
o<strong>de</strong>r lächerlich erscheinen<strong>de</strong>n und vermeintlich wesentlichen Inhalten<br />
auswählt ("Grundregel"). Solcherart gelangen Gedanken, bildhafte<br />
1970 Vorstellungen und Gefühle ins Bewusstsein, die sonst nur bruchstücko<strong>de</strong>r<br />
schemenhaft zugänglich wären.<br />
Der Analytiker hört zu und schenkt <strong>de</strong>m gesprochenen Wort <strong>de</strong>s Analysan<strong>de</strong>n<br />
größte Aufmerksamkeit. <strong>Die</strong> Abstinenz <strong>de</strong>s Analytikers (persönliches<br />
Einbringen <strong>de</strong>s Analytikers ist in <strong>de</strong>r klassischen <strong>Psychoanalyse</strong><br />
1975 während <strong>de</strong>s gesamten Behandlungsverlaufes strengst limitiert - "Abstinenzregel")<br />
soll helfen, daß sich die persönliche Geschichte <strong>de</strong>s Analysan<strong>de</strong>n<br />
möglichst wenig mit <strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Analytikers verquickt – darüber hinaus<br />
ist sie Voraussetzung für <strong>de</strong>n Aufbau einer möglichst "reinen" Übertragung,<br />
bei <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Analysand – begünstigt durch das beson<strong>de</strong>re Set-<br />
1980 ting dieser Metho<strong>de</strong> – eigene Persönlichkeitsstrukturen auf <strong>de</strong>n Analytiker<br />
projiziert, und diesem damit ein wichtiges Werkzeug zur Deutung<br />
und Auf<strong>de</strong>ckung in die Hand gibt. Im ständigen Prozess von Übertragungs-<br />
und Gegenübertragungsphänomenen wer<strong>de</strong>n durch die Deutungsarbeit<br />
<strong>de</strong>s Analytikers <strong>de</strong>m Klienten die eigenen Projektionen im-<br />
1985 mer bewusster, und neue Einsichten über historische Zusammenhänge<br />
<strong>de</strong>r eigenen Persönlichkeitsentwicklung können gewonnen wer<strong>de</strong>n – sofern<br />
nicht Wi<strong>de</strong>rstän<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n Weg treten (Wi<strong>de</strong>rstän<strong>de</strong> nehmen die o.e.<br />
Abwehrmechanismen an und haben für <strong>de</strong>n Patienten die Funktion, <strong>de</strong>n<br />
sekundären Krankheitsgewinn angesichts beängstigend wirken<strong>de</strong>r, neu-<br />
1990 artiger schmerzhafter Erfahrungen, die durch <strong>de</strong>n Behandlungsprozeß<br />
bewusst wer<strong>de</strong>n, nicht aufgeben zu müssen. Zum flexiblen, sinnvollen<br />
Umgang mit ihnen ist ihr Bewusstwer<strong>de</strong>n erfor<strong>de</strong>rlich – die Arbeit <strong>de</strong>s<br />
Analytikers besteht daher wesentlich in <strong>de</strong>r Bearbeitung und Deutung<br />
von Wi<strong>de</strong>rstand und Übertragung).<br />
1995 "<strong>Die</strong> Neurose <strong>de</strong>s Patienten sollte sich schließlich in eine Übertragungsneurose<br />
verwan<strong>de</strong>ln, die dann analysiert wird. <strong>Die</strong> traumatische Entstehungsgeschichte<br />
<strong>de</strong>r neurotischen Symptomatik wie<strong>de</strong>rholt sich dann in<br />
ihrem Erleben als ein auf <strong>de</strong>n Analytiker projiziertes Geschehen.<br />
Schließlich zielt die Deutungsarbeit <strong>de</strong>s Analytikers darauf ab, daß <strong>de</strong>r<br />
2000 Patient die Wie<strong>de</strong>rholung als solche begreift und dadurch als Erinnerung<br />
erkennt." (Bock, S.151)<br />
9.5. Übertragung und Gegenübertragung<br />
Freud geht davon aus, dass im Zentrum je<strong>de</strong>r neurotischen Störung<br />
letztlich stets die Elternproblematik (<strong>de</strong>r Ödipuskomplex) steht. <strong>Die</strong> ana-<br />
2005 lytische Situation ermöglicht nun <strong>de</strong>m Analysan<strong>de</strong>n, das Bild seiner Eltern<br />
mit all ihren emotionalen Bezügen in <strong>de</strong>n Analytiker zu projizieren.<br />
<strong>Die</strong>se Projektion <strong>de</strong>r Elternbeziehung auf <strong>de</strong>n Analytiker bezeichnet<br />
Freud als Übertragung. Da bekanntlich die Elternbeziehung im Unbewussten<br />
ambivalent ist, führt dies zu <strong>de</strong>r so genannten positiven und<br />
2010 negativen Übertragung.<br />
In aller Regelmäßigkeit stellt sich zuerst die positive Übertragung ein,<br />
die bis zur Verliebtheit in <strong>de</strong>n Analytiker bzw. zu seiner Vergötterung<br />
führen kann. Das hat beim Analysan<strong>de</strong>n zur Folge, dass er, statt gesund<br />
zu wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>m Analytiker gefallen will. Das führt zwar zu einer gewis-<br />
2015 sen Stärkung <strong>de</strong>s Ichs und oft zur Einstellung <strong>de</strong>r Symptome, aber nach<br />
einer gewissen Zeit pflegen sich diese – lei<strong>de</strong>r – wie<strong>de</strong>r einzustellen.<br />
Der Hauptgewinn <strong>de</strong>r Phase <strong>de</strong>r positiven Übertragung besteht darin,<br />
dass <strong>de</strong>r Analytiker durch <strong>de</strong>n Umstand, dass er an die Stelle <strong>de</strong>s Vaters<br />
(allenfalls <strong>de</strong>r Mutter) gesetzt wird, Macht über das Über-Ich <strong>de</strong>s Analy-<br />
Freud-<strong>Fellner</strong>.doc <strong>Fellner</strong>: <strong>Die</strong> <strong>Psychoanalyse</strong> Sigmund Freuds Seite 16 von 19