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Fach: Pädagogik <strong>Fellner</strong>: <strong>Die</strong> <strong>Psychoanalyse</strong> Sigmund Freuds LK 12<br />
sprüche <strong>de</strong>s Über-Ich und die Erfor<strong>de</strong>rnisse <strong>de</strong>r Realität in Einklang zu<br />
bringen vermag.<br />
3. Zugänge zum Unbewussten<br />
Es liegt in <strong>de</strong>r Natur <strong>de</strong>s Unbewussten, dass es als solches nicht direkt<br />
310 beobachtbar ist. Man ist vielmehr auf <strong>de</strong>ssen Äußerungen angewiesen,<br />
<strong>de</strong>ren Deutungen dann Rückschlüsse auf das angenommene Unbewusste<br />
ermöglichen. Hierzu entwickelte Freud mehrere Metho<strong>de</strong>n:<br />
3.1. Hypnose<br />
Freud machte die grundlegen<strong>de</strong> Ent<strong>de</strong>ckung, dass ein Mensch durch<br />
315 Hypnose nicht bloß in seinen Willenshandlungen beeinflussbar ist, son<strong>de</strong>rn<br />
dass er im hypnotischen Trance-Zustand auch in <strong>de</strong>r Lage ist, sich<br />
an frühere Erlebnisse zu erinnern, von <strong>de</strong>nen er im Wachzustand nichts<br />
mehr weiß.<br />
Dabei zeigte sich sogar, dass die neurotischen Symptome (z.B. hysteri-<br />
320 sche Anfälle) eine Zeit lang verschwan<strong>de</strong>n, wenn <strong>de</strong>r Klient zuvor gewisse<br />
belasten<strong>de</strong> Erlebnisse unter Einwirkung <strong>de</strong>r Hypnose wie<strong>de</strong>r erinnern<br />
und erzählen konnte. Daraus entstand dann ein wesentlicher Pfeiler<br />
<strong>de</strong>r <strong>Psychoanalyse</strong>: die Unschädlichmachung belasten<strong>de</strong>r und ins<br />
Unbewusste verdrängter frühkindlicher Erlebnisse durch <strong>de</strong>ren Be-<br />
325 wusstmachung.<br />
Wie Freud allerdings feststellen musste, stellten sich die neurotischen<br />
Symptome nach einer gewissen Zeit wie<strong>de</strong>r ein, weshalb er <strong>de</strong>n grundlegen<strong>de</strong>n<br />
Konflikt nicht als gelöst betrachten konnte. Er gab darum die<br />
Anwendung <strong>de</strong>r Hypnose schon bald wie<strong>de</strong>r auf. Heute wird die Hypno-<br />
330 se in einem Randbereich <strong>de</strong>r <strong>Psychoanalyse</strong> teilweise wie<strong>de</strong>r praktiziert<br />
und stellt als „Hypnotherapie“, wesentlich beeinflusst und weiterentwickelt<br />
von Therapeuten wie Milton H. Erickson, in vielen Län<strong>de</strong>rn sogar<br />
eine eigenständige, anerkannte Psychotherapiemetho<strong>de</strong> dar. Verfechter<br />
<strong>de</strong>r Hypnose bzw. Hypnotherapie werfen Freud vor, er habe die Technik<br />
335 <strong>de</strong>r Hypnose wohl zu wenig beherrscht und sie allzu vorschnell verworfen.<br />
3.2. Deutung von Fehlleistungen<br />
Wenn jemand statt "Ich hab Dich lieb" "ich hack Dich lieb" schreibt, sich<br />
also verschreibt, so ist dies nach Freuds Überzeugung kein belangloser<br />
340 Zufall, son<strong>de</strong>rn eine Botschaft aus <strong>de</strong>m Unbewussten, die Rückschlüsse<br />
auf entsprechen<strong>de</strong> unbewusste Gegebenheiten (Ängste, Triebansprüche,<br />
verdrängte Wünsche, Schuldgefühle, Aggressionen, Min<strong>de</strong>rwertigkeitsgefühle<br />
usf.) zulässt.<br />
Selbstverständlich sind Fehlleistungen nicht bloß im Bereiche <strong>de</strong>s<br />
345 Schreibens, son<strong>de</strong>rn bei allen gewohnheitsmäßigen Handlungen möglich.<br />
So kann man sich verhören, versprechen, verlaufen, verfahren,<br />
verwählen, vergreifen, verschlafen, o<strong>de</strong>r man kann etwas vergessen,<br />
verlegen o<strong>de</strong>r (z.B. einen Zug o<strong>de</strong>r einen Termin) verpassen. Oft zeigt<br />
sich sogar, dass das Verunfallen einem unbewussten Motiv entspricht<br />
350 und als Fehlleistung betrachtet wer<strong>de</strong>n kann.<br />
<strong>Die</strong>se Freudsche Auffassung ist heute zum Gemeingut gewor<strong>de</strong>n, recht<br />
häufig lässt sich nach Fehlleistungen <strong>de</strong>r stereotype Satz "Freud lässt<br />
grüssen" hören.<br />
Der psychoanalytisch gebil<strong>de</strong>te Mensch hat es sich angewöhnt, eigenen<br />
355 Fehlleistungen nachzugehen, weil sich meist interessante Ent<strong>de</strong>ckungen<br />
über Gegebenheiten <strong>de</strong>s Unbewussten machen lassen. <strong>Die</strong><br />
manchmal etwas vorwitzigen Feststellungen gegenüber Mitmenschen,<br />
<strong>de</strong>nen eine Fehlleistung passiert, lässt er dagegen zumeist bleiben.<br />
3.3. Freie Assoziation<br />
360 Es gehört zur grundlegen<strong>de</strong>n Vereinbarung zwischen <strong>de</strong>m Psychoanalytiker<br />
und <strong>de</strong>m Analysan<strong>de</strong>n, dass dieser alles, was ihm irgendwie ins<br />
Bewusstsein kommt, ausspricht, mag es noch so peinlich, unmoralisch,<br />
unsinnig und kindisch erscheinen ("Grundregel"). Tut er dies, so wird er<br />
die Erfahrung machen, dass sich sofort weitere Vorstellungen o<strong>de</strong>r Ge-<br />
365 danken einstellen, die mit <strong>de</strong>m ersten in einem vielleicht vorerst nicht erkennbaren<br />
Zusammenhang stehen. Im Unbewussten sind folglich diese<br />
Vorstellungen miteinan<strong>de</strong>r verknüpft (assoziiert). Durch das freie Assoziieren<br />
wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>mgemäß die Verknüpfungen von Inhalten im Unbewussten<br />
sichtbar, und es kann dann in <strong>de</strong>r Analyse <strong>de</strong>m Analytiker gemein-<br />
370 sam mit <strong>de</strong>m Analysan<strong>de</strong>n gelingen, tiefer liegen<strong>de</strong> Motive (Handlungs-<br />
Grün<strong>de</strong>) in ihrem Entstehen und ihrem Zusammenhang zu verstehen.<br />
3.4. Deutung von Symptomen und Verhaltensweisen<br />
Wenn sich jemand zwangsweise täglich Dutzen<strong>de</strong> von Malen die Hän<strong>de</strong><br />
wäscht, so spricht dieses neurotische Symptom aus Sicht <strong>de</strong>r Psycho-<br />
375 analyse eine recht <strong>de</strong>utliche Sprache: <strong>de</strong>r betreffen<strong>de</strong> Mensch fühlt sich<br />
schuldig und möchte seine belasten<strong>de</strong>n Schuldgefühle auf eine – allerdings<br />
unnütze – Weise beseitigen. In ähnlicher Weise lassen sich viele<br />
neurotische Symptome <strong>de</strong>uten, sei dies z.B. das zwanghafte Zählen von<br />
Gegenstän<strong>de</strong>n, das krampfhafte Ringen nach Atem bei je<strong>de</strong>m zweiten<br />
380 o<strong>de</strong>r dritten Atemzug, Erröten beim Angesprochenwer<strong>de</strong>n, zwanghaftes<br />
Kontrollieren, ob irgen<strong>de</strong>ine als wichtig gelten<strong>de</strong> Handlung (z.B. Wasser<br />
abdrehen, Licht ausschalten, Haustür zusperren) tatsächlich erfolgt ist,<br />
usf.<br />
Ausgehend von <strong>de</strong>r Annahme, dass je<strong>de</strong> Verhaltensweise wenigstens<br />
385 teilweise aus <strong>de</strong>m Unbewussten <strong>de</strong>terminiert ist, ist je<strong>de</strong>s Verhalten zumin<strong>de</strong>st<br />
ein Stück weit als Botschaft aus <strong>de</strong>m Unbewussten zu betrachten<br />
und lässt sich <strong>de</strong>mzufolge als Gegenstand <strong>de</strong>r Deutung benutzen.<br />
3.5. Traum<strong>de</strong>utung<br />
Freud bezeichnet die Traum<strong>de</strong>utung als die ‘via regia’ (<strong>de</strong>n königlichen<br />
390 Weg) zum Unbewussten. Ihr ist ein eigenes Kapitel dieser Arbeit gewidmet.<br />
3.6. Projektive Tests<br />
Mit <strong>de</strong>m ‘Assoziationsexperiment’ hatte C.G.Jung erstmals gezielt ein<br />
projektives Testverfahren entwickelt und angewen<strong>de</strong>t. Projektive Tests<br />
395 beruhen auf <strong>de</strong>r Annahme, dass Gegebenheiten <strong>de</strong>s Unbewussten in<br />
die Wahrnehmung einfließen. <strong>Die</strong> Reize, welche <strong>de</strong>r Test vorgibt, sind<br />
bewusst offen und diffus gehalten, um <strong>de</strong>r Projektion – d.h. <strong>de</strong>r durch<br />
das Unbewusste gesteuerten Wahrnehmung – einen möglichst großen<br />
Spielraum zu lassen und damit mehr Erkenntnisse über das <strong>de</strong>r bewuss-<br />
400 ten Wahrnehmung verborgene Unbewusste zu gewinnen.<br />
Der Psychologe o<strong>de</strong>r Therapeut liest dabei <strong>de</strong>m Proban<strong>de</strong>n zweimal eine<br />
Reihe von je 50 genormten Reizwörtern vor, die erfahrungsgemäß<br />
bei vielen Menschen mit psychischer Energie besetzt sind, und for<strong>de</strong>rt<br />
ihn auf, bei je<strong>de</strong>m Wort so schnell wie möglich zu sagen, welches an<strong>de</strong>-<br />
405 re Wort ihm dazu einfällt. Anhand <strong>de</strong>r sog. ‘Störungsmerkmale’ wer<strong>de</strong>n<br />
jene Wörter festgestellt, welche beim Proban<strong>de</strong>n emotional beson<strong>de</strong>rs<br />
belastet sind. Als Störungsmerkmale gelten z.B. stark beschleunigte o-<br />
<strong>de</strong>r verzögerte Reaktionen, Wortwie<strong>de</strong>rholungen, beson<strong>de</strong>re Kommentare,<br />
körperliche Reaktionen u.a.<br />
410 <strong>Die</strong> Jungianer haben sich bei diesem Test schon früh das psychogalvanische<br />
Experiment zunutze gemacht. Man stellte nämlich fest, dass bei<br />
je<strong>de</strong>r emotionalen Erregung die Schweißdrüsen aktiv wer<strong>de</strong>n, wodurch<br />
<strong>de</strong>r Hautwi<strong>de</strong>rstand sinkt und mehr Strom (z.B. von Finger zu Finger)<br />
fließen kann. Tatsächlich kann man feststellen, dass das Ampèremeter<br />
415 parallel zu <strong>de</strong>n oben genannten Störungsmerkmalen ausschlägt.<br />
4. Trieblehre<br />
<strong>Die</strong> Triebe sind jener Bereich, in welchem sich gewissermaßen das Organische<br />
und das Psychische begegnen. Tatsächlich lassen sich z.B.<br />
<strong>de</strong>r Nahrungs-, Geschlechts- o<strong>de</strong>r Aggressionstrieb durch Beeinflussung<br />
420 <strong>de</strong>s Organismus anregen o<strong>de</strong>r dämpfen. Für Freud war es darum<br />
selbstverständlich, das Triebleben als die Basis <strong>de</strong>s Psychischen zu betrachten.<br />
<strong>Die</strong>se Anschauung stand <strong>de</strong>nn auch in Übereinstimmung mit<br />
seiner damaligen Auffassung, dass die Motive <strong>de</strong>s Han<strong>de</strong>lns im Es verwurzelt<br />
und darum zumeist auch unbewusst sind.<br />
425 Es entsprach Freuds reduktionistischem Denken, dass er <strong>de</strong>r Überzeugung<br />
war, sämtliche Triebe ließen sich auf einen einzigen o<strong>de</strong>r allenfalls<br />
zwei Grundtriebe zurückführen. Der frühe Freud glaubte, einerseits im<br />
Sexualtrieb, an<strong>de</strong>rerseits in <strong>de</strong>n Ich-Trieben (Selbsterhaltungsten<strong>de</strong>nzen)<br />
diese grundlegen<strong>de</strong>n Triebe zu erkennen, in jenem Bestreben also,<br />
430 <strong>de</strong>m Organismus einerseits größtmögliche Lust zu verschaffen und ihn<br />
an<strong>de</strong>rerseits zu erhalten. Mit <strong>de</strong>r Einführung <strong>de</strong>s Narzißmus (zu Deutsch<br />
am ehesten: Selbstverliebtheit) hat er dann auch <strong>de</strong>n Ich-Trieben einen<br />
libidinösen Charakter (-> Libido) zuerkannt.<br />
Freud setzte sich zu Beginn unseres Jahrhun<strong>de</strong>rts, einer Zeit ausge-<br />
435 prägtester Prü<strong>de</strong>rie, mit dieser Sexualisierung <strong>de</strong>s gesamten Seelenlebens<br />
harter Kritik aus. Heute scheint es aber, als hätten es sich die Kritiker<br />
Freuds etwas zu einfach gemacht, in<strong>de</strong>m sie zu wenig zur Kenntnis<br />
Freud-<strong>Fellner</strong>.doc <strong>Fellner</strong>: <strong>Die</strong> <strong>Psychoanalyse</strong> Sigmund Freuds Seite 4 von 19