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3. Auswirkungen der Rassenlehre

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Rassenhygiene Sofia Fäh 1<br />

Inhaltsverzeichnis:<br />

1. Einleitung, Leitfrage S. 2<br />

2. Die <strong>Rassenlehre</strong> <strong>der</strong> Nationalsozialisten S. 3<br />

2.1. Der Begriff <strong>der</strong> Rassenhygiene S. 3<br />

2.2. Der Begriff „arisch“ S. 4<br />

<strong>3.</strong> <strong>Auswirkungen</strong> <strong>der</strong> <strong>Rassenlehre</strong><br />

2.1. Anfänge S. 5<br />

2.2. Euthanasie S. 6<br />

2.<strong>3.</strong> Abwertung von „spezifischen Rassen“ S. 6<br />

2.4. Medizinischer Missbrauch und systematische Vernichtung S. 7<br />

4. Gesellschaftliche Voraussetzungen S. 9<br />

4.1. Institutionalisierung S. 9<br />

4.2. Propaganda S. 10<br />

5. Zusammenfassung S. 12<br />

6. Anhang S. 13<br />

7. Literatur- und Quellenverzeichnis S. 14


Rassenhygiene Sofia Fäh 2<br />

1. Einleitung, Leitfrage<br />

Im Frühling 09 besuchte ich das Holocaust Museum Yad Vashem in Jerusalem. Als ich durch<br />

das Museum ging, wurde mir immer elen<strong>der</strong>, bis ich glaubte, das Ganze nicht mehr aushalten<br />

zu können. Ich war schockiert, wie sich aus Ideen eine Handlungsbereitschaft entwickeln<br />

kann, die schliesslich zu entsetzlichen Taten führt. Eindrücklich war es für mich, hier ein<br />

erstes Mal mit Details von „rassenhygienischen Forschungen“ konfrontiert zu werden, wie sie<br />

zur Zeit des Nationalsozialismus betrieben wurden. Ich stand vor einer Wand mit Farbpaletten<br />

für Augen und Haare, Ausmessungsinstrumenten und an<strong>der</strong>en Mitteln, welche die<br />

Nationalsozialisten zur „Rassenbestimmung“ benutzten.<br />

Wie konnten diese „rassenhygienischen Forschungen“ und die daraus resultierenden<br />

„Massnahmen“ zur „Aufwertung“ des Genmaterials mit all ihren schrecklichen<br />

Konsequenzen in <strong>der</strong> breiten Bevölkerung legitimiert und akzeptiert werden?<br />

Mit meiner Arbeit will ich dieser Frage auf den Grund gehen, indem ich versuche, die<br />

„Rassenhygiene“, ihre Entstehung und Folgen zu beschreiben und das Ganze in einen<br />

gesellschaftlichen Zusammenhang zu stellen.


Rassenhygiene Sofia Fäh 3<br />

2. Die <strong>Rassenlehre</strong> <strong>der</strong> Nationalsozialisten<br />

2.1. Der Begriff <strong>der</strong> Rassenhygiene<br />

Rassenhygiene war ursprünglich das deutsche Wort für Eugenik. Die Eugenik diente dem<br />

Zweck <strong>der</strong> „Aufartung “, das heisst <strong>der</strong> Vermehrung „guter“ (positiver) Erbanlagen in <strong>der</strong><br />

Rasse und <strong>der</strong> Verringerung von Erbkrankheiten und Genfehlern. 1 Der deutsche Arzt Alfred<br />

Ploetz benutzte den Begriff „Rassenhygiene“ erstmals und begründete ihn in seiner Schrift<br />

„Grundlinien einer Rassenhygiene“, die 1895 erschien. 2 Die Grundideen <strong>der</strong> Eugenik wurden<br />

zunehmend radikalisiert und vermischten sich mit sozialdarwinistischen und<br />

rassenanthropologischen Ideen. 3<br />

Hitler setzte sich während seiner Haft in Landsberg mit Rassenhygiene auseinan<strong>der</strong> und<br />

benutzte ihre Grundgedanken auch in seinem Buch „Mein Kampf“. Er rief dazu auf „[...]dass<br />

nur wer gesund ist, Kin<strong>der</strong> zeugt, dass es nur eine Schande gibt: bei eigener Krankheit und<br />

eigenen Mängeln dennoch Kin<strong>der</strong> in die Welt zu setzen […].“ 4 Es blieb im Hitler-Regime<br />

nicht bei <strong>der</strong> Vermehrung positiver Erbanlagen, son<strong>der</strong>n verlagerte sich mehr und mehr auf<br />

die Vernichtung „unwerten Lebens“.<br />

Definitionen<br />

„Man unterscheidet zwischen positiver Eugenik o<strong>der</strong> positiver Rassenhygiene, also<br />

<strong>der</strong> Verbesserung des Erbgutes durch züchterische Maßnahmen z. B. För<strong>der</strong>ung<br />

kin<strong>der</strong>reicher Familien, und negativer Eugenik o<strong>der</strong> negativer Rassenhygiene, das<br />

heißt <strong>der</strong> Beseitigung schlechten Erbgutes aus dem Genpool einer Bevölkerung<br />

zugunsten zukünftiger Generationen.“ 5<br />

Rassenhygiene wurde beschrieben als:<br />

„die ‚Reinigung’ des ‚Volkskörpers’ von diversen unerwünschten<br />

Bevölkerungsgruppen, seien es ‚Erbkranke’, ‚Asoziale’ und an<strong>der</strong>e ‚Min<strong>der</strong>wertige’<br />

o<strong>der</strong> Juden, ‚Zigeuner’ und an<strong>der</strong>e rassisch definierte Gruppen.“ 6<br />

1 http://de.wikipedia.org/wiki/Nationalsozialistische_Rassenhygiene, <strong>3.</strong>4.10<br />

2 http://www.hilfsschule-im-nationalsozialismus.de/seite-7.html, <strong>3.</strong>4.10<br />

3 Harten / Neirich / Schwerendt: Rassenhygiene als Erziehungsideologie des Dritten Reichs, S. 5<br />

4 Adolf Hitler, „Mein Kampf“, 1924, S. 446 in<br />

http://de.wikipedia.org/wiki/Nationalsozialistische_Rassenhygiene<br />

5 http://de.wikipedia.org/wiki/Nationalsozialistische_Rassenhygiene#Antinatalistische_Politik_und_negative_Eu<br />

genik, 2.4.10<br />

6 In: Harten / Neirich / Schwerendt: Rassenhygiene als Erziehungsideologie des Dritten Reichs, S. 4


Rassenhygiene Sofia Fäh 4<br />

2.2. Der Begriff „arisch“<br />

„[…] <strong>der</strong> deutsche Junge <strong>der</strong> Zukunft muß schlank und rank sein, flink wie<br />

Windhunde, zäh wie Le<strong>der</strong> und hart wie Kruppstahl. Wir müssen einen neuen<br />

Menschen erziehen, auf daß unser Volk nicht an den Degenerationserscheinungen <strong>der</strong><br />

Zeit zugrunde geht.” 1<br />

Hitler behauptete, aufgrund seiner Interpretation <strong>der</strong> Evolutionstheorie von Darwin, dass ein<br />

ständiger Überlebenskampf zwischen Völkern und „Rassen“ herrsche, wo nur die stärkste<br />

„Rasse“ überlebe. So begründete Hitler mit dem „Gesetz des Stärkeren“, dass je<strong>der</strong><br />

„Min<strong>der</strong>wertige“ zu vernichten wäre, um die „Rasse“ „stark“ zu halten. 2<br />

Der Begriff „Arier“ ist vom persischen „Arya“ (=edel) abgeleitet. Im Buddhismus und<br />

Hinduismus beispielsweise wird „arisch“ mit einem „edeln Geiste“ und Licht verbunden. So<br />

war eine hellere Haut erstrebenswert, denn diese galt als ein Zeichen für einen „edeln Geist“.<br />

In einzelnen deutschen Kreisen wurde behauptet, die Arier stammten ursprünglich aus<br />

Deutschland und Skandinavien. Die arische Art zeige sich in <strong>der</strong> Überlegenheit ihrer Kultur.<br />

Im Dritten Reich wurde <strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> „Arier“ weiter ausgebaut. So wurde die „arische<br />

Rasse“ als eine körperlich und geistig überlegene „Herrenrasse“ definiert, die alles<br />

„nichtarische“ unterwerfen sollte. Als beson<strong>der</strong>s „arisch“ galten hellhäutige, blauäugige und<br />

blonde Menschen, wobei Kultur und Sprache ebenfalls ausschlaggebend waren. Die<br />

Zugehörigkeit zur „arischen Rasse“ wurde von den Nationalsozialisten als genetisch bedingt<br />

angesehen. So war es beispielsweise nicht von Belang, ob man sein Leben als konvertierter<br />

deutscher Christ geführt hatte, wenn man „jüdische Gene“ besass, war man „nichtarisch“. 3<br />

1 Adolf Hitler am 14. September 1935, Der Parteitag <strong>der</strong> Freiheit vom 10. bis 16. September 1935. Offizieller<br />

Bericht über den Verlauf des Reichsparteitages mit sämtlichen Kongressreden, München 1935, S. 183 in<br />

http://de.wikipedia.org/wiki/Herrenrasse 5.4.10<br />

2 http://www.dhm.de/lemo/html/nazi/innenpolitik/meinkampf/, 5.4.10<br />

3 http://de.wikipedia.org/wiki/Arier#Begriffsgebrauch, 5.4.10


Rassenhygiene Sofia Fäh 5<br />

<strong>3.</strong> <strong>Auswirkungen</strong> <strong>der</strong> <strong>Rassenlehre</strong><br />

<strong>3.</strong>1. Anfänge<br />

Otmar Freiherr von Verschuer, Humangenetiker und Rassenhygieniker, war <strong>der</strong><br />

Überzeugung, dass die Erbanlage eines Menschen sein Schicksal bestimme:<br />

„Für jeden Menschen sind durch seine Erbveranlagung schicksalhaft bestimmte<br />

Grenzen für seine Entwicklung festgelegt. Ein Neger kann keine weißen Kin<strong>der</strong><br />

erzeugen, erblich Schwachsinnige haben wie<strong>der</strong>um vorwiegend schwachsinnige<br />

Kin<strong>der</strong>, bestimmte Missbildungen übertragen sich nach bekannter Gesetzmäßigkeit<br />

usw. Das sind Grenzen, die durch unsere Forschung immer klarer und sicherer<br />

abgesteckt werden. Sie sind nicht überschreitbar.“ 1<br />

Diese Überzeugung setzte sich im Denken <strong>der</strong> Nationalsozialisten fest und radikalisierte sich<br />

zunehmend.<br />

Angefangen wurde mit Anreizen für Mutterschaft von „erbgesunden“ Frauen: Der Staat<br />

unterstützte solche finanziell und ehrte kin<strong>der</strong>reiche Familien öffentlich. Für Kin<strong>der</strong>lose<br />

wurden Geldstrafen bzw. eine höhere Besteuerung veranlasst. Dies war nicht nur eine<br />

„Massnahme“ zur Vermehrung „gesunden“ Genmaterials, son<strong>der</strong>n auch grundsätzlich eine<br />

Reaktion auf die damals sinkende Geburtenrate.<br />

Bald wurden „erbkranke“ Frauen und Männern entwe<strong>der</strong> zwangssterilisiert o<strong>der</strong> <strong>der</strong>en<br />

Eheschliessung verboten. Man begann, vor <strong>der</strong> Eheschliessung „erbgesundheitsärztliche“<br />

Untersuchungen durchzuführen, bei welchen bestimmt wurde, wie mit den Heiratswilligen<br />

„verfahren“ werden sollte. Als „erbkrank“ galten: „[...]‚gemeingefährliche Irre’,<br />

Gewohnheitsverbrecher und an<strong>der</strong>e ‚Schädlinge <strong>der</strong> Gesellschaft’“ 2 . Als Nächstes wurde <strong>der</strong><br />

Begriff auf alle ausgeweitet, die das System „belasteten“: „[...]Landstreicher, Arbeitsscheue,<br />

Hausierbettler, Trunkenbolde, Verbrecher, Prostituierte und Zuhälter [...] sowie ‚Blöd- und<br />

Schwachsinnige’, Geisteskranke, Epileptiker, anstaltsbedürftige Blinde, Taubstumme,<br />

Krüppel, Invalide und Sieche etc.“ 3<br />

1 Verschuer, Erbbild vom Menschen, S.12. in Schmuhl: Grenzüberschreitungen, S. 402<br />

2 Harten / Neirich / Schwerendt: Rassenhygiene als Erziehungsideologie des Dritten Reichs, S. 6<br />

3 Harten / Neirich / Schwerendt: Rassenhygiene als Erziehungsideologie des Dritten Reichs, S. 6 und Schmuhl:<br />

Grenzüberschreitungen, S.410 - 416


Rassenhygiene Sofia Fäh 6<br />

<strong>3.</strong>2. Euthanasie<br />

Als weiterführende „Massnahme“ kam es zur Vernichtung „lebensunwerten Lebens“<br />

(„Euthanasie“), die anfangs 1940 zunächst illegal „durchgeführt“ wurde. Bald darauf wurde<br />

ein Gesetzesentwurf zur Legalisierung <strong>der</strong> „Euthanasie-Aktion“ ausgearbeitet. Es wurde<br />

verlangt (laut §1), dass demjenigen, <strong>der</strong> an einer unheilbaren Krankheit leide, das Recht auf<br />

Sterbehilfe gewährt sei und dass das Leben von Menschen, die aufgrund ihrer unheilbaren<br />

Krankheit ihr Leben lang an<strong>der</strong>en „zur Last“ fallen würden, durch ärztliche Massnahmen<br />

beendet werden dürfte (laut §2). Die „Euthanasie-Aktion“ beschränkte sich nicht nur auf<br />

Erwachsene, schon Kin<strong>der</strong> sollten so bald wie möglich „von ihren Leiden befreit werden“,<br />

damit Eltern „ungehin<strong>der</strong>t“ weitere gesunde Nachkommen zeugen könnten. Hitler lehnte die<br />

Legalisierung <strong>der</strong> „Euthanasie“ zwar ab, unterband sie aber nicht. Ihr fielen während des<br />

gesamten Regimes mindestens 70'000 behin<strong>der</strong>te o<strong>der</strong> kranke Menschen zum Opfer. 1<br />

<strong>3.</strong><strong>3.</strong> Abwertung von „spezifischen Rassen“<br />

Bis dahin hatten „rassistische“ Aspekte noch keine Rolle gespielt: Die „Wertung“ bezog sich<br />

noch nicht spezifisch auf die Unterscheidung verschiedener menschlicher Rassen. Hitlers Idee<br />

von <strong>der</strong> arischen Rasse vermischte Rassenhygiene und Rassenanthropologie. Forscher<br />

behaupteten beispielsweise, dass es Intelligenzunterschiede zwischen den einzelnen Rassen<br />

gäbe. Nun galt es für die Nationalsozialisten, mit allen Mitteln zu verhin<strong>der</strong>n, dass sich das<br />

„arische Blut“ mit „min<strong>der</strong>wertigem Blut“ mischt, denn dies würde zu einem „Nie<strong>der</strong>gang <strong>der</strong><br />

Rasse“ führen. 2 Der Begriff <strong>der</strong> „Min<strong>der</strong>wertigkeit“ wurde auf Juden, Roma und Sinti und<br />

Dunkelhäutige ausgeweitet. Forscher begannen, diese „Rassen“ äusserlich zu definieren. Der<br />

deutsche Mediziner, Anthropologe und Rassenhygieniker Eugen Fischer äusserte sich zum<br />

„Rassentypus des Judentums“ folger<strong>der</strong>massen:<br />

„Nun sieht aber <strong>der</strong> Kundige an allen Rassen, so auch an den Grundrassen <strong>der</strong> Juden,<br />

eine Menge physiognomischer Einzelheiten [...]. Man erkennt oft mit völliger<br />

Sicherheit einen Juden als solchen, auch wenn er keine sog. Judennase [...] hat. Es<br />

gibt ein Etwas [...] in <strong>der</strong> jüdischen Physiognomie, was nicht messbar, kaum im<br />

einzelnen so beschreibbar ist, dass sich <strong>der</strong> Leser o<strong>der</strong> Hörer ein klares Bild davon<br />

machen kann. Es wird aber kein Mensch daran zweifeln, dass man sehr zahlreiche<br />

1 Schmuhl: Grenzüberschreitungen, S.416 - 422<br />

2 Harten / Neirich / Schwerendt: Rassenhygiene als Erziehungsideologie des Dritten Reichs, S. 5 - 10


Rassenhygiene Sofia Fäh 7<br />

Juden mit völliger Sicherheit aus Nichtjuden heraus erkennen kann. [...] Es ist nicht<br />

angängig, die Angabe eines allgemeinen ‚Eindruckes’ von ‚jüdisch’ bei <strong>der</strong><br />

Beurteilung <strong>der</strong> Bil<strong>der</strong> als unwissenschaftlich abzutun.“ 1<br />

<strong>3.</strong>4. Medizinischer Missbrauch und systematische Vernichtung<br />

Die so genannten „Erbkranken“ wurden zu medizinischen Zwecken missbraucht und dann<br />

systematisch vernichtet. In den Jahren 1940/41 wurde ein Massenmord in Gaskammern an<br />

psychisch Kranken und geistig behin<strong>der</strong>ten Menschen unter dem Namen „Aktion T4“<br />

durchgeführt. Auch verübten Einsatzgruppen <strong>der</strong> Sicherheitspolizei und <strong>der</strong> SD Massaker.<br />

Diese „Massnahmen“ waren <strong>der</strong> deutschen Bevölkerung weitgehend bekannt und wurden<br />

toleriert. Die Forschung leistete mehr und mehr Beihilfe zur Ermordung unzähliger<br />

unschuldiger Menschen, indem sie sich nicht mehr von <strong>der</strong> Politik abgrenzte, son<strong>der</strong>n mit ihr<br />

zusammenarbeitete.<br />

Dies auch, als die Nationalsozialisten zunehmend eine „Endlösung <strong>der</strong> Judenfrage“ suchten.<br />

Die Forschung nutzte diese „Gelegenheit“ zu eigenen Zwecken. So wollte man beispielsweise<br />

eine jüdische Schädelsammlung anlegen, um „greifbare“ wissenschaftliche Ergebnisse <strong>der</strong><br />

„Rassenbestimmung“ zu erzielen. Man deportierte Juden vor aller Augen aus dem deutschen<br />

Reich unter dem Vorwand einer „Umsiedlung“ und eines „Arbeitseinsatzes im Osten“. Die<br />

deutsche Bevölkerung nahm den ganzen Deportierungsprozess stillschweigend unter diesem<br />

Vorwand hin. Dies bedurfte einer riesigen Selbsttäuschung, nachdem man auch<br />

beispielsweise von <strong>der</strong> „Aktion T4“ erfahren hatte. In Ghettos, Arbeits- und<br />

Konzentrationslagern wurde die systematische Massenvernichtung <strong>der</strong> Juden durchgeführt. 2<br />

Auch die Roma und Sinti waren den Nationalsozialisten ein Dorn im Auge. Die<br />

„Zigeunerfrage“ wurde gleich wie die „Judenfrage“ als „Rassenproblem“ angesehen, das es<br />

zu „lösen“ galt. Die Roma und Sinti galten nämlich auch als „artenfremde Rasse“ und wegen<br />

ihrem „asozialen“ Verhalten wurde ihnen ein „Genfehler“ zugeschrieben, <strong>der</strong> sie zu<br />

„Min<strong>der</strong>wertigen“ machte. Auch ihnen wurden „rassentypische Merkmale“ zugeschrieben: So<br />

glaubten Forscher beispielsweise, anhand von Fingerabdrücken die „Reinrassigkeit des<br />

Zigeuners“ feststellen zu können. Die Roma und Sinti wurden in Konzentrationslager o<strong>der</strong><br />

Internierungslager deportiert, wo man sie weiter „erforschte“. Dies mit dem Ziel, eine<br />

„wissenschaftliche“ Grundlage für die Vernichtung <strong>der</strong> Roma und Sinti zu schaffen. 3<br />

1 Fischer / Kittel: Weltjudentum, S.113 in Schmuhl: Grenzüberschreitungen, S.445/446<br />

2 Schmuhl: Grenzüberschreitungen, S. 444 - 449<br />

3 Ebd., S. 464 - 470


Rassenhygiene Sofia Fäh 8<br />

Für die Forschung und Medizin gab es nun keine Grenzen mehr. Das menschliche Denken<br />

hatte sich zum grossen Teil ausgeschaltet. Was noch zählte, war <strong>der</strong> Fortschritt. So wies <strong>der</strong><br />

rumänisch-ungarische Mediziner auf die „Vorteile“ <strong>der</strong> Konzentrationslager hin:<br />

„Ein in <strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong> Medizin weltweit nie dagewesenes Ereignis wird hier<br />

realisiert: Zur gleichen Zeit sterben Zwillingsgeschwister und es besteht die<br />

Möglichkeit, ihre Leichen einer Sektion zu unterziehen. Wo gibt es schon im normalen<br />

Leben den an ein Wun<strong>der</strong> grenzenden Fall, dass Zwillinge am gleichen Ort, zur<br />

gleichen Zeit sterben? [...] Eine vergleichende Sektion ist also unter normalen<br />

Umständen absolut unmöglich. Im Lager von Auschwitz aber gibt es mehrere hun<strong>der</strong>t<br />

Zwillingspaare, ihr Tod bietet mehrere hun<strong>der</strong>t Möglichkeiten.“ 1<br />

Forschungen wurden nicht nur an Toten, son<strong>der</strong>n auch an Lebenden durchgeführt. Für die<br />

Todesursache interessierte man sich nicht und es gab nach dem Krieg Forscher, die<br />

behaupteten, nichts von Vernichtungslagern gewusst zu haben. 2 Bei wertvollem und<br />

interessantem „Menschenmaterial“ wurde dem Tod manchmal etwas „nachgeholfen“, um die<br />

Forschung nicht „aufzuhalten“. Man versuchte sogar, „unwerte“ Menschen zu „arisieren“,<br />

indem man beispielsweise versuchte, ihre Augenfarbe zu verän<strong>der</strong>n. Die „Versuchsobjekte“<br />

litten unter starken Nebenwirkungen wie eiternde Augen bis Erblindungen. Müttern wurden<br />

ihre Neugeborenen weggenommen, Versuche wurden an ihnen durchgeführt und falls sie es<br />

überlebten, wurden sie zurück gebracht. 3 Die Menschen in den Konzentrationslagern galten<br />

nur noch als Objekte, die nichts wert waren.<br />

1 Nyiszli, Jenseits, S. 42. Vgl. Massin, Mengele, S. 210 – 217, in Schmuhl: Grenzüberschreitungen S. 478<br />

2 Schmuhl: Grenzüberschreitungen S. 486 / 487<br />

3 Ebd., S. 496 – 502


Rassenhygiene Sofia Fäh 9<br />

4. Gesellschaftliche Voraussetzungen<br />

Wie bereits erwähnt, ging die Rassenhygiene aus <strong>der</strong> Eugenik, dem Sozialdarwinismus, <strong>der</strong><br />

Rassenanthropologie und völkischen Aspekten hervor. Diese hatten als Folge des ersten<br />

Weltkriegs und <strong>der</strong> Weltwirtschaftkrise an Bedeutung gewonnen: Das Verlangen nach einer<br />

geschlossenen volksgemeinschaftlichen Ordnung, in <strong>der</strong> Freiheitsansprüche des Einzelnen<br />

unter das Wohl des Volkes gestellt wurden, führten zu einer „Toleranz“ <strong>der</strong> Ausgrenzung<br />

„unwerten“ Lebens zum „Schutze“ <strong>der</strong> „Volksgesundheit“. 1<br />

Der Sozialdarwinismus zielte auf eine Bildungsreform, im Sinne einer „Chancengleichheit“<br />

für alle. Das heisst, Menschen mit „natürlichen“ o<strong>der</strong> angeborenen Begabungen sollten nicht<br />

an <strong>der</strong> freien Entfaltung ihrer Begabungen, durch „Unbegabte“ gehin<strong>der</strong>t werden. Die<br />

Eugenik zielte, wie bereits erwähnt, auf eine Vermehrung „positiven“ Erbmaterials. Auch dies<br />

brachte die For<strong>der</strong>ung nach einer Reform mit sich: Rassenhygiene sollte im Lehrplan<br />

aufgenommen werden und die Schulzeiten verkürzt, „[...] damit die ‚Begabten’ schneller zur<br />

Familiengründung kommen und sich fortpflanzen können.“ 2<br />

Die Nationalsozialisten vermischten Sozialdarwinismus und Eugenik mit <strong>der</strong> Anthropologie,<br />

<strong>der</strong> „Wissenschaft des Menschen“ und bildeten daraus ihre „<strong>Rassenlehre</strong>“. Dadurch ersetzten<br />

sie Begriffe wie „die Gesellschaft belastende“ bzw. „nicht-belastende“ Individuen durch eine<br />

gezielte, pseudo-wissenschaftliche und rassistische Einteilung <strong>der</strong> Menschen. Die<br />

Wissenschaft diente zunehmend <strong>der</strong> Ideologie:<br />

„Das Parallelgehen von politischen und wissenschaftlichen Gedanken ist kein Zufall,<br />

son<strong>der</strong>n innere Notwendigkeit. [...] Wir Erbbiologen und Rassenhygieniker [...]<br />

bleiben in <strong>der</strong> Stille unserer wissenschaftlichen Forschungstätigkeiten aus <strong>der</strong> inneren<br />

Überzeugung heraus, dass auch auf diesem Felde Schlachten geschlagen werden, die<br />

für den Fortbestand unseres Volkes von größter Bedeutung sind.“ 3<br />

(Humangenetiker, Rassenhygieniker und „Erbarzt“ Otmar Freiherr von Verschuer)<br />

4.1. Institutionalisierung<br />

Die Institutionalisierung <strong>der</strong> Rassenhygiene im Bildungssystem erfolgte vor allem auf zwei<br />

Ebenen: Einerseits auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> medizinischen Ausbildung und Lehrerbildung, indem<br />

<strong>Rassenlehre</strong> und Vererbungslehre an den Schulen eingeführt wurden und auch zur<br />

1 Harten / Neirich / Schwerendt: Rassenhygiene als Erziehungsideologie des Dritten Reichs, S. 5-7<br />

2 Ebd., S. 6<br />

3 Verschuer, Erbbild des Menschen, S.12 in Schmuhl: Grenzüberschreitungen, S.402


Rassenhygiene Sofia Fäh 10<br />

Hochschulausbildung für Lehrer gehörten. An<strong>der</strong>erseits wurden rassenpolitische Ziele im<br />

Bildungssystem umgesetzt, indem in öffentlichen Schulen die Kin<strong>der</strong> „Min<strong>der</strong>wertiger“,<br />

sowie Lernschwache o<strong>der</strong> Schwererziehbare „aussortiert“ wurden. Sie wurden in<br />

„Son<strong>der</strong>schulen“, „Jugendschutzlager“ o<strong>der</strong> „Heilanstalten“ eingewiesen, wo später viele von<br />

ihnen <strong>der</strong> „Euthanasie“ zum Opfer fielen. „Nicht-arische“ Schüler, wie Juden, Roma und Sinti<br />

o<strong>der</strong> Polen, wurden von <strong>der</strong> öffentlichen Schule entwe<strong>der</strong> ganz o<strong>der</strong> spätestens nach <strong>der</strong><br />

Grundausbildung ausgeschlossen. Vor Anmeldung zu einem Studium musste man sich<br />

erbbiologischen Untersuchungen unterziehen, je<strong>der</strong> hatte eine Ahnen- und Sippentafel und ein<br />

„Erbgesundheitsattest“ vorzuweisen. So konnten sich nationalsozialistische Werte und Ideen<br />

leichter in den Köpfen „arischer“ Kin<strong>der</strong> festsetzten, zudem wurde es ihnen von Anfang an<br />

verunmöglicht, mit an<strong>der</strong>n Kin<strong>der</strong>n in Kontakt zu kommen. 1<br />

4.2. Propaganda<br />

2<br />

Abbildung 1: Vorbereitung <strong>der</strong> Euthanasie. Aus <strong>der</strong> Dia-Serie "Blut und Boden", die für Schulungszwecke<br />

eingesetzt wurde.<br />

Der grösste Teil <strong>der</strong> Umsetzung politischer Ziele geschah in <strong>der</strong> öffentlichen Propaganda: Es<br />

wurden beispielsweise Kin<strong>der</strong>bücher, Zeitungen und Plakate mit antisemitischen<br />

Zeichnungen und Texten gedruckt und überall verteilt o<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>spiele hergestellt, <strong>der</strong>en<br />

1 Harten / Neirich / Schwerendt: Rassenhygiene als Erziehungsideologie des Dritten Reichs, S. 21-22<br />

2 Abbildung 1: http://germanhistorydocs.ghi-dc.org/images/highres_30009704%20copy1.jpg, 8.4.10


Rassenhygiene Sofia Fäh 11<br />

Inhalt es war, „den Juden“ zu vertreiben. Die Bevölkerung wurde überall daran erinnert, dass<br />

es unerwünschte „Schädlinge“ in <strong>der</strong> Gesellschaft gäbe.<br />

„Der Jude, nur scheinbar darauf ausgehend, die Lage des Arbeiters zu verbessern, in<br />

Wahrheit aber die Versklavung und damit die Vernichtung aller nichtjüdischer Völker<br />

beabsichtigt.“ 1<br />

Man stellte die „arische“ Bevölkerung manchmal sogar in die Rolle des Opfers, wie Hitler<br />

beispielsweise in „Mein Kampf“ schreibt:<br />

„Der Jude lauert stundenlang, satanische Freude in seinem Gesicht, auf das<br />

ahnungslose Mädchen, das er mit seinem Blute schändet und damit seinem, des<br />

Mädchens, Volke raubt.“ 2<br />

1 In: Hitler, „Mein Kampf“, S.351. Zit. Nach: Dokumente über die Verfolgung jüdischer Bürger in Baden-<br />

Württemberg durch das Nationalsozialistische Regime 1933-1945, Bd. 1, hrsg. Von <strong>der</strong> Archivdirektion<br />

Stuttgart, bearbeitet von P. Sauer, Stuttgart 1966, S. 86 f. In (verteiltem Dossier zum Nationalsozialismus)<br />

Horizonte II, S. 307, 2008<br />

2 In: Hitler, „Mein Kampf“, S.357. Ebd. S. 307


Rassenhygiene Sofia Fäh 12<br />

5. Zusammenfassung<br />

Nun zurück zu meiner Leitfrage:<br />

Wie konnten diese „rassenhygienischen Forschungen“ und die daraus resultierenden<br />

„Massnahmen“ zur „Aufwertung“ des Genmaterials mit all ihren schrecklichen<br />

Konsequenzen in <strong>der</strong> breiten Bevölkerung legitimiert und akzeptiert werden?<br />

Bei <strong>der</strong> Bearbeitung des Themas ist mir bewusst geworden, dass mehrere Faktoren<br />

zusammenwirkten:<br />

1. Krieg und Wirtschaftskrise<br />

2. Versprechen, „Führer-Kult“<br />

<strong>3.</strong> Propaganda, „Sündenbock“-Thematik<br />

4. Erziehungs- Bildungmassnahmen, „Verwissenschaftlichung“<br />

5. Militär- und Gewaltregime, dominantes Regime, unmündiges Volk<br />

1. Die Nationalsozialisten „stocherten in offenen Wunden“, wie beispielsweise <strong>der</strong> Armut<br />

o<strong>der</strong> <strong>der</strong> hohen Arbeitslosigkeit, hervorgerufen durch den Krieg und die Weltwirtschaftskrise.<br />

2. Die ersten Versprechen <strong>der</strong> Nationalsozialisten waren „Brot und Arbeit“, was in <strong>der</strong> breiten<br />

Bevölkerung auf Begeisterung stiess. Mut und Zuversicht wurde den Menschen<br />

zugesprochen, Hoffnung kam auf und liess den Führer zum Erlöser werden (s. Anhang!). Mit<br />

grossen Aufmärschen und „Massenveranstaltungen“ gab man <strong>der</strong> Bevölkerung eine<br />

Identifikationsebene und ein „Nationalgefühl“.<br />

<strong>3.</strong> Auch lieferten die Nationalsozialisten Schuldige, die für das Schlechte, was dem „Volk“<br />

wi<strong>der</strong>fahren sei, verantwortlich gemacht werden konnten. Täglich wurde die Bevölkerung an<br />

die „Schuld <strong>der</strong> An<strong>der</strong>n“ durch Antisemitistische und rassistische Propaganda erinnert.<br />

4. Wissenschaft und Bildungswesen rückten immer näher an die Politik, womit die politisch<br />

fragwürdigen Handlungen legitimiert wurden. Das „Volk“ wurde zu Autoritätsgläubigkeit<br />

„erzogen“.<br />

5. Wer sich gegen das Regime stellte, wurde unterdrückt o<strong>der</strong> beseitigt. Militär- und<br />

Polizeitgewalt waren überall präsent, so dass keiner mehr zu wi<strong>der</strong>sprechen wagte. So<br />

konnten die NS-Ideen als einzige Wahrheit in das Bewusstsein <strong>der</strong> Menschen dringen.<br />

Fazit:<br />

Die nationalsozialistische „Gehirnwäsche“ wuchs auf dem Boden <strong>der</strong> Krise in <strong>der</strong> Hoffnung<br />

auf einen starken Retter. So unglaublich das Ganze tönt, halte ich es dennoch nicht für<br />

ausgeschlossen, dass sich Menschen unter gleichen Umständen auch heute o<strong>der</strong> in Zukunft<br />

gleich verhalten könnten – ein erschrecken<strong>der</strong> Gedanke!


Rassenhygiene Sofia Fäh 13<br />

6. Anhang<br />

„ Adolf Hitler!<br />

Dir sind wir allein verbunden! Wir wollen in dieser Stunde das Gelöbnis erneuern:<br />

Wir glauben auf dieser Erde allein an Adolf Hitler.<br />

Wir glauben, dass <strong>der</strong> Nationalsozialismus <strong>der</strong> allein seligmachende Glaube für unser<br />

Volk ist.<br />

Wir glauben, dass es einen Herrgott im Himmel gibt, <strong>der</strong> uns geschaffen hat, des uns<br />

führt, <strong>der</strong> und lenkt und <strong>der</strong> uns sichtbarlich segnet.<br />

Und wir glauben, dass dieser Herrgott uns Adolf Hitler gesandt hat, damit<br />

Deutschland für alle Ewigkeit ein Fundament werde.“<br />

(Reichsleiter Dr. Robert Ley am 10. Februar 1937) 1<br />

1 Neue Gesellschaft für Bildende Kunst und Kunstamt Kreuzberg (Hg.), Faschismus, Berlin 1976, S. 85.


Rassenhygiene Sofia Fäh 14<br />

7. Literatur- und Quellenverzeichnis<br />

Bücher:<br />

1. Schmuhl, Hans-Walter: Grenzüberschreitungen. Das Kaiser-Willhelm-Institut für<br />

Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik 1927-1945. Band 9. Göttingen 2005.<br />

2. Harten, Hans-Christian/ Neirich, Uwe/ Schwerendt, Matthias: Rassenhygiene als<br />

Erziehungsideologie des Dritten Reichs. Bio-bibliographisches Handbuch. Band 10. Berlin<br />

2006.<br />

Dossier:<br />

1. Dossier zum Nationalsozialismus, Horizonte II<br />

Internetseiten:<br />

1. www.wikipedia.org, 2.4.10 – 8.4.10<br />

2. http://www.dhm.de/lemo/html/nazi/innenpolitik/meinkampf/ 5.4.10<br />

<strong>3.</strong> http://www.hilfsschule-im-nationalsozialismus.de/seite-7.html <strong>3.</strong>4.10<br />

Bildquellen:<br />

Abbildung 1.:<br />

http://germanhistorydocs.ghi-dc.org/images/highres_30009704%20copy1.jpg, 8.4.10<br />

Titelblatt:<br />

1. http://www.eugenicsarchive.org/images/eugenics/detail/2251-2300/2276d-12-year-oldmale-twins-un<strong>der</strong>going-anthropometric-study-by-Otmar-Freiherr-von-Verschuer.jpg<br />

7.4.10<br />

2. http://www.jmberlin.de/toedliche-medizin/img/zwillinge.jpg

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