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Foto: Reinhard Kraus<br />
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gemeinsam leben<br />
ausgabe herbst 2013<br />
zeitschrift für freie pädagogik<br />
herausgegeben von der lernwerkstatt im wasserschloss pottenbrunn – für aktives und selbstbestimmtes lernen
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editorial, impressum, kindermund<br />
gemeinschaft als basis für das<br />
menschliche leben<br />
leben, wie’s der seele gut tut<br />
der mensch ist ein wesen der<br />
heimkehr<br />
das leben in gemeinschaft - ein<br />
traum?<br />
wozu struktur?<br />
was macht eigentlich: saija crillovich<br />
unbekannte reformpädagogInnen:<br />
jiddu krishnamurti<br />
a rainbow wouldn’t be a rainbow ...<br />
istrien 2013<br />
die phasen der l<strong>ws</strong>-eltern<br />
eine reise nach montenegro<br />
schulalltag<br />
l<strong>ws</strong>-abgängerInnen 2013<br />
vom bildungskongress 2013 in<br />
zürich<br />
freilerner: zu hause ist da, wo<br />
man sich nicht erklären muss!<br />
buchtipps<br />
cartoon<br />
dramolett, filmtipp<br />
veranstaltungen<br />
impressum<br />
Medieninhaber und Herausgeber (Verleger):<br />
Verein „Mit Kindern wachsen“ -<br />
Initiative für aktives und offenes Lernen<br />
Verlagspostamt: 3140 Pottenbrunn<br />
Aufgabepostamt: 3100 St. Pölten<br />
Redaktion: Kay Mühlmann, Rainer Wisiak, Maria<br />
Altmann-Haidegger, Paul Braunstätter, Franz Josef<br />
und Brigitte Gaugg, Sonia Höllerer, Reinhard Kraus,<br />
Tobias Steirer, Luise Muschailov (Cartoon)<br />
freigeist@lernwerkstatt.<strong>ws</strong><br />
<strong>Lernwerkstatt</strong> im Wasserschloss Pottenbrunn<br />
Josef-Trauttmansdorff-Str. 10<br />
3140 Pottenbrunn<br />
Schulinfo/Aboservice: fon 02742-43550 (fax 42457)<br />
info@lernwerkstatt.at, www.lernwerkstatt.at<br />
Kto 22996, Sparkasse Herzogenburg, BLZ 20219<br />
IBAN: AT 382021900000022996, BIC: SPHEAT21<br />
Anzeigen: Brigitte Gaugg, gaugg@lernwerkstatt.<strong>ws</strong><br />
Layout: Franz Josef Gaugg, Reinhard Kraus<br />
Druck: DURABO Čelákovice<br />
Offenlegung gemäß §25 Mediengesetz: ,<br />
Der Verein „Mit Kindern wachsen“ ist zu 100% Inhaber<br />
dieser Zeitschrift. Es erscheinen keine weiteren<br />
Medien.<br />
editorial<br />
Liebe Leserinnen, liebe Leser!<br />
Vor vier Jahren erschien im freigeist ein Interview<br />
mit <strong>Lernwerkstatt</strong>-Mitbegründer<br />
Markus Distelberger, in welchem er von<br />
den ersten Schritten des damals gerade<br />
entstehenden Gemeinschaftsprojektes<br />
„Garten der Generationen“ erzählte. Seither<br />
ist viel geschehen. Grünland wurde<br />
zu Bauland umgewidmet, ein „Vermögenspool“<br />
aufgebaut. Ein gemeinsamer<br />
Gemüse- und Gartenbau hat sich dauerhaft<br />
etabliert und diesen Sommer wurde<br />
der erste Holz-Strohballen-Lehmbau errichtet.<br />
Für diese Ausgabe befragte Tobias<br />
Steirer Markus Distelberger zu den nun<br />
nächsten Schritten und auch darüber,<br />
was für ihn die wesentlichen Eckpunkte<br />
von Gemeinschaften sind.<br />
Dass wir diesem freigeist das Thema „Gemeinschaft“<br />
gewidmet haben, kommt<br />
nicht von ungefähr – denn auch die<br />
<strong>Lernwerkstatt</strong> versteht sich als solche.<br />
Eine Gemeinschaft, die kommendes Jahr<br />
ihr 25-jähriges Bestehen feiern wird! Wo<br />
diese Gemeinschaft immer am stärksten<br />
spürbar wird – in Istrien – davon erzählt<br />
Sonia Höllerer. Unsere Jugendlichen<br />
Leonie Mayr und Johanna Gaisrucker<br />
berichten von der gemeinsamen Reise<br />
aller AbgängerInnen nach Montenegro,<br />
welche durch die Einnahmen aus dem<br />
gemeinsam organisierten Schulball<br />
Wirklichkeit werden konnte.<br />
Erweitern wollen wir dieses Thema, indem<br />
wir das PAN-Projekt (für gemeinschaftliche<br />
Gesellschaftsentwicklung) im<br />
kindermund<br />
Waldviertel vorstellen und auch einen<br />
Blick hinter die Klostermauern werfen:<br />
Franz Josef Gaugg hat Herrn Fürnsinn,<br />
den Probst des Stiftes Herzogenburg<br />
dazu befragt, wie Augustiner schon seit<br />
Jahrhunderten Gemeinschaft leben und<br />
verstehen.<br />
Oft gehen Gemeinschaften auch durch<br />
eine Zeit der Krise. Davon erzählen die<br />
beiden Artikel von Paul Braunstätter<br />
und Katharina Lechthaler. Letztere beschreibt,<br />
wie es Gemeinschaften mit Hilfe<br />
der „Soziokratie“ gelingen kann, aus<br />
einer Krise gestärkt hervorzugehen.<br />
Abrunden wollen wir das Thema „Gemeinschaft“<br />
mit vielen Buchtipps, die<br />
dieses Mal Florence Holzner, Teammitglied<br />
der Tsibutsang GesmbH (Wohnen<br />
mit sozialem Mehrwert) für den freigeist<br />
zusammengestellt hat.<br />
In den regelmäßigen Rubriken stellen<br />
wir als unbekannten Reformpädagogen<br />
in dieser Ausgabe Jiddu Krishnamurti<br />
vor. Saija Crillovich erzählt von ihrem<br />
Weg, seit sie vor 14 Jahren die <strong>Lernwerkstatt</strong><br />
verlassen hat. Die Freilerner<br />
sind dieses Mal mit einem Bericht vom<br />
Sommer-Treffen in Leibnitz vertreten<br />
und Christine Glaser-Ipsmiller berichtet<br />
vom 1. Kongress der Initiative „Schulen<br />
im Aufbruch“ in Zürich.<br />
Viel Spaß beim Durchschmökern dieser<br />
an Artikeln bunten Ausgabe wünscht Ihnen<br />
im Namen der Redaktion<br />
Rainer Wisiak<br />
Olivia (4 Jahre) sieht sich ein Buch über das Weltall an. Sie bittet ihre<br />
Mama, ihr die Seite mit dem Sonnensystem vorzulesen. Die Mama liest: „In<br />
der Mitte ist die Sonne, dann kommt der Merkur“. Olivia sieht ihre Mama<br />
an, deutet auf die Venus und sagt: „Und das ist die Billa, oder was?“<br />
Einige Tage nachdem wir einen wunderschönen Vollmond gesehen haben,<br />
stehen wir wieder auf der Terrasse und schauen zum Himmel. Da<br />
meint Flora (2 Jahre) ganz enttäuscht: „Oh je, Mond kaputt.“<br />
Sie möchten auch im freigeist inserieren? Infos & Mediadaten-Bestellung unter Tel: 02782/83160 oder bw.gaugg@aon.at
freigeist herbst 2013<br />
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freigeist herbst 2013<br />
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gemeinschaft als basis für<br />
das menschliche leben<br />
Diesen Sommer wurde im „Garten der Generationen“ der erste Holz-Strohballen-Lehmbau errichtet. Über die<br />
Wichtigkeit gemeinschaftlichen Engagements und die nächsten Schritte des Projektes hat Tobias Steirer den<br />
<strong>Lernwerkstatt</strong>-Mitbegründer Markus Distelberger befragt.<br />
d<br />
as Thema des Herbst-Freigeist<br />
dlautet „Gemeinsam Leben“. Was<br />
bedeutet für dich in diesem<br />
Zusammenhang „Gemeinschaft“?<br />
M: Prinzipiell glaube ich, dass es ein Leben<br />
ohne Gemeinschaft eigentlich nicht<br />
gibt, dass Gemeinschaft die Basis für<br />
das menschliche Leben ist. Ich sehe das<br />
immer auch als ein Gegenüber zu dem<br />
Begriff der Institution, oder dem des Unternehmens.<br />
Üblicherweise verwende<br />
ich den Begriff „Gemeinschaft“ in einem<br />
ganzheitlichen Sinn, wo Menschen Verbindungen<br />
eingehen, die nicht auf einen<br />
Zweck ausgerichtet sind wie bei einem<br />
Unternehmen, wo z.B. Gewinne erzielt<br />
werden sollen, oder bei Institutionen, die<br />
bestimmte Dienstleistungen erbringen<br />
und wo das Interesse am Einzelnen immer<br />
auf einen ganz bestimmten Aspekt<br />
eingeschränkt ist. In einer Gemeinschaft<br />
ist für mich das Interesse aneinander auf<br />
die ganze Person gerichtet, unabhängig<br />
von verschiedenen Bedürfnissen.<br />
Immer wieder verweise ich gerne auf<br />
Sobonfu Somé, eine Afrikanerin, die in<br />
Europa Seminare über afrikanische Gemeinschaftskultur<br />
hält. Sie definiert den<br />
Begriff „Gemeinschaft“ als einen Ort,<br />
wo Menschen ihre Gaben anbringen<br />
können. Egal, welche Gaben da im Vordergrund<br />
stehen. Da wird nicht gefragt:<br />
„Welche Gaben brauche ich?“, sondern<br />
man freut sich über die Gaben, die da<br />
sind. Dem möchte ich mich anschließen.<br />
Stehen individuelle Ziele und<br />
Bedürfnisse auch in einem Widerspruch<br />
zu einer Gemeinschaft, oder<br />
ist das nur bei Institutionen so?<br />
M: Eine Institution oder auch ein Unternehmen<br />
wird immer Charakter und Ei-<br />
Markus Distelberger<br />
genschaften eines einzelnen abwägen<br />
und sich fragen: passt jemand zu unserem<br />
ganz konkreten Ziel, bzw. welche Auswirkungen<br />
auf die Abläufe in unserem<br />
System hat sie oder er. Eine Gemeinschaft<br />
sollte nicht so starr sein. Sie sollte<br />
prinzipiell Interesse an einem Menschen<br />
und dem, was er mitbringt, haben - und<br />
wie es zur Entfaltung gelangen kann. Es<br />
braucht einen gewissen Abbau von egozentrischer<br />
Denkweise. Wir sind heutzutage<br />
verbildet durch zu wenig Gemeinschaft<br />
und zu viele Institutionen und sind<br />
dadurch in einem starken Zweckdenken<br />
und egozentrischen Denken verhaftet.<br />
Eine Gemeinschaft ist vielmehr etwas,<br />
wo man in einem Dialog miteinander<br />
ist, wo das offener ist. Es kommen Menschen<br />
zusammen, jeder mit bestimmten<br />
Vorstellungen, Bildern und Zielen. In diesem<br />
miteinander Sein können sich diese<br />
aber verändern, man kommt drauf, dass<br />
manches nicht so wichtig ist. Man entwickelt<br />
mehr innere Freiheit und ist von<br />
seinen kleinen persönlichen Zielen nicht<br />
mehr so abhängig.<br />
Du meinst, dass man weniger<br />
eigene Bedürfnisse der Gemeinschaft<br />
unterordnen muss, als dass<br />
sich ein anderes Bewusstsein<br />
entwickelt, wo diese an Bedeutung<br />
verlieren.<br />
M: Es entstehen vielleicht neue, individuelle<br />
Ziele. Es geht nicht darum, dass man<br />
nichts mehr für sich will, sondern es geht<br />
um Flexibilität und Freiheit. Unsere Gesellschaft<br />
hat einen Hang zur Egozentrik<br />
und dazu, Ängste zu entwickeln, etwas<br />
nicht zu bekommen, was man glaubt,<br />
unbedingt zu brauchen.<br />
Fotos: Tobias Steirer<br />
Du hast in einem Interview im<br />
Freigeist vor mittlerweile vier<br />
Jahren über die Gründungsphase<br />
vom „Garten der Generationen“<br />
gesprochen. Was hat sich seither<br />
da entwickelt?<br />
M: Seither ist einiges gewachsen. Damals<br />
war es noch mehr Idee und Konzept.<br />
Mittlerweile haben wir das Land gekauft.<br />
Es haben ungefähr 40 Menschen<br />
Geld zusammengelegt in Form dieses<br />
neuen Finanzierungssystems „Vermögenspool“.<br />
Das hat derzeit ein Volumen<br />
von 800.000 Euro. Der gemeinsame Gemüse-<br />
und Gartenbau hat sich dauerhaft<br />
etabliert. Das sind sehr unterschiedliche<br />
Leute, aus den verschiedensten Kreisen,<br />
die sich im Garten treffen und teils gemeinsame,<br />
teils private Flächen bebauen.<br />
Es sind Menschen aus dem Ort, Leute<br />
aus dem Umfeld von unserem Wohnprojekt<br />
hier, dann Leute aus dem Kreis der<br />
<strong>Lernwerkstatt</strong> und einzelne andere Leute,<br />
wie zum Beispiel ein ca. 75 jähriger Ex-<br />
Lebenspartner der verstorbenen Mutter<br />
einer Freundin unseres Projektes aus<br />
Wien. Der fährt immer von Wien heraus<br />
zu seinem Gartenfeld. Das ist für ihn die<br />
Möglichkeit, Anschluss zu haben.<br />
Wir haben heuer auch mit dem ersten<br />
Holz-Strohballen-Lehmbau begonnen.<br />
Der Rohbau ist bald fertig. Da hat sich ein<br />
Kreis von Freiwilligen rund um Gerhard<br />
Scherbaum und Paul Adrian Schulz, zwei<br />
sehr engagierte Strohballen-Lehm-Bau-<br />
Instrukteure, gebildet. Das Prinzip ist,<br />
mit einfachen und naturnahen Mitteln<br />
Wohnraum zu schaffen. Zur Weitergabe<br />
des Know-how dieser Art des Bauens<br />
haben sie den Verein „EGB – Einfach gemeinsam<br />
Bauen“ gegründet.<br />
Ich habe auch von ähnlichen<br />
Projekten gelesen, mitunter von<br />
dem „Ökodorf sieben Linden“ in<br />
Deutschland, das ja schon in den<br />
1980ern und 90ern gegründet wurde.<br />
Das hat mittlerweile eine Dimension<br />
von über 140 Bewohnern.<br />
Ist so etwas eine Art Vorbildprojekt,<br />
auch vom organisatorischen<br />
System her?<br />
M: Eigentlich haben wir keine definierten<br />
Vorbildprojekte. Aber wir sind sicher<br />
durch eine Vielzahl von anderen Projekten<br />
inspiriert. Unser Projekt finanziert<br />
sich über den sogenannten Vermögenspool,<br />
was mir aus anderen Projekten<br />
nicht bekannt wäre. Hier können Menschen<br />
Kapital einbringen und wieder<br />
herausnehmen, unabhängig davon, was<br />
mit dem Kapital finanziert wird. Wenn<br />
z.B. jemand eine Wohnung von 100m2<br />
Fläche mit einem Wert von 220.000<br />
Euro bewohnt, so ist er weder verpflichtet,<br />
das gesamte Kapital aufzubringen,<br />
noch Schulden mit Zinsen zu bedienen.<br />
Es gibt eine Vereinbarung, wie viel man<br />
beisteuert. Dies entspricht vor allem<br />
der Abnutzung der Wohnung und den<br />
Betriebskosten. Es soll also beigetragen<br />
werden, den Wert zu erhalten. Aber was<br />
die Liquidität des Vermögenswertes betrifft,<br />
da ist man nur verpflichtet, eigenes<br />
Vermögen, das man nicht nutzt, was<br />
sonst auf der Bank liegen würde, in diesen<br />
Vermögenspool zu geben und dort<br />
selber anzusparen. Andere, die vorher<br />
schon Geld hineingegeben haben, können<br />
Geld dann wieder herausnehmen.<br />
So schließt sich der Kreislauf.<br />
So nach dem Prinzip „Nimm was du<br />
brauchst und gib was du kannst“?<br />
M: Ja, das ist im Garten der Generationen<br />
ein Grundprinzip. Eher weg vom Tauschen:<br />
„Was krieg ich und was geb ich?“<br />
Mehr freies Einbringen. Beim Vermögenspool<br />
besteht eine gewisse Verantwortung,<br />
dass dieser Fluss in Gang bleibt.<br />
Dieses Konzept hat sich mittlerweile sehr<br />
etabliert und bewährt.<br />
Zur Zufriedenheit aller, oder gibt es<br />
welche, die unzufrieden sind, weil<br />
sie mehr eingebracht haben?<br />
M: Das haben wir entkoppelt. Die Hälfte<br />
der Menschen, die in den Vermögenspool
freigeist herbst 2013<br />
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einzahlen, finden das Projekt sympathisch<br />
und geben lieber ihr Geld da hinein statt<br />
auf die Bank, nutzen es aber nicht.<br />
Das ist also kein reines Gönnertum,<br />
sondern sie haben auch<br />
etwas davon.<br />
M: Sie können das Geld ja wieder herausnehmen<br />
und es ist in Grund und Boden<br />
wertgesichert. Vielen fehlt das Vertrauen<br />
in die Banken. Außerdem stehen sie mit<br />
einer Gemeinschaft in Verbindung, etwas<br />
Lebendigem, womit sie sich identifizieren<br />
können und mit ihrem Geld auch<br />
etwas Positives beitragen können.<br />
Wohin wird das Projekt „Garten<br />
der Generationen“ in den nächsten<br />
fünf Jahren deiner Meinung nach<br />
wachsen?<br />
M: Ich stelle mir vor, dass in 5 Jahren die<br />
Bausache so etabliert ist wie der Gartenbau.<br />
Etwa 10 Wohneinheiten. Dass<br />
das Gelände mehr bewachsen ist, dass<br />
die permakulturelle Gestaltung weiter<br />
gediehen ist, dass es bis dorthin auch<br />
schon ein bisschen mehr Anlagen gibt,<br />
mehr Möglichkeiten für Kinder und Jugendliche,<br />
dass es Teiche gibt, dass der<br />
Wasserkreislauf schon funktioniert. Es<br />
soll ja nichts vom Grundstück wegfließen,<br />
sondern es soll alles dort geklärt<br />
werden. Das heißt: Grauwasser wird zuerst<br />
in Becken gesäubert, dann in einer<br />
Schilfkläranlage, dann in einem Sammelteich,<br />
von dort wieder entnommen zur<br />
Bewässerung. Auch Fäkalien und Öl<br />
sollen recycelt werden. Trockentrennklos,<br />
wo Urin als Dünger verwendet<br />
wird, der ja steril ist, während Fäzes ja<br />
stark bakteriell sind, die lässt man dann 2<br />
Jahre kompostieren und verwendet den<br />
Kompost dann zum Beispiel für Wiesen,<br />
Sträucher und Bäume. Sonst stelle ich<br />
mir vor, dass sich neben dem Wohnen<br />
so eine Art Betriebsgemeinschaft entwickelt.<br />
Büros, Praxen, Ateliers. Es gibt<br />
immer mehr Klein- und Einzelunternehmen<br />
– EPUs (Einpersonenunternehmen)<br />
– für die man dort im GdG eine gemeinschaftliche<br />
Infrastruktur schafft - eine<br />
EPU-Genossenschaft. Gemeinsamer<br />
Medienauftritt, Büro, Marketing, Rechnungswesen<br />
u.s.w. Das noch schönere<br />
an dieser Vision ist, dass man dann auch<br />
Geld teilt. Jemand, der viel verdient, gibt<br />
eben mehr hinein in einen Pool, aus dem<br />
dann auch z.B. Fortbildungsmöglichkeiten<br />
und Starthilfen für Jüngere möglich<br />
sind. Durch den Zusammenschluss<br />
entsteht auch ein gewisser Wohlstand,<br />
wo sich Menschen von staatlichen und<br />
privatwirtschaftlichen Systemen emanzipieren<br />
können.<br />
Es ist ja auch irgendwo eine<br />
Rückkehr zu alten Lebensformen.<br />
Früher haben Menschen ja mehr<br />
in Gemeinschaften gelebt. Siehst<br />
du eine Möglichkeit für unsere Gesellschaft,<br />
im größeren Umfang zu<br />
derartigen Lebensformen zurück<br />
zu kehren, oder bleibt das einzelnen<br />
Projekten vorbehalten?<br />
M: Das eine ist die Frage nach dem Zurück.<br />
Ist es für dich ein „Zurück“, ein<br />
„Zurück zum Ursprung“? Oder ist<br />
es etwas Neues in unserer Gesellschaft?<br />
Gemüseanbau<br />
Foto: Tobias Steirer<br />
Strohbauweise<br />
M: Wenn man so zurückschaut in unserer<br />
europäischen, abendländischen Geschichte,<br />
ist diese gekennzeichnet von<br />
Krieg, Kampf und Auseinandersetzung.<br />
Von Systemen, wo Menschen unterdrückt<br />
und ausgebeutet worden sind.<br />
Aus dem heraus stellt sich für mich die<br />
Frage: “Wohin muss ich zurückgehen?<br />
Wo ist da eine Ressource?“ Meiner Meinung<br />
nach muss ich da eigentlich zurückgehen<br />
bis zu den sogenannten vorzivilisierten<br />
Völkern, also den Urvölkern.<br />
Die sogenannten Hochzivilisationen, in<br />
unserem Bereich die griechische oder<br />
römische Kultur, waren gekennzeichnet<br />
durch Sklaventum. Was danach gekommen<br />
ist, waren wieder neue Formen davon.<br />
Im Feudalsystem bestand durch das<br />
starke hierarchische System eine Aufteilung<br />
der Gesellschaft, wo es den unteren<br />
Schichten schlecht gegangen ist.<br />
In der Neuzeit gab es gewisse Emanzipationsbewegungen,<br />
die Überwindung<br />
des feudalen Systems durch die französische<br />
Revolution 1789 bis zur Revolution<br />
1848. Ende des 19. bis Anfang des 20.<br />
Jahrhunderts, als die Demokratie aufgekommen<br />
ist, kann man sagen, gab eine<br />
Phase, wo es noch am meisten darum<br />
gegangen ist, die breite Bevölkerung am<br />
Wohlstand teilhaben zu lassen. Mittlerweile<br />
wurde vieles an sozialstaatlichen<br />
Errungenschaften wieder abgebaut. Im<br />
Grunde ist man den Weg der Institutionen<br />
gegangen, und nicht den der Gemeinschaft.<br />
Mir kommt vor, dass in der<br />
Nachkriegszeit, in der Hochblüte des Sozialstaates,<br />
die Institutionen und Unternehmen<br />
bis in die 70er Jahre gleichzeitig<br />
auch in einem gewissen Maß Gemeinschaftscharakter<br />
entwickelten.<br />
In der Nachkriegszeit ist es wohl<br />
mehr um elementare Bedürfnisse<br />
gegangen als um Luxus und<br />
Wohlstand. Aber finden Projekte<br />
wie der GdG in einer Wohlstandsgesellschaft<br />
nicht leichter<br />
fruchtbareren Boden als in Gesellschaften,<br />
denen es wirtschaftlich<br />
insgesamt schlechter geht?<br />
M: Allgemein denke ich, dass bei sozialen<br />
Neuerungen meistens Menschen eine<br />
Rolle spielen, die selber nicht in einer<br />
unmittelbaren Not sind, aber die eine<br />
Sensibilität haben für vorhandene Not<br />
in ihrer Umgebung. Wenn man zurückschaut,<br />
ist die Arbeiterbewegung gegründet<br />
worden von Intellektuellen und<br />
Großbürgerlichen, die selber gut situiert<br />
waren. Das fängt an bei Karl Marx bis zu<br />
Viktor Adler und anderen. Die haben sich<br />
damit beschäftigt, und das Ganze ist in<br />
Verbindung gestanden mit einem realen,<br />
gesellschaftlichen Bedürfnis. So gesehen<br />
glaube ich, dass es immer beides<br />
braucht, die reale Not und Menschen,<br />
die handlungsfähig sind. Menschen, die<br />
direkt in der existentiellen Not stecken,<br />
sind meistens nicht handlungsfähig.<br />
Es müssen also elementare Bedürfnisse<br />
prinzipiell gestillt sein,<br />
damit man weiter sehen kann?<br />
M: Ich sehe da eine riesige Verantwortung<br />
von Menschen hier bei uns. Wir haben diese<br />
Handlungsfähigkeit, wir sind nicht in<br />
materieller Not - absolut nicht. Wir können<br />
wahrnehmen, wie Dinge schief laufen<br />
in der Welt, wie wir gegen die Wand<br />
steuern. Da haben wir wirklich eine Verpflichtung,<br />
etwas zu tun. Vielleicht auch<br />
kurzfristigere, private Ziele ein bisschen<br />
weniger zu verfolgen und sich mehr frei<br />
zu machen für gesellschaftliches Engagement.<br />
Jeder nach seiner Art. Ich habe<br />
das Gefühl, dass sich viele Menschen<br />
bei uns denken: „Naja, was soll ich denn<br />
schon machen? Die da oben machen<br />
sowieso, was sie wollen“, und sich dann<br />
wieder ihrer Tagesordnung zuwenden.<br />
Das ist dann fast zu billig, weil man sehr<br />
wohl etwas tun kann. Solche Gemeinschaftsprojekte<br />
- oder auch die <strong>Lernwerkstatt</strong>,<br />
die ohne gemeinschaftlich engagierte<br />
Menschen nicht existieren würde<br />
- müssen sich gegen den Mainstream<br />
behaupten. Das ist nicht so unmöglich.<br />
Viele stellen sich das schwieriger vor, als<br />
es ist. Natürlich braucht es Engagement,<br />
aber es ist viel mehr machbar. Es könnte<br />
hunderte Lernwerkstätten geben.<br />
Das ist ein schönes Schlusswort.<br />
Danke für das Gespräch.<br />
www.gartendergenerationen.net<br />
www.stroh2gether.at<br />
Tobias Steirer<br />
ist Arzt und Vater<br />
zweier <strong>Lernwerkstatt</strong>-Kinder
freigeist herbst 2013<br />
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freigeist herbst 2013<br />
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leben,<br />
wie‘s der seele gut tut!<br />
info<br />
PAN stammt aus dem Griechischen und bedeutet soviel wie „gesamthaft, ein Gesamtes“. Das PAN-Projekt, das<br />
sich in seiner Gesamtheit als Bildungsprojekt versteht, will zeigen, dass eine Gemeinschaft mehr ist, als die<br />
Summe ihrer Teile. Es will Mut machen zu alternativen Wegen und versteht sich als gelebtes Beispiel für „Neues<br />
Lernen und Neues Wirtschaften“. Beheimatet ist das Projekt im Waldviertel, in Harmannstein, südlich von<br />
Weitra. Rainer Wisiak traf dort Barbara und Johannes Hahn zum Gespräch.<br />
e<br />
s ist beeindruckend, wenn<br />
man sieht, was ihr hier in fast<br />
20 Jahren aufgebaut habt.<br />
J: Vorgefunden haben wir es natürlich<br />
nicht so. Begonnen haben wir hier mit<br />
dem Kauf eines kleinen Bauernhofes,<br />
gewohnt haben jedoch die meisten von<br />
uns anfangs in einer nahegelegenen Ferienwohnung.<br />
Und die Zeit davor?<br />
B: Da haben wir in Horn gelebt – und bis<br />
wir (14 Personen!!) mit dem Bauernhof<br />
fündig wurden, uns über ein Jahr lang<br />
120 Quadratmeter geteilt.<br />
J: Da lernt man sich kennen. Ich glaube<br />
aber, dass das sehr wichtig ist. Ich sage oft:<br />
Gemeinschaft vor Projekt. Es ist gut, wenn<br />
es vorab eine Gemeinschaft gibt, auf welche<br />
man sich verlassen kann und aus der<br />
heraus sich dann ein Projekt entwickelt.<br />
Heute ist es oft umgekehrt. Man findet<br />
sich beispielsweise zu einem Wohnprojekt<br />
zusammen und stellt dann oft fest,<br />
dass keine Gemeinschaft wachsen will,<br />
weil viele stark auf ihre individuellen Bedürfnisse<br />
pochen oder letztlich sehr verschiedene<br />
Werte-Haltungen haben.<br />
Wie seid ihr im Ort aufgenommen<br />
worden?<br />
B: Anfangs recht wohlwollend, gepaart<br />
mit einem gewissen Staunen: „Ach, ihr<br />
wollts anbauen?“<br />
J: Später ist dann der Neid hinzugekommen,<br />
als wir größer und größer wurden.<br />
Begonnen haben wir hier mit 10 Hektar<br />
Grund. Da Gmünd aber ein Bezirk mit<br />
starker Abwanderung ist, ist uns immer<br />
wieder Grund zum Kauf angeboten worden.<br />
Ist die Abwanderung hier ein<br />
großes Problem?<br />
J: Ja, immer noch. Und das Einzelkämpfertum,<br />
die Landwirtschaft doch noch<br />
schaffen zu wollen, obwohl gemeinsam<br />
vieles besser ginge.<br />
Seid ihr über den Ort hinaus mit<br />
anderen Initiativen verknüpft?<br />
B: Ja, wie beispielsweise mit „Schöpfungsverantwortung<br />
Tier und Mensch“ oder<br />
Die PAN-Gemeinschaft<br />
Foto: PAN<br />
mit der „Arche Noah“. Aber eine größere<br />
Öffnung und bessere Vernetzung wird<br />
einer unserer nächsten Schritte sein. Dabei<br />
soll es aber nicht darum gehen, sich<br />
nur mit Initiativen zu vernetzen, sondern<br />
mit Menschen, die in Resonanz gehen,<br />
die „mitschwingen“. Viele Jahre waren<br />
wir jetzt natürlich mit dem Aufbau des<br />
Projekts und dem Aufwachsen unserer<br />
Kinder beschäftigt.<br />
J: Und streiten mit dem Bürgermeister<br />
(lacht). 1997 habe ich mit dem Aufbau<br />
einer Firma in Tschechien begonnen. Sie<br />
ist gut gelaufen und mit dem Geld von<br />
außen konnten wir hier vieles aufbauen,<br />
was sonst viel schwieriger gewesen<br />
wäre, denn es war uns immer wichtig,<br />
keine Kredite aufzunehmen und nur mit<br />
dem zu wirtschaften, was da ist.<br />
Man könnte ja sagen, dass ihr es<br />
fast geschafft habt, von den Nahrungsmitteln<br />
bis hin zur Energieversorgung<br />
alles selbst zu produzieren.<br />
Was wäre da ein nächster<br />
Schritt?<br />
J: Vielleicht Rapsanbau für den Treibstoff.<br />
Nur liegen wir für Raps hier viel zu hoch.<br />
Aber das mit dem „was noch?“ ist eine<br />
schwierige Frage. Ursprünglich wollten<br />
wir nicht einmal so groß werden wie jetzt.<br />
Wir wollten einen Bauernhof und unsere<br />
Kinder großziehen. Und über einer Größe<br />
von 50 – 60 Personen funktionieren dann<br />
Gemeinschaften ja nur wieder mit ganz<br />
anderen Organisationsstrukturen, allein<br />
schon, was die Kommunikation betrifft.<br />
PAN<br />
Projekt für<br />
gemeinschaftliche<br />
Gesellschaftsentwicklung<br />
Unsere Gesellschaft steht an der Schwelle<br />
einer großen Veränderung. Die Generation<br />
unserer Kinder wird mit neuen, komplexen<br />
Problemen konfrontiert sein, die unsere<br />
Großeltern noch nicht kannten. Doch „Probleme<br />
kann man niemals mit derselben<br />
Denkweise lösen, durch die sie entstanden<br />
sind“, meinte einst Albert Einstein.<br />
Darum ist klar, dass wir neue Gedanken, ja<br />
ein neues Bewusstsein benötigen werden,<br />
um den kommenden gesellschaftlichen<br />
Herausforderungen gewachsen zu sein.<br />
Dieses Bewusstsein des Wandels wird<br />
in jedem Fall ein teilendes sein müssen.<br />
Eines, das in der Gemeinsamkeit des WIR<br />
verbindet und nicht im Ego der Vereinzelung<br />
trennt. Und um diese neue Denk- und<br />
damit Handlungsqualität zu erwerben,<br />
wird es auch einer neuen Art des Lernens<br />
bedürfen.<br />
Diese neue Art des Lernens und des gemeinschaftlichen<br />
Lebens versuchen die<br />
derzeit 36 Erwachsenen, Jugendlichen<br />
und Kinder des PAN-Projekts seit nun<br />
schon fast zwei Jahrzehnten umzusetzen.<br />
Aus dem „Versuch“ ist inzwischen ein<br />
wunderbares Projekt gewachsen, das Modellcharakter<br />
hat und zeigt, welche Kräfte<br />
und Möglichkeiten frei werden, wenn eine<br />
gewachsene Gemeinschaft von Menschen<br />
den Herausforderungen der Zukunft mit<br />
einem WIR begegnet.<br />
Unter dem gemeinsamen Dach der Privatstiftung<br />
PAN findet sich die Tagesbetreuungseinrichtung<br />
PANINI für 3- bis<br />
6-Jährige, die PAN-Freilandschule mit Öffentlichkeitsrecht<br />
für 6- bis 15-Jährige, die<br />
PAN-Projektschule als außerschulisches<br />
Bildungsmodell für über 15-Jährige sowie<br />
die PAN-Werkschule (mit Lehrwerkstätten<br />
in den Bereichen Lebensmittelveredelung,<br />
Holz, Textil, Metall und Medien) als<br />
breites, handwerkliches Angebot nach<br />
außen. In der PAN-Projektewerkstatt<br />
Entwicklung&Schulung GmbH soll zu<br />
guter Letzt das PAN-Modell wirtschaftlich<br />
schlüssig werden. Hier wird es jungen<br />
Menschen auf selbstständiger Basis möglich,<br />
ihre kreativen und handwerklichen<br />
Fähigkeiten bei ethisch-nachhaltigen Projekten<br />
im Team umzusetzen.<br />
Als Grundlage des Projekts dienen 40 Hektar<br />
Grund, die im Besitz der PAN-Privatstiftung<br />
sind. Diese werden vom Verein<br />
„PAN-Gemeinschaft für nachhaltiges Leben“<br />
biologisch bewirtschaftet und bieten<br />
ein hohes Maß an Selbstversorgung wie<br />
auch Ernährungsqualität. Wichtige Eckpfeiler<br />
sind Vielfalt, Kreislaufbewirtschaftung<br />
und Bevorzugung alter, heimischer<br />
Pflanzensorten und Tierrassen.<br />
Als Bildungsmodell ist das PAN-Projekt<br />
eine Plattform für Pioniere des Wandels<br />
und will allen Interessierten Mut machen,<br />
am unerlässlichen Bewusstseinswandel<br />
zu mehr echter Gemeinschaftlichkeit aktiv<br />
mitzuwirken und das dazu nötige Denken<br />
und Handeln zu erlernen. Kennenlernen<br />
kann man das PAN-Projekt an jedem „FREI-<br />
TAG bei PAN“, wo der Hofladen geöffnet ist,<br />
Schmankerlabende in echter PAN-Qualität<br />
sowie ganztägige Gruppenexkursionen<br />
und Besucherangebote stattfinden oder<br />
bei der PAN-Sommerschule, wo in den<br />
Juli-August-Ferien Workshops angeboten<br />
werden. Nähere Informationen und Veranstaltungskalender<br />
unter<br />
www.pan.at
freigeist herbst 2013<br />
10<br />
freigeist herbst 2013<br />
11<br />
Die bei euch wie aussieht?<br />
B: Wir haben wöchentlich am Samstag<br />
und am Sonntag jeweils ein großes Plenum,<br />
bei denen alle zusammenkommen.<br />
Ein Plenum deckt immer mehr<br />
organisatorische Fragen ab, das andere<br />
dient dazu, den Befindlichkeiten oder<br />
dem Seelisch-Geistigen Raum zu geben.<br />
Dieses Gleichgewicht ist sehr wichtig,<br />
drei KommunikatorInnen, von denen<br />
ich eine bin, achten auf dieses Gleichgewicht<br />
und sind auch sonst AnsprechpartnerInnen<br />
für sämtliche Anliegen.<br />
Auf eurer Homepage schreibt ihr,<br />
euer Bildungsziel heißt „Lebenskompetenz“.<br />
B: Darunter verstehen wir die Fähigkeit,<br />
sich selbst zu erkennen und seine Lebensaufgabe<br />
zu finden. Lebenskompetenz<br />
ist für uns der Schlüssel, sein Leben<br />
zu meistern und glücklich zu werden.<br />
J: In Bezug auf unsere Kinder und Jugendlichen<br />
hier heißt das, dass wir in<br />
allem von einem Praxisbezug ausgehen.<br />
Ja, so wie ich vorhin gemeint habe „Gemeinschaft<br />
vor Projekt“, würde ich in<br />
Bezug auf das Lernen bei Kindern und<br />
Jugendlichen sagen: „Praxis vor Theorie“.<br />
Die Werkstätten und die große<br />
Landwirtschaft bieten unseren Schülern<br />
da einen umfassenden Erlebnis- und<br />
Erfahrungsraum. Diesem Sammeln von<br />
Erfahrungen geben wir viel Raum. Natürlich<br />
lernen die Kinder und Jugendlichen<br />
bei uns Mathematik und Englisch, aber<br />
sie lernen auch tischlern, schweißen<br />
und kochen. Unsere 14-Jährigen können<br />
Gruppen von 50 Menschen bekochen.<br />
Aus solchen Dingen heraus wächst eine<br />
Selbstsicherheit, mit der sie auch alle anderen<br />
Dinge mit Leichtigkeit angehen<br />
können, die eventuell noch ausstehen.<br />
B: Leben und Lernen sind sinnverwandt.<br />
Wissensvermittlung ist wichtig, wichtiger<br />
erscheint uns aber das Erleben und<br />
Erlernen seelischer Qualitäten.<br />
J: Aber wie ist das sonst in der Schule?<br />
Schau nur, was heute 6-Jährigen oder<br />
schon 3-Jährigen im Kindergarten an<br />
Wissen vermittelt wird. Ich halte das für<br />
einen Wahnsinn. Darum rede ich auch<br />
immer gerne von einer Umkehrung im<br />
gesellschaftlichen Denken. In vielerlei<br />
Hinsicht. Von einer Wende, von einer<br />
„Wendezeit“, um mit Fritjof Capra zu<br />
sprechen, dessen Buch mit diesem Titel<br />
mich sehr inspiriert hat.<br />
Ideen anderer Menschen, die dir<br />
wichtig waren?<br />
J: Gandhi ist mir ein großes Vorbild. Aber<br />
am nächsten ist mir Jesus. Ich beschäftige<br />
mich sehr mit seinen Aussagen. Es<br />
geht da nicht um Bibelforschung und ich<br />
möchte da auch niemanden missionieren,<br />
das interessiert mich nicht. Es geht<br />
mir mehr um die Umsetzung seiner Gedanken.<br />
„Achte den anderen so, wie du<br />
geachtet werden möchtest“ - das kann<br />
schon zur Grundlage einer Gemeinschaft<br />
werden. Ich bin auch seit 28 Jahren nicht<br />
krankenversichert und wenn andere<br />
Menschen verwundert schauen, frage<br />
ich sie nur: „War Jesus versichert?“<br />
Ist bei euch niemand versichert?<br />
Bei der Heuernte<br />
Foto: PAN<br />
B: Nur einige wenige. Wir nehmen aber<br />
in dem Fall auch keine Leistungen der<br />
Krankenkassa in Anspruch. Wir zahlen<br />
in einen eigenen Fonds ein, aus dem heraus<br />
wir dann Leistungen bezahlen können.<br />
Wir gehen dadurch auch insgesamt<br />
achtsamer mit dem Thema „Gesundheit/<br />
Krankheit“ um. Vieles ist vielleicht auf den<br />
ersten Blick schwer verständlich. Ähnlich<br />
verhält es sich mit anderen Dingen, wie<br />
beispielsweise der Arbeitszeit. Ich zähle<br />
da nicht wirklich in Stunden, denn ich<br />
sehe was zu tun ist und bringe mich ein.<br />
Für mich gibt es da keine Arbeitszeit, für<br />
mich gibt es nur eine Lebenszeit.<br />
Geben und Nehmen stehen da wohl<br />
in einer anderen Relation als im<br />
herkömmlichen Kontext.<br />
J: Ja. Vielen in der Gesellschaft geht es<br />
darum, sich wenigst möglich in diese<br />
einzubringen und möglichst viel von der<br />
Gesellschaft zu lukrieren. Wir denken da<br />
in Bezug auf Gemeinschaft gegenteilig.<br />
Wie im sozialen Hauptgesetz von<br />
Rudolf Steiner vorgeschlagen?<br />
B: Ja, vielleicht. Gemeinschaft erfordert<br />
die Umordnung der eigenen Prioritäten.<br />
Das ist ein langer Prozess. Wenn ich aber<br />
die Angst einmal losgeworden bin, alles<br />
halten und besitzen zu wollen, dann<br />
wird es irgendwann kein Teilen mehr, es<br />
ist dann ein Teilnehmen! Wir nehmen<br />
dann gegenseitig oder aneinander Teil<br />
– das ist eine höhere Erfüllung für mich.<br />
Meinem Vater war es lange nicht recht,<br />
dass ich Teil dieser Gemeinschaft werde,<br />
aber da war dann etwas, was seine Argumente<br />
entkräftet hat, nämlich zu sehen:<br />
die Barbara ist glücklich!<br />
J: Das hängt vielleicht auch damit zusammen,<br />
dass PAN jetzt nicht mehr nur ein<br />
Projekt ist, es hat sich darüber hinaus<br />
etwas entwickelt, etwas, das wir vorher<br />
nicht gekannt haben. Als sei über die<br />
Jahre hinweg so etwas wie eine Gemeinschaftsseele<br />
entstanden. Ein neuer Umgang<br />
miteinander, der im anderen etwas<br />
findet oder ihm etwas zutraut, was er<br />
selbst noch nicht so recht erkannt hat –<br />
und durch diese Interaktion findet eine<br />
Vertiefung der Entwicklung des Einzelnen<br />
statt.<br />
Ich kann mir vorstellen, dass<br />
diese Zuversicht und Sichtung<br />
vorhandenen Potentials vor<br />
allem hinsichtlich der Kinder und<br />
Jugendlichen für diese zu einem<br />
Motor wird.<br />
J: Ja, und sie sind ja auch der Beweggrund<br />
für alle unsere Bemühungen.<br />
Barbara und<br />
Johannes J. Hahn<br />
Schließlich sind sie die Träger jener Geisteshaltung,<br />
die unsere Erde in Zukunft<br />
formen und prägen wird.<br />
Eure Jugendlichen – werden sie<br />
bleiben oder hinausziehen in die<br />
Welt?<br />
B: Das wird jetzt ein spannender Prozess,<br />
denn an dieser Schnittstelle befinden<br />
wir uns gerade.<br />
J: Aber wie immer es sich auch entwickeln<br />
wird, ich sehe jetzt schon: wir werden<br />
ein Team sein. Vielleicht wird ein<br />
neues „Dorf“ daraus …<br />
Darüber werde ich in meinem<br />
nächsten Interview berichten.<br />
B: Wir merken jedenfalls, dass durch den<br />
Generationenwechsel nun auch eine Öffnung<br />
und Akzeptanz von außen stattfindet;<br />
durch die Musik, die die Jugendlichen<br />
machen, durch ihre Tätigkeit in Vereinen,<br />
durch die Projektewerkstatt. Dazu tragen<br />
auch die Besuchsmöglichkeiten wie die<br />
FREITAGE bei PAN oder die vielen Workshops<br />
der Sommerschule bei.<br />
J: Es sind längst nicht alle Antworten<br />
gefunden – und werden es wohl lange<br />
nicht sein. Aber nach zwei Jahrzehnten<br />
sind die Früchte aus der Kraft unserer<br />
Gemeinschaft unübersehbar geworden.<br />
Wir wollen sie sichtbar machen und sie<br />
sollen Mut machen zum Aufbruch in ein<br />
menschenwürdigeres Leben, ein Leben,<br />
das der Seele wieder gut tut.<br />
Vielen Dank für das Gespräch.
Gemeinsam leben, wirtschaften, singen, beten, feiern: gemeinschaftliches Leben wird in Klöstern und<br />
Stiften seit vielen Jahrhunderten gepflegt. Für den freigeist traf Franz Josef Gaugg Prälat Maximilian Fürnsinn,<br />
Propst des Augustiner-Chorherrenstiftes Herzogenburg, zum Gespräch.<br />
<br />
Herr Prälat Fürnsinn, im<br />
Ausstellungskatalog anlässlich der 900<br />
Jahr Feier des Stiftes Herzogenburg,<br />
2012, ist mir eine Darstellung des Hl. Augustinus<br />
von Bartolomeo Altomonte aufgefallen,<br />
die ich hier näher beschreiben<br />
möchte. Der Hl. Augustinus ist auf diesem<br />
Gemälde aus der Barockzeit als ein sehr<br />
vielbeschäftigter Mann abgebildet. Er umklammert<br />
mit seiner linken Hand ganz energisch<br />
und kraftvoll das flammende Herz,<br />
mit der Rechten schreibt er in ein Buch.<br />
Sein Blick ist gegen den Himmel gerichtet<br />
- Gott zum Dialog zugewandt, würde ich<br />
sagen. Dann sehe ich ein bisschen Unruhe,<br />
so eine Art Erwartungshaltung. Als<br />
Machtattribute erkenne ich einen Mantel<br />
und eine Bischofsmütze.<br />
Jetzt frage ich Sie: ist ein Prälat so vielbeschäftigt<br />
wie uns dieses Bild zeigt, hin- und<br />
hergerissen zwischen einerseits dem Ewigen<br />
zugewandt sein zu wollen und andererseits<br />
doch in der Welt verhaftet zu sein<br />
und sich mitteilen zu müssen?<br />
Vieles<br />
von den Dingen, die Sie genannt haben,<br />
hat Augustinus nie besessen. Er hat nie<br />
einen liturgischen Mantel in dieser Form<br />
gehabt. Er hat auch nie eine Bischofsmütze<br />
getragen. Sicherlich hat er nicht in Büchern<br />
geschrieben und – ich weiß schon,<br />
wie Sie das meinen - sein eigenes Herz<br />
wird er nicht offen getragen haben. Das<br />
ist eine Darstellung der Barockzeit und<br />
man interpretiert und gestaltet den Augustinus<br />
so, wie man ihn damals sehen<br />
wollte: als Bischof, als Klostervorsteher.<br />
Aber das, was Sie vom Spannungsverhältnis<br />
sagen – Gott zugewandt einerseits,<br />
mitten in der Welt lebend und<br />
wirkend andererseits – das erfährt man<br />
als Propst, als Abt eines Klosters schon.<br />
Man sollte beides sein – geistiger Führer,<br />
sicher in Gott geborgen, gehalten,<br />
mit Gott in einem Kontakt, Gott zugewandt<br />
– das ist ein wunderbares Wort.<br />
Wir können uns Gott ja nur zuwenden,<br />
was dann mit uns geschieht, haben wir<br />
nicht in der Hand. Andererseits ist man<br />
als Leiter einer Gemeinschaft, eines Klosters,<br />
auch gehalten, in der Zeit heute zu<br />
<br />
leben, zu wirken, zu entscheiden. So wie<br />
es jeder andere, der in einer Schule oder<br />
in einem Wirtschaftsbetrieb steht auch<br />
tun muss. Mir gefällt diese Doppelfunktion<br />
und ich halte sie auch für mein Menschenbild<br />
für sehr gut. Ich würde sogar<br />
meinen, wenn eine der beiden Seiten<br />
nicht da ist, dann verrutscht dieses Bild.<br />
Wenn man nur spirituell ist: wovon lebt<br />
man, was tut man, wo handelt man, wo<br />
engagiert man sich, wo bringt man sich<br />
ein - und ähnliche Dinge mehr? Wenn<br />
man nur tätig ist, nur Unternehmer, nur<br />
arbeitet, nur ständig sich engagiert,<br />
kann es sein, dass man aus einem tieferen<br />
Bereich herausfällt. Ich glaube,<br />
dass das heute vielen Menschen zum<br />
Problem wird und dass sie sich heute<br />
viel weniger gehalten fühlen.<br />
Wenn wir schon bei Augustinus sind, so<br />
würde ich gerne meine Sicht des Menschenbildes<br />
von Augustinus umreißen.<br />
Augustinus hat viele verschiedene Lebensphasen<br />
durchlaufen, hat lange<br />
gesucht. Das flammende Herz in der<br />
Darstellung bezieht sich auf Augustinus‘<br />
leidenschaftliche Gottesliebe und<br />
Gottsuche. Er hatte zu verschiedenen<br />
Gemeinschaften Kontakt, aber nie einen<br />
Platz gefunden. Als er seine Regeln für<br />
die Gemeinschaft niederschreibt, hat<br />
er eine sehr freundschaftliche Ordensregel<br />
geschaffen - freundschaftlichintellektuell,<br />
das spürt man. Augustinus<br />
sagt vor hunderten von Jahren schon,<br />
es geht um Gottsuche und er prägt das<br />
wunderbare Wort: wer ihn sucht, wird<br />
ihn finden, wer ihn gefunden hat, wird<br />
ihn suchen. Es ist dies ein unglaublich<br />
dynamisches Menschenbild. Also, der<br />
Mensch ist ein Wesen der Heimkehr –<br />
zu sich selbst und zu Gott. Augustinus<br />
schreibt in den Bekenntnissen, seinem<br />
berühmten Werk, den Satz: ich bin mir<br />
selbst zur Frage geworden. Ein suchender<br />
Mensch wird immer merken, dass er<br />
sich selbst zur Frage wird. Was bin ich?<br />
Woher? Wozu? Woher komme ich? Wohin<br />
gehe ich? Warum überhaupt? Diese<br />
Fragen lassen den Menschen nie los. Er<br />
wird sie für sich selber fragen müssen,<br />
Foto: Weingar tner (Ausschnitt), Autor<br />
<br />
die Antworten selbst finden müssen. Es<br />
wird sich ihm die Frage nach Gott stellen.<br />
Ob er sie beantwortet, ob er sie akzeptiert<br />
oder nicht, ist etwas anderes.<br />
Wir haben in der Schule 5 Grundregeln:<br />
wir tun einander nicht weh, weder mit<br />
Worten noch mit Taten. Wir lassen einander<br />
in Ruhe spielen und arbeiten. Wenn<br />
ich mittun möchte, frage ich. Wir räumen<br />
Material zurück an seinen Platz. Wir gehen<br />
mit Material achtsam um. Wir geben<br />
Mist in den entsprechenden Mistkübel.<br />
Herr Prälat, kann man das recht komplexe<br />
Regelwerk des Hl. Augustinus auf ebenso<br />
wenige wichtige Grundregeln herunterbrechen?<br />
Wenn ich vorab zwei Sätze zur Regel<br />
des Hl. Augustinus sagen darf. Die Regel<br />
ist nicht kompliziert, sehr moderat, gut<br />
adaptierbar und sie lässt sich auf ein<br />
paar einfache Prinzipien zurückführen.<br />
Als Einleitungssatz verwendete Augustinus<br />
ein Zitat aus der Apostelgeschichte,<br />
wo die erste Urchristengemeinde beschrieben<br />
wird: ein Herz und eine Seele<br />
werden auf Gott hin. Wie kann man diesen<br />
Satz in eine praktische Regel umsetzen?<br />
Das heißt für mich einerseits Gott<br />
zugewandt leben, anderseits im Dienst<br />
am Anderen stehen.<br />
Wie darf ich mir das vorstellen? Die<br />
Gottzugewandtheit kann ich mir gut<br />
vorstellen beim gemeinsamen Gebet<br />
und beim gemeinsamen Mittagstisch.<br />
Schwieriger finde ich es dann im Alltag, bei<br />
Konflikten. Wie geht man in Ihrer Gemeinschaft<br />
damit um?<br />
Wenn ich eine gewisse Gottzugewandtheit<br />
lebe, dann werde ich das<br />
schon auch im Umgang mit anderen<br />
spüren lassen. Es kann ihnen der Andere<br />
nicht total wurscht sein. Oder du kannst<br />
nicht über eine gewisse Grenze gehen.<br />
Was Sie in ihrem Regulativ gesagt haben<br />
zu Respekt, Würde, usw. das zeigt<br />
sich schon im konkreten Umgang. Also<br />
irgendwo ist die Gottzugewandtheit<br />
auch eine Garantie des guten Umgangs<br />
miteinander. Das ist eine Hoffnung. Es<br />
gibt bei uns genauso Streit, die Auseinandersetzung.<br />
Das ist in jeder Gemeinschaft,<br />
die lebendig ist, ein notwendiger<br />
Prozess. Und trotzdem meine ich, es<br />
drückt sich schon im konkreten Tun aus.<br />
Oder dass ich mein Tun immer wieder<br />
aus dieser Gottbezogenheit überdenke.<br />
Hat das einen Sinn, was ich hier tue?<br />
Auch dass eine Gemeinschaft immer<br />
wieder ihre Orientierung suchen muss<br />
–z.B. werden wir ab Herbst einen begleiteten<br />
Prozess mit Innen- und Außenblick<br />
beginnen.<br />
Gibt es einen konkreten Anlass dazu?<br />
Nein. Es ist von Zeit zu Zeit notwendig<br />
zu prüfen, wohin unser Weg<br />
geht. Wo ist die Zukunft für das Stift?<br />
Wir stehen in einem gesellschaftlichen<br />
und kirchlichen Wandel und da hat ein<br />
Kloster seine Position zu suchen. Position<br />
besetzen jetzt nicht im Sinne von<br />
Macht, sondern wo können wir als Kloster<br />
unseren Dienst versehen, was müssen<br />
wir halten, was neu beginnen, was<br />
abgeben? Aber immer auch, wenn man<br />
den Außenblick schärft, muss man den<br />
Innenblick ansehen. Wie sind unsere<br />
Beziehungen, wie sehen wir sie? Gibt<br />
es den Ausgleich geistlichen Lebens?
Auch in einem Kloster ist man gefährdet<br />
zu viel zu tun. Aus der Frage nach dem<br />
spirituellen Leben, nach dem pastoralen<br />
Leben sind wir angehalten zu fragen und<br />
zu suchen. Also ich glaube, dass das eine<br />
Regel wäre: wir leben Gott zugewandt<br />
und wir suchen einen pastoralen Weg,<br />
wie wir unser Leben und unseren Weg<br />
für die Menschen um uns und in den<br />
Pfarrgemeinden finden und gut verbinden<br />
können.<br />
Eine andere Regel, die mir sehr wichtig<br />
ist: das Gemeinsame steht über dem Eigenen.<br />
Augustinus schreibt in seiner Regel,<br />
dass man alles gemeinsam besitzen<br />
soll und was du tust, tust du immer für<br />
die Gemeinschaft. In unserer individualistisch<br />
geprägten Zeit wird besonders<br />
auf Selbstbestimmung, Selbstbesinnung,<br />
Selbstdurchsetzung Wert gelegt<br />
– was positive und legitime Werte sind,<br />
nicht dass Sie mich hier missverstehen.<br />
Doch wie geht das jetzt mit dem Leben<br />
in einer Gemeinschaft zusammen? Augustinus<br />
sagt: Das Gemeinsame steht<br />
über dem Eigenen! Du kannst deine Gesinnung,<br />
ob du in ein Kloster passt oder<br />
nicht, allein daran sehen, ob du mehr<br />
für die Gemeinschaft oder nur für dich<br />
selbst tätig bist. Umgekehrt übernimmt<br />
jeder in der Gemeinschaft für andere<br />
Verantwortung. Der Hl.Benedikt – jetzt<br />
nicht Augustinus – sagt sogar: Man soll<br />
in einer Gemeinschaft auf die Jüngeren<br />
mehr hören, weil sie oft spontaner und<br />
ganz anders dir Dinge sagen als Ältere.<br />
Wenn Augustinus sagt, dass alles gemeinsam<br />
besessen werden soll, dann<br />
soll aber auch die Individualität des Einzelnen<br />
geachtet werden. Es ist dieser<br />
Spannungsprozess: Gemeinschaft und<br />
Individualität. Es soll kein Mitbruder<br />
gebrochen werden! Nicht jeder soll das<br />
Gleiche bekommen, sondern jeder das,<br />
was er braucht. Der Satz sieht so harmlos,<br />
so einfach aus, aber an diesem Satz<br />
sind Gesellschaftssysteme zerbrochen.<br />
Es wird immer wieder Ausnahmen brauchen<br />
und der Mensch braucht für seine<br />
Individualität gewisse Voraussetzungen,<br />
damit er leben kann. Augustinus zeigt in<br />
einer Regel an ein paar ganz konkreten<br />
Beispielen: wenn es Kranke gibt, die<br />
mehr zum Essen brauchen, dann sollen<br />
sie es bekommen! Das scheint jetzt in Widerspruch<br />
zu heutigen Diätvorschriften<br />
zu stehen, doch Augustinus meint damit<br />
für jeden das, was er braucht.<br />
Eine situative Beurteilung also.<br />
In der Situation, ja, das, was jeder<br />
braucht. Die Person des Einzelnen wird<br />
ernst genommen.<br />
Wer entscheidet das?<br />
Das entscheidet der Obere oder der<br />
im Kloster in der jeweiligen Situation zuständig<br />
ist. Ich bleibe beim Beispiel des<br />
Essens: z.B. derjenige, der für die Küche<br />
zuständig ist, weiß, wer eine Diät braucht.<br />
Oder es gibt einen Mitbruder, der sich für<br />
Kunst interessiert. Der soll halt eine Reise<br />
machen können. Wunderbar ist, dass wir<br />
viele verschiedene Tätigkeitsbereiche<br />
haben die über die geistliche Tätigkeit hinausgehen.<br />
Wir haben 14 Pfarreien. Wir<br />
haben 12 Jahre lang das Stift renoviert. Es<br />
gibt Mitbrüder, die haben einen Blick dafür,<br />
für Kunst, für Schönheit. Da wirst du<br />
zum Mitbruder sagen, ja, dann machst du<br />
das. Oder es wird einen geben, der ist ein<br />
guter Lehrer, den werden wir in die Schule<br />
schicken. Das muss man halt innerhalb<br />
der Kommunität entscheiden.<br />
Die Begabung des Einzelnen und damit<br />
auch die Individualität des Einzelnen<br />
sind gefragt – z.B. hat einer unserer Mitbrüder<br />
gerne Schafe, die unsere Wiesen<br />
abfressen - die Rasenmäher, wie er sagt.<br />
Er hat damit eine große Freude! Und ich<br />
muss ehrlich sagen, ich freue mich auch,<br />
wenn ich beim Fenster zu den Schafen<br />
hinunterschaue. Er kann mit den Schafen<br />
umgehen. Er hilft den ihnen auf die<br />
Welt zu kommen usw.<br />
Ich möchte gerne eine Geschichte über<br />
meine Großeltern erzählen: Opa, Jahrgang<br />
1903, Oma 1923, einfaches Haus, viele<br />
Kinder. Meine Oma hat mir irgendwann<br />
einmal erzählt, dass sie es nie verstanden<br />
hätte, dass mein Opa über seine Zeitungs-<br />
Abos stets gemeint hätte, dass diese unbedingt<br />
notwendig wären. Umgekehrt<br />
aber wäre es jedes Mal ein großes Diskussionsthema<br />
gewesen, wenn sie, Oma, neue<br />
Kleider gebraucht hätte, was ohnehin selten<br />
genug vorgekommen wäre.<br />
Wie ist das in Ihrer Gemeinschaft, wenn es<br />
unterschiedliche Bedürfnisse gibt? Wie ist<br />
das, jetzt weniger finanziell als vielmehr<br />
von der Einsichtigkeit her, dass man sagt,<br />
das ist wirklich ein authentisches Bedürfnis<br />
– der braucht das jetzt?<br />
Es gibt bei uns auch da und dort Interessenskonflikte,<br />
das ist… ich möchte das<br />
nicht harmlos reden, sondern das kann<br />
manchmal schon eine ganz schwere Auseinandersetzung<br />
sein. Aber dafür – und<br />
das ist auch das Prinzip des Klosters – gibt<br />
es letztlich den Propst. Aber er ist nicht<br />
der, der das alleine entscheidet!<br />
Klöster haben eine Demokratie. Wir sind<br />
seit mehr als 1000 Jahren demokratisch<br />
verfasst. Das ist ein Missverständnis,<br />
wenn man sagt, der Obere zieht an allen<br />
Fäden. Es gibt das sogenannte Kapitel.<br />
Alle Mitbrüder, die ihre sogenannten<br />
ewigen Gelübde (die Profess) abgelegt,<br />
sich also ganz an das Kloster gebunden<br />
haben, sind dann Vollmitglieder des Klosters.<br />
Dann ist man Mitglied des Klosters<br />
und hat das sogenannte Kapitelrecht,<br />
wie wir es nennen. Im Kapitel müssen<br />
alle wichtigen spirituellen, pastoralen,<br />
wirtschaftlichen, gemeinschaftlichen<br />
Fragen behandelt werden. Es wird demokratisch<br />
entschieden - die Hand gehoben<br />
und die Mehrheit entscheidet.<br />
Auch in Personalentscheidungen. Ob ich<br />
einen Mitbruder zur Profess zulasse, entscheidet<br />
wiederum der Konvent. Dann<br />
gibt es bei uns ein kleineres Gremium,<br />
das heißt bei uns Kapitelrat – da wird<br />
z.B. beraten über Postenbesetzungen.<br />
Demokratie wird bei uns schon reif gelebt,<br />
Entscheidungen werden nicht „von<br />
oben herab“ getroffen. Der Prozess, die<br />
Initiation, der Anfang, die Inspiration ist<br />
wichtig, diesen Entwicklungsprozess zu<br />
begleiten! Die Entscheidung steht ja am<br />
Schluss, die ist gar nicht so wichtig.<br />
Ich hätte noch gerne etwas zum Geld<br />
gesagt. Also, mir ist es wichtig, eine Unterscheidung<br />
zu treffen. Sie wissen, so<br />
ein Kloster hat Besitz, oft gar nicht so wenig,<br />
wir müssen wirtschaften - übrigens<br />
so wirtschaften, wie alle anderen auch<br />
- wir haben Tourismus, wir haben Kiesgruben,<br />
wir haben alles Mögliche. Wir<br />
zahlen auch Steuern, damit wir uns nicht<br />
missverstehen, weil es im Kirchenvolksbegehren<br />
sonderbarerweise anders gesagt<br />
wurde. Aber die Kommunität, unser<br />
Leben als Priester-Gemeinschaft, finanzieren<br />
wir nicht durch den Wirtschaftsbetrieb<br />
des Stiftes! Wir leben nicht vom<br />
Besitz des Klosters. Das ist streng getrennt:<br />
Wirtschaft und Kommunität.<br />
Wovon lebt dann die Kommunität?<br />
Die Kommunität lebt von dem, was<br />
jeder Mitbruder für seinen Dienst bekommt.<br />
Wenn einer Pfarrer ist, dann bekommt<br />
er von der Diözese einen Betrag<br />
dafür.<br />
Ist er darauf angewiesen eine solche<br />
Stelle zu haben?<br />
Das Kloster bekommt das Geld für<br />
ihn…<br />
…das Kloster braucht also die Stelle?<br />
Das Kloster braucht die Stellen.<br />
Oder es ist jemand Lehrer oder es macht<br />
jemand etwas anderes und bekommt<br />
dadurch Geld für solche Dienste. Das<br />
Geld geht ans Kloster und aus dem lebt<br />
die Kommunität. Wir sollen alles gemeinsam<br />
haben, es kommt alles zusammen.<br />
Eigentlich ist das eine Einkommensgemeinschaft.<br />
Eine Einkommensgemeinschaft, ja.<br />
Und, es wird nicht gleich aufgeteilt - es<br />
bekommt nicht jeder das Gleiche. Ich<br />
habe kein Einkommen. So ganz richtig ist<br />
das auch nicht. Aber kein regelmäßiges<br />
Einkommen. Wenn ich irgendwo einen<br />
Vortrag halte und dafür Geld bekomme,<br />
dann kommt das der Gemeinschaft zu<br />
Gute.<br />
Aus dem Geld der Gemeinschaft wird<br />
bezahlt, was jeder Mitbruder braucht<br />
und auch unser Personal. Mitbrüder, die<br />
nicht im Haus wohnen, weil die Anreise<br />
aus ihrer Pfarre zu weit wäre, bekommen<br />
einen höheren Betrag. Sie haben höhere<br />
Aufwendungen für die Haushaltsführung,<br />
Auto usw. Diejenigen, die im Stift<br />
wohnen und hinaus fahren, bekommen<br />
die nächste Stufe. Diejenigen, die immer<br />
im Stift sind und kein Auto haben, bekommen<br />
die 3. Stufe. Da gehöre ich z.B.<br />
auch dazu. Aus diesem Geld bezahlt jeder<br />
für sich fürs Auto und für den persönlichen<br />
Bedarf von Zahnpaste bis Büchern<br />
oder Urlaub.<br />
Wir haben uns bemüht, eine moderne<br />
Lösung für unseren Umgang mit Geld<br />
zu finden: was einer nicht braucht, das<br />
geht ans gemeinsame Konto zurück. Der<br />
Betrag wird dann buchhalterisch gut geschrieben<br />
– wir besitzen dafür kein eigenes<br />
Sparbuch. Wenn eine Anschaffung<br />
ansteht – z.B. Auto und ein Mitbruder<br />
hat das Geld nicht beisammen, dann bekommt<br />
er es von der Gemeinschaft und<br />
zahlt es wieder zurück.<br />
Also er bekommt innerhalb der Gemeinschaft<br />
Kredit!<br />
Ja – aber ohne Zinsen! Also mir ist<br />
es auch wichtig, dass jeder selbst für das<br />
Geld verantwortlich ist. Dass er das bekommt,<br />
was er braucht – das haben wir<br />
selbst miteinander festgelegt.<br />
Herr Prälat, ich danke für das Gespräch.<br />
<br />
ist Architekt, verheiratetet,<br />
Vater von Paula und Lotte,<br />
Schülerinnen der LWS
freigeist herbst 2013<br />
16<br />
freigeist herbst 2013<br />
17<br />
das leben in gemeinschaft<br />
- ein traum?<br />
Gedanken zum Thema Gemeinschaft<br />
von Paul Braunstätter.<br />
Paul Braunstätter<br />
ist Bautechniker, geschieden,<br />
Vater eines Schülers der LWS<br />
und zweier mittlerweile erwachsener<br />
Töchter, die ebenfalls die<br />
<strong>Lernwerkstatt</strong> besuchten; Mitbegründer<br />
eines Wohnprojektes im<br />
Bezirk St. Pölten Land.<br />
w<br />
wahrscheinlich träumt jeder<br />
Mensch einmal von der idealen<br />
Gemeinschaft und es ist ein soziales<br />
Grundbedürfnis des Menschen,<br />
in einer Gemeinschaft nach Geborgenheit<br />
zu suchen. Wenn die Gemeinschaft<br />
scheitert, kann daraus jedoch rasch ein<br />
Albtraum werden.<br />
Der Begriff der Gemeinschaft ist ein vielschichtiger<br />
und kann je nach Situation<br />
unterschiedlich definiert werden. Die<br />
wohl ältesten Gemeinschaftsformen sind<br />
die Paarbeziehung (z. B. Adam und Eva<br />
symbolisch als „erste Menschen“ im Alten<br />
Testament genannt) und die Familie im<br />
herkömmlichen Sinn. Die Paarbeziehung<br />
(Ehe oder eheähnliche Gemeinschaft) in<br />
unserer gegenwärtigen mitteleuropäischen<br />
Gesellschaft sollte frei wählbar<br />
sein. Dies war in der Vergangenheit wohl<br />
nicht immer so und in manchen Kulturkreisen<br />
sind Zwangsehen auch heute<br />
noch üblich. Die (Herkunfts-) Familie hingegen<br />
kann man sich nicht aussuchen,<br />
da wird man hineingeboren. Eine andere<br />
alte Form ist die Dorfgemeinschaft, auch<br />
diese kann man sich nicht wirklich wählen,<br />
sofern man in ihr aufwächst.<br />
Unabhängig davon, ob die Zugehörigkeit<br />
zu einer Gemeinschaft aus freiem<br />
Entschluss gewählt oder durch äußere<br />
Umstände gegeben ist, lässt sich die gesuchte<br />
Geborgenheit mehr oder weniger<br />
finden. Jedoch ist es keinem menschlichen<br />
Individuum möglich, jederzeit<br />
in allen sozialen Beziehungen gemeinschaftliche<br />
Ziele zu verfolgen. Oft wird<br />
der Begriff „Gemeinschaft“ daher auch<br />
von Zwangsorganisationen oder einzelnen<br />
charismatischen Personen dazu<br />
missbraucht, Menschen unter dem Vorwand,<br />
dem Interesse der Gemeinschaft<br />
zu dienen, zu bestimmten Handlungen<br />
zu drängen. Der Austritt aus einer Gemeinschaft<br />
kann mitunter schwerfallen,<br />
wird behindert oder als „Untreue“ diffamiert.<br />
In der Geschichte von verschiedensten<br />
Religionsgemeinschaften und<br />
von totalitären Diktaturen lassen sich<br />
dazu zahlreiche Beispiele finden.<br />
Die Motivation für die Gründung einer<br />
Gemeinschaft liegt daher im Spektrum<br />
zwischen Ablehnung von allgemein gesellschaftlichen<br />
Werten und den eigens<br />
bewusst erstellten. Gemeinschaften<br />
werden gegründet und können sich wieder<br />
auflösen.<br />
Zum Begriff des Scheiterns lässt sich<br />
sagen, dass sich dieser von den Verben<br />
„zuscheitern“ und „zerscheitern“ aus<br />
dem 16. Jahrhundert ableitet, d.h. „etwas<br />
in Stücke brechen“. Scheitern kann<br />
aber auch als Chance für einen Neuanfang<br />
gesehen werden oder sogar als<br />
Strukturzusammenbruch, als Normalität<br />
der Abweichung. Der Begriff des<br />
Scheiterns ist daher ebenfalls mit dem<br />
Begriff des Erfolgs gekoppelt. Dieser<br />
wird nur bemerkt, wenn gleichfalls die<br />
Möglichkeit des Scheiterns gegeben ist.<br />
Ein Erfolg, im Sinne der Erfüllung von Erwartungen,<br />
ist meist unwahrscheinlich,<br />
denn nicht immer sind die notwendigen<br />
Voraussetzungen dafür gegeben. Trotz<br />
allem ist es menschlich, eher Erfolg als<br />
Motiv zu bejahen, als ein Scheitern einzugestehen.<br />
Ich habe selbst erfahren, wie aus dem<br />
SCHÖPFERISCH SCHEITERN<br />
Anfangs herrschten Überschwang<br />
und Euphorie vor<br />
- „hatten wir uns doch so viel<br />
vorgenommen“ - doch es gingen<br />
allmählich die tragenden<br />
Kräfte verloren. Das Bild, das<br />
übersinnlich gewoben war, begann<br />
zu verblassen. Der Impuls<br />
jedoch verschwand nie ganz.<br />
Er schuf für viele Menschen<br />
ein einendes - schöpferisches -<br />
Band.<br />
Michael Heinen-Anders,<br />
freier Schriftsteller und Diplom-<br />
Ökonom<br />
Foto:<br />
Traum vom gemeinschaftlichen Leben<br />
ein Albtraum werden kann. Mein persönlicher<br />
Weg des Scheiterns:<br />
Unsere beiden Töchter waren noch im<br />
Vorschulalter, als wir in einer ländlichen<br />
Wohngemeinschaft mit gemeinsamer<br />
Nutzung von Küche, Wohnraum und<br />
Bad lebten. Hier gab es zu wenig Rückzugsbereich<br />
und es war bald klar, dass<br />
diese Gemeinschaftsform nicht lange<br />
bestehen konnte. Wir dachten in dieser<br />
Zeit viel über unsere Vorstellungen einer<br />
Gemeinschaft nach, welche Wünsche wir<br />
hatten und was wir keinesfalls wollten.<br />
Daraus entstand schließlich das Konzept<br />
für ein Wohnprojekt:<br />
Es war die Idealvorstellung vom gemeinsamen<br />
Leben und Arbeiten; getrennte<br />
Wohnungen, jedoch Gemeinschaftsräume,<br />
teilweise landwirtschaftliche Selbstversorgung…<br />
Getragen von Offenheit<br />
für neue Ideen, Ehrlichkeit und Transparenz<br />
in Denken, Kommunikation und<br />
Handeln. Respektvollen Umgang miteinander,<br />
gegenseitiges Vertrauen, Gewaltfreiheit,<br />
Eigenverantwortung und<br />
Achtsamkeit setzten wir voraus. Einige<br />
Familien machten begeistert mit, waren<br />
aber nicht bereit, die definierten Ideale<br />
zu unterstützen, letztlich standen persönliche<br />
Interessen über den Gemeinschaftsinteressen,<br />
es kam zu Intrigen<br />
und Verleumdungen, die jedoch von der<br />
Mehrheit der Gruppe ignoriert wurden.<br />
Auf Grund fortwährender Konflikte und<br />
der Unfähigkeit, diese gemeinsam zu lösen,<br />
wurde die Selbstverwaltung aufgegeben,<br />
nach sieben Jahren ist aus dem<br />
Traum vom gemeinsamen Leben und<br />
Arbeiten eine Wohnungseigentumsgemeinschaft<br />
wie jede andere geworden.<br />
Vielleicht müssen bei der Entstehung<br />
eines solchen Projekts bewusste klare<br />
Konzepte noch viel stärker zuvor erarbeitet<br />
werden, die man für ein zukünftiges<br />
Zusammenleben gar nicht hoch genug<br />
einschätzen kann. Im Vordergrund stehen<br />
zu oft die materiellen Objekte und weniger<br />
ein Einfühlungsvermögen zur bewussten<br />
Wahrnehmung des eigenen Befindens<br />
und das der anderen. Fähigkeiten<br />
wie Verbundenheit und die Bereitschaft<br />
zu Kooperation und Konfliktbehandlung<br />
sind genauso nötig wie Toleranz.<br />
Genauso kommt es vor, dass entscheidende<br />
Informationen nicht an die betroffenen<br />
Personen weiter geleitet werden,<br />
es entstehen Missverständnisse, persönliche<br />
Kränkungen oder andere Kommunikationsunstimmigkeiten.<br />
Man vertraut<br />
auf Umstände, die sich plötzlich ändern.<br />
Ein weiterer Punkt kann sein, dass ein<br />
Mitglied nicht oder nur teilweise die erforderlichen<br />
Fähigkeiten oder das geforderte<br />
Wissen besitzt. Alle diese Umstände<br />
sind nicht besonders förderlich für eine<br />
Verbesserung der Gruppendynamik.<br />
Wie entsteht wirkliche Gemeinschaft in<br />
einer Gruppe von Menschen? Wie kann<br />
ein Zustand hergestellt werden, in dem<br />
sich alle in ihrem Verschieden‐Sein achten,<br />
ein höheres Bewusstsein entsteht<br />
und die Gruppe über die Möglichkeit<br />
der Einzelnen hinausgeht? Nach M.<br />
Scott Peck (Gemeinschaftsbildung:<br />
Der Weg zu authentischer Gemeinschaft)<br />
durchläuft eine Gruppe vier Phasen<br />
auf dem Weg in eine authentische<br />
Gemeinschaft:<br />
die Pseudogemeinschaft,<br />
das Chaos,<br />
die Leere<br />
und schließlich die echte, zuverlässige<br />
Gemeinschaft.<br />
Dieser steinige Weg lässt sich seiner<br />
Ansicht nach nicht abkürzen. Die Pseudogemeinschaft<br />
ist eine Phase oberflächlicher,<br />
unechter Harmonie, wo<br />
Differenzen unter den Teppich gekehrt<br />
werden – eine Phase der Konfliktvermeidung.<br />
Irgendwann lassen sich jedoch<br />
Konflikte nicht mehr vermeiden und das<br />
Chaos entsteht.<br />
Die Formulierung der Gruppenvision<br />
und ein Mindestmaß an Kommunikationsregeln<br />
sollte die Voraussetzung sein,<br />
damit Gruppen in einer Gemeinschaft<br />
erfolgreich existieren können.<br />
Wohnen ist ein Grundbedürfnis, die Toleranzschwelle<br />
liegt daher meiner Erfahrung<br />
nach bei einem Wohnprojekt<br />
niedriger als beispielsweise in einem<br />
Sportverein. Dies hat sich auch durch die<br />
zeitlich parallel dazu gemachten Erfahrungen<br />
in einer anderen Gemeinschaft<br />
bestätigt: der <strong>Lernwerkstatt</strong>. Der Weg<br />
durch diese Gemeinschaft ist mit der<br />
Schulzeit der Kinder begrenzt, die Gruppenzusammensetzung<br />
ändert sich von<br />
Jahr zu Jahr, bewährte Strukturen z. B.<br />
zur Konfliktbehandlung werden jedoch<br />
beibehalten. Indem auf Bewährtem aufgebaut<br />
wird, hat sich im Laufe der Jahre<br />
eine recht stabile Kontinuität entwickelt.<br />
Meines Erachtens ist diese Gemeinschaft<br />
so stabil und lebendig, weil die gemeinsamen<br />
Werte für ihre Mitglieder umfassend<br />
und bewusst sind. Es gibt Raum für<br />
die Entwicklung und die Kreativität jedes<br />
Einzelnen, aber auch Zeiten der Reflexion<br />
und des Rückzugs. Die Mitglieder der<br />
<strong>Lernwerkstatt</strong> fühlen sich verantwortlich<br />
für die Umsetzung ihrer Werte und Visionen.<br />
Das vermittelt ein gewisses Gefühl<br />
der Sicherheit, absoluten Schutz gegen<br />
Scheitern gibt es allerdings nicht.
freigeist herbst 2013<br />
18<br />
freigeist freigeist herbst herbst 2012013 19 15<br />
wozu struktur?<br />
Die Soziokratie am Beispiel von Pomali. Von Katharina Lechthaler.<br />
h<br />
eute weiß ich: immer wenn Menschen<br />
miteinander eine Vision, ein<br />
Ziel verfolgen, braucht es dafür 3<br />
Säulen, auf denen das größere Gemeinsame<br />
ruhen kann:<br />
eine gemeinsame Ausrichtung (Vision,<br />
Mission, Ziele)<br />
Vertrauen zu einander<br />
eine beteilgungsfördernde und klare<br />
Struktur<br />
Um das zu lernen, hab ich viele viele<br />
Stunden für unser Gemeinschaftsprojekt<br />
„Cohousing Pomali“ gearbeitet, gebangt,<br />
genossen, reflektiert, mich in Seminare<br />
begeben, ausgetauscht, gelacht und geweint<br />
und zu verstehen versucht. Es war<br />
manchmal ein freudvoller, manchmal ein<br />
Wohnen und leben<br />
in Gemeinschaft<br />
trauriger, manchmal ein anstrengender<br />
und immer ein intensiver Prozess, der<br />
mich sehr reich beschenkt hat.<br />
Pomali wäre dabei fast zerbrochen und<br />
Pomali wird Ende dieses Jahres lebendiger<br />
sein als je zuvor, wenn wir im Dezember<br />
nach 5 Jahren Vorarbeit endlich in unser<br />
großes neues Zuhause einziehen.<br />
2009 lernte ich Pomali als Gemeinschaftsprojekt<br />
kennen. Die Vision war,<br />
generationenübergreifend zu leben und<br />
dafür eine Cohousingsiedlung mit Gemeinschaftsräumen<br />
und 29 Wohnungen zu bauen,<br />
der Baugrund war in Wölbling bereits<br />
gefunden, der Bauträger stand fest.<br />
Ich schloss die Pomalis sehr schnell ins<br />
Herz, fühlte mich heimgekommen und<br />
am richtigen Platz und mir war schnell<br />
klar, dass das auch „mein“ Projekt war.<br />
Hier waren Menschen miteinander am<br />
Weg, die Verbindlichkeit eingingen, miteinander<br />
ein Grundstück finanzierten,<br />
eine ähnliche Vision hatten wie ich, eine<br />
gute Dosis Pragmatismus mitbrachten<br />
(ein Ökodorf wäre ja auch schön, aber<br />
wir brauchen so schnell wie möglich<br />
etwas, um aus der Vereinzelung herauszukommen),<br />
bereit waren sich zu zeigen,<br />
wie sie wirklich sind und auch die Mühen<br />
der gemeinsamen Projektentwicklung<br />
auf sich nahmen.<br />
Nicht lange, da war ich voll involviert in<br />
die Vereins- und Projektarbeit.<br />
Auffallend war für mich, dass sich nur<br />
www.pomali.at<br />
Foto: beigestellt<br />
wenige Frauen aktiv einbrachten. Die allgemeine<br />
Erklärung damals war, dass halt<br />
viele noch kleine Kinder haben, ich hatte<br />
aber Zweifel, ob es wirklich daran lag.<br />
Umso mehr legte ich mich ins Zeug.<br />
Unsere Idee war, alle Entscheidungen im<br />
Plenum zu treffen, damit die Beschlüsse<br />
gut von allen mitgetragen werden<br />
konnten, die Aufgabe des Vorstands<br />
war es, die monatlichen Plena und Pomaliwochenenden<br />
gut vorzubereiten.<br />
Diese Treffen waren dementsprechend<br />
arbeitslastig, für Beziehungspflege war<br />
wenig Zeit.<br />
Entscheidungen trafen wir nach ausgiebigen<br />
Diskussionen mit Moderation<br />
durch das Einholen von „Stimmungsbildern“,<br />
ohne Wahl und möglichst ohne<br />
starke Einwände.<br />
Der große Arbeitsumfang in Kombination<br />
mit dieser Struktur führte zu einer<br />
andauernden Überlastung der Gruppe<br />
und zur Erschöpfung Einzelner, während<br />
andere ihren Platz nicht finden konnten.<br />
Die Fülle der zu treffenden Entscheidungen<br />
hat uns regelmäßig überfordert,<br />
sollten doch alle über alles entscheiden.<br />
Es entstand eine Kultur, in der die Diskussionen<br />
von den Schnellen und Lauten<br />
geführt wurden und eher die Menschen<br />
mit viel Ausdauer die Entscheidungen<br />
trafen. Vorstandsmitglieder hatten dabei<br />
einen großen Informationsvorsprung<br />
verbunden mit einer großen Arbeitslast.<br />
Dadurch entstand eine für uns unsichtbare<br />
aber sehr wirksame Hierarchie.<br />
Ich hatte schon in anderen Kontexten gelernt<br />
schnell und laut zu sein, mich durchzusetzen<br />
und ewig sitzen zu bleiben,<br />
wenn´s sein musste . Viele Frauen (und einige<br />
Männer) hatten aber keinen Nerv für<br />
derartig kämpferische Verhaltensweisen,<br />
in denen sich jedeR erst den Platz im Gespräch<br />
nehmen muss; Eltern von kleinen<br />
Kindern (besonders Mütter) hatten gar<br />
nicht die Möglichkeit, ewig lang zu diskutieren.<br />
Für sie alle war die Beteiligung<br />
sehr schwierig bis unmöglich, die Weisheit<br />
all dieser Menschen stand damit unserem<br />
gemeinsamen Vorhaben kaum bis<br />
gar nicht mehr zur Verfügung.<br />
Wir glaubten damals, dass das halt so ist<br />
in Gruppen, bemühten uns um Verbesserungen<br />
in der Gesprächs- und Diskussionskultur,<br />
hatten aber wenig anhaltenden<br />
Erfolg damit.<br />
2011 kam die große Krise, als sich nach<br />
einem Jahr Wartezeit auf die Zusage<br />
zur Wohnbauförderung der Baubeginn<br />
durch die interne Umplanung erneut um<br />
mehrere Monate verzögerte. Der Bogen<br />
war überspannt, die Luft draußen, die Verbundenheit<br />
untereinander am Tiefpunkt.<br />
Innerhalb von 6 Monaten schrumpfte die<br />
Gruppe von über 30 Erwachsenen und<br />
20 Kindern auf ca. 15 Erwachsene und 10<br />
Kinder. Es war eine schwere und traurige,<br />
teilweise verzweifelte Zeit, die finanzielle<br />
Belastung und Sorge stieg, da manche<br />
ehemalige Pomalis ihren Grundkostenanteil<br />
zurückforderten. Wir brauchten<br />
dringend neue Mitglieder, waren aber in<br />
unserer damaligen Verfassung äußerst<br />
abschreckend für Interessierte.<br />
Das Erschreckendste und Lehrreichste<br />
für mich war damals die Dynamik des<br />
Prozesses: wir waren alle mit den besten<br />
Absichten, vielen Fähigkeiten und großer<br />
Zuneigung zueinander zusammenkommen,<br />
dennoch bildeten sich mit der<br />
Zeit die selben destruktiven und gewaltvollen<br />
Muster, die auch unsere Gesellschaft<br />
prägen (und die wir ja genau nicht<br />
wiederholen wollten), weil wir diese Muster<br />
in uns trugen. Wir kannten keine gemeinschaftlich<br />
funktionierenden Strukturen<br />
und wussten auch nicht, dass wir<br />
es mit strukturellen Konflikten und nicht<br />
mit persönlichen zu tun hatten.<br />
In dieser großen Krise baten wir endlich<br />
Barbara Strauch, eine sehr erfahrene<br />
Gemeinschaftsberaterin um Hilfe. Sie<br />
analysierte mit uns, was geschehen war,<br />
stellte uns die Soziokratie vor und wir<br />
entschlossen uns zur Umstrukturierung.<br />
Im April 2012 träumten wir Pomalis gemeinsam<br />
in einem Dragon Dreaming Prozess,<br />
leiteten daraus eine klare Vision und<br />
gemeinsame Ziele ab und entwickelten<br />
mit Barbara unsere Arbeitsstruktur.<br />
Im August 2012 startete die neue Struktur<br />
mit 5 Arbeitskreisen und einem Leitungskreis,<br />
seither arbeiten wir soziokratisch<br />
an der Umsetzung unserer mittlerweile<br />
sehr klaren gemeinsamen Ziele.<br />
Heute haben alle Pomalis ihren Platz gefunden,<br />
alle Frauen und Männer (auch<br />
die mit ganz kleinen Kindern) können<br />
sich an der Arbeit beteiligen (auch Dank<br />
skype, das sich für Arbeitstreffen sehr bewährt<br />
hat), und tun dies auch gern, weil<br />
sie wählen können, in welchem Feld sie<br />
ihre Fähigkeiten und ihre einzigartige
freigeist herbst 2013<br />
20<br />
freigeist herbst 2013<br />
21<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
!!!<br />
"<br />
#! $<br />
<br />
Sichtweise einbringen wollen. Neue Mitglieder<br />
können sofort mitwirken, die Entscheidungen<br />
sind nachhaltiger und intelligenter<br />
als je zuvor, die Informationen<br />
stehen allen zur Verfügung und sind<br />
transparent, unsere Arbeitskultur ist viel<br />
stärker vom Einander-Zuhören geprägt.<br />
Die klare Struktur der Soziokratie hat im<br />
letzten Jahr alle ungreifbaren Konflikte<br />
an die Oberfläche gebracht und damit<br />
bearbeitbar gemacht, das war nicht immer<br />
leicht, aber sehr wesentlich für den<br />
Gesundungsprozess von Pomali.<br />
Die Verteilung des Wissens auf viele hat<br />
zur Folge, dass Einzelne nicht überlastet<br />
sind und Wissen nicht verloren geht,<br />
wenn Einzelne das Projekt verlassen.<br />
Die Trennung von Arbeitsstruktur und<br />
Beziehungspflege schafft klare Arbeitsräume<br />
und klare Beziehungsräume, was<br />
für die Erfüllung beider Bedürfnisse sehr<br />
hilfreich ist.<br />
Die Weisheit der Kreise kommt durch die<br />
klare Entscheidungsfindung voll zum Erblühen.<br />
Was aber ist das, Soziokratie?<br />
Die Soziokratie ist eine partizipative Organisationsstruktur,<br />
die seit den 70er-<br />
Jahren in den Niederlanden und in den<br />
USA eher im wirtschaftlichen Bereich<br />
angewendet wird, aber auch manche<br />
Schulen und NGOs haben sich schon so<br />
organisiert. Das Anliegen dabei war, eine<br />
Struktur zu entwickeln, um Organisationen<br />
gemeinschaftlich zu lenken. Dazu<br />
braucht es die Weisheit der Gruppe und<br />
effiziente und lebendige Prozesse.<br />
Die Soziokratie geht nicht von der Idee<br />
der Hierarchiefreiheit aus, ich würde aber<br />
sagen, sie ist heterarchisch (Führung<br />
durch Verschiedenartigkeit) organisiert<br />
und basiert auf dem Zusammenspiel von<br />
vier Prinzioien:<br />
Kreisstruktur: Die Struktur ist in Kreisen<br />
aufgebaut und sieht verschiedene Ebenen<br />
vor, die einander unter- und übergeordnet<br />
sind, je nach Ebene beschäftigt<br />
sich ein Kreis mit einem kleineren oder<br />
größeren Ausschnitt des gemeinsamen<br />
Ganzen und arbeitet in der Detailebene<br />
(z.B. Arbeitskreis Beziehungen) oder der<br />
Übersichtsebene (Leitungskreis). Innerhalb<br />
eines Kreises sind alle gleichwertig in<br />
der Beschlussfassung. Im gemeinsamen<br />
Entwicklungsprozess wird miteinander<br />
festgelegt, welche Entscheidungen auf<br />
welcher Ebene und in welchem Kreis getroffen<br />
werden.<br />
Doppelte Verknüpfung: Alle Kreise sind<br />
mit einem jeweils übergeordneten Kreis<br />
doppelt verknüpft, da die LeiterIn (von<br />
oben gewählt) und die Delegierte (von<br />
unten gewählt) eines Kreises im übergeordneten<br />
Kreis sitzen. Der Leitungskreis<br />
besteht aus allen LeiterInnen und allen<br />
Delegierten der Arbeitskreise.<br />
Konsent: Die Entscheidungsfindung<br />
findet im Konsent unter Abwesenheit<br />
schwerwiegender Einwände im Sinne<br />
der Ziele statt. Dafür ist es besonders<br />
wichtig, klar definierte Vision, Mission,<br />
Ziele und Unterziele für die gesamte<br />
Organisation zu haben, da ich meinen<br />
schwerwiegenden Einwand in Hinblick<br />
darauf argumentieren muss: „Achtung,<br />
wenn wir das tun, dann verfehlen wir<br />
unser Ziel!“<br />
Die Entscheidungsfindung läuft normalerweise<br />
in 3 Kreisrunden ab, bei denen<br />
jedes Kreismitglied 3 Mal gehört wird,<br />
Veränderung der eigenen Meinung,<br />
„sowohl als auch“ statt „entweder oder“<br />
und Integration der Einwände in den<br />
Vorschlag sind dabei wichtige Haltungen<br />
und Methoden.<br />
Offene Wahl: In 3 festgelegten Gesprächsrunden<br />
wird die geeignetste Person<br />
für die jeweils zu besetzende Funktion<br />
ermittelt. Dadurch werden die Funktionen<br />
nicht mehr von den Bereitesten<br />
oder Beliebtesten übernommen (was zu<br />
Überlastung und Vormachtstellungen<br />
führt). Im Wahlprozedere werden durch<br />
die ehrliche Argumentation auch Menschen<br />
ermutigt Verantwortung zu übernehmen,<br />
die sich sonst gar nicht melden<br />
würden, obwohl sie sehr geeignet sind.<br />
Auch in der soziokratischen Wahl werden<br />
alle Kreismitglieder 3 Mal gehört. Die gewählte<br />
Person übernimmt die Funktion<br />
für einen gemeinsam bestimmten Zeitraum.<br />
Diese strukturellen Grundlagen bewirkten<br />
nichts Geringeres als einen kulturellen<br />
Wandel innerhalb von Pomali.<br />
Unverzichtbar für diesen Wandel waren<br />
dabei die externe Begleitung, Ausdauer,<br />
Ehrlichkeit, Mut und Liebe.<br />
Ich bin sehr dankbar für diesen Prozess,<br />
der auch in mir vieles gewandelt und geheilt<br />
hat, und dankbar für alle Menschen,<br />
mit denen ich gemeinsam am Pomaliweg<br />
sein darf und durfte. Letztendlich<br />
empfinde ich es als Gnade, dass ich Teil<br />
dieser starken Gemeinschaft sein darf<br />
und damit einer meiner tiefsten Herzenswünsche<br />
in Erfüllung geht: Leben in<br />
Gemeinschaft.<br />
Infos und Kontakt zu Pomali:<br />
www.pomali.at<br />
info@pomali.at<br />
Infos und Anfragen zur Soziokratie:<br />
www.soziokratie.at<br />
katharina.lechthaler@soziokratie.at<br />
Dragon Dreaming (John Croft):<br />
www.dragondreaming.com<br />
www.dragondreaming.jimdo.com/<br />
sources-1/john-croft-fact-sheets<br />
Katharina Lechthaler<br />
ist Soziokratische Beraterin<br />
in Zertifizierung, bietet<br />
Seminare zu Supportive<br />
Listening und der Kraft<br />
des Kreises, ist Sozial- und<br />
Erlebnispädagogin und<br />
Mutter einer 8jährigen<br />
Tochter<br />
Foto: Saija Crillovich<br />
was macht eigentlich ...<br />
saija crillovich<br />
i<br />
ch bin jetzt 28 Jahre und somit genau<br />
doppelt so alt wie zum Zeitpunkt<br />
des Verlassens der <strong>Lernwerkstatt</strong>. Ein<br />
guter Zeitpunkt, um ein Resümee zu<br />
ziehen, was seither in meinem Leben<br />
passiert ist. Nach neun erfüllten Jahren<br />
in der <strong>Lernwerkstatt</strong> war meine Pflichtschulzeit<br />
anno 2000 zu Ende und ich war<br />
bereit für etwas Neues. Lebenshungrig<br />
und neugierig auf die große Welt habe<br />
ich mich für ein Auslandsjahr in Peru entschieden.<br />
Dort habe ich bei einer Familie<br />
gelebt, bin zur Schule gegangen, habe in<br />
zwei Waisenhäusern gearbeitet und bin<br />
mit anderen Austauschschülern gereist,<br />
u. a. nach Bolivien. Außerdem habe ich<br />
Spanisch sprechen und Gitarre spielen<br />
gelernt. Vor allem das Träumen und Musizieren<br />
auf den Dächern der Stadt, am<br />
Strand und durchs Land reisend haben<br />
mich Glück, Lebendigkeit und Freiheit<br />
verspüren lassen.<br />
Auch wenn dort einiges anders war als<br />
ich es von Österreich gewohnt war, so<br />
war doch das größte „Exotikum“ für mich<br />
die Schule: Frontalunterricht, einen von<br />
Unterrichtsstunden zerstückelten Schulalltag<br />
und Prüfungen schreiben kannte<br />
ich bisher nur vom Hörensagen. Hinzu<br />
kamen noch Schuluniform und morgendliches<br />
Kollektivbekenntnis zu Gott und<br />
dem Vaterland. Auch die Art zu lernen war<br />
ganz anders und viel abstrakter, als ich es<br />
gewohnt war. Ich erinnere mich noch,<br />
wie ich im Mathematik-Unterricht zu Beginn<br />
manchmal verzweifelt Kügelchen<br />
aufs Papier zeichnete - die mir bekannten<br />
Montessori-Rechenmaterialien imitierend<br />
- um zum Ergebnis einer Rechung zu<br />
kommen. Es fiel mir anfangs schwer, mich<br />
in der Schule so einzurichten, dass ich<br />
mich wohl fühlen konnte, andererseits<br />
waren die Mitschüler und Lehrer alle sehr<br />
offen und hilfsbereit mir gegenüber - was<br />
es erleichterte. Alles in allem war es ein<br />
sehr prägendes und lehrreiches Jahr für<br />
mich und Peru ist so etwas wie eine zweite<br />
Heimat für mich geworden.<br />
Wieder zurück in Österreich, mit Trauer<br />
über die Trennung von meinen dort gewonnenen<br />
Freunden und einem noch<br />
größeren Kulturschock als beim Wegfahren,<br />
stand für mich zunächst fest, dass ich<br />
praktische Erfahrungen sammeln und<br />
„leben“ möchte, was meinen jüngsten<br />
Erkenntnissen nach über Ausbildungsstätten<br />
nicht in einer Schule möglich<br />
war. Ich schnupperte also in einer Keramikwerkstatt<br />
und jobbte eine Zeit lang<br />
als Kellnerin in einem Kaffeehaus. Beides<br />
entsprach allerdings nicht meinen Vorstellungen,<br />
zu monoton war der Berufsalltag<br />
für mich. Also schwenkte ich doch<br />
wieder zurück Richtung Ausbildung und<br />
entschied mich ob meines Interesses für<br />
kreativen Ausdruck für die Wiener-Kunst-<br />
Schule. Neben dem Experimentieren mit<br />
den unterschiedlichen Materialien lernte<br />
ich hier auch brauchbare Mitschriften zu<br />
erstellen, diese dann auswendig zu lernen<br />
und bei den Prüfungen wiederzugeben<br />
(um sie danach wieder zu vergessen).<br />
Anfangs hatte ich schon den Eindruck,<br />
dass die anderen mir in diesen Dingen<br />
unaufholbar weit voraus sind. Das erlebte<br />
Defizit verringerte sich aber überraschend<br />
schnell - diese Erfahrung habe<br />
ich später bei diversen Ausbildungen immer<br />
wieder gemacht. Zunehmend habe<br />
ich auch die Vorteile erkannt, dass ich in<br />
der Lernwerksatt gelernt hatte, selbstständig<br />
und mit Freude zu lernen. Nach<br />
der Orientierungsphase stand für mich<br />
fest, dass das Anfertigen von Kunstobjekten,<br />
um sie bewerten zu lassen, nicht<br />
meines ist, und so verließ ich die Wiener-<br />
Kunst-Schule nach zwei Jahren.<br />
Kurz darauf hörte ich von einer Kunsttherapie-Ausbildung<br />
und nach dem Einführungswochenende<br />
hatte ich entschieden,<br />
dass dies das Richtige für mich ist.<br />
Mir gefiel, dass hier nicht das produzierte<br />
Objekt im Mittelpunkt stand, sondern<br />
vielmehr der Prozess des Tuns und wie<br />
durch die Beschäftigung mit unterschiedlichen<br />
Ausdrucksarten Heilungsprozesse<br />
in Gang gesetzt werden können.<br />
Zeitgleich habe ich begonnen, die Lehrabschlussprüfung<br />
zur Bürokauffrau zu<br />
machen. Lehrabschlussprüfung ohne<br />
Lehre? Das war deshalb möglich, weil ich<br />
bei meinem Vater schon 1 ½ Jahre in der
freigeist herbst 2013<br />
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23<br />
was macht eigentlich ...<br />
saija crillovich<br />
Buchhaltung tätig war - und so konnte<br />
ich extern die Abschlussprüfung machen.<br />
Der Anstoß dazu kam vom Papa,<br />
der wohl der Meinung war, ein Abschluss<br />
könne nicht schaden. Heute bin ich ihm<br />
übrigens sehr dankbar dafür, da dies der<br />
Grundstein für meinen weiteren Ausbildungsweg<br />
war. Neben dem sehr wertvollen<br />
Vertrauen meiner Eltern, dass ich<br />
meinen richtigen Weg finde, habe ich<br />
auch solche kleinen Anstöße von Zeit<br />
zu Zeit als förderlich erlebt, wenn ich<br />
gerade nicht so recht wusste, was ich<br />
weiter machen soll bzw. mir der Antrieb<br />
fehlte. Ich besorgte mir also die entsprechenden<br />
Lernmaterialien und bereitete<br />
mich alleine zuhause und im Rahmen<br />
eines einmonatigen Kurses am BFI auf<br />
die Prüfung vor. Nach ein paar Monaten<br />
konnte ich die Abschlussprüfung erfolgreich<br />
ablegen, es war meine erste vor<br />
einer Kommission, ich war davor sehr<br />
aufgeregt.<br />
Mit dem Lehrabschluss eröffnete sich<br />
mir die Möglichkeit, die Matura in Form<br />
einer Berufsreifeprüfung zu machen.<br />
Mittlerweile war auch meine Motivation<br />
zu lernen wieder größer und außerdem<br />
hat mich ein gewisser Ehrgeiz gepackt,<br />
diese Hürde zu nehmen, die mir viele Türen<br />
öffnen würde. In Kursen (meist einmal<br />
wöchentlich etwa 4 Stunden lang )<br />
mit der jeweiligen Dauer von 1 bis 1 1/2<br />
Jahren bereitete ich mich in den Fächern<br />
Englisch, Deutsch, Mathematik und Betriebswirtschaftslehre/<br />
Rechnungswesen<br />
auf die jeweiligen Examen vor. Englisch<br />
konnte ich sogar in der Hälfte der<br />
vorgesehenen Zeit abschließen, da ich<br />
u.a. durch den Auslandsaufenthalt eine<br />
gute Sprechpraxis hatte.<br />
Nebenbei blieb mir genug Zeit, das theoretische<br />
Pauken mit praktischen Aktivitäten<br />
auszugleichen und etwas Geld zu<br />
verdienen. Ich habe eine Ausbildung zur<br />
Englisch-Lehrerin nach der „Helen- Doron-Methode“<br />
gemacht und anschließend<br />
für ein Jahr lang einige Gruppen<br />
von Kleinkindern nach dieser Methode<br />
geführt. Das Arbeiten mit den Kindern<br />
in Begleitung ihrer Eltern war eine sehr<br />
spannende Erfahrung. Auch wenn mir<br />
das Prinzip dieser Lernmethode zusagte<br />
(spielerisches Lernen, Spaß im Vordergrund),<br />
war es in der Praxis schwierig,<br />
meine Auffassung von Lernen mit den<br />
an mich gestellten Erwartungen von Seiten<br />
der Erwachsenen zu vereinen.<br />
Die Kunsttherapie hatte ich inzwischen<br />
nach zwei Jahren schweren Herzens<br />
abgebrochen, ein vorübergehendes gesundheitliches<br />
Problem (Gastritis) war<br />
ausschlaggebend dafür. Diese Krankheitsphase<br />
von einigen Monaten war<br />
auch gleichzeitig eine persönliche Krisenzeit<br />
für mich. Es war meine inoffizielle<br />
Reifeprüfung, die erste offizielle Maturaprüfung<br />
folgte im Herbst 2006. Ich habe<br />
dann aushilfsmäßig in der <strong>Lernwerkstatt</strong><br />
und im Waldkindergarten „Waldfexxx“<br />
gearbeitet, wo ich endlich wieder in<br />
einem Umfeld mit Kindern arbeitete,<br />
wo ich das Gefühl hatte, dass ich so sein<br />
Foto: Saija Crillovich<br />
kann, wie ich bin (nicht eine Rolle spielen<br />
muss) und auch die Kinder so sein<br />
lassen kann, wie sie sind (sie nicht zwingen<br />
muss etwas Bestimmtes zu tun, sich<br />
anders zu verhalten etc.). Spannend war<br />
es vor allem, die <strong>Lernwerkstatt</strong> jetzt von<br />
einer anderen Perspektive aus - nämlich<br />
jener der Betreuerin - neu zu erleben.<br />
Mittlerweile war ich schon eine Zeitlang<br />
mit meinem Freund Adrian zusammen,<br />
was mich immer wieder auch nach Wien<br />
führte, wo er lebt. Ich begann mich über<br />
Universitätsstudien zu informieren und<br />
fand die Vorstellung zu studieren zunehmend<br />
sympathisch. Ich entschloss mich<br />
für das Studium der Kultur- und Sozialanthropologie,<br />
das mich schon länger<br />
angesprochen hatte. Nach der letzten<br />
Matura-Teilprüfung ging ich im Sommer<br />
zunächst für zwei Monate wieder nach<br />
Südamerika. Einen Monat lang reiste ich<br />
gemeinsam mit meinem Freund in Peru<br />
und besuchte dort seine Familie, den<br />
zweiten Monat besuchte ich alte Freunde<br />
und arbeitete in einem Kindergarten für<br />
benachteiligte Kinder in Quito. Ich war<br />
sehr glücklich, wieder in Südamerika reisen<br />
zu können.<br />
Wieder zurück in Österreich inskribierte<br />
ich an der Uni Wien und begab mich ins<br />
Studentenleben. Was mir anfangs als<br />
unübersehbares Chaos vorkam, erhielt<br />
zunehmend Struktur, und ich erkannte<br />
die Schulzeit in der <strong>Lernwerkstatt</strong> als<br />
großen Vorteil für das Studieren, da hier<br />
selbstständiges Arbeiten vorausgesetzt<br />
wird. Ich merkte bald, dass dies mein<br />
Studium war, weil mich die Themen sehr<br />
interessierten. Mir gefiel auch die Herangehensweise,<br />
alles zu hinterfragen und<br />
somit zu lernen, vorhandene Strukturen<br />
nicht als gegeben hinzunehmen. So viel<br />
lesen wie während des Studiums werde<br />
ich wohl auch sobald nicht mehr.<br />
Außerdem entdeckte ich die vielen Möglichkeiten,<br />
die das Studieren in der Großstadt<br />
birgt: All die Angebote und Veranstaltungen<br />
abseits des Vorlesungssaals.<br />
Das umfangreiche Programm des Sportinstitutes<br />
der Uni Wien (USI) hat mich<br />
dazu gebracht, mich auf vielfältige Weise<br />
mit meinem Körper zu beschäftigen<br />
und neue Bewegungsformen kennenzulernen<br />
(Inner Movement, Afro-Tanzen,<br />
Zumba, Latindance, Inkayoga, Shiatsu...).<br />
Die Semesterferien im Februar nutze<br />
ich meist, um mit meinem Freund nach<br />
Peru zu fahren. Meine Bachelorarbeiten<br />
schrieb ich dann über Transnationale<br />
Paarbeziehungen (inspiriert durch meine<br />
eigene Partnerschaft) und den Wandel in<br />
der Einstellung gegenüber dem Körper<br />
in Europa seit dem Ende des Mittelalters<br />
(Aufgrund der eigenen Beschäftigung<br />
mit Körperlichkeit und der Beobachtung,<br />
dass diese oft negativ besetzt ist bzw. der<br />
Umgang mit dem Körper ambivalent ist).<br />
Trotz vorhandenen Interesses und vieler<br />
weiterer Themengebiete, die mich noch<br />
zur Erforschung interessieren würden,<br />
habe ich nach Beenden des Bachelors im<br />
Wintersemester 2012 beschlossen, den<br />
Master nicht gleich folgen zu lassen. Der<br />
Grund war, dass mir durch das Studium<br />
hindurch immer wieder stark der Bezug<br />
zur Praxis gefehlt hat und ich nicht den<br />
Eindruck hatte, dass mich das rein theoretische<br />
Lernen dorthin bringt, wo ich<br />
hin möchte. So hat das studentische Leben<br />
vorerst einmal ein Ende genommen<br />
und ich habe die beruflichen Bereiche<br />
ausgeweitet, die mich auch schon während<br />
des Studiums geringfügig begleitet<br />
haben. Diese sind einerseits Lernnachhilfe<br />
für Roma Kinder über den Verein<br />
„Romano Centro“, und andererseits<br />
Buchhaltung und Betriebsorganisation<br />
für den „Intishop“, das Geschäft meines<br />
Freundes. Durch das Wegfallen der Prüfungen<br />
konnte ich im Herbst gemeinsam<br />
mit Adrian auf Geschäftsreise nach Asien<br />
gehen und ihm helfen, die Ware auszusuchen<br />
(Gewand und Schmuck). Ich<br />
habe es heuer sehr genossen, nach jahrelangem<br />
Vorsommer - Lernstress dieses<br />
Jahr einmal nicht für Prüfungen pauken<br />
zu müssen und trotzdem bin ich schon<br />
wieder am Überlegen, welche Ausbildung<br />
folgen könnte. Ich möchte gerne<br />
wieder an die Therapie-Ausbildung anschließen<br />
und bin gerade am Schauen,<br />
welche Möglichkeiten es da gibt.<br />
So wie es aussieht, werde ich im Herbst<br />
das psychotherapeutische Propädeutikum<br />
beginnen, wo man sich ja wie in<br />
der Anthropologie mit verschiedenen<br />
Aspekten des Menschseins auseinandersetzt,<br />
nur aus einem anderen Blickwinkel.<br />
Außerdem werde ich im Verein<br />
„NL 40“ beginnen, Lernbetreuung für<br />
Kinder mit Migrationshintergrund zu<br />
machen. Mein Lebensweg verläuft nicht<br />
so geradlinig wie so manch anderer und<br />
doch gibt es für mich eine gewisse Kontinuität<br />
und ich habe nicht das Gefühl, irgendetwas<br />
umsonst gemacht zu haben.<br />
Meine Herzensinteressen, das Arbeiten<br />
mit Menschen, die Begleitung von Kindern<br />
und kreativer Ausdruck abseits von<br />
Bewertung und Erfolgsdruck sind meine<br />
treuen Begleiter auf den unterschiedlichen<br />
Pfaden, auf denen ich wandle.<br />
Ich möchte meinen Eltern danken, die<br />
immer in mich und meinen Lebensweg<br />
vertraut und mich unterstützt haben.<br />
Außerdem auch allen Menschen, die<br />
mit ihrem Mut und Enthusiasmus dazu<br />
beigetragen haben, dass es eine Schule<br />
wie die <strong>Lernwerkstatt</strong> gibt wo ich tolle<br />
Lernerfahrungen machen konnte - und<br />
darüber hinaus eine schöne Kindheit<br />
verbracht habe.
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unbekannte reformpädagogInnen<br />
jiddu krishnamurti<br />
Um die Jahrhundertwende vom 19. ins 20. Jahrhundert war die „Theosophische Gesellschaft“ eine große<br />
spirituelle Gemeinschaft, deren Netzwerk die ganze Welt umspannte. Führende Mitglieder der Gesellschaft<br />
glaubten aufgrund verschiedener Zeichen, dass in naher Zukunft ein „Weltlehrer“ auf der Erde erscheinen<br />
würde, einem Messias gleich. Sie glaubten, diesen Weltlehrer in einem kleinen Jungen in Indien gefunden<br />
zu haben. Sein Name war Jiddu Krishnamurti. Aber es kam alles ganz anders.<br />
Von Rainer Wisiak<br />
j<br />
iddu Krishnamurti wurde 1895 in Südindien<br />
als achtes Kind in eine Brahmanenfamilie<br />
hinein geboren. Als er<br />
zehn Jahre alt war, starb seine Mutter,<br />
worauf er sich sehr an seinen jüngeren<br />
Bruder Nitya klammerte. Sein Vater war<br />
schon viele Jahre lang Mitglied der Theosophischen<br />
Gesellschaft und hatte bei<br />
dieser eine fixe Anstellung in Adyar. Als<br />
der Theosoph Charles Webster Leadbeater<br />
bei einem Spaziergang am Strand von<br />
Adyar um den jungen Krishnamurti eine<br />
ungewöhnlich schöne Aura sah, glaubte<br />
er, aus dem Jungen werde einmal ein<br />
großer spiritueller Lehrer und bat den<br />
Vater um das Sorgerecht für Jiddu und<br />
seinen Bruder Nitya.<br />
Nach der Aufnahme des jungen Krishnamurti<br />
in die Theosophische Gesellschaft<br />
wuchs dieser mit seinem Bruder Nitya<br />
an verschiedenen Orten der Welt auf, ab<br />
1912 vor allem in England. Er erhielt eine<br />
besondere Ausbildung und Erziehung.<br />
1911 wurde der „Order of the Star in the<br />
East“ gegründet, ein Orden, zu dessen<br />
Oberhaupt Krishnamurti ernannt wurde<br />
und welcher ihm den Weg zum wiedergeborenen<br />
Weltlehrer ebnen sollte.<br />
Der völlig unerwartete Tod seines Bruders<br />
aber (dem führende Mitglieder der<br />
Gesellschaft eine wichtige Rolle bei der<br />
Ankunft des Weltlehrers und deshalb ein<br />
langes Leben versprochen hatten) sowie<br />
eine immer größer werdende Kluft<br />
zwischen Krishnamurtis Gedanken und<br />
denen der Theosophischen Gesellschaft,<br />
die schon von einer Weltuniversität und<br />
einer neuen Weltreligion sprach, führten<br />
1929 zum Bruch zwischen Jiddu Krishnamurti<br />
und der Theosophischen Gesellschaft.<br />
Vor dreitausend Mitgliedern des<br />
„Order of the Star in the East“ hielt er am<br />
3. August 1929 folgende Rede, mit der<br />
er die für ihn gegründete Organisation<br />
auflöste und welche schon alle wesentlichen<br />
Standpunkte enthielt, die er für<br />
den Rest seines Lebens vertrat:<br />
„Ich behaupte, dass die Wahrheit ein<br />
Jiddu Krishnamurti (1895 - 1986)<br />
Foto: Krishnamurti Foundation<br />
unwegsames Land ist und dass es keine<br />
Pfade gibt, die zu ihr hinführen – keine<br />
Religionen, keine Sekten. Das ist mein<br />
Standpunkt, den ich absolut und bedingungslos<br />
vertrete. Die Wahrheit ist<br />
grenzenlos, sie kann nicht konditioniert,<br />
sie kann nicht auf vorgegebenen Wegen<br />
erreicht und daher auch nicht organisiert<br />
werden. Deshalb sollten keine Organisationen<br />
gegründet werden, die die Menschen<br />
auf einen bestimmten Pfad führen<br />
oder nötigen. Wenn ihr das einmal verstanden<br />
habt, werdet ihr einsehen, dass<br />
es vollkommen unmöglich ist, einen<br />
Glauben zu organisieren.<br />
Der Glaube ist eine absolut individuelle<br />
Angelegenheit und man kann und darf<br />
ihn nicht in Organisationen pressen.<br />
Falls man es tut, wird er zu etwas Totem,<br />
Starrem; er wird zu Gier, zu einer Sekte,<br />
einer Religion, die anderen aufgezwungen<br />
wird. Die Wahrheit wird zu einem<br />
Konsumgut für die Schwachen, die nur<br />
eine momentane Unzufriedenheit spüren.<br />
Der Mensch kann die Wahrheit nicht<br />
zu sich herabziehen, sondern muss sich<br />
bemühen, zu ihr aufzusteigen. Man kann<br />
den Berggipfel nicht ins Tal holen. …<br />
Ich betone noch einmal, dass keine Organisation<br />
einen Menschen zur Spiritualität<br />
führen kann. Wenn eine Organisation zu<br />
diesem Zweck gegründet wird, so wird<br />
sie zu einer Krücke, die euch schwächt, zu<br />
einem Gefängnis. Solche Organisationen<br />
verkrüppeln das Individuum, hindern es<br />
daran zu wachsen und seine Einzigartigkeit<br />
zu leben, die ja darin liegt, dass<br />
es ganz alleine diese absolute, uneingeschränkte<br />
Wahrheit entdeckt. Das ist ein<br />
weiterer Grund dafür, dass ich mich – da<br />
ich der Präsident des Ordens bin – entschlossen<br />
habe, den Orden aufzulösen.<br />
Niemand hat mich zu dieser Entscheidung<br />
gedrängt oder überredet. Das ist<br />
keine großartige Tat, denn ich will keine<br />
Jünger oder Anhänger; ich meine das so,<br />
wie ich es sage. In dem Moment, in dem<br />
man beginnt, jemandem zu folgen, hört<br />
man auf, der Wahrheit zu folgen. Es ist<br />
mir gleich, ob ihr auf meine Worte hört<br />
oder nicht. Ich will in dieser Welt etwas<br />
ganz Bestimmtes tun, und ich werde<br />
es unbeirrbar tun. Es geht mir um eine<br />
einzige, wesentliche Angelegenheit: die<br />
Befreiung des Menschen. Ich will ihn von<br />
allen Begrenzungen, allen Ängsten befreien<br />
und weder neue Religionen noch<br />
Sekten gründen. …<br />
Ich habe zwei Jahre lang darüber nachgedacht<br />
– langsam, sorgfältig, geduldig<br />
– und ich habe mich nun entschlossen,<br />
den Orden aufzulösen, dessen Leiter ich<br />
zufällig bin. Ihr könnt andere Organisationen<br />
gründen und auf jemand anders<br />
warten. Damit habe ich nichts zu tun. Ich<br />
habe kein Interesse daran, neue Gefängnisse<br />
zu errichten und neue Dekorationen<br />
für diese Gefängnisse zu kreieren.<br />
Mein einziges Interesse liegt in der absoluten,<br />
uneingeschränkten Befreiung des<br />
Menschen.“<br />
Rückzug und Aufbruch zu Neuem<br />
Kurze Zeit später wurden die verschiedenen<br />
Fonds und Stiftungen aufgelöst<br />
und die riesigen Ländereien an die ursprünglichen<br />
Besitzer zurückgegeben.<br />
Jahre des Rückzugs folgten, erst in Indien,<br />
später, während des 2. Weltkriegs,<br />
in den Vereinigten Staaten, wo er viele<br />
Jahre ganz zurückgezogen in Ojai, Kalifornien<br />
lebte. Er zerbrach bewusst sein<br />
Image als kommender Messias und wurde<br />
zunehmend als „spiritueller Philosoph“<br />
betrachtet.<br />
Erst nach 1947 begann Krishnamurti eine<br />
erfolgreiche Reise- und Vortragstätigkeit<br />
in alle Teile der Welt, die mehr und<br />
mehr Menschen anzog. Er verstand es,<br />
westliches und östliches Denken miteinander<br />
zu verbinden. Er traf den Quantenphysiker<br />
David Bohm ebenso zu Gesprächen<br />
wie den Dalai Lama, stand in<br />
freunschaftlichem Kontakt mit Literaten<br />
des Westens wie Aldous Huxley oder<br />
George Bernhard Shaw als auch mit Politikern<br />
des Ostens wie Jawaharlal Nehru<br />
oder Indira und Rajiv Gandhi.<br />
In den siebziger und achtziger Jahren besuchten<br />
oft mehrere tausend Menschen<br />
seine in aller Welt gehaltenen Vorträge.<br />
Der überwiegende Teil der heutigen Literatur<br />
von Krishnamurti besteht aus diesen<br />
niedergeschriebenen Gesprächen,<br />
die er mit den Besuchern seiner Vorträge<br />
führte. In allen Vorträgen spricht er aber<br />
darüber, dass man bezweifeln muss, was<br />
er sagt. Denn nur das, was wir selbst erkennen,<br />
ist wirkliche Einsicht, nicht das,<br />
was wir in Büchern lesen. Das gelte auch<br />
und besonders für seine Bücher. Seine<br />
Aussagen sollten uns stattdessen anregen,<br />
selbst die Wahrheit unseres Lebens<br />
und des Lebens insgesamt herauszufinden.<br />
Dafür sollte auch eine neue Art von<br />
Schulen entstehen, denn in den gegenwärtigen<br />
Schulen ginge es nur um den<br />
Erwerb von Wissen und die möglichst<br />
konfliktfreie Einordnung in die Mechanismen<br />
unserer Gesellschaft mit ihren Wer-
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freigeist herbst 2013<br />
27<br />
unbekannte reformpädagogInnen<br />
ten und Traditionen, in welcher Leistung<br />
und Erfolg oft an erster Stelle stehen.<br />
Die Krishnamurti-Schulen<br />
Immer wieder galt das besondere Interesse<br />
Krishnamurtis den Kindern und Jugendlichen,<br />
die als kommende Generation<br />
die menschliche Gesellschaft formen.<br />
Deshalb gründete er bereits 1931 die erste<br />
Ellen Key mit Carl Milles<br />
Krishnamurti-Schule in Indien, die Rishi<br />
Valley Schule. Heute gibt es weltweit acht<br />
offizielle Krishnamurti-Schulen für ganz<br />
unterschiedliche Altersgruppen von Schülern<br />
aus verschiedensten sozialen Schichten.<br />
Die Oak Grove School in Kalifornien<br />
ist eine internationale Tagesschule mit<br />
Internat für 5 – 18Jährige, die Brockwood<br />
Park School in England, eine internationale<br />
Internatsschule für 14 – 21jährige<br />
Jungen und Mädchen. Alle anderen Schulen<br />
befinden sich in Indien. Bal-Anand<br />
in Mumbai ist eine vorschulische Ganztagesbetreuung<br />
für Kinder aus ärmsten<br />
Familien, die es den Kindern ermöglicht,<br />
später mit besonderen Stipendien in der<br />
Rishi Valley Schule weiterzulernen. Neben<br />
diesen großen Schulen – die Rishi Valley<br />
Schule ist ein ländlich gelegenes Internat<br />
auf einem 1,5 Quadratkilometer großen<br />
Gelände mit Garten und Feldern und<br />
beherbergt ungefähr 350 Mädchen und<br />
Jungen – gibt es noch etwa 15 kleinere<br />
Schulen im Rishi Valley.<br />
Bis zu seinem Tode (Jiddu Krishnamurti<br />
starb 1986 im Alter von 90 Jahren an<br />
Krebs) stand er ständig in Kontakt mit<br />
den von ihm gegründeten Schulen und<br />
hielt sich längere Zeit im Jahr in den<br />
Schulen auf. So verbrachte er jährlich<br />
4 Monate in Brockwood Park und teilte<br />
dort das Leben und die Arbeit mit den<br />
Mitarbeitern und Schülern. Er stand,<br />
wenn Zeit dafür war, jedem für private<br />
und öffentliche Gespräche zur Verfügung.<br />
Seit 1978 schrieb er 14-tägig seine<br />
„Briefe an die Schulen“, in denen er sich<br />
zu vielen Themen der Erziehung und des<br />
Lebens äußerte. Er griff aber nie aktiv in<br />
das Schul- oder Unterrichtsgeschehen<br />
ein und bei Problemen und Schwierigkeiten<br />
im Schulbetrieb war mit Hilfe von<br />
seiner Seite in Form von Ratschlägen<br />
oder Richtlinien nicht zu rechnen.<br />
„Was ist Sinn und Zweck von Erziehung<br />
und Bildung?“<br />
lautet die erste Frage in Krishnamurtis<br />
Buch „Die Flamme des Lernens“. Das Buch<br />
ist eine Sammlung von Gesprächen, die<br />
Krishnamurti mit Schülern, Studenten<br />
und Lehrern geführt hat. Den Jugendlichen<br />
der Brockwood Park Schule antwortete<br />
er auf die oben gestellte Frage,<br />
dass Krishnamurti-Schulen den Kindern<br />
ermöglichen sollen, die notwendigen<br />
Fertigkeiten zu erwerben, um später<br />
in der modernen Welt klar denken und<br />
effizient tätig sein zu können. Weit wichtiger<br />
aber sei es für ihn, in diesen Schulen<br />
eine Umgebung zu schaffen, in der der<br />
junge Mensch sich als Persönlichkeit voll<br />
und frei entfalten kann, sich zugleich als<br />
Teil einer Gemeinschaft erfährt und über<br />
die Ganzheit des Lebens lernt.<br />
Es solle also nicht nur die äußere Welt<br />
erforscht werden, sondern auch das<br />
eigene Denken, das eigene Verhalten.<br />
Nur wenn man die eigenen Prägungen<br />
entdecke und wie hierdurch das Denken<br />
verzerrt würde, könne man frei davon<br />
werden. Für Krishnamurti sollte wahre<br />
Erziehung „dem Schüler helfen, alle gesellschaftlichen<br />
Unterscheidungen und<br />
Vorurteile zu erkennen und bei sich niederzureißen.“<br />
„Wir alle – ihr und ich, aber auch die<br />
Lehrer, die Schulleitung und die Behörden<br />
– sollten also gemeinsam diese<br />
Probleme (Anm.: des ständigen Nachahmens,<br />
der Traditionen, der Ängste vor<br />
ihnen) untersuchen, damit ihr, wenn ihr<br />
diesen Ort verlasst, reife Individuen seid,<br />
die selbstständig denken können und<br />
nicht von traditionellen Torheiten abhängig<br />
sind. Dann besitzt ihr die Würde<br />
eines wahrhaft freien Menschen. Das ist<br />
der eigentliche Sinn und Zweck der Bildung<br />
– nicht nur die Vorbereitung auf<br />
bestimmte Prüfungen, um für den Rest<br />
des Lebens in etwas hineingezwängt zu<br />
werden, das man nicht wirklich von Herzen<br />
tut – beispielsweise Rechtsanwalt<br />
zu werden oder Beamter oder Hausfrau<br />
oder eine Gebärmaschine. Ihr solltet darauf<br />
bestehen, eine Art von Ausbildung<br />
zu erhalten, die euch dazu ermutigt, frei<br />
und ohne Angst zu denken, eine, die<br />
euch hilft, die Dinge zu untersuchen und<br />
zu verstehen.“<br />
Ein Kurs in der Brockwood Park Schule<br />
ist betitelt mit „Thinking“, in dem es um<br />
Denkstrukturen geht, um die Geschichte<br />
des Denkens, etc. Krishnamurti ruft dazu<br />
auf: denkt, hinterfragt, forscht!<br />
„Ihr müsst also in eurer Jugend die Flamme<br />
der Unzufriedenheit in eurem Innern<br />
wecken; ihr solltet auf radikale Veränderung<br />
ausgerichtet sein. Das ist die Zeit,<br />
um Fragen zu stellen, Entdeckungen zu<br />
machen, zu wachsen. Besteht also darauf,<br />
dass euch eure Eltern und Lehrer<br />
antworten. Gebt euch nicht damit zufrieden,<br />
in einem Klassenzimmer zu sitzen<br />
und Informationen über diesen König<br />
oder jenen Krieg in euch aufzunehmen.<br />
Foto: Krishnamurti Foundation<br />
Seid unzufrieden. Geht zu euren Lehrern<br />
und stellt Fragen, forscht.“<br />
Angst blockiert den schöpferischen<br />
Unternehmungsgeist<br />
„Noten, Einstufungen, Vergleiche<br />
und jede Form des Zwangs, sei es mit<br />
Freundlichkeit oder Drohungen, erzeugen<br />
Angst. Und weil wir in jungen Jahren<br />
in diese Angstfalle geraten, haben wir<br />
dann unser ganzes Leben lang mit der<br />
Angst zu kämpfen.“<br />
Krishnamurtis erste Forderung an eine<br />
Schule ist somit: „Mir scheint, dass der<br />
wichtigste Aspekt der Schulbildung<br />
eine Erziehung zu Angstfreiheit ist, denn<br />
Angst lässt unseren Geist verkümmern,<br />
Angst verkrüppelt unser Denken, Angst<br />
verdunkelt unsere Seele, und solange<br />
wir Angst haben, werden wir nie eine<br />
neue Welt schaffen können.“<br />
Es gibt somit keine Noten und Zensuren<br />
in den Krishnamurti-Schulen („Denn sie<br />
sind keine Garantie für Intelligenz. Im Gegenteil,<br />
sie untergraben die Menschenwürde.“),<br />
wichtig ist auch, „dass ein Kind<br />
in der Schule unbefangen ist und sich<br />
vom ersten Tag an vollkommen sicher<br />
fühlt. Dieser erste Eindruck ist von äußerster<br />
Wichtigkeit. … Wenn ein Kind unbefangen<br />
ist und sich sicher fühlt, wird es<br />
tun, was es mag, aber indem es tut, was es<br />
mag, wird es herausfinden, was das Richtige<br />
ist.“ Wichtig erscheint Krishnamurti<br />
die Schulung der Empfindsamkeit, der<br />
Aufmerksamkeit, auch, dass es Zeiten der<br />
Stille gibt. In Brockwood Park beginnt der<br />
Tag für alle Mitarbeiter und die Jugendlichen<br />
mit einer „Zeit der Stille“.<br />
Auffallend an allen Krishnamurti-Schulen<br />
ist die große Zahl der Mitarbeiter,<br />
was in Brockwood Park beispielsweise<br />
zu einem solchen zahlenmäßigen Verhältnis<br />
zwischen Lehrern und Schülern<br />
führt, dass eine normale Klasse aus ca.<br />
6 Schülern besteht und bereits ab 2 Personen<br />
ein Kurs stattfinden kann.<br />
Für das Unterrichten von Fächern, Kursen,<br />
etc. wird nicht unbedingt eine Ausbildung<br />
als Lehrer oder ein Pädagogikstudium<br />
verlangt, persönliche Befähigungen<br />
und Kenntnisse sind ausschlaggebender.<br />
Auch, Kinder beobachten zu können:<br />
„Geben Prüfungen wirklich Aufschluss<br />
über die Fähigkeiten eines Kindes? Ein<br />
Kind versagt vielleicht, weil es nervös ist,<br />
Angst vor der Prüfung hat, während ein<br />
anderes durchrutscht, weil es ein dickeres<br />
Fell hat. Beobachtest du jedes Kind dagegen<br />
Woche für Woche, beobachtest<br />
du seinen Charakter, wie es spielt, wie es<br />
spricht, welche Interessen es zeigt, wie es<br />
lernt, was es isst, dann wirst du das Kind<br />
allmählich kennen, ohne dass Prüfungen<br />
nötig sind, die dir Aufschluss über seine<br />
Fähigkeiten geben sollen.“<br />
Leider seien aber Zensuren und das Vergleichen<br />
die Basis an all den öffentlichen<br />
Schulen und unserer gesamten Kultur,<br />
meint Krishnamurti. „Der Lehrer sagt dir<br />
immer wieder, dass du so gut werden<br />
musst wie jener Junge oder dieses Mädchen,<br />
also strengst du dich an, so gescheit<br />
zu werden wie sie. Und was passiert mit<br />
dir? Du wirst immer angespannter, was<br />
schließlich zu körperlichen Beschwerden<br />
und geistiger Erschöpfung führt. Wie<br />
wäre es, wenn der Lehrer stattdessen sagen<br />
würde: `Hör zu, Junge, sei einfach du<br />
selbst. Lass uns gemeinsam herausfinden,<br />
was deine Interessen und Fähigkeiten<br />
sind. Imitiere niemanden, versuche nicht,<br />
wie Rama, Sita oder Gandhi zu werden,<br />
sondern sei, was du bist, und fange damit<br />
an.´ Wenn der Lehrer das sagt, dann geht<br />
es um dich und niemand anderen.<br />
Eine solche Art der Begleitung würde<br />
sich Krishnamurti für die Schüler wünschen,<br />
und an die Kinder und Jugendlichen<br />
gerichtet meinte er:<br />
„Das sollte im Grunde das wichtigste<br />
Ziel der Bildung und jedes Lehrers sein:<br />
euch von klein auf zu helfen, vollkommen<br />
frei von Angst zu sein, damit ihr als<br />
intelligente Menschen in die Welt hinaus<br />
geht, voll echtem Unternehmungsgeist.<br />
… Wenn ihr keine Angst habt, könnt ihr<br />
viel besser lernen. Wenn ihr nicht das Gefühl<br />
habt, zu irgendetwas gezwungen zu<br />
werden, werdet ihr herausfinden, woran<br />
ihr wirklich Interesse habt, und dann<br />
werdet ihr euer Leben lang etwas tun,<br />
das ihr von ganzem Herzen tut – und das<br />
ist viel wichtiger, als ein unglücklicher<br />
Angestellter zu werden, nur weil man<br />
einen Job braucht. Es ist Unsinn, eine<br />
bestimmte Arbeit nur zu tun, weil deine<br />
Eltern sagen, dass du das tun sollst, oder<br />
weil die Gesellschaft es von dir verlangt.<br />
Machst du aber etwas, das du von Herzen<br />
gerne tust, dann erschaffst du durch diese<br />
Liebe eine neue Welt. Und ihr seid diejenigen,<br />
die diese neue Welt schaffen müssen,<br />
nicht die alten Leute, denn die machen<br />
ein unglaubliches Chaos daraus.“<br />
Verwendung der Fotos mit freundlicher Genehmigung<br />
der Krishnamurti Foundation,<br />
Brockwood Park, England.<br />
Sämtliche Zitate sind entnommen<br />
aus:<br />
Jayakar, Pupul: „Krishnamurti. Ein Leben<br />
in Freiheit“, H.J.Maurer Verlag<br />
Krishnamurti, Jiddu: „Die Flamme des<br />
Lernens“, Arbor Verlag<br />
Krishnamurti, Jiddu: „Der Flug des Adlers“,<br />
Fischer Taschenbuch<br />
Rainer Wisiak<br />
ist Waldorf- und<br />
Montessori-Pädagoge<br />
und war mehrere<br />
Jahre Begleiter in der<br />
<strong>Lernwerkstatt</strong>
Farbenfroh, mit allen Schattierungen und Verläufen,<br />
verbindend und eindrucksvoll präsentiert sich die<br />
Gemeinschaft <strong>Lernwerkstatt</strong> auf der Klausurwoche in<br />
Istrien. Erlebt von Sonia Höllerer<br />
<br />
ls elternorganisierte Schule bedarf es<br />
Zeit und Raum, um sich auf das neue<br />
Schuljahr vorzubereiten. Deswegen<br />
trifft man sich jedes Jahr vor Schulanfang.<br />
Nicht ein paar Leute, irgendwo, für einen<br />
Abend oder so... Nein!<br />
Wir treffen uns in Istrien. An einem Campingplatz<br />
direkt am Meer kommen seit<br />
vielen Jahren für eine Woche lang bis zu<br />
200 Leute zusammen – Eltern, Begleiter,<br />
Schüler, Ex-Schüler, Ex- Eltern, kurz: viele<br />
Menschen rund um die <strong>Lernwerkstatt</strong>.<br />
Ein paar sind der Schule längst entwachsen,<br />
andere wachsen gerade hinein.<br />
Manche kommen als Großeltern wieder,<br />
und für ein paar Jugendliche ist es das erste<br />
Mal, dass sie auf den wilden Zeltplätzen<br />
im Wald übernachten dürfen.<br />
Die Aufgabenstellung ist klar. Vieles gehört<br />
besprochen und bearbeitet: Pädagogisches,<br />
Organisatorisches, Finanzielles,<br />
Visionäres, Allfälliges. Aber das ist<br />
natürlich nicht alles. Man kocht gemeinsam,<br />
wäscht ab, baut Zelte auf, diskutiert,<br />
plaudert, feiert, singt , lacht, genießt,<br />
schwimmt, spielt und verliert, rudert zur<br />
Insel, springt von Klippen und geht auf<br />
Slacklines übers Wasser.<br />
Die einen mehr, die anderen weniger.<br />
Wir sind diesmal ganz besonders ungeduldig.<br />
Schon eine Woche vor dem offiziellen<br />
Klausurstart zieht es uns nach<br />
Istrien. Aber wir sind bei weitem nicht<br />
die Ersten! Kaum aus dem Auto ausgestiegen,<br />
werden wir schon begrüßt, und<br />
wenige Minuten später finden wir uns<br />
mit einem Kaffee in der Hand in Campingsesseln<br />
wieder und unsere Kinder<br />
tauchen in den Hängematten unter.<br />
Ankommen in Istrien bedeutet: Begrüßt<br />
werden. Willkommen sein. Schön ist das.<br />
Die nächsten Tage können wir mitansehen,<br />
wie die Gemeinschaft wächst. Jeden<br />
Tag trudeln mehr Familien ein, manche<br />
kennt man kaum und man freut sich<br />
aufs Kennenlernen, manche sind schon<br />
längst ganz besondere Freunde geworden.<br />
Und dazwischen ist aber auch immer<br />
Platz, um mit der Familie zu sein,<br />
ein ruhiges Gespräch zu suchen oder<br />
die Stille zu genießen: Früh am Morgen,<br />
wenn das Meer noch seidig glatt ist,<br />
ganz alleine hinausschwimmen. In der<br />
Gemeinschaft in Istrien erlebe ich also<br />
auch: Man ist ein Individuum. Auch dafür<br />
ist Platz.<br />
Schön langsam werden wir immer öfter<br />
von anderen Campinggästen angesprochen.<br />
„Wer seid ihr? Was macht ihr hier?“.<br />
Und dann erzählen wir. Neugierde, Faszination,<br />
Skepsis, Zustimmung, Begeisterung.<br />
Und vor allem: große ungläubige<br />
Augen. So viele Jahre und so ein großes<br />
Vertrauen in die Pädagogik, in unsere<br />
Kinder, in unsere Gemeinschaft! Ich genieße<br />
solche Gespräche, es macht mir<br />
bewusst, warum ich hier bin.<br />
Nun erreicht der Zustrom seinen Höhepunkt.<br />
Alle sind da, jeder hat mehr oder<br />
weniger seinen perfekten Zeltplatz gefunden,<br />
auch das große Essenszelt steht,<br />
der Kühlschrank läuft, die ersten beginnen<br />
Zwiebeln zu schälen …. die Klausur<br />
beginnt!<br />
Jeden Vormittag – so uns der Regen nicht<br />
abhält - treffen wir uns, besprechen, planen,<br />
überlegen, diskutieren, arbeiten.<br />
Auch die Kinder genießen das Zusammensein,<br />
sie ziehen über den Campingplatz,<br />
spielen im Wald, sammeln Schätze<br />
am Strand, organisieren sich, amüsieren<br />
sich, spielen, streiten, lachen, leben.<br />
Abends sitzen wir zusammen, beim<br />
Sonnenuntergang, bei einer Einladung<br />
zu einem Glas Wein oder vor dem Gewitterregen<br />
unter einem Dach Schutz<br />
suchend. Wir erzählen, feiern, und wir<br />
lachen viel. Von weiter weg höre ich eine<br />
Gitarre und ein paar Männer spielen Tarock.<br />
Sie gewinnen und verlieren, und<br />
am Ende steigt jeder nahezu gleich aus.<br />
Was bleibt, ist der gemeinsame Spaß.<br />
Gemeinschaft in Istrien - eigentlich bedeutet<br />
es für mich: Zusammensein. Einen<br />
Platz zu haben, bereichert zu werden.<br />
Eine Woche später sitze ich am Strand,<br />
verabschiede mich vom Meer.<br />
Leer ist es geworden am Campingplatz.<br />
Fast alle sind nun weg. Es ist noch immer<br />
ein zauberhafter Ort. Die Sonne geht unter,<br />
wie jeden Abend. Der Himmel glüht<br />
und eine Möwe fliegt idyllisch von links<br />
nach rechts. Wie aus dem Bilderbuch.<br />
Aber es ist einfach nicht dasselbe.<br />
<br />
ist Diplompädagogin, selbständige freie<br />
Handwerkerin und Mutter von 2<br />
Kindern in der Lern- und Spielwerkstatt.<br />
Foto: Autorin<br />
Fotos: Sonia Höllerer, Leonie Mayr, Walter Pilgerstor fer
freigeist herbst 2013<br />
31<br />
istrien-kabarett:<br />
die phasen der l<strong>ws</strong>-eltern<br />
Elisabeth Mayr und Angelika Brandl meinten in ihrem Kabarett-Programm beim Abschlussfest in Istrien: „In der<br />
LWS hat ein Paradigmenwechsel stattgefunden, nicht die Kinder gehören gut durch die diversen Phasen<br />
begleitet, sondern deren Eltern; daraus ergeben sich ganz neue Perspektiven!“ Um uns einen Überblick zu<br />
verschaffen, stellen wir diese Phasen kurz vor:<br />
1euphoriephase (ep) - auch unter<br />
„alles-leiwand-phase“ bekannt.: erkennbar<br />
ist diese phase an aussagen<br />
wie: „die l<strong>ws</strong> ist die beste schule für mein<br />
kind!“. die schüler und schülerinnen haben<br />
es leicht in der zeit, sie können alles<br />
machen was ihnen spaß macht! auf die<br />
frage: „na, wie war‘s in der schule?“ genügt<br />
ein: „eh, super!“<br />
2operative phase (op): die eltern<br />
kommen endlich ins tun und finden<br />
sich in den verschiedenen arbeitskreisen<br />
wieder, voller freude übernehmen<br />
sie diverse rollen und arbeiten<br />
fleißig für die schule. die schüler und<br />
schülerinnen können inzwischen ihren<br />
eigenen projekten nachgehen.<br />
3<br />
panikphase (pp) - auch „5-vor-<br />
12-phase“ genannt. verzweiflung<br />
macht sich breit: „kann mein kind<br />
genug?? lernt es eh etwas??? viele fragen,<br />
wenig antworten! die jugendlichen können<br />
hier ihre eltern gut unterstützen und<br />
die phase durch gezielte bemerkungen<br />
wie: „heute hab ich gar nichts gemacht,<br />
es war ur-chillig in der seki“ oder „ich weiß<br />
nicht was ich nach der l<strong>ws</strong> machen soll?“<br />
zum höhepunkt treiben. allerdings „vorsicht!“:<br />
die panikphase kann kippen und<br />
dann unmittelbar in die regelschulphase<br />
überführen! nix mehr l<strong>ws</strong> - regelschule!!!<br />
4<br />
wird-scho-werdn-phase (<strong>ws</strong>wp):<br />
die eltern entspannen sich wieder.<br />
diese phase ist erkennbar an aussagen<br />
wie: “die jugendlichen sind sozial urkompetent“,<br />
„den lernstoff (sollte etwas<br />
noch nicht gekonnt werden) holen sie innerhalb<br />
kürzester zeit auf“; „ihre talente<br />
sind voll entfaltet“ oder „wir sind aber eh<br />
stolz auf sie“!!!<br />
geplant ist, dass wir einmal<br />
einen längeren artikel über<br />
dieses thema schreiben, weil<br />
es diese phasen ja in echt gibt.<br />
in aller bescheidenheit - haben<br />
wir da anscheinend einen nerv<br />
erwischt!<br />
Eltern in den verschiedenen Phasen<br />
Fotos: Leonie Mayr<br />
Elisabeth Mayr & Angelika Brandl
freigeist herbst 2013<br />
32<br />
freigeist herbst 2013<br />
33<br />
eine reise<br />
nach montenegro<br />
Es war der nicht nur in finanzieller Hinsicht (aber auch) erfolgreichste Schulball in der LWS-Geschichte.<br />
Dass der von den Jugendlichen gemeinsam erwirtschaftete Erlös davon für die Sekundaria-Abschlussreise<br />
verwendet wird, war von Anfang an klar. Das Ziel hingegen lange nicht. Letztendlich war es die<br />
Stadt Bar in Montenegro. Ein Reisebericht von Leonie Mayr und Johanna Gaisrucker.<br />
d<br />
donnerstag, 23. Mai, Wien Westbahnhof<br />
Es ist nicht zu übersehen: Wir sind eine<br />
Reisegruppe. All unser Gepäck liegt auf<br />
einem Haufen. Um diesen Haufen sitzen<br />
wir, die Seki-Reisegruppe. Alle sind<br />
gut drauf und wir warten auf unseren<br />
Zug. Die Begleiter sind nicht ganz so<br />
entspannt, immer wieder wandert ihr<br />
Blick zur Anzeigetafel. Dort stehen in<br />
gelb die Zahlen der Verspätung unseres<br />
Zuges und es wird immer mehr. Jetzt ist<br />
er schon eine Stunde verspätet – das ist<br />
ziemlich dumm, da wir in Budapest einen<br />
Anschlusszug erreichen müssen. Es<br />
werden schon Pläne geschmiedet, was<br />
möglich ist, wenn wir ihn verpassen.<br />
Plan A: Wir holen alles wieder auf und im<br />
Anschlusszug merkt keiner, dass wir eigentlich<br />
zu spät losgefahren sind. Daran glaubt<br />
keiner so recht, wäre auch ein Wunder.<br />
Plan B: Im Zug ist ein netter Schaffner, der<br />
für uns telefoniert und den Anschlusszug<br />
dazu bringt, auf uns zu warten. Tja,<br />
das könnte schon klappen.<br />
Plan C: Wir übernachten in einem 4-Sterne-<br />
Hotel und lassen dann die ÖBB zahlen.<br />
Laut David (der sich schon erkundigt<br />
hatte) machen sie das auch.<br />
Die Lösung unserer Sorgen? Plan B – es<br />
fand sich ein netter Schaffner.<br />
Im Nachtzug angekommen, erlitten die<br />
meisten von uns etwas, was man wohl<br />
Kulturschock nennt. Wir haben uns (kindischerweise)<br />
einen Nachtzug wie ein<br />
Hotelzimmer vorgestellt. Wir waren etwas<br />
geschockt, als wir sahen, dass in ein<br />
so genanntes Sechsleuteabteil nur sechs<br />
Leute passten, die möglichst klein waren<br />
und keine Platzangst hatten. Und wo<br />
sollten da bitte noch die riesigen Koffer<br />
Platz haben? So dauerte es einige Zeit,<br />
bis alle in ihren Abteilen waren und das<br />
Gepäck verstaut hatten. Doch nach ein<br />
paar Stunden im Zug, die man halb wach<br />
und halb schlafend verbracht hatte, kam<br />
einem das Abteil schon nicht mehr vor<br />
wie eine Zelle. Um ca. drei Uhr in der Früh<br />
wurden wir recht unsanft von den Grenzkontrollleuten<br />
geweckt. Wie in einem<br />
Film wurden wir mit einer riesigen Taschenlampe<br />
angeleuchtet und dann wurde<br />
der „Passssport“ verlangt. Als wir das<br />
zwei Mal hinter uns hatten, konnte, wer es<br />
schaffte, noch ein bisschen schlafen.<br />
Freitag, 24. Mai, im Zug Richtung<br />
Belgrad<br />
Um ca. 6.30 kam dann Belgrad in Sicht.<br />
Am Bahnhof sahen wir uns dann alle wieder<br />
und konnten uns über die tolle Nacht<br />
austauschen. David war mit einem Mann<br />
namens Fjodor im Abteil. Er kam aus Belgrad,<br />
wirkte anfangs etwas gruselig, stellte<br />
sich aber bald als total nett heraus. Er<br />
wusste, wo unser Hostel war und meinte,<br />
dass er uns hinführen könnte. Das erste,<br />
was wir gesehen haben, nachdem wir aus<br />
dem Bahnhof kamen, war ein hässliches<br />
verfallenes Haus, auf dem dick „Hostel“<br />
Sekis auf Reisen<br />
Nicht immer nach dem Äußeren gehen - unser Hostel in Belgrad!<br />
stand. Da es aber laut Fjodor nicht unser<br />
Hostel war, waren wir alle beruhigt und<br />
machten Witze darüber, wie es wäre,<br />
wenn das unser Hostel wäre. Doch nach<br />
ein paar Minuten kam Fjodor drauf, dass<br />
wir in die falsche Richtung gehen. Wir<br />
kehrten um und so kam es, wie es kommen<br />
musste: das hässliche Hostel, über<br />
das wir vorher gelacht hatten, war UN-<br />
SERES! Doch wir merkten, dass wir nicht<br />
nach dem Äußeren gehen sollten, denn<br />
von innen war es echt okay. Vielleicht lag<br />
das auch daran, dass wir ein Leonardo-<br />
DiCaprio-Poster im Zimmer hatten :)<br />
Viel Zeit zum Auspacken hatten wir<br />
aber nicht, weil Fjodor uns gleich zeigen<br />
wollte, wo wir frühstücken könnten – etwas<br />
typisch Serbisches. Er ging mit uns<br />
zu einem netten kleinen Kaffeehaus, dort<br />
bekamen wir dann Cevapcici zum FRÜH-<br />
STÜCK! Einige begaben sich danach<br />
wieder ins Hostel, andere machten eine<br />
Stadtführung mit Fjodor. Er wusste sehr<br />
viel zu erzählen. Irgendwann zu Mittag<br />
verabschiedete sich der heilige Fjodor<br />
(unser Begleiter David hat Fjodor nämlich<br />
für heilig erklärt) und bekam als kleines<br />
Dankeschön von uns Mozartkugeln. Man<br />
ist es von zu Hause irgendwie nicht wirklich<br />
gewöhnt, dass alle Menschen so nett<br />
sind wie hier und es für selbstverständlich<br />
halten, hilfsbereit zu sein.<br />
Samstag, 25. Mai, Belgrad<br />
Als wir aufwachten, sahen wir erschrocken<br />
auf die Uhr: halb elf! Wir hatten unglaublich<br />
lange geschlafen. Wir gingen<br />
in eine Bäckerei und setzten uns zum Essen<br />
in einen kleinen Park. Der Vormittag<br />
war ja dann quasi schon vorbei und am<br />
Nachmittag ist eine Gruppe (bei der wir<br />
auch dabei waren) aufgebrochen, um einen<br />
Ivan zu suchen, dem unsere Begleiterin<br />
Maria etwas geben musste. Dieser<br />
hatte ein nett hergerichtetes Café, wo wir<br />
gleich etwas getrunken haben. Den restlichen<br />
Nachmittag verbrachten wir alle<br />
verteilt. Wir zwei waren mit ein paar anderen<br />
in Belgrad unterwegs, einkaufen,<br />
Fotos machen, die unterschiedlichsten<br />
Leute beobachten. Am Abend war ja<br />
dann das Fußballspiel Bayern gegen<br />
Dortmund oder so. Aber die Kaffeebars<br />
waren so voll, dass wir von außen beim<br />
Fenster rein zugeschaut haben.<br />
Den Sonntag verbrachten manche von<br />
uns mit einer Underground-Führung<br />
durch Belgrad, andere machten in kleinen<br />
Gruppen wieder was in der Stadt<br />
oder begannen schon zu packen, denn<br />
am Abend ging es schon wieder zum<br />
Bahnhof.<br />
Montag, 27. Mai, 2 Uhr nachts, im<br />
Zug zwischen Belgrad und Bar<br />
„Passsskontrolle“, bei der einem wieder<br />
ins Gesicht geleuchtet wurde. Dann<br />
noch ein bisschen schlafen und irgendwann<br />
sind wir ziemlich früh in Bar angekommen.<br />
Das Meer hatten wir schon<br />
vom Zugfenster aus gesehen. Tja, dann<br />
mussten wir alle, müde wie wir waren,<br />
erst mal mit dem ganzen Gepäck zum<br />
Hostel latschen – wir schreiben latschen,<br />
weil es echt mühsam war!<br />
Nach der Zimmeraufteilung und ein<br />
bisschen Gepäck auspacken sind dann<br />
natürlich alle erst mal zum Strand gegangen,<br />
danach ein wenig die Stadt<br />
beschnuppern, Essen einkaufen. Am<br />
Nachmittag wollten wir nochmals zum<br />
Strand, und da beim Hostel draußen ein<br />
urlieber Babyhund angebunden war, haben<br />
wir die Leute dort gefragt, ob wir mit<br />
ihm ein bisschen spazieren gehen dürfen.<br />
Der Hund hat sich total gefreut und<br />
ist herumgesprungen als wäre schon<br />
ewig niemand mehr mit ihm spazieren<br />
gewesen. Überhaupt gab es dort extrem
freigeist herbst 2013<br />
34<br />
<br />
<br />
<br />
Johanna Gaisrucker<br />
und Leonie Mayr<br />
Ex-<strong>Lernwerkstatt</strong>-<br />
Schülerinnen<br />
Rituale zu Schulbeginn und ein<br />
Blitzlicht aus der Schmiede<br />
Von Maria Pöcksteiner<br />
viele steunende Hunde und Katzen. Am<br />
Strand sind dann ein paar schwimmen<br />
gegangen, es wurden Fotos gemacht<br />
und die Sonnenstrahlen genossen.<br />
Gekocht haben wir in kleinen Grüppchen<br />
im Hostel, da jedes Zimmer eine<br />
kleine Küche hatte. Nico, Sina und Janina<br />
hatten davor eine kleine streunende<br />
Babykatze gefunden. Nach dem Essen<br />
wurde ernsthaft überlegt, ob und wie<br />
wir sie über die Grenze schmuggeln<br />
könnten. Schlafen durfte sie derweil mal<br />
im Zimmer von Tanja, Janina, Sina, Nico<br />
und Alwin.<br />
Dienstag, 28. Mai, in Bar<br />
Das Frühstück war recht gut (die Wurst<br />
bekamen die streunenden Hunde).<br />
Die Idee, die Katze nach Österreich zu<br />
schmuggeln wurde wieder fallen gelassen<br />
und sie wurde zum Strand zurückgebracht.<br />
Am Nachmittag waren wir in der<br />
Altstadt mit vielen zerfallenen Mauern<br />
(Fotos machen!) und haben in der Nähe<br />
den ältesten Olivenbaum Europas (der<br />
Welt?) besucht. Am Abend gab es noch<br />
eine längere Besprechung, da Johanna<br />
am nächsten Tag schon zurück nach Belgrad<br />
fahren musste, weil sie am Wochenende<br />
ein AFS-Camp in Österreich hatte.<br />
So musste geklärt werden, wer sie bis<br />
nach Belgrad begleitete.<br />
Mittwoch, 29. Mai<br />
Da der Strand in Bar nicht wirklich schön<br />
war, beschlossen wir, mit dem Bus zum<br />
nächsten Ort zu fahren. David, Janina<br />
und ich (Leonie) sind dann auf einen kleinen<br />
Berg direkt an der Küste gegangen,<br />
von wo aus wir wunderschöne Buchten<br />
mit rotem Sand sehen konnten – extrem<br />
schön! So sind wir über Klippen von Bucht<br />
zu Bucht gewandert. Am späteren Nachmittag<br />
sind wir alle wieder zurück ins<br />
Hostel gefahren, weil wir vier (Johanna,<br />
Leonie, Anna und David) um sieben Uhr<br />
abends den Zug nach Belgrad erwischen<br />
mussten. So hat sich am Abend dann die<br />
Gruppe geteilt. Wir vier fuhren zurück<br />
nach Belgrad, die anderen wollten noch<br />
einen Tag Bar und das Meer genießen.<br />
Donnerstag, 30. und Freitag, 31.<br />
Mai, in Belgrad<br />
Geschlafen haben wir im Zug dieses Mal<br />
alle halbwegs gut. Um halb sieben in der<br />
Früh waren wir wieder in Belgrad. Bis Johannas<br />
Zug abfuhr, hatten wir noch Zeit<br />
für ein gemütliches Frühstück (dieses<br />
Mal keine Cevapcici, sondern dicke, ursüße<br />
Palatschinken). Nachdem wir noch<br />
ein paar lustige Fotos gemacht haben<br />
und einkaufen waren, ging es langsam<br />
wieder zurück zum Hostel (Johannas<br />
Zeug holen) und dann zum Bahnhof, um<br />
sie zu verabschieden. Ihr standen zwölf<br />
Stunden Zugfahrt bevor!<br />
Zurück in der Stadt, erschien uns Belgrad<br />
im Vergleich zu Bar riesig und sehr belebt.<br />
Wir sahen uns noch einige Plätze<br />
an, aber nach einem plötzlichen starken<br />
Regenbruch am Nachmittag beschlossen<br />
wir, einfach ins Kino zu gehen. Wir<br />
wollten uns „Epic“, einen Zeichentrickfilm<br />
anschauen. Das Kino war klein und<br />
unglaublich lieb hergerichtet und – wir<br />
waren die einzigen Gäste! Der Film war<br />
recht lustig und die Handlung haben wir<br />
verstanden, die Dialoge natürlich nicht,<br />
außer, dass die Figuren immer wieder<br />
„Popojak“ gesagt haben. Bis heute wissen<br />
wir nicht, was dieses Wort heißt, obwohl<br />
wir dann hier in Österreich dieses<br />
Wort gegoogelt oder Leute gefragt haben,<br />
die aus Serbien kommen.<br />
Den Freitag verbrachten wir dann in der<br />
Innenstadt, bummelten durch kleine<br />
Geschäfte oder schauten den Straßenkünstlern<br />
zu. Der andere Teil der Gruppe<br />
war nun in der Früh in Bar aufgebrochen,<br />
fuhr mit dem Tagzug und traf am Abend<br />
in Belgrad ein. Sie hatten nur ein bisschen<br />
Zeit herumzugehen, denn dann<br />
wartete schon der Nachtzug nach Wien.<br />
Von Johanna hatten wir inzwischen gehört,<br />
dass sie gut angekommen war und<br />
die Zugfahrt überlebt hat.<br />
Die letzte Nacht. Noch einmal vom Schlafabteil<br />
aus die Lichter von den Häusern<br />
und Autos in Belgrad sehen, mit den<br />
Abteilmitbewohnern quatschen und irgendwann<br />
im nicht mehr ganz so arg unbequemen<br />
Bett einschlafen. An die nächtliche<br />
Passsskontrolle hat sich mittlerweile,<br />
glaube ich, auch schon jeder gewöhnt.<br />
Samstag, 1. Juni, Budapest, Wien<br />
In Budapest mussten wir ziemlich früh<br />
umsteigen, es blieb aber noch ein wenig<br />
Zeit, um ein Frühstück zu kaufen und letzte<br />
Karten zu schreiben. Schließlich sind<br />
wir mit einem für uns unglaublich modern<br />
erscheinenden Railjet zürück nach<br />
Wien gefahren, dort ziemlich fertig und<br />
müde angekommen. Noch schnell ein Abschlussfoto<br />
machen! Dann die Eltern begrüßen<br />
und sich von allen verabschieden.<br />
Es waren zehn wirklich extrem coole und lustige<br />
Tage mit der besten Sekigruppe ever.<br />
DANKE an alle, die uns irgendwie geholfen<br />
und dies ermöglicht haben. Schönen Tag<br />
noch und viel „Popojak“ euch allen :)<br />
Foto: David Meixner<br />
<br />
neue Kinder haben am 2. September<br />
im Wasserschloss gestartet.<br />
Wie jedes Jahr gehörten<br />
die ersten Tage den SchulbeginnerInnen<br />
und auch die Eltern durften mitkommen.<br />
„Zwei Tage gehört das Schloss jetzt euch<br />
alleine“ beginnt David seine Begrüßungsrede.<br />
Zeit, sich umzuschauen und zu orientieren,<br />
einen Garderobehaken auszuwählen<br />
und das Zweitschuhfach. Zeit, um alles<br />
in Ruhe zu betrachten und schon einiges<br />
auszuprobieren, die akustischen Signale<br />
kennen zu lernen , wie Teepausentrommel,<br />
Geschichtenglocke, die Triangel für die<br />
Schulversammlung und die Posaune, die<br />
das Schulende signalisiert.<br />
Am dritten Tag dürfen dann endlich alle<br />
kommen und der Tag beginnt mit einer<br />
großen Schulversammlung, zu der alle<br />
Kinder und BegleiterInnen zusammenkommen.<br />
Gleich am Anfang wird jedes<br />
neue Kind mit einigen persönlichen<br />
Worten vor der großen Gruppe begrüßt,<br />
es darf eine Kerze anzünden, sich einen<br />
Stein aussuchen und wird zuletzt mit Applaus<br />
von allen bedacht.<br />
Jetzt ist der Schulbeginn komplett und<br />
nach ersten Infos und Neuigkeiten fängt<br />
der <strong>Lernwerkstatt</strong>-Alltag mit all den Herausforderungen<br />
- aus einer Vielfalt zu<br />
wählen - an.<br />
Jedes Kind ist anders und in dieser Unterschiedlichkeit<br />
beginnt jedes Kind ganz<br />
eigen seinen Platz zu finden und seine<br />
Interessen zu entwickeln. Manche forsch<br />
drauf los, manche vorsichtig oder neugierig<br />
beobachtend. Seine innere Struktur<br />
bestimmt, was im Außen wahrgenommen,<br />
wie es bewertet und was hereingelassen<br />
wird. Kinder unterschiedlichen Alters,<br />
mit verschiedenen Begabungen und<br />
Interessen lernen voneinander.<br />
Gleich in den ersten Schultagen entdecken<br />
zwei neue Kinder die Schmiede<br />
im Außenbereich. Wer schmieden will,<br />
braucht eine Einführung, ja sogar einen<br />
„Führerschein“, um selbstständig hier<br />
arbeiten zu können. Nicht immer ist es<br />
als Begleiter sofort möglich, Kinder in<br />
diesem Interesse zu unterstützen. Es<br />
braucht dann schon zwei Erwachsene,<br />
um in Ruhe dabei sein zu können. Auch<br />
an diesem Tag scheint es vorerst schwierig.<br />
Doch ein 11-Jähriger ergreift spontan<br />
Initiative und bietet seine Hilfe an, die<br />
Neuen in die Kunst des Schmiedens einzuführen.<br />
Dass beide Seiten davon profitierten,<br />
sah man an den zufriedenen<br />
Gesichtern.<br />
<br />
<br />
ist Begleiterin in der LWS und<br />
Mitbegründerin der LWS
freigeist herbst 2013<br />
36<br />
freigeist herbst 2013<br />
37<br />
l<strong>ws</strong>-abgängerInnen<br />
2013<br />
es gibt einige grundlegende Fragen;<br />
die man/frau sich zu dieser Angst<br />
stellen sollte. Wie entsteht diese<br />
Angst? Was ist die Ursache?<br />
Ich gehe seit der Volksschule in eine Alternativ-Schule,<br />
also immer schon. Und<br />
ich muss sagen, soweit ich mich an meine<br />
Volksschul-Zeit zurück erinnern kann,<br />
weiß ich, dass es schon eine Weile dauern<br />
kann, bis das System „anschlägt“ oder bis<br />
Kinder es verstehen. Abgesehen davon<br />
ist das natürlich für jedes Kind anders.<br />
Meine Mutter hat mir auch erzählt, dass<br />
sie schon manchmal ihre Zweifel hatte,<br />
ob wir die richtige Wahl getroffen haben.<br />
Ich glaube, (fast) alle Eltern haben manchmal<br />
ihre Zweifel und es kostet sicherlich<br />
immer wieder viel Kraft, durchzuhalten.<br />
Aber was ist der Nährboden für diese<br />
Zweifel und die Angst, eine falsche Entscheidung<br />
getroffen zu haben? Ich versuche,<br />
einige Gründe anzuführen:<br />
- Der Ruf der Alternativ-Schulen und das<br />
Vorurteil, dass ohne Zwang und ohne<br />
Noten nichts gelernt wird.<br />
- Die Kindheit und Erziehung der Eltern.<br />
Genaue Vorstellungen von der Zukunft<br />
des Kindes, was Loslassen, Beobachten<br />
und Vertrauen verunmöglicht.<br />
- Konkurrenz und Leistungsdruck in der<br />
Gesellschaft.<br />
- Alt eingefleischte „Glaubenssätze“.<br />
- Eigene berufliche Überforderung und<br />
somit keine oder zu wenig Zeit, das Kind<br />
beim Lernen zu unterstützen.<br />
- Zu ungenaue Vorstellungen zum Ablauf<br />
des Schul-Alltags.<br />
- Zweifel im Verwandten- und Freundeskreis.<br />
- Wenig Vertrauen in die eigenständige<br />
Entwicklung des Kindes.<br />
Aber wenn Eltern trotz der Angst nicht<br />
die Vorteile des Alternativ-Schul Systems<br />
aus den Augen verlieren, stark bleiben<br />
und die Angst nicht gewinnen lassen,<br />
dann zahlt es sich letztendlich aus.<br />
Es dauert einfach eine Weile, bis Eltern<br />
bemerken, dass das Konzept der Alternativschule<br />
aufgegangen ist. Und wenn<br />
dem Kind der Knopf aufgegangen ist<br />
und es versteht, worum es geht, dann<br />
geht alles ziemlich flüssig.<br />
Nico Halfpap<br />
Der freigeist hat die stolze Zahl von 17 nunmehrigen Ex-Sekis, die Ende Juni 2013<br />
die <strong>Lernwerkstatt</strong> verließen, um einen kurzen Steckbrief gebeten. Geb.: 23.11.1997<br />
Fabian Hauser<br />
Geb.: 25.05.1998<br />
Was ich nach der LWS mache:<br />
Fachschule für Flugtechnik Langenlebarn<br />
Was mir zur LWS einfällt:<br />
Ich hatte eine schöne Zeit in der<br />
<strong>Lernwerkstatt</strong>, doch ich freu mich<br />
schon sehr auf die neue Schule und<br />
ich hoffe, dass mir der Umstieg gut<br />
gelingen wird.<br />
Maya Mühlmann<br />
Geb.: 16.03.1998<br />
Was ich nach der LWS mache:<br />
Übergangsklasse im Sacré Coeur<br />
Pressbaum<br />
Was mir zur LWS einfällt:<br />
Eswar eine echt tolle Zeit - wie soll<br />
ich das in einem Satz beschreiben?<br />
Sina Bickel<br />
Geb.: 30.05.1999<br />
Was ich nach der LWS mache:<br />
Übergangsklasse im Sacré Coeur<br />
Pressbaum<br />
Was mir zur LWS einfällt:<br />
Die LWS ist eine extrem gute Schule.<br />
Ich war nur 3 Jahre hier, aber<br />
es war eine wunderschöne Zeit.<br />
Ich werde die Schule ganz sicher<br />
vermissen, aber ich freu mich jetzt<br />
auch meinen Weg weiter zu gehen.<br />
Ich bin froh, dass ich hier gehen<br />
durfte und dass meine Eltern mir<br />
das ermöglicht haben! Danke!<br />
‚The only way to be happy, is to be<br />
yourself‘.<br />
Thomas Rammel<br />
Geb.: 11.08.1998<br />
Was ich nach der LWS mache:<br />
Übergangsklasse im Sacré Coeur<br />
Pressbaum<br />
Was mir zur LWS einfällt:<br />
Ein cooler Ort, um in die Schule zu<br />
gehen.<br />
Leonie Mayr<br />
Anna Breiteneder<br />
Alwin Lackner<br />
Geb.: 25.07.1998<br />
Was ich nach der LWS mache:<br />
Elektroinstallationstechniker<br />
Was mir zur LWS einfällt:<br />
Ich bin dankbar dafür, dass ich so<br />
bin wie ich bin!<br />
Geb.: 23.11.1997<br />
Was ich nach der LWS mache:<br />
BORG Krems, Mediendesign<br />
Was mir zur LWS einfällt:<br />
We don‘t remember days, we<br />
remember moments!<br />
Ich hatte echt voll viele schöne<br />
Momente in der LWS.<br />
Geb.: 18.08.1998<br />
Was ich nach der LWS mache:<br />
Die Graphische Wien, Fotografie<br />
Was mir zur LWS einfällt:<br />
Everyone wants happiness, no one<br />
wants pain, but you can‘t have a<br />
rainbow without a little rain!<br />
Ich würde sofort wieder hier in die<br />
Schule gehen! Danke für alles!<br />
Es war eine WUNDERSCHÖNE Zeit!<br />
Emil Huber<br />
Geb.: 01.03.1998<br />
Was ich nach der LWS mache:<br />
Übergangsklasse im Sacré Coeur<br />
Pressbaum<br />
Was mir zur LWS einfällt:<br />
LWS war schon ok. Es war schon<br />
lustig, aber das System geht nicht<br />
ganz auf.<br />
Tanja Eßmeister<br />
Geb.: 05.05.1997<br />
Was ich nach der LWS mache:<br />
Eine Lehre bei einem Fotografen<br />
(noch unbekannt), wenn das nichts<br />
wird, eine Lehre als Kellnerin.<br />
Was mir zur LWS einfällt:<br />
Ich werde sie sehr vermissen. Es<br />
war eine schöne Zeit, aber ich<br />
freue mich jetzt auch schon etwas<br />
Neues zu machen.<br />
David Varkonyi<br />
Geb.: 01.081998<br />
Was ich nach der LWS mache:<br />
Land- und Forstwirtschaftliche<br />
Fachschule Pyhra<br />
Was mir zur LWS einfällt:<br />
War eine geile Zeit!<br />
Sina Kratochwill<br />
Geb.: 12.07.1998<br />
Was ich nach der LWS mache:<br />
Übergangsklasse im Sacré Coeur<br />
Pressbaum<br />
Was mir zur LWS einfällt:<br />
Geborgenheit, Freundschaft.<br />
Was ich nach der LWS mache:<br />
Weiterbildung in der Musikproduktion<br />
Was mir zur LWS einfällt:<br />
War eine schöne Zeit, hat meine<br />
Liebe zur Musik geweckt.<br />
Stanislaus Stadelmann<br />
Geb.: 03.03.1997<br />
Was ich nach der LWS mache:<br />
Bäckerlehre in Dornbirn<br />
Was mir zur LWS einfällt:<br />
Werken (Modellbau mit Arthur),<br />
Klettern und Erfinden (im elektrotechnischen<br />
Bereich), Ullis Chemiestunden.<br />
Mein youtube-Kanal:<br />
2000watt0hz<br />
Johanna Gaisrucker<br />
Geb.: 23.07.1998<br />
Was ich nach der LWS mache:<br />
Austausch-Jahr in den USA (Minnesota)<br />
Was mir zur LWS einfällt:<br />
My amazing second life. Ich werde<br />
alles hier vermissen.<br />
Roman Pilgerstorfer<br />
Janina Wisiak<br />
Geb.: 30.07.1999<br />
Was ich nach der LWS mache:<br />
Fachschule für Flugtechnik Langenlebarn<br />
Was mir zur LWS einfällt:<br />
Seilschwingen, Seki, Geile Zeit!<br />
Geb.: 23.10.1998<br />
Was ich nach der LWS mache:<br />
Die Graphische Wien, Grafik und<br />
Kommunikationsdesign<br />
Was mir zur LWS einfällt:<br />
Meine Schulzeit hier, würde ich gegen<br />
nichts eintauschen. Ich habe<br />
genau das erreicht, was ich erreichen<br />
wollte. Ohne euch allen wäre<br />
ich nicht da wo ich jetzt bin. Und<br />
da wo ich jetzt bin, bin ich glücklich!<br />
Ok i‘m out. Peace.<br />
Pamina Roehle<br />
Geb.: 25.08.1998<br />
Was ich nach der LWS mache:<br />
Modelschule Hetzendorf<br />
Was mir zur LWS einfällt:<br />
Ich werde die Zeit in der LWS nie<br />
vergessen! Und ich hoffe, dass<br />
noch viele Kinder die Möglichkeit<br />
haben, in so eine Schule zu gehen!
Am 31. Mai 2013 fand in Zürich der erste Bildungskongress der Initiative „Schulen der Zukunft“, welche<br />
von Prof. Dr. Gerald Hüther (Prof. für Neurobiologie, Universität Göttingen)* mitbegründet wurde, statt.<br />
Die <strong>Lernwerkstatt</strong> im Wasserschloss ist seit 2012 Modellschule dieser Initiative und war als Vertretung aus<br />
Österreich eingeladen. Ein Bericht von Christine Glaser-Ipsmiller<br />
<br />
eit Maria Theresia die Unterrichtspflicht<br />
schuf, gab es so manche Veränderungen.<br />
Diese Veränderungen<br />
betrafen selbstverständlich sämtliche<br />
Lebensbereiche. So hat sich unsere Fortbewegung<br />
von der Pferdekutsche zum<br />
Auto und zu Flugzeugen gewandelt.<br />
Uns steht Strom zur Verfügung und viele<br />
andere technische Errungenschaften<br />
prägen seither unser Leben. Auch gesellschaftlich<br />
hat sich einiges getan.<br />
Einzig das Bildungssystem tritt – von<br />
wenigen Ausnahmen einmal abgesehen<br />
– auf der Stelle. Die Grundstruktur<br />
orientiert sich weiterhin am preußischen<br />
Militärsystem – Zucht und Ordnung sind<br />
die obersten Prämissen, auch die 50<br />
Minuten-Einheiten. Ein weit verbreitetes<br />
Phänomen unter diesen Umständen ist,<br />
dass sich die Lehrer an den „Besten“ orientieren<br />
- der Rest hinkt hinterher.<br />
Es stellt sich nun unweigerlich die Frage<br />
nach dem Warum. Gibt es doch seit einigen<br />
Jahrzehnten die Ergebnisse der Gehirnforschung<br />
– deren Erkenntnisse ganz<br />
klar den oben beschriebenen Gegebenheiten<br />
widersprechen. Darüber hinaus<br />
findet in unserer Gesellschaft seit Beginn<br />
des 21. Jahrhunderts eine drastische Veränderung<br />
unserer bisherigen Lebenssysteme<br />
statt. Die zunehmende Globalisierung<br />
wie Medialisierung – sowie die<br />
sich schon jetzt abzeichnenden Folgen<br />
der Klimaveränderung – verlangt immer<br />
mehr Eigenverantwortung und Handlungskompetenz.<br />
Prof. Dr. Gerald Hüther<br />
(Universität Göttingen) verweist auf Qualitäten<br />
wie Zuversicht, Vorstellungskraft,<br />
Innovationsgeist und Handlungsbereitschaft,<br />
um neue Modelle unseres Zusammenlebens<br />
und Wirtschaftens entwerfen<br />
zu können. Die aktive Teilnahme an der<br />
Zivilgesellschaft ist vordringlicher denn je.<br />
Das aber will gelernt sein. Nicht nur, aber<br />
nicht zuletzt in der Schule. Welche Qualitäten<br />
sollen nun an Stelle von Stofffülle,<br />
Auswendiglernen, Bestzensurierungen<br />
usw. treten?<br />
Querdenken, Risikobereitschaft, Verantwortungsübernahme,<br />
eigenständiges<br />
Denken, Musterbrechen als Innovationschance<br />
sieht Hüther als wesentliche<br />
Qualitäten, um den Anforderungen unserer<br />
Zeit und vor allem auch der Zeit<br />
kommender Generationen gerecht<br />
zu werden. Unter welchen Voraussetzungen<br />
können Kinder diese Qualitäten<br />
nun erlangen und auch ihr ureigenstes<br />
Potential entfalten?<br />
Der Neurobiologe Prof. Dr. Gerald Hüther<br />
forscht in diesem Bereich und gründete<br />
2012 u.a. mit Daniel Hunziker (CH) die Initiative<br />
„Schulen der Zukunft“. Beim Bildungskongress<br />
am 31.Mai dieses Jahres<br />
in Zürich schilderte er, welches Erlebnis<br />
ihn letztendlich dazu bewogen hat, diese<br />
Initiative zu gründen: Hüther besuchte<br />
die deutsche Bundeskanzlerin Angela<br />
Merkel, um zum Thema Bildungsreform<br />
der deutschen Schulen zu sprechen.<br />
Nachdem er kurz die Grundzüge der Forschung<br />
erläuterte, meinte Frau Merkel:<br />
Gruppenbild - von links, hintere Reihe: Remo Largo (2. ), Kurt Aeschbacher<br />
(3., Moderator), Gerald Hüther (4.), Bea Linder (8., Administration Schulen der<br />
Zukunft), André Stern (9.), Christine Glaser-Ipsmiller (10. , <strong>Lernwerkstatt</strong>); vordere<br />
Reihe, von rechts: Daniel Hunziker (1., Gesamtleitung Initiative Schulen der<br />
Zukunft, Schulleiter und Schulentwickler), Florian Ungerböck (2., <strong>Lernwerkstatt</strong>);<br />
im Vordergrund, rechts: Silke Häusler (<strong>Lernwerkstatt</strong>)<br />
„Aber Herr Hüther, dann müssten wir ja<br />
ALLES ändern.“<br />
Nun war Hüther klar, dass von „oben“ -<br />
von den politischen Verantwortlichen<br />
- kein Reformwille und vor allem keine<br />
echten Reformschritte zu erwarten<br />
waren und er beschloss, die Menschen<br />
an der Basis zu erreichen. Die Initiative<br />
richtet sich nun an alle Menschen – LehrerInnen<br />
und Eltern und Jugendliche<br />
- die Veränderung wünschen und in ih-<br />
Gruppenbild: Schule im Aufbruch<br />
Fotos: Autorin<br />
rem Umfeld bessere Lernbedingungen<br />
schaffen wollen.<br />
Dieser Kongresstag war von großer Aufbruchstimmung<br />
geprägt. 1100 BesucherInnen<br />
aus der Schweiz, aus Deutschland<br />
und Österreich gaben ein kräftiges Bekenntnis<br />
ab, dass die Zeit für Veränderung<br />
auch im Bereich des Bildungswesens<br />
reif ist. Die Referate von Prof. Dr.<br />
Hüther und Prof. Dr. Remo Largo wurden<br />
förmlich aufgesogen. Im Plenum waren<br />
auch Margret Rassfeld (Evangelische<br />
Schule Berlin Zentrum) und zwei ihrer<br />
Schülerinnen vertreten. Diese beiden<br />
Mädchen konnten durch ihre Schilderungen<br />
ihres Schulalltages das Publikum<br />
besonders gut erreichen, konnten sie<br />
doch Erfahrungen im herkömmlichen<br />
Schulsystem mit den Erfahrungen der<br />
Berliner Schule vergleichen und sehr<br />
authentisch schildern, wie sie sich nunmehr<br />
entfalten können.<br />
Zwischen den Referaten wurden die Infostände<br />
der Modellschulen der Initiative<br />
„Schulen der Zukunft“ besucht.<br />
Diese Modellschulen sind Orte, an denen<br />
es gelungen ist, eine Lern- und Beziehungskultur<br />
aufzubauen, die eine<br />
optimale Entfaltung der in den Schülern<br />
angelegten Talente und Begabungen<br />
ermöglicht. Solche Schulen vorzustellen<br />
und für alle sichtbar zu machen, ist das<br />
Anliegen dieser in der Schweiz entstandenen<br />
Initiative.<br />
Für Österreich war die <strong>Lernwerkstatt</strong><br />
vertreten. Meine Kollegen Silke Häusler<br />
und Florian Ungerböck und ich haben<br />
uns über das riesige Interesse der KongressbesucherInnen<br />
sehr gefreut. Wir<br />
haben viele Fragen zu unserer Schule<br />
beantwortet und viele nette Kontakte<br />
geknüpft. Die fast Einvierteljahrhundert<br />
lange Erfahrung mit aktiver und selbstbestimmter<br />
Lernkultur hat viele Menschen<br />
beeindruckt und - wie wir hoffen<br />
- auch inspiriert.<br />
Im Kongresszentrum Zürich war viel Reformwille<br />
zu spüren – und der Wunsch,<br />
uns endgültig von den alten überholten<br />
Werten und Strukturen des herrschenden<br />
Bildungssystems zu verabschieden<br />
und anstelle dessen unseren<br />
Kindern ein Umfeld zu bieten, wo sie sich<br />
bestmöglich gemäß den Grundkenntnissen<br />
der modernen Neurobiologie<br />
und einer Beziehungskultur im Zusammenleben<br />
entfalten können.<br />
<br />
<br />
www.schulen-der-zukunft.org<br />
für die Schweiz: Lindenschule<br />
www.lindenschule.ch<br />
für Deutschland:<br />
Evangelische Schule Berlin Zentrum<br />
www.ev-schule-zentrum.de<br />
Georg Christoph Lichtenberg Gesamtschule<br />
/ Göttingen<br />
www.igs-goe.de<br />
für Österreich: <strong>Lernwerkstatt</strong> im Wasserschloss<br />
Pottenbrunn<br />
www.lernwerkstatt.at<br />
<br />
Wollen Sie uns kennen lernen?<br />
Die nächsten Schulführungstermine<br />
in der <strong>Lernwerkstatt</strong> im Wasserschloss<br />
Pottenbrunn: 17.10.2013, 21.11.2013<br />
<br />
<br />
*Prof. Dr. Gerald Hüther befasst sich wissenschaftlich<br />
u.a. mit den Wirkungsmechanismen<br />
von Psychopharmaka, dem<br />
Einfluss früher Erfahrungen auf die Hirnentwicklung,<br />
mit den Auswirkungen von<br />
Angst und Stress und der Bedeutung emotionaler<br />
Reaktionen bei Lernprozessen sowie<br />
der neurobiologischen Verankerung<br />
von Erfahrungen.<br />
<br />
<br />
LWS Organisatorische<br />
Leitung, Pädagogin
Vom 21. bis 25. Juni fand dieses Jahr nun schon zum 7. Mal das Freilerner-Sommertreffen statt.<br />
Heidrun Krisa, Freilerner-Mutter aus Herzogenburg, berichtet vom heurigen Treffen in Leibnitz in der<br />
Steiermark, wo sich etwa 130 kleine und große Menschen dieser wachsenden Gemeinschaft trafen.<br />
<br />
n den letzten Jahren steigt das Interesse<br />
an einem „Leben ohne Schule“<br />
kontinuierlich an. Es begann mit einer<br />
kleinen, überschaubaren Gruppe auf der<br />
yahoo-Plattform, wandelte sich dank<br />
einiger weniger Engagierter zu einem<br />
gut strukturierten Internet-Forum, und<br />
inzwischen finden in mehreren Bundesländern<br />
regelmäßige Treffen statt.<br />
Es ist immer wieder ein Erlebnis, wenn<br />
aus „virtuellen Bekannten“ reale Menschen<br />
werden, wenn man die Familienmitglieder<br />
dieser Menschen und ihre<br />
Ideen und Interessen in der Wirklichkeit<br />
kennen lernen kann. Aus dieser Motivation<br />
heraus wurde die Idee geboren, ein<br />
gemeinsames Sommertreffen zu organisieren.<br />
Es sollte ein Ort sein, an dem sich<br />
große und kleine Menschen wohlfühlen,<br />
der genug Platz für gemeinsame Aktivitäten<br />
bietet und wo die Abhängigkeit<br />
vom Wetter nicht zu groß ist.<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
In diesem Jahr fiel die Wahl auf den Pfadfinder-Lagerplatz<br />
in Leibnitz in der Steiermark.<br />
Das Wetter am Anreisetag lässt<br />
alle schwitzen, und umso mehr freuen<br />
wir uns über den großzügigen Lagerplatz<br />
im schattigen Auwaldrest der Sulm.<br />
Die guten Rahmenbedingungen der<br />
modernen Anlage ermöglichen ein entspanntes<br />
Zusammensein von etwa 130<br />
großen und kleinen Menschen aus ganz<br />
Österreich, denen ein schulfreies Leben<br />
ein Anliegen ist. Mancher entdeckt bereits<br />
vertraute Gesichter und freut sich<br />
über das Wiedersehen oder kommt den<br />
Zeltnachbarn im Smalltalk näher.<br />
Als Mutter empfinde ich es sehr angenehm,<br />
dass mein 6-jähriger Sohn mit seinen<br />
Freilerner-Freunden losziehen kann<br />
und relativ gefahrlos auf eigene Faust<br />
das weitläufige, aber dennoch übersichtliche<br />
Gelände erkunden kann. Eine<br />
Attraktion sind zwei ausrangierte Eisenbahnwaggons,<br />
die umgebaut wurden<br />
und nun als Spiel- und Schlafstätte für<br />
Kinder und Jugendliche dienen.<br />
Claudia aus Wien berichtet: „Unser Sohn<br />
Niklas (4,5 J.) kannte niemanden, war<br />
aber schon nach fünf Minuten mitten<br />
im Getümmel anderer Kinder und hatte<br />
die Rolle des Lokführers übernommen.“<br />
Niklas: „Mama, ich hab leider keine Zeit.<br />
Ich muss mit dem Zug jetzt nach Peru<br />
fahren!“<br />
Auch die Großen genießen die Tage im<br />
Umfeld von Gleichgesinnten. Ein verständnisvolles<br />
Umfeld ist das, was im<br />
Alltag oft fehlt. Dennoch wird beim<br />
intensiveren Austausch immer wieder<br />
klar, dass das Leben ohne Schule in jeder<br />
Familie anders umgesetzt wird und<br />
jeweils ganz eigene, individuelle Erfahrungen<br />
gemacht werden. Trotz – oder<br />
wegen – dieser Unterschiede spüre ich<br />
eine große Offenheit im Gespräch mit<br />
Fotos: Autorin<br />
<br />
anderen Eltern, Interesse am Leben der<br />
anderen und immer wieder die große<br />
Begeisterung darüber, Kinder sich<br />
selbstbestimmt entwickeln und lernen<br />
sehen zu dürfen. Das sind wunderschöne,<br />
verbindende Erlebnisse! In einer Gesellschaft,<br />
die andere Wertigkeiten lebt,<br />
ist es für die meisten nicht einfach, den<br />
Alltag nach den eigenen Maßstäben zu<br />
organisieren.<br />
Besonders gut gefällt mir die Selbstverständlichkeit,<br />
mit der große und kleine<br />
Menschen hier miteinander umgehen.<br />
<br />
<br />
<br />
Gut erkennbar ist das bei gemeinsamen<br />
Aktivitäten wie der von Karin angebotenen<br />
Möglichkeit, T-Shirts mit Siebdruck<br />
zu gestalten oder beim Original Play.<br />
Ein wichtiges Thema dieses Sommertreffens<br />
ist die weitere Zukunft des<br />
Freilerner-Vereines. Im Zuge einer ausführlichen<br />
Meinungsrunde wird die<br />
Auflösung besprochen und bei der anschließenden<br />
Generalversammlung<br />
mehrheitlich beschlossen. Nach außen<br />
bleiben die Familien in einem offenen<br />
Netzwerk organisiert, und wie schon<br />
<br />
<br />
bisher werden gemeinsame Aktivitäten<br />
über das bestehende Internet-Forum<br />
koordiniert.<br />
In einer weiteren Gesprächsrunde geht<br />
es um die Problematik, Kinder im „häuslichen<br />
Unterricht“ alternativpädagogisch<br />
zu begleiten und neue Formen für<br />
die vorgeschriebene Jahresprüfung zu<br />
finden. Mehrere Eltern gründen dafür<br />
eine „Unschooling“-Arbeitsgruppe und<br />
organisieren im August ein erstes Arbeitstreffen.<br />
(Siehe Infokasten zur rechtlichen<br />
Situation)
Einige Gedanken dazu sowie Literaturtipps zum Weiterlesen.<br />
Von Florence Holzner<br />
<br />
<br />
Olivier Keller: Denn mein Leben ist<br />
Lernen–Wie Kinder aus eigenem<br />
Antrieb die Welt erforschen<br />
Arbor-Verlag, 1999<br />
Sehr inspirierend ist der Vortrag von<br />
„freeman“ Joe Kreissl aus OÖ, der uns<br />
Einblick gibt in seinen Weg, sich zu<br />
einem freien Menschen zu erklären und<br />
Selbstverantwortung zu übernehmen.<br />
Er hat im März 2012 mittels eidesstattlicher<br />
Erklärung an die obersten Regierungsstellen<br />
den Austritt seiner Person<br />
aus dem Personalverband der Republik<br />
Österreich bekannt gegeben. Seine tiefe<br />
Überzeugung, niemand Schaden zufügen<br />
zu wollen, hat ihn dazu motiviert,<br />
den politisch Verantwortlichen in Österreich<br />
sein Vertrauen zu entziehen und<br />
sich fortan zu weigern verwaltet und<br />
regiert zu werden. Joes Weg und seine<br />
Gedankengänge stellen die Thematik<br />
von Leben in Freiheit für alle in einen<br />
größeren Zusammenhang.<br />
Viele neue Eindrücke, interessante Bekanntschaften,<br />
begeisternde Ideen!<br />
Die fünf gemeinsamen Tage in Leibnitz<br />
vergehen schnell – zu schnell – und etwas<br />
wehmütig geht es wieder ans Abschiednehmen.<br />
An dieser Stelle möchte ich allen<br />
danken, die das gute Gelingen dieses<br />
Treffens möglich gemacht haben!<br />
Claudia im Rückblick: „Ich habe mir den<br />
Traum mit nach Hause genommen, irgendwann<br />
einmal so zu leben – unter<br />
Gleichgesinnten mit Familien und anderen<br />
Kindern in der Nähe, die ähnlich<br />
denken und leben.“<br />
<br />
Biologin, Freilerner-Mutter in Herzogenburg<br />
<br />
<br />
Zur rechtlichen Situation der Freilerner<br />
in Österreich:<br />
Laut Schulpflichtgesetz kann die allgemeine<br />
Schulpflicht durch die Teilnahme<br />
am „häuslichen Unterricht“ erfüllt werden.<br />
Am Ende des Schuljahres muss die<br />
Gleichwertigkeit mit dem schulischen<br />
Unterricht in Form einer Externistenprüfung<br />
festgestellt werden. Diese kann<br />
laut Gesetz grundsätzlich an jeder<br />
öffentlichen oder mit dem Öffentlichkeitsrecht<br />
ausgestatteten Privatschule<br />
abgelegt werden. Es besteht österreichweit<br />
die freie Wahl der Prüfungsschule!<br />
Leider interpretieren die Schulbehörden<br />
den Gesetzestext anders als beispielsweise<br />
der Rechtsanwalt Dr. Christopher<br />
Fink in seiner rechtlichen Stellungnahme<br />
aus dem Jahr 2012. So werden von<br />
Bezirksschulräten Prüfungskommissionen<br />
gegründet, die hinsichtlich der Externistenprüfung<br />
keine freie Wahlmöglichkeit<br />
zulassen. Alternativschulen,<br />
die mit Freilernern kooperieren wollen,<br />
wird mit dem Entzug des Öffentlichkeitsrechts<br />
gedroht. Eltern, die ihre<br />
Kinder im „häuslichen Unterricht“ alternativpädagogisch<br />
begleiten wollen,<br />
müssen feststellen, dass freies, selbstbestimmtes<br />
Lernen durch die kompromisslose<br />
Haltung der Schulbehörden<br />
unmöglich gemacht wird.<br />
Wir brauchen daher offizielle, langfristige<br />
Lösungen anstelle individueller<br />
Kompromisse, über die man nicht reden<br />
darf. Dazu braucht es keine neuen<br />
Gesetze, wir wollen lediglich die<br />
Anwendung der bestehenden Gesetze<br />
einfordern.<br />
<br />
as ist Gemeinschaft? Ein rätselhaftes<br />
Unwort der Zeit? Etwas, dem<br />
viele nachjagen, um doch immer<br />
wieder daran zu scheitern?<br />
In irgendeiner Form haben wir alle wohl<br />
schon Erfahrungen mit Gemeinschaft<br />
gemacht. Ich hatte das Glück, schon die<br />
Erfahrung von wirklicher Gemeinschaft<br />
gemacht zu haben. Das ist etwas schwer<br />
Greifbares, das oft erst im Nachhinein,<br />
quasi durch sein Fehlen in späteren Gruppierungen,<br />
bewusst wird. Sowohl in der<br />
Kindergruppe meiner ältesten Tochter als<br />
auch in ihrer Schule war aus der Elternund<br />
BetreuerInnengruppe - warum auch<br />
immer - eine Gemeinschaft entstanden.<br />
Benennen konnte ich das erst später, auffallend<br />
ist aber rückblickend: In beiden<br />
Gruppen gab es keine Anführer/In, Eltern<br />
und BetreuerInnen waren in ihrem Engagement<br />
und ihrer Verantwortung für das<br />
Ganze kaum voneinander zu unterscheiden.<br />
Es wurde anhaltend und viel gestritten<br />
und diskutiert, alle konnten ihre Probleme<br />
offen aussprechen. Es ging nie darum,<br />
Schuldige zu finden, sondern für alle tragbare<br />
Lösungen zu erarbeiten. „Schlechtes<br />
Benehmen“ wurde als Kommunikationsversuch<br />
verstanden, alle versuchten zu verstehen,<br />
was los ist, alle trugen etwas bei,<br />
um die Situation zu verbessern. Und trotz<br />
der vielen Arbeit und Sorgen fühlten wir<br />
uns beschenkt und wohl.<br />
Für mich ist Gemeinschaft die nächste<br />
große Herausforderung, für mich persönlich,<br />
aber auch für unsere Gesellschaft insgesamt.<br />
Die gesuchte Qualität ist so neu<br />
und unbekannt, dass wir auf dem Weg<br />
dorthin noch oft straucheln werden. Uns<br />
dies immer wieder in Erinnerung zu rufen<br />
und nicht böse auf uns zu sein, wenn das<br />
Scheitern „wieder“ passiert, ist die große<br />
Herausforderung. Zu scheitern bedeutet<br />
bloß, dass eine weitere Lektion gelernt und<br />
– hoffentlich - verstanden ist.<br />
Wie schon gesagt: Vieles vom dem konnte<br />
ich erst benennen, nachdem ich die Erfahrung<br />
gemacht hatte, wie es sich anfühlt,<br />
ohne den “geheimnisvollen“ Geist zusammenzuarbeiten.<br />
Und ich machte mich auf<br />
den Weg, um zu sehen, was ich dazu beitragen<br />
könnte, dass wirkliche Gemeinschaften<br />
nicht nur „glücklicherweise“ passieren, sondern<br />
vielleicht sogar herbeiführbar sind. Diese<br />
Bücher haben entscheidend zu meinem<br />
besseren Verständnis beigetragen:<br />
M. Scott Peck:<br />
Gemeinschaftsbildung.<br />
Der Weg zu authentischer Gemeinschaft<br />
Der Autor erzählt in diesem Buch aus<br />
seiner jahrelangen Erfahrung mit Gemeinschaftsbildungsworkshops.<br />
Es<br />
wird anschaulich beschrieben, was eine<br />
„Gemeinschaft“ ausmacht. Er definiert<br />
den Begriff umfassend, Gemeinschaften<br />
sind für ihn nicht nur Menschen, die im<br />
selben Haus wohnen. Er weist darauf<br />
hin, was dazu beiträgt, dass aus einer<br />
Gruppe nebeneinander lebender, arbeitender<br />
oder sonst wie verbundener<br />
Gruppe von Menschen eine tragfähige<br />
und arbeitsfähige Gemeinschaft wird.<br />
Er zeigt die Konsequenzen von „nebeneinander<br />
Herleben“ auf, wie dabei die<br />
Projektionen blühen, die zwar der Entlastung<br />
des/der Einzelnen dienen mögen,<br />
jedoch dem längerfristigen Gelingen der<br />
Gruppe und der Weiterentwicklung des/<br />
der Einzelnen im Wege stehen.<br />
Diana Leafe Christian:<br />
Creating a Life Together<br />
Eines der empfehlenswertesten Bücher<br />
für alle, die sich für Gemeinschaften interessieren<br />
- es ist jedoch bislang nur in<br />
Englisch verfügbar. Die Autorin ist seit<br />
20 Jahren Herausgeberin einer Zeitung<br />
für Gemeinschaftsleben in den USA. Sie<br />
erforschte im Rahmen dieser Tätigkeit,<br />
was die etwa 10% der gegründeten Gemeinschaften,<br />
die letztendlich wirklich<br />
gelingen, gemeinsam haben. Sie fand<br />
heraus, dass diese Gruppen bestimmte<br />
Strukturen eingehalten hatten, um zum<br />
Erfolg zu werden. Mit vielen Fallbeispielen<br />
entsteht dazu ein Handwerkszeug<br />
für eigene Projekte.<br />
Holger Seyer, Tonio Keller:<br />
Gemeinschaft<br />
ein Traum auf dem Prüfstand<br />
Es ist dies ein sehr fundiertes, kritisches<br />
Buch, das den Bogen vom reichhaltigen<br />
persönlichen Erfahrungsschatz der Autoren<br />
über die Auswertung der derzeitigen<br />
Situationen der „Gemeinschaften“<br />
im deutschsprachigen Raum und ihrer<br />
Schwierigkeiten bis hin zu detaillierten<br />
Ideen für den Umgang damit spannt.<br />
Es enthält eine Fülle an wichtigen Tipps<br />
auf allen Ebenen, etwa zur Strukturierung<br />
einer Gemeinschaft, zu rechtlichen<br />
Fragen, zu Formen der Finanzierung,<br />
zum Bauen - bis hin zum Muster-Gesellschaftsvertrag<br />
im Anhang.
Linda Kohanov: Botschafter zwischen<br />
den Welten<br />
Was hat ein Buch über Pferde bei Büchern<br />
über Gemeinschaften zu suchen?<br />
Dieses Buch stellt eine der besten Beschreibungen<br />
über das Funktionieren<br />
des Zusammenlebens von Menschen<br />
(und von Menschen mit Pferden) dar.<br />
Die Autorin beschreibt Pferde als die<br />
besten Lehrmeister, um die vielen unbewussten<br />
Kanäle der Kommunikation und<br />
den Umgang damit kennenzulernen. Sie<br />
beschreibt, wie Zusammenleben und<br />
individuelle Wünsche unter einen Hut<br />
zu bringen sind und benennt essentielle<br />
Fähigkeiten zum Aufbau „authentischer<br />
Gemeinschaften“.<br />
<br />
Johannes Heimrath: Die Post-Kollaps-<br />
Gesellschaft - Wie wir mit viel weniger<br />
viel besser leben werden – und wie wir uns<br />
heute schon darauf vorbereiten können<br />
Zum Thema Gemeinschaft gehört auch<br />
immer dazu: Wieso brauchen wir sie?<br />
Und warum gerade jetzt? Johannes<br />
Heimrath beschreibt in seinem Buch<br />
sehr anschaulich den Ist-Zustand unseres<br />
Planeten und erarbeitet drei mögliche<br />
Szenarios, wie es weitergehen<br />
könnte. In zweien davon geht es schnell<br />
oder langsam bergab. Sie sind für ihn die<br />
sehr wahrscheinlichen. Das dritte Szenario<br />
beschreibt, wie eine gemeinschaftliche<br />
Lösung funktionieren könnte. Mit<br />
sogenannten Commonien sollen die<br />
<br />
Luise Muschailov<br />
<br />
Probleme unserer Welt gelöst und für<br />
alle gangbare Wege des Zusammenlebens,<br />
die nicht auf die Ausbeutung von<br />
anderen oder unseres Planeten beruhen,<br />
gefunden werden. Soziale Gleichwürdigkeit<br />
und respektvoller Umgang<br />
mit unserem Planeten sind für ihn dabei<br />
die wesentlichen Randbedingungen.<br />
<br />
TSIBUTSANG GesmbH.<br />
Ingenieurin für Bautechnik, IBO-Bauökologin,<br />
Mentorin für Neue Arbeit - Neue Kultur,<br />
Montessoripädagogin<br />
Verheiratet, 3 Kinder (26, 8 und 4 Jahre).<br />
<br />
<br />
So, meine Lieben, wir haben uns wieder<br />
einmal zusammengesetzt, um ein<br />
ganz wichtiges Thema zu besprechen.<br />
Unsere Gemeinschaft.<br />
Welche, was bitte?<br />
Unsere Familiengemeinschaft. Nicht<br />
nur die LWS ist eine Gemeinschaft, auch<br />
wir bilden eine kleine. Und geht es der<br />
kleinen Gemeinschaft gut, geht es auch<br />
der LWS gut.<br />
Schön gesagt. Also, es geht darum,<br />
dass ich und eure Mutter finden, dass<br />
unserer Gemeinschaft ein paar gemeinschaftsstärkende<br />
Maßnahmen guttäten.<br />
Was für eine Gemeinschaft sind wir<br />
eigentlich?<br />
Eine Schicksalsgemeinschaft. Haha.<br />
Nein, das sind Leute, die zufällig zusammengewürfelt<br />
eine Notsituation<br />
überleben.<br />
Na, das triffts doch eigentlich ganz<br />
gut.<br />
Ich glaube doch, dass deine Partnerwahl<br />
ein bewusster Akt war?<br />
Naja, ganz nüchtern waren wir<br />
nicht…<br />
Bäh, sowas will ich nicht hören. Ich<br />
bin jedenfalls nicht freiwillig in dieser<br />
Gemeinschaft.<br />
He, ich hab da gerade gegoogelt. Kinder<br />
sind unfreiwillige Mitglieder einer<br />
Gemeinschaft, weil sie hineingeboren<br />
werden! Ich hab es immer gewusst!<br />
Zwangsvergemeinschaftet, genau!<br />
Zeig her!<br />
und im Chor: Medienverbot bei<br />
Familienversammlungen! Weg mit dem<br />
Ipod!<br />
Nur kurz, da schau! Das ist doch in-<br />
<br />
„Die Menschen sind am Leben und wissen<br />
nicht, warum.“<br />
Zu Erwin Wagenhofers neuem Film „Alphabet“<br />
<br />
teressant. Eine Gemeinschaft ist eine<br />
Gruppe von Individuen, die emotionale<br />
Bindekräfte und ein Wir-Gefühl kennzeichnen.<br />
Wir unterscheiden uns von<br />
den Anderen.<br />
Wieso, unsere Familie ist doch genauso<br />
deppert wie alle anderen.<br />
Hach, das hat er goldig gesagt, das<br />
schreib ich auf für den Kindermund.<br />
Du weißt eh, Mama, das heißt Taschengelderhöhung.<br />
Ich bin nicht sicher, ob ein unfreiwilliges<br />
Mitglied dieser Gemeinschaft<br />
irgendwelche Rechte hat.<br />
Also, das wird doch jetzt absurd. Wir<br />
sind uns einig, dass wir eine Familie sind,<br />
oder!?<br />
Sollen wir abstimmen?<br />
Die Unfreiwilligen haben doppeltes<br />
Stimmrecht.<br />
Ich möchte nur kurz wissen – sind wir<br />
eine Gemeinschaft oder nicht?<br />
Natürlich sind wir das, Schatz, reg<br />
dich nicht so auf. Kinder, nun sagt doch<br />
endlich eurem Vater, dass ihr auch dazugehören<br />
wollt.<br />
Nur unter der Bedingung, dass wir<br />
festhalten, dass diese Mitgliedschaft unfreiwillig<br />
passierte.<br />
Das gilt doch für mich auch. Ich bin in<br />
diese Gesellschaft hineingeboren worden,<br />
haben mich meine Eltern gefragt?<br />
Na und ich? Wollte ich hier sein?<br />
Wollte ich Kinder haben?<br />
Ja, wolltest du. Drei Unfreiwillige, um<br />
genau zu sein.<br />
Also, sind wir nun eine Gemeinschaft,<br />
ja oder nein.<br />
Ja, wenn du das willst, Papa.<br />
Dieses Zitat des Malers Arno Stern ist<br />
zentral zu Erwin Wagenhofers Film. Für<br />
ihn greift die jetzige Bildungsdiskussion<br />
zu kurz: „Was wir lernen, prägt unseren<br />
Wissensvorrat, aber wie wir lernen, prägt<br />
unser Denken.“ Und dieses Denken bildet<br />
die Basis, auf der wir Menschen die Welt<br />
um uns herum gestalten und durch die wir<br />
sie begreifen. In seinem Film zeichnet Wagenhofer<br />
das Bild einer Gesellschaft in der<br />
Krise, deren Motor die Angst ist. Es seien<br />
Verlustängste, die das Bildungssystem<br />
kennzeichnen und ein Mangel an Kreativität.<br />
Wagenhofer entlarvt jene Denkstrukturen,<br />
die hinter dem Konkurrenzund<br />
Leistungsdenken stecken und zeigt<br />
ihren zerstörerischen Einfluss. Er begleitet<br />
junge Unternehmensberater bei einem<br />
<br />
Luise Muschailov<br />
Und was unterscheidet uns von den<br />
anderen?<br />
Müssen wir uns unterscheiden?<br />
Na, sonst sind wir ja keine Familie, sondern<br />
ein Wartesaal. Wir brauchen Werte,<br />
Ideale. Etwas, woran wir uns erkennen.<br />
Also, ich erkenne daran, dass ich zu<br />
Hause bin, dass es so komisch nach alten<br />
Socken und Kohl riecht.<br />
Gutes Erkennungsmerkmal. Wie wäre<br />
es mit einem Familienwappen?<br />
Alte Socke vor Grünem Kohl.<br />
DAS meine ich mit gemeinschaftsstärkend.<br />
Wir brauchen noch einen Wahlspruch.<br />
Gemeinsam sind wir anders. Das<br />
fände ich toll.<br />
Gemeinsam anders als die anderen<br />
und doch gleich deppert. Hahaha!<br />
Goldig! Und nun basteln wir unser<br />
Wappen und denken uns noch ein gemeinschaftsstärkendes<br />
Ritual aus.<br />
Wie wäre es mit Zähneputzen und<br />
dann ins Bett?<br />
Aber gemeinsam. Zuerst die Kinder!<br />
Da sieht man es wieder, immer werden<br />
die unfreiwilligen Mitglieder mit autoritärem<br />
Verhalten unter Kontrolle gehalten.<br />
Genau! Und jetzt alle gemeinsam!<br />
Alle im Chor singend: Gemeinsam anders<br />
als die anderen!<br />
und : …und doch gleich deppert…<br />
hahaha…<br />
Geht’s, ruinierts nicht die gute Gemeinschaftsstimmung.<br />
Und jetzt Zähneputzen<br />
und Abmarsch!<br />
Und wenn sie nicht gestorben sind, dann<br />
vergemeinschaften sie sich heute noch.<br />
Workshop „CEO of the future“, fährt mit<br />
Pisa-Chef Andreas Schleicher nach China,<br />
spricht mit Hirnforscher Gerald Hüther, besucht<br />
Arno Sterns „Malort“ in der Provence<br />
und den Waldfexxx Waldkindergarten in<br />
Krems an der Donau, einen Partnerkindergarten<br />
der <strong>Lernwerkstatt</strong>. „Alphabet“ ist<br />
der Abschlussfilm von Wagenhofers Trilogie<br />
über den Zustand der Welt, welche<br />
die Filme „We Feed the World“ und „Lets<br />
Make Money“ einschließt.<br />
Ab 11. Oktober im Kino
„In unseren Kisten finden Sie ausschließlich<br />
Bioprodukte, die zum größten Teil aus eigener<br />
Produktion stammen.“<br />
Spaß am Singen - neue Freunde und Lieder<br />
kennen lernen - Verbesserung der Stimmtechnik<br />
- regelmäßige Auftritte<br />
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Miriam Braunstätter<br />
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3130 Herzogenburg<br />
Tel.: 02782/83129<br />
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Kinderchor St. Pölten<br />
jeden Mittwoch, 15:30 bis 16:30 Uhr<br />
Festspielhaus St. Pölten, ehemaliges Café Publik<br />
Hannes Fromhund<br />
Stimmbildung und Chorleitung<br />
0650/4652353<br />
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Fred O. Donaldson<br />
„Feuerpfote und der Donnerclan“<br />
nach dem Buch „Warrior Cats“<br />
Dienstag | 25. Okt. 2013 | 17:00<br />
in der Erlebnisschule Mödling (Missionshaus<br />
St. Gabriel, Ma. Enzersdorf<br />
Kartenreservierungen: 02236-205811<br />
Samstag | 30. Nov. 2013 | 15:00<br />
im Paradies der Fantasie, St. Pölten<br />
Kartenreservierungen: 02742-43550, info@lernwerkstatt.at<br />
„Morgen, Findus, wird‘s was geben“<br />
nach Sven Nordquist (ab 4 Jahren)<br />
Sonntag | 01. Dez. 2013 | 16:00 Uhr<br />
im Fuhrwerkerhaus Eichgraben<br />
VVK 6€ in Sparkasse und Trafik Eichgraben, AK 8€<br />
Samstag | 21. Dez. 2013 | 15:00 Uhr<br />
im Paradies der Fantasie, St. Pölten<br />
Kartenreservierungen: 02742-43550, info@lernwerkstatt.at<br />
Ein Schaf für‘s Leben nach Maritgen Matter<br />
Samstag | 07. Dez. 2013<br />
beim Schloss-Advent in der <strong>Lernwerkstatt</strong><br />
Samstag | 26. Okt. 2013 | 9 - 18 Uhr<br />
Schloss der Vielfalt<br />
Ein Tag für Körper, Geist und Seele mit vielen<br />
Kursangeboten für Bewegung, Entspannung und<br />
Inspiration. Feldenkrais, Yoga, Gyrokinesis, Tanzimprovisation,<br />
Singen, Drehtanz, Pilates, Bollywood,<br />
Malangebot für Kinder, internationales Buffet<br />
Ort: LWS Pottenbrunn<br />
Spendenbeitrag: Einzelveranstaltung € 5, Tageskarte € 15, Kinderbetreuung<br />
ganztägig € 5 (dafür Anmeldung bis 18.10. erforderlich!)<br />
Info unter www.lernwerkstatt.at<br />
Freitag | 8. Nov. 2013 | 19:00 Vortrag<br />
9. und 10. Nov. 2013 | ab 10:00 Workshop<br />
Original Play - von Herzen spielen mit<br />
Fred O. Donaldson<br />
„Original Play“ bedeutet in Verbindung sein mit<br />
dem eigenen Herzen und in liebevollen Kontakt<br />
treten mit anderen Lebewesen. Ursprüngliches<br />
Spiel zwischen Kindern oder zwischen Kindern<br />
und Erwachsenen sieht auf dem ersten Blick<br />
aus wie lustiges Balgen. Es gibt keine Konkurrenz<br />
und keinen Wettstreit, es gibt keine GewinnerInnen<br />
und keine VerliererInnen. Original Play<br />
ist von der UNESCO anerkannt als Prävention<br />
von Gewalt gegen Kinder.<br />
Ort: LWS Pottenbrunn<br />
Spendenbeitrag: € 15/12 (V), € 190 (WS inkl. V), Anmeldungen erforderlich<br />
bis 15.10.2013 unter info@lernwerkstatt.at, 02742/43550<br />
www.originalplay.at, www. lernwerkstatt.at<br />
Samstag | 07. Dez. 2013| ab 14:00 Uhr<br />
Schloss-Advent<br />
in der LWS Pottenbrunn<br />
Wollen Sie unsere Schule<br />
und unsere Pädagogik<br />
näher kennen lernen?<br />
schulführung<br />
am 17.10., 21.11.2013 und 16.01.2014<br />
jeweils Do, 16-18:30<br />
Eintritt frei!<br />
Wir freuen uns auf Ihre Anmeldung!<br />
info@lernwerkstatt.at oder 02742/43550<br />
Führung Spielwerkstatt 14:30 - 16 Uhr,<br />
Anmeld. 02742/43802<br />
Eine Schulführung bietet die Gelegenheit, einen<br />
Einblick in das Leben der <strong>Lernwerkstatt</strong> zu bekommen.<br />
Anhand von Filmszenen aus dem Schulalltag<br />
und einer Führung durch die Räume im Wasserschloss<br />
stellen wir Ihnen die Pädagogik der <strong>Lernwerkstatt</strong><br />
vor.<br />
Die gezeigten Filmausschnitte stammen aus der<br />
DVD „Wie Kinder Lernen“, erhältlich bei den Schulführungen<br />
sowie unter www.lernwerkstatt.at<br />
Nach Absolvierung einer Schulführung ist das<br />
Hospitieren während des Schulvormittages<br />
gerne möglich. Nach der Hospitation findet ein<br />
Abschlussgespräch statt. Kostenbeitrag: € 50,-<br />
(€ 25,- f. Stud.). Für interessierte<br />
Eltern ist die<br />
Hospitation kostenfrei.<br />
schul<br />
einschreibung<br />
Um eine gute Entscheidung des Schuleintrittes<br />
Ihres Kindes treffen zu können, haben wir für Sie<br />
einen Aufnahmemodus entwickelt. Für die Terminplanung<br />
bitten wir um rechtzeitige Kontaktaufnahme.<br />
Ein Schulwechsel von der Regelschule<br />
ist vor der zweiten Klasse Volksschule möglich.<br />
Ausnahme: Wechsel aus einer Alternativschule.<br />
mit allen sinnen lernen<br />
Aktiv und selbstbestimmt den eigenen Entwicklungsplan<br />
entfalten!<br />
Vortrag, Filmvorführung: „Wie Kinder lernen“ (Regie:<br />
Ilse Crillovich) über den Schulalltag in der LWS<br />
und Diskussionsrunde. Termine auf Anfrage für Elternabende<br />
in Kindergruppen und Kindergärten.<br />
raumvermietung<br />
Es besteht die Möglichkeit, Räume im Wasserschloss<br />
in der schulfreien Zeit zu mieten. Terminvereinbarung<br />
und Preisinformation:<br />
raummiete@lernwerkstatt.<strong>ws</strong><br />
weitere informationen:<br />
<strong>Lernwerkstatt</strong> im Wasserschloss<br />
Josef-Trauttmansdorff-Straße 10<br />
3140 Pottenbrunn<br />
info@lernwerkstatt.at<br />
02742 435 50 (Di-Fr 8:00-12:00)<br />
www.lernwerkstatt.at<br />
Unverbindliche<br />
Voranmeldungen<br />
jederzeit möglich!<br />
Die <strong>Lernwerkstatt</strong> ist<br />
Modellschule von<br />
Schulen der Zukunft<br />
www.schulen-der-zukunft.org<br />
P.b.b. Erscheinungsort 3140 Pottenbrunn / Aufgabepostamt 3107 St. Pölten<br />
Ausgabenummer: 3/2013, Zulassungsnummer: 04Z035787