21. März 2010 - E1NS-Magazin
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E NS Noch<br />
e1ns fragt<br />
nach:<br />
Die Lust am Verzicht<br />
Nachdem an Fasnacht ausgiebig gefeiert, getrunken und geschlemmt wurde, soll nun<br />
in der 40-tägigen Fastenzeit der Körper gereinigt werden. Fasten ist in vielen Religionen<br />
fest verwurzelt. In Form von Entschlackung oder Hungerstreik wird heute aber<br />
auch aus therapeutischen oder politischen Gründen gefastet.<br />
Fasten Sie?<br />
Worauf könnten<br />
Sie einmal eine<br />
Weile verzichten?<br />
40 Tage soll Jesus in der Wüste gefastet haben, um sich auf sein öffentliches Wirken vorzubereiten.<br />
40 Tage sollen darum auch Christen vor Ostern fasten, um sich auf die Auferstehung<br />
Jesu vorzubereiten. Dabei wird jedoch nicht ein völliger Nahrungsverzicht gefordert, sondern ein<br />
Verzicht auf Fleisch an Werktagen und bis im 20. Jahrhundert auch auf Tanzveranstaltungen.<br />
Die Fastenzeit wird auch österliche „Bußzeit“ genannt und soll der inneren Einkehr dienen. Ein<br />
strikter Fleischverzicht während 40 Werktagen ist heute allerdings nicht mehr stark verbreitet<br />
und auch in der Kirche gelten nur der Aschermittwoch und der Karfreitag noch als strikte<br />
Fast- und Abstinenztage, wobei eine einmalige Sättigung und eine kleine Stärkung an diesen<br />
Tagen erlaubt sind. Die Kirche schlägt in der Fastenzeit jedoch auch andere Formen der Askese<br />
und Buße vor – zumal es ja auch Vegetarier gibt, für die der Fleischverzicht selbstverständlich<br />
ist. Alternative Möglichkeiten des Fastens sind etwa der Verzicht auf Süßigkeiten, Kaffee, Tee<br />
oder Alkohol. Auch das Verzichten auf Fernsehen, Musik, Computerspiele oder Kneipen- und<br />
Discobesuche sind zeitgemäße Entsagungs-Varianten. Stattdessen sollen Gläubige intensiver<br />
beten, vermehrt an Gottesdiensten teilnehmen und sich stärker der Nächstenliebe widmen. Die<br />
Reformatoren standen dem Fasten kritisch gegenüber, da für sie nicht die äußeren, sichtbaren<br />
Akte im Vordergrund stehen, sondern die Gesinnung. Martin Luther beschrieb das Fasten zwar<br />
als „feine, äußerliche Zucht“, war jedoch gegen eine Festschreibung und Pflicht zum Fasten. Ulrich<br />
Zwingli soll anno 1522 sogar an einem demonstrativen Wurstessen zu Beginn der Fastenzeit<br />
teilgenommen haben. Dennoch wird heute in vielen evangelischen Gemeinden die Fastenzeit<br />
wieder gelebt. An der 1983 ins Leben gerufenen Aktion „7 Wochen Ohne“ der Evangelischen<br />
Kirche in Deutschland nehmen mittlerweile mehr als zwei Millionen Menschen jährlich teil.<br />
Dabei soll neben Genussmitteln auch auf alltägliche Konsumgewohnheiten verzichtet werden,<br />
was zur Entwicklung anderer Aspekte von Lebensqualität beitragen soll.<br />
Im Islam gehört das Fasten im Ramadan zu den fünf Grundpflichten der Muslime. Während<br />
eines Monats muss von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang auf alle leiblichen Genüsse verzichtet<br />
werden, was neben sämtlichen Nahrungsmitteln (inklusive Wasser) auch das Rauchen<br />
und den Geschlechtsverkehr beinhaltet. Ausgenommen vom Fasten sind Kranke, Reisende,<br />
schwangere Frauen, stillende Mütter und Kinder vor der Pubertät, wobei Schwangere und<br />
Kranke die Fastentage später nachholen müssen. Zum Ramadan gehören auch die Lektüre<br />
des kompletten Korans und gegenseitige Besuche zum gemeinsamen Essen am Abend. Wie<br />
im Christentum wird das Fasten im Islam als „Gottesdienst“ betrachtet, welcher die Seele des<br />
Gläubigen reinigen und ihn Gott näher bringen soll. Das Judentum kennt nur einzelne, dafür<br />
strikte Fastentage, an welchen während mindestens 24 Stunden weder gegessen noch getrunken<br />
werden darf. Am Versöhnungstag Jom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag, sind<br />
neben Essen und Trinken auch die Körperpflege, das Tragen von Leder und sexuelle Beziehungen<br />
verboten. Jom Kippur ist der Abschluss der zehntägigen Bußzeit, die am jüdischen Neujahrsfest<br />
beginnt. Auch wenn es sich in der Form unterscheidet, ist das jüdische Fasten inhaltlich eng<br />
mit den christlichen und muslimischen Fastenzeiten verwandt.<br />
Fasten bzw. Mäßigung bei äußeren Genüssen gilt übrigens als einer der zehn Grundsätze der<br />
indischen Yoga-Lehre – die ursprünglich und in Indien heute noch vor allem spirituelle Übungen<br />
zur Gotteserkenntnis bezeichnet. Die Loslösung von den körperlichen Bedürfnissen gilt als das<br />
königliche Yoga und soll zur Harmonie mit sich und der Welt führen.<br />
Neben dem zumeist spirituell motivierten Fasten gibt es auch noch „weltlichere“ Formen des<br />
Essverzichts. Das Heilfasten soll der „Entgiftung“ oder Regeneration des Körpers dienen. Obwohl<br />
es unzählige Methoden des Heilfastens gibt (wie etwa Molkefasten oder Fastenwandern),<br />
ist es aus medizinischer Sicht umstritten und sollte nur unter ärztlicher Begleitung durchgeführt<br />
werden. Um eine per se ungesunde Form des Fastens handelt es sich beim Hungerstreik, da<br />
hier die eigene Gesundheit bewusst gefährdet wird. Ein Hungerstreik ist meist ein Mittel des<br />
politischen oder sozialen Protests mit einem konkreten und teilweise auch uneigennützigen<br />
Ziel. Einmal abgesehen vom Hungerstreik wird Fasten jedoch durchwegs als etwas Reinigendes<br />
und spirituell Bereicherndes betrachtet. Der totale Essverzicht ist sicher nicht jedermanns Sache,<br />
doch warum nicht einmal ein bisschen auf Fleisch verzichten? Abends einmal den Kopf statt<br />
den Fernseher einschalten? Oder einmal in sich statt online gehen?<br />
Text und Bilder: Reto Dräger<br />
Ich habe früher im Ramadan gefastet. Im Elternhaus<br />
mit der Familie hat man das noch<br />
eher gepflegt. Jetzt faste ich eigentlich nicht<br />
mehr, denn mit der strengen Arbeit als Automechaniker<br />
ist es etwas schwierig. Ich verzichte<br />
in der Fastenzeit aber weiterhin auf<br />
Alkohol.<br />
Behzat, Konstanz<br />
Ich habe schon einmal ganz bewusst „gefastet“,<br />
indem ich aufgehört habe zu rauchen.<br />
Inzwischen rauche ich aber wieder. Ich könnte<br />
mir gut vorstellen, wieder einmal auf das<br />
Rauchen oder auch das Fernsehen und Süßigkeiten<br />
zu verzichten, auch wenn das jetzt<br />
nicht konkret geplant ist.<br />
<br />
Armin, Salem<br />
Ich habe noch nicht gefastet, denn es wurde<br />
mir abgeraten, weil ich so dünn bin. Ich finde<br />
das Fasten aber eigentlich eine gute Sache,<br />
um den Körper innerlich zu reinigen. Was ich<br />
mir vorstellen könnte, wäre einen gesunden<br />
Tag in der Woche zu machen, an dem ich nur<br />
vegetarisch oder nur Obst essen würde. Eine<br />
gute Sache wäre auch, sich einmal ein bisschen<br />
zurückzuziehen und auf das Fernsehen<br />
zu verzichten.<br />
Susanne Brockhaus, Radolfzell<br />
Durchgehend habe ich noch nicht gefastet,<br />
aber ich verzichte regelmäßig mal eine Woche<br />
auf Alkohol oder Fleisch, um den Körper<br />
„auszuschlacken“. Verzichten könnte ich auch<br />
einmal auf das Fernsehen und dafür ein gutes<br />
Buch lesen. Dafür braucht es allerdings eine<br />
stressfreie Zeit, wo man schon ruhig ist.<br />
Walter Sänger, Konstanz