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Foto: Reinhard Kraus<br />

Einzelverkaufspreis: Eur 5,00<br />

Jahres-Abo (4 Ausgaben): Eur 18.–<br />

gemeinsam leben<br />

ausgabe herbst 2013<br />

zeitschrift für freie pädagogik<br />

herausgegeben von der lernwerkstatt im wasserschloss pottenbrunn – für aktives und selbstbestimmtes lernen


freigeist sommer 2013<br />

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freigeist sommer 2013<br />

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editorial, impressum, kindermund<br />

gemeinschaft als basis für das<br />

menschliche leben<br />

leben, wie’s der seele gut tut<br />

der mensch ist ein wesen der<br />

heimkehr<br />

das leben in gemeinschaft - ein<br />

traum?<br />

wozu struktur?<br />

was macht eigentlich: saija crillovich<br />

unbekannte reformpädagogInnen:<br />

jiddu krishnamurti<br />

a rainbow wouldn’t be a rainbow ...<br />

istrien 2013<br />

die phasen der l<strong>ws</strong>-eltern<br />

eine reise nach montenegro<br />

schulalltag<br />

l<strong>ws</strong>-abgängerInnen 2013<br />

vom bildungskongress 2013 in<br />

zürich<br />

freilerner: zu hause ist da, wo<br />

man sich nicht erklären muss!<br />

buchtipps<br />

cartoon<br />

dramolett, filmtipp<br />

veranstaltungen<br />

impressum<br />

Medieninhaber und Herausgeber (Verleger):<br />

Verein „Mit Kindern wachsen“ -<br />

Initiative für aktives und offenes Lernen<br />

Verlagspostamt: 3140 Pottenbrunn<br />

Aufgabepostamt: 3100 St. Pölten<br />

Redaktion: Kay Mühlmann, Rainer Wisiak, Maria<br />

Altmann-Haidegger, Paul Braunstätter, Franz Josef<br />

und Brigitte Gaugg, Sonia Höllerer, Reinhard Kraus,<br />

Tobias Steirer, Luise Muschailov (Cartoon)<br />

freigeist@lernwerkstatt.<strong>ws</strong><br />

<strong>Lernwerkstatt</strong> im Wasserschloss Pottenbrunn<br />

Josef-Trauttmansdorff-Str. 10<br />

3140 Pottenbrunn<br />

Schulinfo/Aboservice: fon 02742-43550 (fax 42457)<br />

info@lernwerkstatt.at, www.lernwerkstatt.at<br />

Kto 22996, Sparkasse Herzogenburg, BLZ 20219<br />

IBAN: AT 382021900000022996, BIC: SPHEAT21<br />

Anzeigen: Brigitte Gaugg, gaugg@lernwerkstatt.<strong>ws</strong><br />

Layout: Franz Josef Gaugg, Reinhard Kraus<br />

Druck: DURABO Čelákovice<br />

Offenlegung gemäß §25 Mediengesetz: ,<br />

Der Verein „Mit Kindern wachsen“ ist zu 100% Inhaber<br />

dieser Zeitschrift. Es erscheinen keine weiteren<br />

Medien.<br />

editorial<br />

Liebe Leserinnen, liebe Leser!<br />

Vor vier Jahren erschien im freigeist ein Interview<br />

mit <strong>Lernwerkstatt</strong>-Mitbegründer<br />

Markus Distelberger, in welchem er von<br />

den ersten Schritten des damals gerade<br />

entstehenden Gemeinschaftsprojektes<br />

„Garten der Generationen“ erzählte. Seither<br />

ist viel geschehen. Grünland wurde<br />

zu Bauland umgewidmet, ein „Vermögenspool“<br />

aufgebaut. Ein gemeinsamer<br />

Gemüse- und Gartenbau hat sich dauerhaft<br />

etabliert und diesen Sommer wurde<br />

der erste Holz-Strohballen-Lehmbau errichtet.<br />

Für diese Ausgabe befragte Tobias<br />

Steirer Markus Distelberger zu den nun<br />

nächsten Schritten und auch darüber,<br />

was für ihn die wesentlichen Eckpunkte<br />

von Gemeinschaften sind.<br />

Dass wir diesem freigeist das Thema „Gemeinschaft“<br />

gewidmet haben, kommt<br />

nicht von ungefähr – denn auch die<br />

<strong>Lernwerkstatt</strong> versteht sich als solche.<br />

Eine Gemeinschaft, die kommendes Jahr<br />

ihr 25-jähriges Bestehen feiern wird! Wo<br />

diese Gemeinschaft immer am stärksten<br />

spürbar wird – in Istrien – davon erzählt<br />

Sonia Höllerer. Unsere Jugendlichen<br />

Leonie Mayr und Johanna Gaisrucker<br />

berichten von der gemeinsamen Reise<br />

aller AbgängerInnen nach Montenegro,<br />

welche durch die Einnahmen aus dem<br />

gemeinsam organisierten Schulball<br />

Wirklichkeit werden konnte.<br />

Erweitern wollen wir dieses Thema, indem<br />

wir das PAN-Projekt (für gemeinschaftliche<br />

Gesellschaftsentwicklung) im<br />

kindermund<br />

Waldviertel vorstellen und auch einen<br />

Blick hinter die Klostermauern werfen:<br />

Franz Josef Gaugg hat Herrn Fürnsinn,<br />

den Probst des Stiftes Herzogenburg<br />

dazu befragt, wie Augustiner schon seit<br />

Jahrhunderten Gemeinschaft leben und<br />

verstehen.<br />

Oft gehen Gemeinschaften auch durch<br />

eine Zeit der Krise. Davon erzählen die<br />

beiden Artikel von Paul Braunstätter<br />

und Katharina Lechthaler. Letztere beschreibt,<br />

wie es Gemeinschaften mit Hilfe<br />

der „Soziokratie“ gelingen kann, aus<br />

einer Krise gestärkt hervorzugehen.<br />

Abrunden wollen wir das Thema „Gemeinschaft“<br />

mit vielen Buchtipps, die<br />

dieses Mal Florence Holzner, Teammitglied<br />

der Tsibutsang GesmbH (Wohnen<br />

mit sozialem Mehrwert) für den freigeist<br />

zusammengestellt hat.<br />

In den regelmäßigen Rubriken stellen<br />

wir als unbekannten Reformpädagogen<br />

in dieser Ausgabe Jiddu Krishnamurti<br />

vor. Saija Crillovich erzählt von ihrem<br />

Weg, seit sie vor 14 Jahren die <strong>Lernwerkstatt</strong><br />

verlassen hat. Die Freilerner<br />

sind dieses Mal mit einem Bericht vom<br />

Sommer-Treffen in Leibnitz vertreten<br />

und Christine Glaser-Ipsmiller berichtet<br />

vom 1. Kongress der Initiative „Schulen<br />

im Aufbruch“ in Zürich.<br />

Viel Spaß beim Durchschmökern dieser<br />

an Artikeln bunten Ausgabe wünscht Ihnen<br />

im Namen der Redaktion<br />

Rainer Wisiak<br />

Olivia (4 Jahre) sieht sich ein Buch über das Weltall an. Sie bittet ihre<br />

Mama, ihr die Seite mit dem Sonnensystem vorzulesen. Die Mama liest: „In<br />

der Mitte ist die Sonne, dann kommt der Merkur“. Olivia sieht ihre Mama<br />

an, deutet auf die Venus und sagt: „Und das ist die Billa, oder was?“<br />

Einige Tage nachdem wir einen wunderschönen Vollmond gesehen haben,<br />

stehen wir wieder auf der Terrasse und schauen zum Himmel. Da<br />

meint Flora (2 Jahre) ganz enttäuscht: „Oh je, Mond kaputt.“<br />

Sie möchten auch im freigeist inserieren? Infos & Mediadaten-Bestellung unter Tel: 02782/83160 oder bw.gaugg@aon.at


freigeist herbst 2013<br />

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freigeist herbst 2013<br />

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gemeinschaft als basis für<br />

das menschliche leben<br />

Diesen Sommer wurde im „Garten der Generationen“ der erste Holz-Strohballen-Lehmbau errichtet. Über die<br />

Wichtigkeit gemeinschaftlichen Engagements und die nächsten Schritte des Projektes hat Tobias Steirer den<br />

<strong>Lernwerkstatt</strong>-Mitbegründer Markus Distelberger befragt.<br />

d<br />

as Thema des Herbst-Freigeist<br />

dlautet „Gemeinsam Leben“. Was<br />

bedeutet für dich in diesem<br />

Zusammenhang „Gemeinschaft“?<br />

M: Prinzipiell glaube ich, dass es ein Leben<br />

ohne Gemeinschaft eigentlich nicht<br />

gibt, dass Gemeinschaft die Basis für<br />

das menschliche Leben ist. Ich sehe das<br />

immer auch als ein Gegenüber zu dem<br />

Begriff der Institution, oder dem des Unternehmens.<br />

Üblicherweise verwende<br />

ich den Begriff „Gemeinschaft“ in einem<br />

ganzheitlichen Sinn, wo Menschen Verbindungen<br />

eingehen, die nicht auf einen<br />

Zweck ausgerichtet sind wie bei einem<br />

Unternehmen, wo z.B. Gewinne erzielt<br />

werden sollen, oder bei Institutionen, die<br />

bestimmte Dienstleistungen erbringen<br />

und wo das Interesse am Einzelnen immer<br />

auf einen ganz bestimmten Aspekt<br />

eingeschränkt ist. In einer Gemeinschaft<br />

ist für mich das Interesse aneinander auf<br />

die ganze Person gerichtet, unabhängig<br />

von verschiedenen Bedürfnissen.<br />

Immer wieder verweise ich gerne auf<br />

Sobonfu Somé, eine Afrikanerin, die in<br />

Europa Seminare über afrikanische Gemeinschaftskultur<br />

hält. Sie definiert den<br />

Begriff „Gemeinschaft“ als einen Ort,<br />

wo Menschen ihre Gaben anbringen<br />

können. Egal, welche Gaben da im Vordergrund<br />

stehen. Da wird nicht gefragt:<br />

„Welche Gaben brauche ich?“, sondern<br />

man freut sich über die Gaben, die da<br />

sind. Dem möchte ich mich anschließen.<br />

Stehen individuelle Ziele und<br />

Bedürfnisse auch in einem Widerspruch<br />

zu einer Gemeinschaft, oder<br />

ist das nur bei Institutionen so?<br />

M: Eine Institution oder auch ein Unternehmen<br />

wird immer Charakter und Ei-<br />

Markus Distelberger<br />

genschaften eines einzelnen abwägen<br />

und sich fragen: passt jemand zu unserem<br />

ganz konkreten Ziel, bzw. welche Auswirkungen<br />

auf die Abläufe in unserem<br />

System hat sie oder er. Eine Gemeinschaft<br />

sollte nicht so starr sein. Sie sollte<br />

prinzipiell Interesse an einem Menschen<br />

und dem, was er mitbringt, haben - und<br />

wie es zur Entfaltung gelangen kann. Es<br />

braucht einen gewissen Abbau von egozentrischer<br />

Denkweise. Wir sind heutzutage<br />

verbildet durch zu wenig Gemeinschaft<br />

und zu viele Institutionen und sind<br />

dadurch in einem starken Zweckdenken<br />

und egozentrischen Denken verhaftet.<br />

Eine Gemeinschaft ist vielmehr etwas,<br />

wo man in einem Dialog miteinander<br />

ist, wo das offener ist. Es kommen Menschen<br />

zusammen, jeder mit bestimmten<br />

Vorstellungen, Bildern und Zielen. In diesem<br />

miteinander Sein können sich diese<br />

aber verändern, man kommt drauf, dass<br />

manches nicht so wichtig ist. Man entwickelt<br />

mehr innere Freiheit und ist von<br />

seinen kleinen persönlichen Zielen nicht<br />

mehr so abhängig.<br />

Du meinst, dass man weniger<br />

eigene Bedürfnisse der Gemeinschaft<br />

unterordnen muss, als dass<br />

sich ein anderes Bewusstsein<br />

entwickelt, wo diese an Bedeutung<br />

verlieren.<br />

M: Es entstehen vielleicht neue, individuelle<br />

Ziele. Es geht nicht darum, dass man<br />

nichts mehr für sich will, sondern es geht<br />

um Flexibilität und Freiheit. Unsere Gesellschaft<br />

hat einen Hang zur Egozentrik<br />

und dazu, Ängste zu entwickeln, etwas<br />

nicht zu bekommen, was man glaubt,<br />

unbedingt zu brauchen.<br />

Fotos: Tobias Steirer<br />

Du hast in einem Interview im<br />

Freigeist vor mittlerweile vier<br />

Jahren über die Gründungsphase<br />

vom „Garten der Generationen“<br />

gesprochen. Was hat sich seither<br />

da entwickelt?<br />

M: Seither ist einiges gewachsen. Damals<br />

war es noch mehr Idee und Konzept.<br />

Mittlerweile haben wir das Land gekauft.<br />

Es haben ungefähr 40 Menschen<br />

Geld zusammengelegt in Form dieses<br />

neuen Finanzierungssystems „Vermögenspool“.<br />

Das hat derzeit ein Volumen<br />

von 800.000 Euro. Der gemeinsame Gemüse-<br />

und Gartenbau hat sich dauerhaft<br />

etabliert. Das sind sehr unterschiedliche<br />

Leute, aus den verschiedensten Kreisen,<br />

die sich im Garten treffen und teils gemeinsame,<br />

teils private Flächen bebauen.<br />

Es sind Menschen aus dem Ort, Leute<br />

aus dem Umfeld von unserem Wohnprojekt<br />

hier, dann Leute aus dem Kreis der<br />

<strong>Lernwerkstatt</strong> und einzelne andere Leute,<br />

wie zum Beispiel ein ca. 75 jähriger Ex-<br />

Lebenspartner der verstorbenen Mutter<br />

einer Freundin unseres Projektes aus<br />

Wien. Der fährt immer von Wien heraus<br />

zu seinem Gartenfeld. Das ist für ihn die<br />

Möglichkeit, Anschluss zu haben.<br />

Wir haben heuer auch mit dem ersten<br />

Holz-Strohballen-Lehmbau begonnen.<br />

Der Rohbau ist bald fertig. Da hat sich ein<br />

Kreis von Freiwilligen rund um Gerhard<br />

Scherbaum und Paul Adrian Schulz, zwei<br />

sehr engagierte Strohballen-Lehm-Bau-<br />

Instrukteure, gebildet. Das Prinzip ist,<br />

mit einfachen und naturnahen Mitteln<br />

Wohnraum zu schaffen. Zur Weitergabe<br />

des Know-how dieser Art des Bauens<br />

haben sie den Verein „EGB – Einfach gemeinsam<br />

Bauen“ gegründet.<br />

Ich habe auch von ähnlichen<br />

Projekten gelesen, mitunter von<br />

dem „Ökodorf sieben Linden“ in<br />

Deutschland, das ja schon in den<br />

1980ern und 90ern gegründet wurde.<br />

Das hat mittlerweile eine Dimension<br />

von über 140 Bewohnern.<br />

Ist so etwas eine Art Vorbildprojekt,<br />

auch vom organisatorischen<br />

System her?<br />

M: Eigentlich haben wir keine definierten<br />

Vorbildprojekte. Aber wir sind sicher<br />

durch eine Vielzahl von anderen Projekten<br />

inspiriert. Unser Projekt finanziert<br />

sich über den sogenannten Vermögenspool,<br />

was mir aus anderen Projekten<br />

nicht bekannt wäre. Hier können Menschen<br />

Kapital einbringen und wieder<br />

herausnehmen, unabhängig davon, was<br />

mit dem Kapital finanziert wird. Wenn<br />

z.B. jemand eine Wohnung von 100m2<br />

Fläche mit einem Wert von 220.000<br />

Euro bewohnt, so ist er weder verpflichtet,<br />

das gesamte Kapital aufzubringen,<br />

noch Schulden mit Zinsen zu bedienen.<br />

Es gibt eine Vereinbarung, wie viel man<br />

beisteuert. Dies entspricht vor allem<br />

der Abnutzung der Wohnung und den<br />

Betriebskosten. Es soll also beigetragen<br />

werden, den Wert zu erhalten. Aber was<br />

die Liquidität des Vermögenswertes betrifft,<br />

da ist man nur verpflichtet, eigenes<br />

Vermögen, das man nicht nutzt, was<br />

sonst auf der Bank liegen würde, in diesen<br />

Vermögenspool zu geben und dort<br />

selber anzusparen. Andere, die vorher<br />

schon Geld hineingegeben haben, können<br />

Geld dann wieder herausnehmen.<br />

So schließt sich der Kreislauf.<br />

So nach dem Prinzip „Nimm was du<br />

brauchst und gib was du kannst“?<br />

M: Ja, das ist im Garten der Generationen<br />

ein Grundprinzip. Eher weg vom Tauschen:<br />

„Was krieg ich und was geb ich?“<br />

Mehr freies Einbringen. Beim Vermögenspool<br />

besteht eine gewisse Verantwortung,<br />

dass dieser Fluss in Gang bleibt.<br />

Dieses Konzept hat sich mittlerweile sehr<br />

etabliert und bewährt.<br />

Zur Zufriedenheit aller, oder gibt es<br />

welche, die unzufrieden sind, weil<br />

sie mehr eingebracht haben?<br />

M: Das haben wir entkoppelt. Die Hälfte<br />

der Menschen, die in den Vermögenspool


freigeist herbst 2013<br />

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einzahlen, finden das Projekt sympathisch<br />

und geben lieber ihr Geld da hinein statt<br />

auf die Bank, nutzen es aber nicht.<br />

Das ist also kein reines Gönnertum,<br />

sondern sie haben auch<br />

etwas davon.<br />

M: Sie können das Geld ja wieder herausnehmen<br />

und es ist in Grund und Boden<br />

wertgesichert. Vielen fehlt das Vertrauen<br />

in die Banken. Außerdem stehen sie mit<br />

einer Gemeinschaft in Verbindung, etwas<br />

Lebendigem, womit sie sich identifizieren<br />

können und mit ihrem Geld auch<br />

etwas Positives beitragen können.<br />

Wohin wird das Projekt „Garten<br />

der Generationen“ in den nächsten<br />

fünf Jahren deiner Meinung nach<br />

wachsen?<br />

M: Ich stelle mir vor, dass in 5 Jahren die<br />

Bausache so etabliert ist wie der Gartenbau.<br />

Etwa 10 Wohneinheiten. Dass<br />

das Gelände mehr bewachsen ist, dass<br />

die permakulturelle Gestaltung weiter<br />

gediehen ist, dass es bis dorthin auch<br />

schon ein bisschen mehr Anlagen gibt,<br />

mehr Möglichkeiten für Kinder und Jugendliche,<br />

dass es Teiche gibt, dass der<br />

Wasserkreislauf schon funktioniert. Es<br />

soll ja nichts vom Grundstück wegfließen,<br />

sondern es soll alles dort geklärt<br />

werden. Das heißt: Grauwasser wird zuerst<br />

in Becken gesäubert, dann in einer<br />

Schilfkläranlage, dann in einem Sammelteich,<br />

von dort wieder entnommen zur<br />

Bewässerung. Auch Fäkalien und Öl<br />

sollen recycelt werden. Trockentrennklos,<br />

wo Urin als Dünger verwendet<br />

wird, der ja steril ist, während Fäzes ja<br />

stark bakteriell sind, die lässt man dann 2<br />

Jahre kompostieren und verwendet den<br />

Kompost dann zum Beispiel für Wiesen,<br />

Sträucher und Bäume. Sonst stelle ich<br />

mir vor, dass sich neben dem Wohnen<br />

so eine Art Betriebsgemeinschaft entwickelt.<br />

Büros, Praxen, Ateliers. Es gibt<br />

immer mehr Klein- und Einzelunternehmen<br />

– EPUs (Einpersonenunternehmen)<br />

– für die man dort im GdG eine gemeinschaftliche<br />

Infrastruktur schafft - eine<br />

EPU-Genossenschaft. Gemeinsamer<br />

Medienauftritt, Büro, Marketing, Rechnungswesen<br />

u.s.w. Das noch schönere<br />

an dieser Vision ist, dass man dann auch<br />

Geld teilt. Jemand, der viel verdient, gibt<br />

eben mehr hinein in einen Pool, aus dem<br />

dann auch z.B. Fortbildungsmöglichkeiten<br />

und Starthilfen für Jüngere möglich<br />

sind. Durch den Zusammenschluss<br />

entsteht auch ein gewisser Wohlstand,<br />

wo sich Menschen von staatlichen und<br />

privatwirtschaftlichen Systemen emanzipieren<br />

können.<br />

Es ist ja auch irgendwo eine<br />

Rückkehr zu alten Lebensformen.<br />

Früher haben Menschen ja mehr<br />

in Gemeinschaften gelebt. Siehst<br />

du eine Möglichkeit für unsere Gesellschaft,<br />

im größeren Umfang zu<br />

derartigen Lebensformen zurück<br />

zu kehren, oder bleibt das einzelnen<br />

Projekten vorbehalten?<br />

M: Das eine ist die Frage nach dem Zurück.<br />

Ist es für dich ein „Zurück“, ein<br />

„Zurück zum Ursprung“? Oder ist<br />

es etwas Neues in unserer Gesellschaft?<br />

Gemüseanbau<br />

Foto: Tobias Steirer<br />

Strohbauweise<br />

M: Wenn man so zurückschaut in unserer<br />

europäischen, abendländischen Geschichte,<br />

ist diese gekennzeichnet von<br />

Krieg, Kampf und Auseinandersetzung.<br />

Von Systemen, wo Menschen unterdrückt<br />

und ausgebeutet worden sind.<br />

Aus dem heraus stellt sich für mich die<br />

Frage: “Wohin muss ich zurückgehen?<br />

Wo ist da eine Ressource?“ Meiner Meinung<br />

nach muss ich da eigentlich zurückgehen<br />

bis zu den sogenannten vorzivilisierten<br />

Völkern, also den Urvölkern.<br />

Die sogenannten Hochzivilisationen, in<br />

unserem Bereich die griechische oder<br />

römische Kultur, waren gekennzeichnet<br />

durch Sklaventum. Was danach gekommen<br />

ist, waren wieder neue Formen davon.<br />

Im Feudalsystem bestand durch das<br />

starke hierarchische System eine Aufteilung<br />

der Gesellschaft, wo es den unteren<br />

Schichten schlecht gegangen ist.<br />

In der Neuzeit gab es gewisse Emanzipationsbewegungen,<br />

die Überwindung<br />

des feudalen Systems durch die französische<br />

Revolution 1789 bis zur Revolution<br />

1848. Ende des 19. bis Anfang des 20.<br />

Jahrhunderts, als die Demokratie aufgekommen<br />

ist, kann man sagen, gab eine<br />

Phase, wo es noch am meisten darum<br />

gegangen ist, die breite Bevölkerung am<br />

Wohlstand teilhaben zu lassen. Mittlerweile<br />

wurde vieles an sozialstaatlichen<br />

Errungenschaften wieder abgebaut. Im<br />

Grunde ist man den Weg der Institutionen<br />

gegangen, und nicht den der Gemeinschaft.<br />

Mir kommt vor, dass in der<br />

Nachkriegszeit, in der Hochblüte des Sozialstaates,<br />

die Institutionen und Unternehmen<br />

bis in die 70er Jahre gleichzeitig<br />

auch in einem gewissen Maß Gemeinschaftscharakter<br />

entwickelten.<br />

In der Nachkriegszeit ist es wohl<br />

mehr um elementare Bedürfnisse<br />

gegangen als um Luxus und<br />

Wohlstand. Aber finden Projekte<br />

wie der GdG in einer Wohlstandsgesellschaft<br />

nicht leichter<br />

fruchtbareren Boden als in Gesellschaften,<br />

denen es wirtschaftlich<br />

insgesamt schlechter geht?<br />

M: Allgemein denke ich, dass bei sozialen<br />

Neuerungen meistens Menschen eine<br />

Rolle spielen, die selber nicht in einer<br />

unmittelbaren Not sind, aber die eine<br />

Sensibilität haben für vorhandene Not<br />

in ihrer Umgebung. Wenn man zurückschaut,<br />

ist die Arbeiterbewegung gegründet<br />

worden von Intellektuellen und<br />

Großbürgerlichen, die selber gut situiert<br />

waren. Das fängt an bei Karl Marx bis zu<br />

Viktor Adler und anderen. Die haben sich<br />

damit beschäftigt, und das Ganze ist in<br />

Verbindung gestanden mit einem realen,<br />

gesellschaftlichen Bedürfnis. So gesehen<br />

glaube ich, dass es immer beides<br />

braucht, die reale Not und Menschen,<br />

die handlungsfähig sind. Menschen, die<br />

direkt in der existentiellen Not stecken,<br />

sind meistens nicht handlungsfähig.<br />

Es müssen also elementare Bedürfnisse<br />

prinzipiell gestillt sein,<br />

damit man weiter sehen kann?<br />

M: Ich sehe da eine riesige Verantwortung<br />

von Menschen hier bei uns. Wir haben diese<br />

Handlungsfähigkeit, wir sind nicht in<br />

materieller Not - absolut nicht. Wir können<br />

wahrnehmen, wie Dinge schief laufen<br />

in der Welt, wie wir gegen die Wand<br />

steuern. Da haben wir wirklich eine Verpflichtung,<br />

etwas zu tun. Vielleicht auch<br />

kurzfristigere, private Ziele ein bisschen<br />

weniger zu verfolgen und sich mehr frei<br />

zu machen für gesellschaftliches Engagement.<br />

Jeder nach seiner Art. Ich habe<br />

das Gefühl, dass sich viele Menschen<br />

bei uns denken: „Naja, was soll ich denn<br />

schon machen? Die da oben machen<br />

sowieso, was sie wollen“, und sich dann<br />

wieder ihrer Tagesordnung zuwenden.<br />

Das ist dann fast zu billig, weil man sehr<br />

wohl etwas tun kann. Solche Gemeinschaftsprojekte<br />

- oder auch die <strong>Lernwerkstatt</strong>,<br />

die ohne gemeinschaftlich engagierte<br />

Menschen nicht existieren würde<br />

- müssen sich gegen den Mainstream<br />

behaupten. Das ist nicht so unmöglich.<br />

Viele stellen sich das schwieriger vor, als<br />

es ist. Natürlich braucht es Engagement,<br />

aber es ist viel mehr machbar. Es könnte<br />

hunderte Lernwerkstätten geben.<br />

Das ist ein schönes Schlusswort.<br />

Danke für das Gespräch.<br />

www.gartendergenerationen.net<br />

www.stroh2gether.at<br />

Tobias Steirer<br />

ist Arzt und Vater<br />

zweier <strong>Lernwerkstatt</strong>-Kinder


freigeist herbst 2013<br />

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freigeist herbst 2013<br />

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leben,<br />

wie‘s der seele gut tut!<br />

info<br />

PAN stammt aus dem Griechischen und bedeutet soviel wie „gesamthaft, ein Gesamtes“. Das PAN-Projekt, das<br />

sich in seiner Gesamtheit als Bildungsprojekt versteht, will zeigen, dass eine Gemeinschaft mehr ist, als die<br />

Summe ihrer Teile. Es will Mut machen zu alternativen Wegen und versteht sich als gelebtes Beispiel für „Neues<br />

Lernen und Neues Wirtschaften“. Beheimatet ist das Projekt im Waldviertel, in Harmannstein, südlich von<br />

Weitra. Rainer Wisiak traf dort Barbara und Johannes Hahn zum Gespräch.<br />

e<br />

s ist beeindruckend, wenn<br />

man sieht, was ihr hier in fast<br />

20 Jahren aufgebaut habt.<br />

J: Vorgefunden haben wir es natürlich<br />

nicht so. Begonnen haben wir hier mit<br />

dem Kauf eines kleinen Bauernhofes,<br />

gewohnt haben jedoch die meisten von<br />

uns anfangs in einer nahegelegenen Ferienwohnung.<br />

Und die Zeit davor?<br />

B: Da haben wir in Horn gelebt – und bis<br />

wir (14 Personen!!) mit dem Bauernhof<br />

fündig wurden, uns über ein Jahr lang<br />

120 Quadratmeter geteilt.<br />

J: Da lernt man sich kennen. Ich glaube<br />

aber, dass das sehr wichtig ist. Ich sage oft:<br />

Gemeinschaft vor Projekt. Es ist gut, wenn<br />

es vorab eine Gemeinschaft gibt, auf welche<br />

man sich verlassen kann und aus der<br />

heraus sich dann ein Projekt entwickelt.<br />

Heute ist es oft umgekehrt. Man findet<br />

sich beispielsweise zu einem Wohnprojekt<br />

zusammen und stellt dann oft fest,<br />

dass keine Gemeinschaft wachsen will,<br />

weil viele stark auf ihre individuellen Bedürfnisse<br />

pochen oder letztlich sehr verschiedene<br />

Werte-Haltungen haben.<br />

Wie seid ihr im Ort aufgenommen<br />

worden?<br />

B: Anfangs recht wohlwollend, gepaart<br />

mit einem gewissen Staunen: „Ach, ihr<br />

wollts anbauen?“<br />

J: Später ist dann der Neid hinzugekommen,<br />

als wir größer und größer wurden.<br />

Begonnen haben wir hier mit 10 Hektar<br />

Grund. Da Gmünd aber ein Bezirk mit<br />

starker Abwanderung ist, ist uns immer<br />

wieder Grund zum Kauf angeboten worden.<br />

Ist die Abwanderung hier ein<br />

großes Problem?<br />

J: Ja, immer noch. Und das Einzelkämpfertum,<br />

die Landwirtschaft doch noch<br />

schaffen zu wollen, obwohl gemeinsam<br />

vieles besser ginge.<br />

Seid ihr über den Ort hinaus mit<br />

anderen Initiativen verknüpft?<br />

B: Ja, wie beispielsweise mit „Schöpfungsverantwortung<br />

Tier und Mensch“ oder<br />

Die PAN-Gemeinschaft<br />

Foto: PAN<br />

mit der „Arche Noah“. Aber eine größere<br />

Öffnung und bessere Vernetzung wird<br />

einer unserer nächsten Schritte sein. Dabei<br />

soll es aber nicht darum gehen, sich<br />

nur mit Initiativen zu vernetzen, sondern<br />

mit Menschen, die in Resonanz gehen,<br />

die „mitschwingen“. Viele Jahre waren<br />

wir jetzt natürlich mit dem Aufbau des<br />

Projekts und dem Aufwachsen unserer<br />

Kinder beschäftigt.<br />

J: Und streiten mit dem Bürgermeister<br />

(lacht). 1997 habe ich mit dem Aufbau<br />

einer Firma in Tschechien begonnen. Sie<br />

ist gut gelaufen und mit dem Geld von<br />

außen konnten wir hier vieles aufbauen,<br />

was sonst viel schwieriger gewesen<br />

wäre, denn es war uns immer wichtig,<br />

keine Kredite aufzunehmen und nur mit<br />

dem zu wirtschaften, was da ist.<br />

Man könnte ja sagen, dass ihr es<br />

fast geschafft habt, von den Nahrungsmitteln<br />

bis hin zur Energieversorgung<br />

alles selbst zu produzieren.<br />

Was wäre da ein nächster<br />

Schritt?<br />

J: Vielleicht Rapsanbau für den Treibstoff.<br />

Nur liegen wir für Raps hier viel zu hoch.<br />

Aber das mit dem „was noch?“ ist eine<br />

schwierige Frage. Ursprünglich wollten<br />

wir nicht einmal so groß werden wie jetzt.<br />

Wir wollten einen Bauernhof und unsere<br />

Kinder großziehen. Und über einer Größe<br />

von 50 – 60 Personen funktionieren dann<br />

Gemeinschaften ja nur wieder mit ganz<br />

anderen Organisationsstrukturen, allein<br />

schon, was die Kommunikation betrifft.<br />

PAN<br />

Projekt für<br />

gemeinschaftliche<br />

Gesellschaftsentwicklung<br />

Unsere Gesellschaft steht an der Schwelle<br />

einer großen Veränderung. Die Generation<br />

unserer Kinder wird mit neuen, komplexen<br />

Problemen konfrontiert sein, die unsere<br />

Großeltern noch nicht kannten. Doch „Probleme<br />

kann man niemals mit derselben<br />

Denkweise lösen, durch die sie entstanden<br />

sind“, meinte einst Albert Einstein.<br />

Darum ist klar, dass wir neue Gedanken, ja<br />

ein neues Bewusstsein benötigen werden,<br />

um den kommenden gesellschaftlichen<br />

Herausforderungen gewachsen zu sein.<br />

Dieses Bewusstsein des Wandels wird<br />

in jedem Fall ein teilendes sein müssen.<br />

Eines, das in der Gemeinsamkeit des WIR<br />

verbindet und nicht im Ego der Vereinzelung<br />

trennt. Und um diese neue Denk- und<br />

damit Handlungsqualität zu erwerben,<br />

wird es auch einer neuen Art des Lernens<br />

bedürfen.<br />

Diese neue Art des Lernens und des gemeinschaftlichen<br />

Lebens versuchen die<br />

derzeit 36 Erwachsenen, Jugendlichen<br />

und Kinder des PAN-Projekts seit nun<br />

schon fast zwei Jahrzehnten umzusetzen.<br />

Aus dem „Versuch“ ist inzwischen ein<br />

wunderbares Projekt gewachsen, das Modellcharakter<br />

hat und zeigt, welche Kräfte<br />

und Möglichkeiten frei werden, wenn eine<br />

gewachsene Gemeinschaft von Menschen<br />

den Herausforderungen der Zukunft mit<br />

einem WIR begegnet.<br />

Unter dem gemeinsamen Dach der Privatstiftung<br />

PAN findet sich die Tagesbetreuungseinrichtung<br />

PANINI für 3- bis<br />

6-Jährige, die PAN-Freilandschule mit Öffentlichkeitsrecht<br />

für 6- bis 15-Jährige, die<br />

PAN-Projektschule als außerschulisches<br />

Bildungsmodell für über 15-Jährige sowie<br />

die PAN-Werkschule (mit Lehrwerkstätten<br />

in den Bereichen Lebensmittelveredelung,<br />

Holz, Textil, Metall und Medien) als<br />

breites, handwerkliches Angebot nach<br />

außen. In der PAN-Projektewerkstatt<br />

Entwicklung&Schulung GmbH soll zu<br />

guter Letzt das PAN-Modell wirtschaftlich<br />

schlüssig werden. Hier wird es jungen<br />

Menschen auf selbstständiger Basis möglich,<br />

ihre kreativen und handwerklichen<br />

Fähigkeiten bei ethisch-nachhaltigen Projekten<br />

im Team umzusetzen.<br />

Als Grundlage des Projekts dienen 40 Hektar<br />

Grund, die im Besitz der PAN-Privatstiftung<br />

sind. Diese werden vom Verein<br />

„PAN-Gemeinschaft für nachhaltiges Leben“<br />

biologisch bewirtschaftet und bieten<br />

ein hohes Maß an Selbstversorgung wie<br />

auch Ernährungsqualität. Wichtige Eckpfeiler<br />

sind Vielfalt, Kreislaufbewirtschaftung<br />

und Bevorzugung alter, heimischer<br />

Pflanzensorten und Tierrassen.<br />

Als Bildungsmodell ist das PAN-Projekt<br />

eine Plattform für Pioniere des Wandels<br />

und will allen Interessierten Mut machen,<br />

am unerlässlichen Bewusstseinswandel<br />

zu mehr echter Gemeinschaftlichkeit aktiv<br />

mitzuwirken und das dazu nötige Denken<br />

und Handeln zu erlernen. Kennenlernen<br />

kann man das PAN-Projekt an jedem „FREI-<br />

TAG bei PAN“, wo der Hofladen geöffnet ist,<br />

Schmankerlabende in echter PAN-Qualität<br />

sowie ganztägige Gruppenexkursionen<br />

und Besucherangebote stattfinden oder<br />

bei der PAN-Sommerschule, wo in den<br />

Juli-August-Ferien Workshops angeboten<br />

werden. Nähere Informationen und Veranstaltungskalender<br />

unter<br />

www.pan.at


freigeist herbst 2013<br />

10<br />

freigeist herbst 2013<br />

11<br />

Die bei euch wie aussieht?<br />

B: Wir haben wöchentlich am Samstag<br />

und am Sonntag jeweils ein großes Plenum,<br />

bei denen alle zusammenkommen.<br />

Ein Plenum deckt immer mehr<br />

organisatorische Fragen ab, das andere<br />

dient dazu, den Befindlichkeiten oder<br />

dem Seelisch-Geistigen Raum zu geben.<br />

Dieses Gleichgewicht ist sehr wichtig,<br />

drei KommunikatorInnen, von denen<br />

ich eine bin, achten auf dieses Gleichgewicht<br />

und sind auch sonst AnsprechpartnerInnen<br />

für sämtliche Anliegen.<br />

Auf eurer Homepage schreibt ihr,<br />

euer Bildungsziel heißt „Lebenskompetenz“.<br />

B: Darunter verstehen wir die Fähigkeit,<br />

sich selbst zu erkennen und seine Lebensaufgabe<br />

zu finden. Lebenskompetenz<br />

ist für uns der Schlüssel, sein Leben<br />

zu meistern und glücklich zu werden.<br />

J: In Bezug auf unsere Kinder und Jugendlichen<br />

hier heißt das, dass wir in<br />

allem von einem Praxisbezug ausgehen.<br />

Ja, so wie ich vorhin gemeint habe „Gemeinschaft<br />

vor Projekt“, würde ich in<br />

Bezug auf das Lernen bei Kindern und<br />

Jugendlichen sagen: „Praxis vor Theorie“.<br />

Die Werkstätten und die große<br />

Landwirtschaft bieten unseren Schülern<br />

da einen umfassenden Erlebnis- und<br />

Erfahrungsraum. Diesem Sammeln von<br />

Erfahrungen geben wir viel Raum. Natürlich<br />

lernen die Kinder und Jugendlichen<br />

bei uns Mathematik und Englisch, aber<br />

sie lernen auch tischlern, schweißen<br />

und kochen. Unsere 14-Jährigen können<br />

Gruppen von 50 Menschen bekochen.<br />

Aus solchen Dingen heraus wächst eine<br />

Selbstsicherheit, mit der sie auch alle anderen<br />

Dinge mit Leichtigkeit angehen<br />

können, die eventuell noch ausstehen.<br />

B: Leben und Lernen sind sinnverwandt.<br />

Wissensvermittlung ist wichtig, wichtiger<br />

erscheint uns aber das Erleben und<br />

Erlernen seelischer Qualitäten.<br />

J: Aber wie ist das sonst in der Schule?<br />

Schau nur, was heute 6-Jährigen oder<br />

schon 3-Jährigen im Kindergarten an<br />

Wissen vermittelt wird. Ich halte das für<br />

einen Wahnsinn. Darum rede ich auch<br />

immer gerne von einer Umkehrung im<br />

gesellschaftlichen Denken. In vielerlei<br />

Hinsicht. Von einer Wende, von einer<br />

„Wendezeit“, um mit Fritjof Capra zu<br />

sprechen, dessen Buch mit diesem Titel<br />

mich sehr inspiriert hat.<br />

Ideen anderer Menschen, die dir<br />

wichtig waren?<br />

J: Gandhi ist mir ein großes Vorbild. Aber<br />

am nächsten ist mir Jesus. Ich beschäftige<br />

mich sehr mit seinen Aussagen. Es<br />

geht da nicht um Bibelforschung und ich<br />

möchte da auch niemanden missionieren,<br />

das interessiert mich nicht. Es geht<br />

mir mehr um die Umsetzung seiner Gedanken.<br />

„Achte den anderen so, wie du<br />

geachtet werden möchtest“ - das kann<br />

schon zur Grundlage einer Gemeinschaft<br />

werden. Ich bin auch seit 28 Jahren nicht<br />

krankenversichert und wenn andere<br />

Menschen verwundert schauen, frage<br />

ich sie nur: „War Jesus versichert?“<br />

Ist bei euch niemand versichert?<br />

Bei der Heuernte<br />

Foto: PAN<br />

B: Nur einige wenige. Wir nehmen aber<br />

in dem Fall auch keine Leistungen der<br />

Krankenkassa in Anspruch. Wir zahlen<br />

in einen eigenen Fonds ein, aus dem heraus<br />

wir dann Leistungen bezahlen können.<br />

Wir gehen dadurch auch insgesamt<br />

achtsamer mit dem Thema „Gesundheit/<br />

Krankheit“ um. Vieles ist vielleicht auf den<br />

ersten Blick schwer verständlich. Ähnlich<br />

verhält es sich mit anderen Dingen, wie<br />

beispielsweise der Arbeitszeit. Ich zähle<br />

da nicht wirklich in Stunden, denn ich<br />

sehe was zu tun ist und bringe mich ein.<br />

Für mich gibt es da keine Arbeitszeit, für<br />

mich gibt es nur eine Lebenszeit.<br />

Geben und Nehmen stehen da wohl<br />

in einer anderen Relation als im<br />

herkömmlichen Kontext.<br />

J: Ja. Vielen in der Gesellschaft geht es<br />

darum, sich wenigst möglich in diese<br />

einzubringen und möglichst viel von der<br />

Gesellschaft zu lukrieren. Wir denken da<br />

in Bezug auf Gemeinschaft gegenteilig.<br />

Wie im sozialen Hauptgesetz von<br />

Rudolf Steiner vorgeschlagen?<br />

B: Ja, vielleicht. Gemeinschaft erfordert<br />

die Umordnung der eigenen Prioritäten.<br />

Das ist ein langer Prozess. Wenn ich aber<br />

die Angst einmal losgeworden bin, alles<br />

halten und besitzen zu wollen, dann<br />

wird es irgendwann kein Teilen mehr, es<br />

ist dann ein Teilnehmen! Wir nehmen<br />

dann gegenseitig oder aneinander Teil<br />

– das ist eine höhere Erfüllung für mich.<br />

Meinem Vater war es lange nicht recht,<br />

dass ich Teil dieser Gemeinschaft werde,<br />

aber da war dann etwas, was seine Argumente<br />

entkräftet hat, nämlich zu sehen:<br />

die Barbara ist glücklich!<br />

J: Das hängt vielleicht auch damit zusammen,<br />

dass PAN jetzt nicht mehr nur ein<br />

Projekt ist, es hat sich darüber hinaus<br />

etwas entwickelt, etwas, das wir vorher<br />

nicht gekannt haben. Als sei über die<br />

Jahre hinweg so etwas wie eine Gemeinschaftsseele<br />

entstanden. Ein neuer Umgang<br />

miteinander, der im anderen etwas<br />

findet oder ihm etwas zutraut, was er<br />

selbst noch nicht so recht erkannt hat –<br />

und durch diese Interaktion findet eine<br />

Vertiefung der Entwicklung des Einzelnen<br />

statt.<br />

Ich kann mir vorstellen, dass<br />

diese Zuversicht und Sichtung<br />

vorhandenen Potentials vor<br />

allem hinsichtlich der Kinder und<br />

Jugendlichen für diese zu einem<br />

Motor wird.<br />

J: Ja, und sie sind ja auch der Beweggrund<br />

für alle unsere Bemühungen.<br />

Barbara und<br />

Johannes J. Hahn<br />

Schließlich sind sie die Träger jener Geisteshaltung,<br />

die unsere Erde in Zukunft<br />

formen und prägen wird.<br />

Eure Jugendlichen – werden sie<br />

bleiben oder hinausziehen in die<br />

Welt?<br />

B: Das wird jetzt ein spannender Prozess,<br />

denn an dieser Schnittstelle befinden<br />

wir uns gerade.<br />

J: Aber wie immer es sich auch entwickeln<br />

wird, ich sehe jetzt schon: wir werden<br />

ein Team sein. Vielleicht wird ein<br />

neues „Dorf“ daraus …<br />

Darüber werde ich in meinem<br />

nächsten Interview berichten.<br />

B: Wir merken jedenfalls, dass durch den<br />

Generationenwechsel nun auch eine Öffnung<br />

und Akzeptanz von außen stattfindet;<br />

durch die Musik, die die Jugendlichen<br />

machen, durch ihre Tätigkeit in Vereinen,<br />

durch die Projektewerkstatt. Dazu tragen<br />

auch die Besuchsmöglichkeiten wie die<br />

FREITAGE bei PAN oder die vielen Workshops<br />

der Sommerschule bei.<br />

J: Es sind längst nicht alle Antworten<br />

gefunden – und werden es wohl lange<br />

nicht sein. Aber nach zwei Jahrzehnten<br />

sind die Früchte aus der Kraft unserer<br />

Gemeinschaft unübersehbar geworden.<br />

Wir wollen sie sichtbar machen und sie<br />

sollen Mut machen zum Aufbruch in ein<br />

menschenwürdigeres Leben, ein Leben,<br />

das der Seele wieder gut tut.<br />

Vielen Dank für das Gespräch.


Gemeinsam leben, wirtschaften, singen, beten, feiern: gemeinschaftliches Leben wird in Klöstern und<br />

Stiften seit vielen Jahrhunderten gepflegt. Für den freigeist traf Franz Josef Gaugg Prälat Maximilian Fürnsinn,<br />

Propst des Augustiner-Chorherrenstiftes Herzogenburg, zum Gespräch.<br />

<br />

Herr Prälat Fürnsinn, im<br />

Ausstellungskatalog anlässlich der 900<br />

Jahr Feier des Stiftes Herzogenburg,<br />

2012, ist mir eine Darstellung des Hl. Augustinus<br />

von Bartolomeo Altomonte aufgefallen,<br />

die ich hier näher beschreiben<br />

möchte. Der Hl. Augustinus ist auf diesem<br />

Gemälde aus der Barockzeit als ein sehr<br />

vielbeschäftigter Mann abgebildet. Er umklammert<br />

mit seiner linken Hand ganz energisch<br />

und kraftvoll das flammende Herz,<br />

mit der Rechten schreibt er in ein Buch.<br />

Sein Blick ist gegen den Himmel gerichtet<br />

- Gott zum Dialog zugewandt, würde ich<br />

sagen. Dann sehe ich ein bisschen Unruhe,<br />

so eine Art Erwartungshaltung. Als<br />

Machtattribute erkenne ich einen Mantel<br />

und eine Bischofsmütze.<br />

Jetzt frage ich Sie: ist ein Prälat so vielbeschäftigt<br />

wie uns dieses Bild zeigt, hin- und<br />

hergerissen zwischen einerseits dem Ewigen<br />

zugewandt sein zu wollen und andererseits<br />

doch in der Welt verhaftet zu sein<br />

und sich mitteilen zu müssen?<br />

Vieles<br />

von den Dingen, die Sie genannt haben,<br />

hat Augustinus nie besessen. Er hat nie<br />

einen liturgischen Mantel in dieser Form<br />

gehabt. Er hat auch nie eine Bischofsmütze<br />

getragen. Sicherlich hat er nicht in Büchern<br />

geschrieben und – ich weiß schon,<br />

wie Sie das meinen - sein eigenes Herz<br />

wird er nicht offen getragen haben. Das<br />

ist eine Darstellung der Barockzeit und<br />

man interpretiert und gestaltet den Augustinus<br />

so, wie man ihn damals sehen<br />

wollte: als Bischof, als Klostervorsteher.<br />

Aber das, was Sie vom Spannungsverhältnis<br />

sagen – Gott zugewandt einerseits,<br />

mitten in der Welt lebend und<br />

wirkend andererseits – das erfährt man<br />

als Propst, als Abt eines Klosters schon.<br />

Man sollte beides sein – geistiger Führer,<br />

sicher in Gott geborgen, gehalten,<br />

mit Gott in einem Kontakt, Gott zugewandt<br />

– das ist ein wunderbares Wort.<br />

Wir können uns Gott ja nur zuwenden,<br />

was dann mit uns geschieht, haben wir<br />

nicht in der Hand. Andererseits ist man<br />

als Leiter einer Gemeinschaft, eines Klosters,<br />

auch gehalten, in der Zeit heute zu<br />

<br />

leben, zu wirken, zu entscheiden. So wie<br />

es jeder andere, der in einer Schule oder<br />

in einem Wirtschaftsbetrieb steht auch<br />

tun muss. Mir gefällt diese Doppelfunktion<br />

und ich halte sie auch für mein Menschenbild<br />

für sehr gut. Ich würde sogar<br />

meinen, wenn eine der beiden Seiten<br />

nicht da ist, dann verrutscht dieses Bild.<br />

Wenn man nur spirituell ist: wovon lebt<br />

man, was tut man, wo handelt man, wo<br />

engagiert man sich, wo bringt man sich<br />

ein - und ähnliche Dinge mehr? Wenn<br />

man nur tätig ist, nur Unternehmer, nur<br />

arbeitet, nur ständig sich engagiert,<br />

kann es sein, dass man aus einem tieferen<br />

Bereich herausfällt. Ich glaube,<br />

dass das heute vielen Menschen zum<br />

Problem wird und dass sie sich heute<br />

viel weniger gehalten fühlen.<br />

Wenn wir schon bei Augustinus sind, so<br />

würde ich gerne meine Sicht des Menschenbildes<br />

von Augustinus umreißen.<br />

Augustinus hat viele verschiedene Lebensphasen<br />

durchlaufen, hat lange<br />

gesucht. Das flammende Herz in der<br />

Darstellung bezieht sich auf Augustinus‘<br />

leidenschaftliche Gottesliebe und<br />

Gottsuche. Er hatte zu verschiedenen<br />

Gemeinschaften Kontakt, aber nie einen<br />

Platz gefunden. Als er seine Regeln für<br />

die Gemeinschaft niederschreibt, hat<br />

er eine sehr freundschaftliche Ordensregel<br />

geschaffen - freundschaftlichintellektuell,<br />

das spürt man. Augustinus<br />

sagt vor hunderten von Jahren schon,<br />

es geht um Gottsuche und er prägt das<br />

wunderbare Wort: wer ihn sucht, wird<br />

ihn finden, wer ihn gefunden hat, wird<br />

ihn suchen. Es ist dies ein unglaublich<br />

dynamisches Menschenbild. Also, der<br />

Mensch ist ein Wesen der Heimkehr –<br />

zu sich selbst und zu Gott. Augustinus<br />

schreibt in den Bekenntnissen, seinem<br />

berühmten Werk, den Satz: ich bin mir<br />

selbst zur Frage geworden. Ein suchender<br />

Mensch wird immer merken, dass er<br />

sich selbst zur Frage wird. Was bin ich?<br />

Woher? Wozu? Woher komme ich? Wohin<br />

gehe ich? Warum überhaupt? Diese<br />

Fragen lassen den Menschen nie los. Er<br />

wird sie für sich selber fragen müssen,<br />

Foto: Weingar tner (Ausschnitt), Autor<br />

<br />

die Antworten selbst finden müssen. Es<br />

wird sich ihm die Frage nach Gott stellen.<br />

Ob er sie beantwortet, ob er sie akzeptiert<br />

oder nicht, ist etwas anderes.<br />

Wir haben in der Schule 5 Grundregeln:<br />

wir tun einander nicht weh, weder mit<br />

Worten noch mit Taten. Wir lassen einander<br />

in Ruhe spielen und arbeiten. Wenn<br />

ich mittun möchte, frage ich. Wir räumen<br />

Material zurück an seinen Platz. Wir gehen<br />

mit Material achtsam um. Wir geben<br />

Mist in den entsprechenden Mistkübel.<br />

Herr Prälat, kann man das recht komplexe<br />

Regelwerk des Hl. Augustinus auf ebenso<br />

wenige wichtige Grundregeln herunterbrechen?<br />

Wenn ich vorab zwei Sätze zur Regel<br />

des Hl. Augustinus sagen darf. Die Regel<br />

ist nicht kompliziert, sehr moderat, gut<br />

adaptierbar und sie lässt sich auf ein<br />

paar einfache Prinzipien zurückführen.<br />

Als Einleitungssatz verwendete Augustinus<br />

ein Zitat aus der Apostelgeschichte,<br />

wo die erste Urchristengemeinde beschrieben<br />

wird: ein Herz und eine Seele<br />

werden auf Gott hin. Wie kann man diesen<br />

Satz in eine praktische Regel umsetzen?<br />

Das heißt für mich einerseits Gott<br />

zugewandt leben, anderseits im Dienst<br />

am Anderen stehen.<br />

Wie darf ich mir das vorstellen? Die<br />

Gottzugewandtheit kann ich mir gut<br />

vorstellen beim gemeinsamen Gebet<br />

und beim gemeinsamen Mittagstisch.<br />

Schwieriger finde ich es dann im Alltag, bei<br />

Konflikten. Wie geht man in Ihrer Gemeinschaft<br />

damit um?<br />

Wenn ich eine gewisse Gottzugewandtheit<br />

lebe, dann werde ich das<br />

schon auch im Umgang mit anderen<br />

spüren lassen. Es kann ihnen der Andere<br />

nicht total wurscht sein. Oder du kannst<br />

nicht über eine gewisse Grenze gehen.<br />

Was Sie in ihrem Regulativ gesagt haben<br />

zu Respekt, Würde, usw. das zeigt<br />

sich schon im konkreten Umgang. Also<br />

irgendwo ist die Gottzugewandtheit<br />

auch eine Garantie des guten Umgangs<br />

miteinander. Das ist eine Hoffnung. Es<br />

gibt bei uns genauso Streit, die Auseinandersetzung.<br />

Das ist in jeder Gemeinschaft,<br />

die lebendig ist, ein notwendiger<br />

Prozess. Und trotzdem meine ich, es<br />

drückt sich schon im konkreten Tun aus.<br />

Oder dass ich mein Tun immer wieder<br />

aus dieser Gottbezogenheit überdenke.<br />

Hat das einen Sinn, was ich hier tue?<br />

Auch dass eine Gemeinschaft immer<br />

wieder ihre Orientierung suchen muss<br />

–z.B. werden wir ab Herbst einen begleiteten<br />

Prozess mit Innen- und Außenblick<br />

beginnen.<br />

Gibt es einen konkreten Anlass dazu?<br />

Nein. Es ist von Zeit zu Zeit notwendig<br />

zu prüfen, wohin unser Weg<br />

geht. Wo ist die Zukunft für das Stift?<br />

Wir stehen in einem gesellschaftlichen<br />

und kirchlichen Wandel und da hat ein<br />

Kloster seine Position zu suchen. Position<br />

besetzen jetzt nicht im Sinne von<br />

Macht, sondern wo können wir als Kloster<br />

unseren Dienst versehen, was müssen<br />

wir halten, was neu beginnen, was<br />

abgeben? Aber immer auch, wenn man<br />

den Außenblick schärft, muss man den<br />

Innenblick ansehen. Wie sind unsere<br />

Beziehungen, wie sehen wir sie? Gibt<br />

es den Ausgleich geistlichen Lebens?


Auch in einem Kloster ist man gefährdet<br />

zu viel zu tun. Aus der Frage nach dem<br />

spirituellen Leben, nach dem pastoralen<br />

Leben sind wir angehalten zu fragen und<br />

zu suchen. Also ich glaube, dass das eine<br />

Regel wäre: wir leben Gott zugewandt<br />

und wir suchen einen pastoralen Weg,<br />

wie wir unser Leben und unseren Weg<br />

für die Menschen um uns und in den<br />

Pfarrgemeinden finden und gut verbinden<br />

können.<br />

Eine andere Regel, die mir sehr wichtig<br />

ist: das Gemeinsame steht über dem Eigenen.<br />

Augustinus schreibt in seiner Regel,<br />

dass man alles gemeinsam besitzen<br />

soll und was du tust, tust du immer für<br />

die Gemeinschaft. In unserer individualistisch<br />

geprägten Zeit wird besonders<br />

auf Selbstbestimmung, Selbstbesinnung,<br />

Selbstdurchsetzung Wert gelegt<br />

– was positive und legitime Werte sind,<br />

nicht dass Sie mich hier missverstehen.<br />

Doch wie geht das jetzt mit dem Leben<br />

in einer Gemeinschaft zusammen? Augustinus<br />

sagt: Das Gemeinsame steht<br />

über dem Eigenen! Du kannst deine Gesinnung,<br />

ob du in ein Kloster passt oder<br />

nicht, allein daran sehen, ob du mehr<br />

für die Gemeinschaft oder nur für dich<br />

selbst tätig bist. Umgekehrt übernimmt<br />

jeder in der Gemeinschaft für andere<br />

Verantwortung. Der Hl.Benedikt – jetzt<br />

nicht Augustinus – sagt sogar: Man soll<br />

in einer Gemeinschaft auf die Jüngeren<br />

mehr hören, weil sie oft spontaner und<br />

ganz anders dir Dinge sagen als Ältere.<br />

Wenn Augustinus sagt, dass alles gemeinsam<br />

besessen werden soll, dann<br />

soll aber auch die Individualität des Einzelnen<br />

geachtet werden. Es ist dieser<br />

Spannungsprozess: Gemeinschaft und<br />

Individualität. Es soll kein Mitbruder<br />

gebrochen werden! Nicht jeder soll das<br />

Gleiche bekommen, sondern jeder das,<br />

was er braucht. Der Satz sieht so harmlos,<br />

so einfach aus, aber an diesem Satz<br />

sind Gesellschaftssysteme zerbrochen.<br />

Es wird immer wieder Ausnahmen brauchen<br />

und der Mensch braucht für seine<br />

Individualität gewisse Voraussetzungen,<br />

damit er leben kann. Augustinus zeigt in<br />

einer Regel an ein paar ganz konkreten<br />

Beispielen: wenn es Kranke gibt, die<br />

mehr zum Essen brauchen, dann sollen<br />

sie es bekommen! Das scheint jetzt in Widerspruch<br />

zu heutigen Diätvorschriften<br />

zu stehen, doch Augustinus meint damit<br />

für jeden das, was er braucht.<br />

Eine situative Beurteilung also.<br />

In der Situation, ja, das, was jeder<br />

braucht. Die Person des Einzelnen wird<br />

ernst genommen.<br />

Wer entscheidet das?<br />

Das entscheidet der Obere oder der<br />

im Kloster in der jeweiligen Situation zuständig<br />

ist. Ich bleibe beim Beispiel des<br />

Essens: z.B. derjenige, der für die Küche<br />

zuständig ist, weiß, wer eine Diät braucht.<br />

Oder es gibt einen Mitbruder, der sich für<br />

Kunst interessiert. Der soll halt eine Reise<br />

machen können. Wunderbar ist, dass wir<br />

viele verschiedene Tätigkeitsbereiche<br />

haben die über die geistliche Tätigkeit hinausgehen.<br />

Wir haben 14 Pfarreien. Wir<br />

haben 12 Jahre lang das Stift renoviert. Es<br />

gibt Mitbrüder, die haben einen Blick dafür,<br />

für Kunst, für Schönheit. Da wirst du<br />

zum Mitbruder sagen, ja, dann machst du<br />

das. Oder es wird einen geben, der ist ein<br />

guter Lehrer, den werden wir in die Schule<br />

schicken. Das muss man halt innerhalb<br />

der Kommunität entscheiden.<br />

Die Begabung des Einzelnen und damit<br />

auch die Individualität des Einzelnen<br />

sind gefragt – z.B. hat einer unserer Mitbrüder<br />

gerne Schafe, die unsere Wiesen<br />

abfressen - die Rasenmäher, wie er sagt.<br />

Er hat damit eine große Freude! Und ich<br />

muss ehrlich sagen, ich freue mich auch,<br />

wenn ich beim Fenster zu den Schafen<br />

hinunterschaue. Er kann mit den Schafen<br />

umgehen. Er hilft den ihnen auf die<br />

Welt zu kommen usw.<br />

Ich möchte gerne eine Geschichte über<br />

meine Großeltern erzählen: Opa, Jahrgang<br />

1903, Oma 1923, einfaches Haus, viele<br />

Kinder. Meine Oma hat mir irgendwann<br />

einmal erzählt, dass sie es nie verstanden<br />

hätte, dass mein Opa über seine Zeitungs-<br />

Abos stets gemeint hätte, dass diese unbedingt<br />

notwendig wären. Umgekehrt<br />

aber wäre es jedes Mal ein großes Diskussionsthema<br />

gewesen, wenn sie, Oma, neue<br />

Kleider gebraucht hätte, was ohnehin selten<br />

genug vorgekommen wäre.<br />

Wie ist das in Ihrer Gemeinschaft, wenn es<br />

unterschiedliche Bedürfnisse gibt? Wie ist<br />

das, jetzt weniger finanziell als vielmehr<br />

von der Einsichtigkeit her, dass man sagt,<br />

das ist wirklich ein authentisches Bedürfnis<br />

– der braucht das jetzt?<br />

Es gibt bei uns auch da und dort Interessenskonflikte,<br />

das ist… ich möchte das<br />

nicht harmlos reden, sondern das kann<br />

manchmal schon eine ganz schwere Auseinandersetzung<br />

sein. Aber dafür – und<br />

das ist auch das Prinzip des Klosters – gibt<br />

es letztlich den Propst. Aber er ist nicht<br />

der, der das alleine entscheidet!<br />

Klöster haben eine Demokratie. Wir sind<br />

seit mehr als 1000 Jahren demokratisch<br />

verfasst. Das ist ein Missverständnis,<br />

wenn man sagt, der Obere zieht an allen<br />

Fäden. Es gibt das sogenannte Kapitel.<br />

Alle Mitbrüder, die ihre sogenannten<br />

ewigen Gelübde (die Profess) abgelegt,<br />

sich also ganz an das Kloster gebunden<br />

haben, sind dann Vollmitglieder des Klosters.<br />

Dann ist man Mitglied des Klosters<br />

und hat das sogenannte Kapitelrecht,<br />

wie wir es nennen. Im Kapitel müssen<br />

alle wichtigen spirituellen, pastoralen,<br />

wirtschaftlichen, gemeinschaftlichen<br />

Fragen behandelt werden. Es wird demokratisch<br />

entschieden - die Hand gehoben<br />

und die Mehrheit entscheidet.<br />

Auch in Personalentscheidungen. Ob ich<br />

einen Mitbruder zur Profess zulasse, entscheidet<br />

wiederum der Konvent. Dann<br />

gibt es bei uns ein kleineres Gremium,<br />

das heißt bei uns Kapitelrat – da wird<br />

z.B. beraten über Postenbesetzungen.<br />

Demokratie wird bei uns schon reif gelebt,<br />

Entscheidungen werden nicht „von<br />

oben herab“ getroffen. Der Prozess, die<br />

Initiation, der Anfang, die Inspiration ist<br />

wichtig, diesen Entwicklungsprozess zu<br />

begleiten! Die Entscheidung steht ja am<br />

Schluss, die ist gar nicht so wichtig.<br />

Ich hätte noch gerne etwas zum Geld<br />

gesagt. Also, mir ist es wichtig, eine Unterscheidung<br />

zu treffen. Sie wissen, so<br />

ein Kloster hat Besitz, oft gar nicht so wenig,<br />

wir müssen wirtschaften - übrigens<br />

so wirtschaften, wie alle anderen auch<br />

- wir haben Tourismus, wir haben Kiesgruben,<br />

wir haben alles Mögliche. Wir<br />

zahlen auch Steuern, damit wir uns nicht<br />

missverstehen, weil es im Kirchenvolksbegehren<br />

sonderbarerweise anders gesagt<br />

wurde. Aber die Kommunität, unser<br />

Leben als Priester-Gemeinschaft, finanzieren<br />

wir nicht durch den Wirtschaftsbetrieb<br />

des Stiftes! Wir leben nicht vom<br />

Besitz des Klosters. Das ist streng getrennt:<br />

Wirtschaft und Kommunität.<br />

Wovon lebt dann die Kommunität?<br />

Die Kommunität lebt von dem, was<br />

jeder Mitbruder für seinen Dienst bekommt.<br />

Wenn einer Pfarrer ist, dann bekommt<br />

er von der Diözese einen Betrag<br />

dafür.<br />

Ist er darauf angewiesen eine solche<br />

Stelle zu haben?<br />

Das Kloster bekommt das Geld für<br />

ihn…<br />

…das Kloster braucht also die Stelle?<br />

Das Kloster braucht die Stellen.<br />

Oder es ist jemand Lehrer oder es macht<br />

jemand etwas anderes und bekommt<br />

dadurch Geld für solche Dienste. Das<br />

Geld geht ans Kloster und aus dem lebt<br />

die Kommunität. Wir sollen alles gemeinsam<br />

haben, es kommt alles zusammen.<br />

Eigentlich ist das eine Einkommensgemeinschaft.<br />

Eine Einkommensgemeinschaft, ja.<br />

Und, es wird nicht gleich aufgeteilt - es<br />

bekommt nicht jeder das Gleiche. Ich<br />

habe kein Einkommen. So ganz richtig ist<br />

das auch nicht. Aber kein regelmäßiges<br />

Einkommen. Wenn ich irgendwo einen<br />

Vortrag halte und dafür Geld bekomme,<br />

dann kommt das der Gemeinschaft zu<br />

Gute.<br />

Aus dem Geld der Gemeinschaft wird<br />

bezahlt, was jeder Mitbruder braucht<br />

und auch unser Personal. Mitbrüder, die<br />

nicht im Haus wohnen, weil die Anreise<br />

aus ihrer Pfarre zu weit wäre, bekommen<br />

einen höheren Betrag. Sie haben höhere<br />

Aufwendungen für die Haushaltsführung,<br />

Auto usw. Diejenigen, die im Stift<br />

wohnen und hinaus fahren, bekommen<br />

die nächste Stufe. Diejenigen, die immer<br />

im Stift sind und kein Auto haben, bekommen<br />

die 3. Stufe. Da gehöre ich z.B.<br />

auch dazu. Aus diesem Geld bezahlt jeder<br />

für sich fürs Auto und für den persönlichen<br />

Bedarf von Zahnpaste bis Büchern<br />

oder Urlaub.<br />

Wir haben uns bemüht, eine moderne<br />

Lösung für unseren Umgang mit Geld<br />

zu finden: was einer nicht braucht, das<br />

geht ans gemeinsame Konto zurück. Der<br />

Betrag wird dann buchhalterisch gut geschrieben<br />

– wir besitzen dafür kein eigenes<br />

Sparbuch. Wenn eine Anschaffung<br />

ansteht – z.B. Auto und ein Mitbruder<br />

hat das Geld nicht beisammen, dann bekommt<br />

er es von der Gemeinschaft und<br />

zahlt es wieder zurück.<br />

Also er bekommt innerhalb der Gemeinschaft<br />

Kredit!<br />

Ja – aber ohne Zinsen! Also mir ist<br />

es auch wichtig, dass jeder selbst für das<br />

Geld verantwortlich ist. Dass er das bekommt,<br />

was er braucht – das haben wir<br />

selbst miteinander festgelegt.<br />

Herr Prälat, ich danke für das Gespräch.<br />

<br />

ist Architekt, verheiratetet,<br />

Vater von Paula und Lotte,<br />

Schülerinnen der LWS


freigeist herbst 2013<br />

16<br />

freigeist herbst 2013<br />

17<br />

das leben in gemeinschaft<br />

- ein traum?<br />

Gedanken zum Thema Gemeinschaft<br />

von Paul Braunstätter.<br />

Paul Braunstätter<br />

ist Bautechniker, geschieden,<br />

Vater eines Schülers der LWS<br />

und zweier mittlerweile erwachsener<br />

Töchter, die ebenfalls die<br />

<strong>Lernwerkstatt</strong> besuchten; Mitbegründer<br />

eines Wohnprojektes im<br />

Bezirk St. Pölten Land.<br />

w<br />

wahrscheinlich träumt jeder<br />

Mensch einmal von der idealen<br />

Gemeinschaft und es ist ein soziales<br />

Grundbedürfnis des Menschen,<br />

in einer Gemeinschaft nach Geborgenheit<br />

zu suchen. Wenn die Gemeinschaft<br />

scheitert, kann daraus jedoch rasch ein<br />

Albtraum werden.<br />

Der Begriff der Gemeinschaft ist ein vielschichtiger<br />

und kann je nach Situation<br />

unterschiedlich definiert werden. Die<br />

wohl ältesten Gemeinschaftsformen sind<br />

die Paarbeziehung (z. B. Adam und Eva<br />

symbolisch als „erste Menschen“ im Alten<br />

Testament genannt) und die Familie im<br />

herkömmlichen Sinn. Die Paarbeziehung<br />

(Ehe oder eheähnliche Gemeinschaft) in<br />

unserer gegenwärtigen mitteleuropäischen<br />

Gesellschaft sollte frei wählbar<br />

sein. Dies war in der Vergangenheit wohl<br />

nicht immer so und in manchen Kulturkreisen<br />

sind Zwangsehen auch heute<br />

noch üblich. Die (Herkunfts-) Familie hingegen<br />

kann man sich nicht aussuchen,<br />

da wird man hineingeboren. Eine andere<br />

alte Form ist die Dorfgemeinschaft, auch<br />

diese kann man sich nicht wirklich wählen,<br />

sofern man in ihr aufwächst.<br />

Unabhängig davon, ob die Zugehörigkeit<br />

zu einer Gemeinschaft aus freiem<br />

Entschluss gewählt oder durch äußere<br />

Umstände gegeben ist, lässt sich die gesuchte<br />

Geborgenheit mehr oder weniger<br />

finden. Jedoch ist es keinem menschlichen<br />

Individuum möglich, jederzeit<br />

in allen sozialen Beziehungen gemeinschaftliche<br />

Ziele zu verfolgen. Oft wird<br />

der Begriff „Gemeinschaft“ daher auch<br />

von Zwangsorganisationen oder einzelnen<br />

charismatischen Personen dazu<br />

missbraucht, Menschen unter dem Vorwand,<br />

dem Interesse der Gemeinschaft<br />

zu dienen, zu bestimmten Handlungen<br />

zu drängen. Der Austritt aus einer Gemeinschaft<br />

kann mitunter schwerfallen,<br />

wird behindert oder als „Untreue“ diffamiert.<br />

In der Geschichte von verschiedensten<br />

Religionsgemeinschaften und<br />

von totalitären Diktaturen lassen sich<br />

dazu zahlreiche Beispiele finden.<br />

Die Motivation für die Gründung einer<br />

Gemeinschaft liegt daher im Spektrum<br />

zwischen Ablehnung von allgemein gesellschaftlichen<br />

Werten und den eigens<br />

bewusst erstellten. Gemeinschaften<br />

werden gegründet und können sich wieder<br />

auflösen.<br />

Zum Begriff des Scheiterns lässt sich<br />

sagen, dass sich dieser von den Verben<br />

„zuscheitern“ und „zerscheitern“ aus<br />

dem 16. Jahrhundert ableitet, d.h. „etwas<br />

in Stücke brechen“. Scheitern kann<br />

aber auch als Chance für einen Neuanfang<br />

gesehen werden oder sogar als<br />

Strukturzusammenbruch, als Normalität<br />

der Abweichung. Der Begriff des<br />

Scheiterns ist daher ebenfalls mit dem<br />

Begriff des Erfolgs gekoppelt. Dieser<br />

wird nur bemerkt, wenn gleichfalls die<br />

Möglichkeit des Scheiterns gegeben ist.<br />

Ein Erfolg, im Sinne der Erfüllung von Erwartungen,<br />

ist meist unwahrscheinlich,<br />

denn nicht immer sind die notwendigen<br />

Voraussetzungen dafür gegeben. Trotz<br />

allem ist es menschlich, eher Erfolg als<br />

Motiv zu bejahen, als ein Scheitern einzugestehen.<br />

Ich habe selbst erfahren, wie aus dem<br />

SCHÖPFERISCH SCHEITERN<br />

Anfangs herrschten Überschwang<br />

und Euphorie vor<br />

- „hatten wir uns doch so viel<br />

vorgenommen“ - doch es gingen<br />

allmählich die tragenden<br />

Kräfte verloren. Das Bild, das<br />

übersinnlich gewoben war, begann<br />

zu verblassen. Der Impuls<br />

jedoch verschwand nie ganz.<br />

Er schuf für viele Menschen<br />

ein einendes - schöpferisches -<br />

Band.<br />

Michael Heinen-Anders,<br />

freier Schriftsteller und Diplom-<br />

Ökonom<br />

Foto:<br />

Traum vom gemeinschaftlichen Leben<br />

ein Albtraum werden kann. Mein persönlicher<br />

Weg des Scheiterns:<br />

Unsere beiden Töchter waren noch im<br />

Vorschulalter, als wir in einer ländlichen<br />

Wohngemeinschaft mit gemeinsamer<br />

Nutzung von Küche, Wohnraum und<br />

Bad lebten. Hier gab es zu wenig Rückzugsbereich<br />

und es war bald klar, dass<br />

diese Gemeinschaftsform nicht lange<br />

bestehen konnte. Wir dachten in dieser<br />

Zeit viel über unsere Vorstellungen einer<br />

Gemeinschaft nach, welche Wünsche wir<br />

hatten und was wir keinesfalls wollten.<br />

Daraus entstand schließlich das Konzept<br />

für ein Wohnprojekt:<br />

Es war die Idealvorstellung vom gemeinsamen<br />

Leben und Arbeiten; getrennte<br />

Wohnungen, jedoch Gemeinschaftsräume,<br />

teilweise landwirtschaftliche Selbstversorgung…<br />

Getragen von Offenheit<br />

für neue Ideen, Ehrlichkeit und Transparenz<br />

in Denken, Kommunikation und<br />

Handeln. Respektvollen Umgang miteinander,<br />

gegenseitiges Vertrauen, Gewaltfreiheit,<br />

Eigenverantwortung und<br />

Achtsamkeit setzten wir voraus. Einige<br />

Familien machten begeistert mit, waren<br />

aber nicht bereit, die definierten Ideale<br />

zu unterstützen, letztlich standen persönliche<br />

Interessen über den Gemeinschaftsinteressen,<br />

es kam zu Intrigen<br />

und Verleumdungen, die jedoch von der<br />

Mehrheit der Gruppe ignoriert wurden.<br />

Auf Grund fortwährender Konflikte und<br />

der Unfähigkeit, diese gemeinsam zu lösen,<br />

wurde die Selbstverwaltung aufgegeben,<br />

nach sieben Jahren ist aus dem<br />

Traum vom gemeinsamen Leben und<br />

Arbeiten eine Wohnungseigentumsgemeinschaft<br />

wie jede andere geworden.<br />

Vielleicht müssen bei der Entstehung<br />

eines solchen Projekts bewusste klare<br />

Konzepte noch viel stärker zuvor erarbeitet<br />

werden, die man für ein zukünftiges<br />

Zusammenleben gar nicht hoch genug<br />

einschätzen kann. Im Vordergrund stehen<br />

zu oft die materiellen Objekte und weniger<br />

ein Einfühlungsvermögen zur bewussten<br />

Wahrnehmung des eigenen Befindens<br />

und das der anderen. Fähigkeiten<br />

wie Verbundenheit und die Bereitschaft<br />

zu Kooperation und Konfliktbehandlung<br />

sind genauso nötig wie Toleranz.<br />

Genauso kommt es vor, dass entscheidende<br />

Informationen nicht an die betroffenen<br />

Personen weiter geleitet werden,<br />

es entstehen Missverständnisse, persönliche<br />

Kränkungen oder andere Kommunikationsunstimmigkeiten.<br />

Man vertraut<br />

auf Umstände, die sich plötzlich ändern.<br />

Ein weiterer Punkt kann sein, dass ein<br />

Mitglied nicht oder nur teilweise die erforderlichen<br />

Fähigkeiten oder das geforderte<br />

Wissen besitzt. Alle diese Umstände<br />

sind nicht besonders förderlich für eine<br />

Verbesserung der Gruppendynamik.<br />

Wie entsteht wirkliche Gemeinschaft in<br />

einer Gruppe von Menschen? Wie kann<br />

ein Zustand hergestellt werden, in dem<br />

sich alle in ihrem Verschieden‐Sein achten,<br />

ein höheres Bewusstsein entsteht<br />

und die Gruppe über die Möglichkeit<br />

der Einzelnen hinausgeht? Nach M.<br />

Scott Peck (Gemeinschaftsbildung:<br />

Der Weg zu authentischer Gemeinschaft)<br />

durchläuft eine Gruppe vier Phasen<br />

auf dem Weg in eine authentische<br />

Gemeinschaft:<br />

die Pseudogemeinschaft,<br />

das Chaos,<br />

die Leere<br />

und schließlich die echte, zuverlässige<br />

Gemeinschaft.<br />

Dieser steinige Weg lässt sich seiner<br />

Ansicht nach nicht abkürzen. Die Pseudogemeinschaft<br />

ist eine Phase oberflächlicher,<br />

unechter Harmonie, wo<br />

Differenzen unter den Teppich gekehrt<br />

werden – eine Phase der Konfliktvermeidung.<br />

Irgendwann lassen sich jedoch<br />

Konflikte nicht mehr vermeiden und das<br />

Chaos entsteht.<br />

Die Formulierung der Gruppenvision<br />

und ein Mindestmaß an Kommunikationsregeln<br />

sollte die Voraussetzung sein,<br />

damit Gruppen in einer Gemeinschaft<br />

erfolgreich existieren können.<br />

Wohnen ist ein Grundbedürfnis, die Toleranzschwelle<br />

liegt daher meiner Erfahrung<br />

nach bei einem Wohnprojekt<br />

niedriger als beispielsweise in einem<br />

Sportverein. Dies hat sich auch durch die<br />

zeitlich parallel dazu gemachten Erfahrungen<br />

in einer anderen Gemeinschaft<br />

bestätigt: der <strong>Lernwerkstatt</strong>. Der Weg<br />

durch diese Gemeinschaft ist mit der<br />

Schulzeit der Kinder begrenzt, die Gruppenzusammensetzung<br />

ändert sich von<br />

Jahr zu Jahr, bewährte Strukturen z. B.<br />

zur Konfliktbehandlung werden jedoch<br />

beibehalten. Indem auf Bewährtem aufgebaut<br />

wird, hat sich im Laufe der Jahre<br />

eine recht stabile Kontinuität entwickelt.<br />

Meines Erachtens ist diese Gemeinschaft<br />

so stabil und lebendig, weil die gemeinsamen<br />

Werte für ihre Mitglieder umfassend<br />

und bewusst sind. Es gibt Raum für<br />

die Entwicklung und die Kreativität jedes<br />

Einzelnen, aber auch Zeiten der Reflexion<br />

und des Rückzugs. Die Mitglieder der<br />

<strong>Lernwerkstatt</strong> fühlen sich verantwortlich<br />

für die Umsetzung ihrer Werte und Visionen.<br />

Das vermittelt ein gewisses Gefühl<br />

der Sicherheit, absoluten Schutz gegen<br />

Scheitern gibt es allerdings nicht.


freigeist herbst 2013<br />

18<br />

freigeist freigeist herbst herbst 2012013 19 15<br />

wozu struktur?<br />

Die Soziokratie am Beispiel von Pomali. Von Katharina Lechthaler.<br />

h<br />

eute weiß ich: immer wenn Menschen<br />

miteinander eine Vision, ein<br />

Ziel verfolgen, braucht es dafür 3<br />

Säulen, auf denen das größere Gemeinsame<br />

ruhen kann:<br />

eine gemeinsame Ausrichtung (Vision,<br />

Mission, Ziele)<br />

Vertrauen zu einander<br />

eine beteilgungsfördernde und klare<br />

Struktur<br />

Um das zu lernen, hab ich viele viele<br />

Stunden für unser Gemeinschaftsprojekt<br />

„Cohousing Pomali“ gearbeitet, gebangt,<br />

genossen, reflektiert, mich in Seminare<br />

begeben, ausgetauscht, gelacht und geweint<br />

und zu verstehen versucht. Es war<br />

manchmal ein freudvoller, manchmal ein<br />

Wohnen und leben<br />

in Gemeinschaft<br />

trauriger, manchmal ein anstrengender<br />

und immer ein intensiver Prozess, der<br />

mich sehr reich beschenkt hat.<br />

Pomali wäre dabei fast zerbrochen und<br />

Pomali wird Ende dieses Jahres lebendiger<br />

sein als je zuvor, wenn wir im Dezember<br />

nach 5 Jahren Vorarbeit endlich in unser<br />

großes neues Zuhause einziehen.<br />

2009 lernte ich Pomali als Gemeinschaftsprojekt<br />

kennen. Die Vision war,<br />

generationenübergreifend zu leben und<br />

dafür eine Cohousingsiedlung mit Gemeinschaftsräumen<br />

und 29 Wohnungen zu bauen,<br />

der Baugrund war in Wölbling bereits<br />

gefunden, der Bauträger stand fest.<br />

Ich schloss die Pomalis sehr schnell ins<br />

Herz, fühlte mich heimgekommen und<br />

am richtigen Platz und mir war schnell<br />

klar, dass das auch „mein“ Projekt war.<br />

Hier waren Menschen miteinander am<br />

Weg, die Verbindlichkeit eingingen, miteinander<br />

ein Grundstück finanzierten,<br />

eine ähnliche Vision hatten wie ich, eine<br />

gute Dosis Pragmatismus mitbrachten<br />

(ein Ökodorf wäre ja auch schön, aber<br />

wir brauchen so schnell wie möglich<br />

etwas, um aus der Vereinzelung herauszukommen),<br />

bereit waren sich zu zeigen,<br />

wie sie wirklich sind und auch die Mühen<br />

der gemeinsamen Projektentwicklung<br />

auf sich nahmen.<br />

Nicht lange, da war ich voll involviert in<br />

die Vereins- und Projektarbeit.<br />

Auffallend war für mich, dass sich nur<br />

www.pomali.at<br />

Foto: beigestellt<br />

wenige Frauen aktiv einbrachten. Die allgemeine<br />

Erklärung damals war, dass halt<br />

viele noch kleine Kinder haben, ich hatte<br />

aber Zweifel, ob es wirklich daran lag.<br />

Umso mehr legte ich mich ins Zeug.<br />

Unsere Idee war, alle Entscheidungen im<br />

Plenum zu treffen, damit die Beschlüsse<br />

gut von allen mitgetragen werden<br />

konnten, die Aufgabe des Vorstands<br />

war es, die monatlichen Plena und Pomaliwochenenden<br />

gut vorzubereiten.<br />

Diese Treffen waren dementsprechend<br />

arbeitslastig, für Beziehungspflege war<br />

wenig Zeit.<br />

Entscheidungen trafen wir nach ausgiebigen<br />

Diskussionen mit Moderation<br />

durch das Einholen von „Stimmungsbildern“,<br />

ohne Wahl und möglichst ohne<br />

starke Einwände.<br />

Der große Arbeitsumfang in Kombination<br />

mit dieser Struktur führte zu einer<br />

andauernden Überlastung der Gruppe<br />

und zur Erschöpfung Einzelner, während<br />

andere ihren Platz nicht finden konnten.<br />

Die Fülle der zu treffenden Entscheidungen<br />

hat uns regelmäßig überfordert,<br />

sollten doch alle über alles entscheiden.<br />

Es entstand eine Kultur, in der die Diskussionen<br />

von den Schnellen und Lauten<br />

geführt wurden und eher die Menschen<br />

mit viel Ausdauer die Entscheidungen<br />

trafen. Vorstandsmitglieder hatten dabei<br />

einen großen Informationsvorsprung<br />

verbunden mit einer großen Arbeitslast.<br />

Dadurch entstand eine für uns unsichtbare<br />

aber sehr wirksame Hierarchie.<br />

Ich hatte schon in anderen Kontexten gelernt<br />

schnell und laut zu sein, mich durchzusetzen<br />

und ewig sitzen zu bleiben,<br />

wenn´s sein musste . Viele Frauen (und einige<br />

Männer) hatten aber keinen Nerv für<br />

derartig kämpferische Verhaltensweisen,<br />

in denen sich jedeR erst den Platz im Gespräch<br />

nehmen muss; Eltern von kleinen<br />

Kindern (besonders Mütter) hatten gar<br />

nicht die Möglichkeit, ewig lang zu diskutieren.<br />

Für sie alle war die Beteiligung<br />

sehr schwierig bis unmöglich, die Weisheit<br />

all dieser Menschen stand damit unserem<br />

gemeinsamen Vorhaben kaum bis<br />

gar nicht mehr zur Verfügung.<br />

Wir glaubten damals, dass das halt so ist<br />

in Gruppen, bemühten uns um Verbesserungen<br />

in der Gesprächs- und Diskussionskultur,<br />

hatten aber wenig anhaltenden<br />

Erfolg damit.<br />

2011 kam die große Krise, als sich nach<br />

einem Jahr Wartezeit auf die Zusage<br />

zur Wohnbauförderung der Baubeginn<br />

durch die interne Umplanung erneut um<br />

mehrere Monate verzögerte. Der Bogen<br />

war überspannt, die Luft draußen, die Verbundenheit<br />

untereinander am Tiefpunkt.<br />

Innerhalb von 6 Monaten schrumpfte die<br />

Gruppe von über 30 Erwachsenen und<br />

20 Kindern auf ca. 15 Erwachsene und 10<br />

Kinder. Es war eine schwere und traurige,<br />

teilweise verzweifelte Zeit, die finanzielle<br />

Belastung und Sorge stieg, da manche<br />

ehemalige Pomalis ihren Grundkostenanteil<br />

zurückforderten. Wir brauchten<br />

dringend neue Mitglieder, waren aber in<br />

unserer damaligen Verfassung äußerst<br />

abschreckend für Interessierte.<br />

Das Erschreckendste und Lehrreichste<br />

für mich war damals die Dynamik des<br />

Prozesses: wir waren alle mit den besten<br />

Absichten, vielen Fähigkeiten und großer<br />

Zuneigung zueinander zusammenkommen,<br />

dennoch bildeten sich mit der<br />

Zeit die selben destruktiven und gewaltvollen<br />

Muster, die auch unsere Gesellschaft<br />

prägen (und die wir ja genau nicht<br />

wiederholen wollten), weil wir diese Muster<br />

in uns trugen. Wir kannten keine gemeinschaftlich<br />

funktionierenden Strukturen<br />

und wussten auch nicht, dass wir<br />

es mit strukturellen Konflikten und nicht<br />

mit persönlichen zu tun hatten.<br />

In dieser großen Krise baten wir endlich<br />

Barbara Strauch, eine sehr erfahrene<br />

Gemeinschaftsberaterin um Hilfe. Sie<br />

analysierte mit uns, was geschehen war,<br />

stellte uns die Soziokratie vor und wir<br />

entschlossen uns zur Umstrukturierung.<br />

Im April 2012 träumten wir Pomalis gemeinsam<br />

in einem Dragon Dreaming Prozess,<br />

leiteten daraus eine klare Vision und<br />

gemeinsame Ziele ab und entwickelten<br />

mit Barbara unsere Arbeitsstruktur.<br />

Im August 2012 startete die neue Struktur<br />

mit 5 Arbeitskreisen und einem Leitungskreis,<br />

seither arbeiten wir soziokratisch<br />

an der Umsetzung unserer mittlerweile<br />

sehr klaren gemeinsamen Ziele.<br />

Heute haben alle Pomalis ihren Platz gefunden,<br />

alle Frauen und Männer (auch<br />

die mit ganz kleinen Kindern) können<br />

sich an der Arbeit beteiligen (auch Dank<br />

skype, das sich für Arbeitstreffen sehr bewährt<br />

hat), und tun dies auch gern, weil<br />

sie wählen können, in welchem Feld sie<br />

ihre Fähigkeiten und ihre einzigartige


freigeist herbst 2013<br />

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21<br />

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<br />

!!!<br />

"<br />

#! $<br />

<br />

Sichtweise einbringen wollen. Neue Mitglieder<br />

können sofort mitwirken, die Entscheidungen<br />

sind nachhaltiger und intelligenter<br />

als je zuvor, die Informationen<br />

stehen allen zur Verfügung und sind<br />

transparent, unsere Arbeitskultur ist viel<br />

stärker vom Einander-Zuhören geprägt.<br />

Die klare Struktur der Soziokratie hat im<br />

letzten Jahr alle ungreifbaren Konflikte<br />

an die Oberfläche gebracht und damit<br />

bearbeitbar gemacht, das war nicht immer<br />

leicht, aber sehr wesentlich für den<br />

Gesundungsprozess von Pomali.<br />

Die Verteilung des Wissens auf viele hat<br />

zur Folge, dass Einzelne nicht überlastet<br />

sind und Wissen nicht verloren geht,<br />

wenn Einzelne das Projekt verlassen.<br />

Die Trennung von Arbeitsstruktur und<br />

Beziehungspflege schafft klare Arbeitsräume<br />

und klare Beziehungsräume, was<br />

für die Erfüllung beider Bedürfnisse sehr<br />

hilfreich ist.<br />

Die Weisheit der Kreise kommt durch die<br />

klare Entscheidungsfindung voll zum Erblühen.<br />

Was aber ist das, Soziokratie?<br />

Die Soziokratie ist eine partizipative Organisationsstruktur,<br />

die seit den 70er-<br />

Jahren in den Niederlanden und in den<br />

USA eher im wirtschaftlichen Bereich<br />

angewendet wird, aber auch manche<br />

Schulen und NGOs haben sich schon so<br />

organisiert. Das Anliegen dabei war, eine<br />

Struktur zu entwickeln, um Organisationen<br />

gemeinschaftlich zu lenken. Dazu<br />

braucht es die Weisheit der Gruppe und<br />

effiziente und lebendige Prozesse.<br />

Die Soziokratie geht nicht von der Idee<br />

der Hierarchiefreiheit aus, ich würde aber<br />

sagen, sie ist heterarchisch (Führung<br />

durch Verschiedenartigkeit) organisiert<br />

und basiert auf dem Zusammenspiel von<br />

vier Prinzioien:<br />

Kreisstruktur: Die Struktur ist in Kreisen<br />

aufgebaut und sieht verschiedene Ebenen<br />

vor, die einander unter- und übergeordnet<br />

sind, je nach Ebene beschäftigt<br />

sich ein Kreis mit einem kleineren oder<br />

größeren Ausschnitt des gemeinsamen<br />

Ganzen und arbeitet in der Detailebene<br />

(z.B. Arbeitskreis Beziehungen) oder der<br />

Übersichtsebene (Leitungskreis). Innerhalb<br />

eines Kreises sind alle gleichwertig in<br />

der Beschlussfassung. Im gemeinsamen<br />

Entwicklungsprozess wird miteinander<br />

festgelegt, welche Entscheidungen auf<br />

welcher Ebene und in welchem Kreis getroffen<br />

werden.<br />

Doppelte Verknüpfung: Alle Kreise sind<br />

mit einem jeweils übergeordneten Kreis<br />

doppelt verknüpft, da die LeiterIn (von<br />

oben gewählt) und die Delegierte (von<br />

unten gewählt) eines Kreises im übergeordneten<br />

Kreis sitzen. Der Leitungskreis<br />

besteht aus allen LeiterInnen und allen<br />

Delegierten der Arbeitskreise.<br />

Konsent: Die Entscheidungsfindung<br />

findet im Konsent unter Abwesenheit<br />

schwerwiegender Einwände im Sinne<br />

der Ziele statt. Dafür ist es besonders<br />

wichtig, klar definierte Vision, Mission,<br />

Ziele und Unterziele für die gesamte<br />

Organisation zu haben, da ich meinen<br />

schwerwiegenden Einwand in Hinblick<br />

darauf argumentieren muss: „Achtung,<br />

wenn wir das tun, dann verfehlen wir<br />

unser Ziel!“<br />

Die Entscheidungsfindung läuft normalerweise<br />

in 3 Kreisrunden ab, bei denen<br />

jedes Kreismitglied 3 Mal gehört wird,<br />

Veränderung der eigenen Meinung,<br />

„sowohl als auch“ statt „entweder oder“<br />

und Integration der Einwände in den<br />

Vorschlag sind dabei wichtige Haltungen<br />

und Methoden.<br />

Offene Wahl: In 3 festgelegten Gesprächsrunden<br />

wird die geeignetste Person<br />

für die jeweils zu besetzende Funktion<br />

ermittelt. Dadurch werden die Funktionen<br />

nicht mehr von den Bereitesten<br />

oder Beliebtesten übernommen (was zu<br />

Überlastung und Vormachtstellungen<br />

führt). Im Wahlprozedere werden durch<br />

die ehrliche Argumentation auch Menschen<br />

ermutigt Verantwortung zu übernehmen,<br />

die sich sonst gar nicht melden<br />

würden, obwohl sie sehr geeignet sind.<br />

Auch in der soziokratischen Wahl werden<br />

alle Kreismitglieder 3 Mal gehört. Die gewählte<br />

Person übernimmt die Funktion<br />

für einen gemeinsam bestimmten Zeitraum.<br />

Diese strukturellen Grundlagen bewirkten<br />

nichts Geringeres als einen kulturellen<br />

Wandel innerhalb von Pomali.<br />

Unverzichtbar für diesen Wandel waren<br />

dabei die externe Begleitung, Ausdauer,<br />

Ehrlichkeit, Mut und Liebe.<br />

Ich bin sehr dankbar für diesen Prozess,<br />

der auch in mir vieles gewandelt und geheilt<br />

hat, und dankbar für alle Menschen,<br />

mit denen ich gemeinsam am Pomaliweg<br />

sein darf und durfte. Letztendlich<br />

empfinde ich es als Gnade, dass ich Teil<br />

dieser starken Gemeinschaft sein darf<br />

und damit einer meiner tiefsten Herzenswünsche<br />

in Erfüllung geht: Leben in<br />

Gemeinschaft.<br />

Infos und Kontakt zu Pomali:<br />

www.pomali.at<br />

info@pomali.at<br />

Infos und Anfragen zur Soziokratie:<br />

www.soziokratie.at<br />

katharina.lechthaler@soziokratie.at<br />

Dragon Dreaming (John Croft):<br />

www.dragondreaming.com<br />

www.dragondreaming.jimdo.com/<br />

sources-1/john-croft-fact-sheets<br />

Katharina Lechthaler<br />

ist Soziokratische Beraterin<br />

in Zertifizierung, bietet<br />

Seminare zu Supportive<br />

Listening und der Kraft<br />

des Kreises, ist Sozial- und<br />

Erlebnispädagogin und<br />

Mutter einer 8jährigen<br />

Tochter<br />

Foto: Saija Crillovich<br />

was macht eigentlich ...<br />

saija crillovich<br />

i<br />

ch bin jetzt 28 Jahre und somit genau<br />

doppelt so alt wie zum Zeitpunkt<br />

des Verlassens der <strong>Lernwerkstatt</strong>. Ein<br />

guter Zeitpunkt, um ein Resümee zu<br />

ziehen, was seither in meinem Leben<br />

passiert ist. Nach neun erfüllten Jahren<br />

in der <strong>Lernwerkstatt</strong> war meine Pflichtschulzeit<br />

anno 2000 zu Ende und ich war<br />

bereit für etwas Neues. Lebenshungrig<br />

und neugierig auf die große Welt habe<br />

ich mich für ein Auslandsjahr in Peru entschieden.<br />

Dort habe ich bei einer Familie<br />

gelebt, bin zur Schule gegangen, habe in<br />

zwei Waisenhäusern gearbeitet und bin<br />

mit anderen Austauschschülern gereist,<br />

u. a. nach Bolivien. Außerdem habe ich<br />

Spanisch sprechen und Gitarre spielen<br />

gelernt. Vor allem das Träumen und Musizieren<br />

auf den Dächern der Stadt, am<br />

Strand und durchs Land reisend haben<br />

mich Glück, Lebendigkeit und Freiheit<br />

verspüren lassen.<br />

Auch wenn dort einiges anders war als<br />

ich es von Österreich gewohnt war, so<br />

war doch das größte „Exotikum“ für mich<br />

die Schule: Frontalunterricht, einen von<br />

Unterrichtsstunden zerstückelten Schulalltag<br />

und Prüfungen schreiben kannte<br />

ich bisher nur vom Hörensagen. Hinzu<br />

kamen noch Schuluniform und morgendliches<br />

Kollektivbekenntnis zu Gott und<br />

dem Vaterland. Auch die Art zu lernen war<br />

ganz anders und viel abstrakter, als ich es<br />

gewohnt war. Ich erinnere mich noch,<br />

wie ich im Mathematik-Unterricht zu Beginn<br />

manchmal verzweifelt Kügelchen<br />

aufs Papier zeichnete - die mir bekannten<br />

Montessori-Rechenmaterialien imitierend<br />

- um zum Ergebnis einer Rechung zu<br />

kommen. Es fiel mir anfangs schwer, mich<br />

in der Schule so einzurichten, dass ich<br />

mich wohl fühlen konnte, andererseits<br />

waren die Mitschüler und Lehrer alle sehr<br />

offen und hilfsbereit mir gegenüber - was<br />

es erleichterte. Alles in allem war es ein<br />

sehr prägendes und lehrreiches Jahr für<br />

mich und Peru ist so etwas wie eine zweite<br />

Heimat für mich geworden.<br />

Wieder zurück in Österreich, mit Trauer<br />

über die Trennung von meinen dort gewonnenen<br />

Freunden und einem noch<br />

größeren Kulturschock als beim Wegfahren,<br />

stand für mich zunächst fest, dass ich<br />

praktische Erfahrungen sammeln und<br />

„leben“ möchte, was meinen jüngsten<br />

Erkenntnissen nach über Ausbildungsstätten<br />

nicht in einer Schule möglich<br />

war. Ich schnupperte also in einer Keramikwerkstatt<br />

und jobbte eine Zeit lang<br />

als Kellnerin in einem Kaffeehaus. Beides<br />

entsprach allerdings nicht meinen Vorstellungen,<br />

zu monoton war der Berufsalltag<br />

für mich. Also schwenkte ich doch<br />

wieder zurück Richtung Ausbildung und<br />

entschied mich ob meines Interesses für<br />

kreativen Ausdruck für die Wiener-Kunst-<br />

Schule. Neben dem Experimentieren mit<br />

den unterschiedlichen Materialien lernte<br />

ich hier auch brauchbare Mitschriften zu<br />

erstellen, diese dann auswendig zu lernen<br />

und bei den Prüfungen wiederzugeben<br />

(um sie danach wieder zu vergessen).<br />

Anfangs hatte ich schon den Eindruck,<br />

dass die anderen mir in diesen Dingen<br />

unaufholbar weit voraus sind. Das erlebte<br />

Defizit verringerte sich aber überraschend<br />

schnell - diese Erfahrung habe<br />

ich später bei diversen Ausbildungen immer<br />

wieder gemacht. Zunehmend habe<br />

ich auch die Vorteile erkannt, dass ich in<br />

der Lernwerksatt gelernt hatte, selbstständig<br />

und mit Freude zu lernen. Nach<br />

der Orientierungsphase stand für mich<br />

fest, dass das Anfertigen von Kunstobjekten,<br />

um sie bewerten zu lassen, nicht<br />

meines ist, und so verließ ich die Wiener-<br />

Kunst-Schule nach zwei Jahren.<br />

Kurz darauf hörte ich von einer Kunsttherapie-Ausbildung<br />

und nach dem Einführungswochenende<br />

hatte ich entschieden,<br />

dass dies das Richtige für mich ist.<br />

Mir gefiel, dass hier nicht das produzierte<br />

Objekt im Mittelpunkt stand, sondern<br />

vielmehr der Prozess des Tuns und wie<br />

durch die Beschäftigung mit unterschiedlichen<br />

Ausdrucksarten Heilungsprozesse<br />

in Gang gesetzt werden können.<br />

Zeitgleich habe ich begonnen, die Lehrabschlussprüfung<br />

zur Bürokauffrau zu<br />

machen. Lehrabschlussprüfung ohne<br />

Lehre? Das war deshalb möglich, weil ich<br />

bei meinem Vater schon 1 ½ Jahre in der


freigeist herbst 2013<br />

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23<br />

was macht eigentlich ...<br />

saija crillovich<br />

Buchhaltung tätig war - und so konnte<br />

ich extern die Abschlussprüfung machen.<br />

Der Anstoß dazu kam vom Papa,<br />

der wohl der Meinung war, ein Abschluss<br />

könne nicht schaden. Heute bin ich ihm<br />

übrigens sehr dankbar dafür, da dies der<br />

Grundstein für meinen weiteren Ausbildungsweg<br />

war. Neben dem sehr wertvollen<br />

Vertrauen meiner Eltern, dass ich<br />

meinen richtigen Weg finde, habe ich<br />

auch solche kleinen Anstöße von Zeit<br />

zu Zeit als förderlich erlebt, wenn ich<br />

gerade nicht so recht wusste, was ich<br />

weiter machen soll bzw. mir der Antrieb<br />

fehlte. Ich besorgte mir also die entsprechenden<br />

Lernmaterialien und bereitete<br />

mich alleine zuhause und im Rahmen<br />

eines einmonatigen Kurses am BFI auf<br />

die Prüfung vor. Nach ein paar Monaten<br />

konnte ich die Abschlussprüfung erfolgreich<br />

ablegen, es war meine erste vor<br />

einer Kommission, ich war davor sehr<br />

aufgeregt.<br />

Mit dem Lehrabschluss eröffnete sich<br />

mir die Möglichkeit, die Matura in Form<br />

einer Berufsreifeprüfung zu machen.<br />

Mittlerweile war auch meine Motivation<br />

zu lernen wieder größer und außerdem<br />

hat mich ein gewisser Ehrgeiz gepackt,<br />

diese Hürde zu nehmen, die mir viele Türen<br />

öffnen würde. In Kursen (meist einmal<br />

wöchentlich etwa 4 Stunden lang )<br />

mit der jeweiligen Dauer von 1 bis 1 1/2<br />

Jahren bereitete ich mich in den Fächern<br />

Englisch, Deutsch, Mathematik und Betriebswirtschaftslehre/<br />

Rechnungswesen<br />

auf die jeweiligen Examen vor. Englisch<br />

konnte ich sogar in der Hälfte der<br />

vorgesehenen Zeit abschließen, da ich<br />

u.a. durch den Auslandsaufenthalt eine<br />

gute Sprechpraxis hatte.<br />

Nebenbei blieb mir genug Zeit, das theoretische<br />

Pauken mit praktischen Aktivitäten<br />

auszugleichen und etwas Geld zu<br />

verdienen. Ich habe eine Ausbildung zur<br />

Englisch-Lehrerin nach der „Helen- Doron-Methode“<br />

gemacht und anschließend<br />

für ein Jahr lang einige Gruppen<br />

von Kleinkindern nach dieser Methode<br />

geführt. Das Arbeiten mit den Kindern<br />

in Begleitung ihrer Eltern war eine sehr<br />

spannende Erfahrung. Auch wenn mir<br />

das Prinzip dieser Lernmethode zusagte<br />

(spielerisches Lernen, Spaß im Vordergrund),<br />

war es in der Praxis schwierig,<br />

meine Auffassung von Lernen mit den<br />

an mich gestellten Erwartungen von Seiten<br />

der Erwachsenen zu vereinen.<br />

Die Kunsttherapie hatte ich inzwischen<br />

nach zwei Jahren schweren Herzens<br />

abgebrochen, ein vorübergehendes gesundheitliches<br />

Problem (Gastritis) war<br />

ausschlaggebend dafür. Diese Krankheitsphase<br />

von einigen Monaten war<br />

auch gleichzeitig eine persönliche Krisenzeit<br />

für mich. Es war meine inoffizielle<br />

Reifeprüfung, die erste offizielle Maturaprüfung<br />

folgte im Herbst 2006. Ich habe<br />

dann aushilfsmäßig in der <strong>Lernwerkstatt</strong><br />

und im Waldkindergarten „Waldfexxx“<br />

gearbeitet, wo ich endlich wieder in<br />

einem Umfeld mit Kindern arbeitete,<br />

wo ich das Gefühl hatte, dass ich so sein<br />

Foto: Saija Crillovich<br />

kann, wie ich bin (nicht eine Rolle spielen<br />

muss) und auch die Kinder so sein<br />

lassen kann, wie sie sind (sie nicht zwingen<br />

muss etwas Bestimmtes zu tun, sich<br />

anders zu verhalten etc.). Spannend war<br />

es vor allem, die <strong>Lernwerkstatt</strong> jetzt von<br />

einer anderen Perspektive aus - nämlich<br />

jener der Betreuerin - neu zu erleben.<br />

Mittlerweile war ich schon eine Zeitlang<br />

mit meinem Freund Adrian zusammen,<br />

was mich immer wieder auch nach Wien<br />

führte, wo er lebt. Ich begann mich über<br />

Universitätsstudien zu informieren und<br />

fand die Vorstellung zu studieren zunehmend<br />

sympathisch. Ich entschloss mich<br />

für das Studium der Kultur- und Sozialanthropologie,<br />

das mich schon länger<br />

angesprochen hatte. Nach der letzten<br />

Matura-Teilprüfung ging ich im Sommer<br />

zunächst für zwei Monate wieder nach<br />

Südamerika. Einen Monat lang reiste ich<br />

gemeinsam mit meinem Freund in Peru<br />

und besuchte dort seine Familie, den<br />

zweiten Monat besuchte ich alte Freunde<br />

und arbeitete in einem Kindergarten für<br />

benachteiligte Kinder in Quito. Ich war<br />

sehr glücklich, wieder in Südamerika reisen<br />

zu können.<br />

Wieder zurück in Österreich inskribierte<br />

ich an der Uni Wien und begab mich ins<br />

Studentenleben. Was mir anfangs als<br />

unübersehbares Chaos vorkam, erhielt<br />

zunehmend Struktur, und ich erkannte<br />

die Schulzeit in der <strong>Lernwerkstatt</strong> als<br />

großen Vorteil für das Studieren, da hier<br />

selbstständiges Arbeiten vorausgesetzt<br />

wird. Ich merkte bald, dass dies mein<br />

Studium war, weil mich die Themen sehr<br />

interessierten. Mir gefiel auch die Herangehensweise,<br />

alles zu hinterfragen und<br />

somit zu lernen, vorhandene Strukturen<br />

nicht als gegeben hinzunehmen. So viel<br />

lesen wie während des Studiums werde<br />

ich wohl auch sobald nicht mehr.<br />

Außerdem entdeckte ich die vielen Möglichkeiten,<br />

die das Studieren in der Großstadt<br />

birgt: All die Angebote und Veranstaltungen<br />

abseits des Vorlesungssaals.<br />

Das umfangreiche Programm des Sportinstitutes<br />

der Uni Wien (USI) hat mich<br />

dazu gebracht, mich auf vielfältige Weise<br />

mit meinem Körper zu beschäftigen<br />

und neue Bewegungsformen kennenzulernen<br />

(Inner Movement, Afro-Tanzen,<br />

Zumba, Latindance, Inkayoga, Shiatsu...).<br />

Die Semesterferien im Februar nutze<br />

ich meist, um mit meinem Freund nach<br />

Peru zu fahren. Meine Bachelorarbeiten<br />

schrieb ich dann über Transnationale<br />

Paarbeziehungen (inspiriert durch meine<br />

eigene Partnerschaft) und den Wandel in<br />

der Einstellung gegenüber dem Körper<br />

in Europa seit dem Ende des Mittelalters<br />

(Aufgrund der eigenen Beschäftigung<br />

mit Körperlichkeit und der Beobachtung,<br />

dass diese oft negativ besetzt ist bzw. der<br />

Umgang mit dem Körper ambivalent ist).<br />

Trotz vorhandenen Interesses und vieler<br />

weiterer Themengebiete, die mich noch<br />

zur Erforschung interessieren würden,<br />

habe ich nach Beenden des Bachelors im<br />

Wintersemester 2012 beschlossen, den<br />

Master nicht gleich folgen zu lassen. Der<br />

Grund war, dass mir durch das Studium<br />

hindurch immer wieder stark der Bezug<br />

zur Praxis gefehlt hat und ich nicht den<br />

Eindruck hatte, dass mich das rein theoretische<br />

Lernen dorthin bringt, wo ich<br />

hin möchte. So hat das studentische Leben<br />

vorerst einmal ein Ende genommen<br />

und ich habe die beruflichen Bereiche<br />

ausgeweitet, die mich auch schon während<br />

des Studiums geringfügig begleitet<br />

haben. Diese sind einerseits Lernnachhilfe<br />

für Roma Kinder über den Verein<br />

„Romano Centro“, und andererseits<br />

Buchhaltung und Betriebsorganisation<br />

für den „Intishop“, das Geschäft meines<br />

Freundes. Durch das Wegfallen der Prüfungen<br />

konnte ich im Herbst gemeinsam<br />

mit Adrian auf Geschäftsreise nach Asien<br />

gehen und ihm helfen, die Ware auszusuchen<br />

(Gewand und Schmuck). Ich<br />

habe es heuer sehr genossen, nach jahrelangem<br />

Vorsommer - Lernstress dieses<br />

Jahr einmal nicht für Prüfungen pauken<br />

zu müssen und trotzdem bin ich schon<br />

wieder am Überlegen, welche Ausbildung<br />

folgen könnte. Ich möchte gerne<br />

wieder an die Therapie-Ausbildung anschließen<br />

und bin gerade am Schauen,<br />

welche Möglichkeiten es da gibt.<br />

So wie es aussieht, werde ich im Herbst<br />

das psychotherapeutische Propädeutikum<br />

beginnen, wo man sich ja wie in<br />

der Anthropologie mit verschiedenen<br />

Aspekten des Menschseins auseinandersetzt,<br />

nur aus einem anderen Blickwinkel.<br />

Außerdem werde ich im Verein<br />

„NL 40“ beginnen, Lernbetreuung für<br />

Kinder mit Migrationshintergrund zu<br />

machen. Mein Lebensweg verläuft nicht<br />

so geradlinig wie so manch anderer und<br />

doch gibt es für mich eine gewisse Kontinuität<br />

und ich habe nicht das Gefühl, irgendetwas<br />

umsonst gemacht zu haben.<br />

Meine Herzensinteressen, das Arbeiten<br />

mit Menschen, die Begleitung von Kindern<br />

und kreativer Ausdruck abseits von<br />

Bewertung und Erfolgsdruck sind meine<br />

treuen Begleiter auf den unterschiedlichen<br />

Pfaden, auf denen ich wandle.<br />

Ich möchte meinen Eltern danken, die<br />

immer in mich und meinen Lebensweg<br />

vertraut und mich unterstützt haben.<br />

Außerdem auch allen Menschen, die<br />

mit ihrem Mut und Enthusiasmus dazu<br />

beigetragen haben, dass es eine Schule<br />

wie die <strong>Lernwerkstatt</strong> gibt wo ich tolle<br />

Lernerfahrungen machen konnte - und<br />

darüber hinaus eine schöne Kindheit<br />

verbracht habe.


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unbekannte reformpädagogInnen<br />

jiddu krishnamurti<br />

Um die Jahrhundertwende vom 19. ins 20. Jahrhundert war die „Theosophische Gesellschaft“ eine große<br />

spirituelle Gemeinschaft, deren Netzwerk die ganze Welt umspannte. Führende Mitglieder der Gesellschaft<br />

glaubten aufgrund verschiedener Zeichen, dass in naher Zukunft ein „Weltlehrer“ auf der Erde erscheinen<br />

würde, einem Messias gleich. Sie glaubten, diesen Weltlehrer in einem kleinen Jungen in Indien gefunden<br />

zu haben. Sein Name war Jiddu Krishnamurti. Aber es kam alles ganz anders.<br />

Von Rainer Wisiak<br />

j<br />

iddu Krishnamurti wurde 1895 in Südindien<br />

als achtes Kind in eine Brahmanenfamilie<br />

hinein geboren. Als er<br />

zehn Jahre alt war, starb seine Mutter,<br />

worauf er sich sehr an seinen jüngeren<br />

Bruder Nitya klammerte. Sein Vater war<br />

schon viele Jahre lang Mitglied der Theosophischen<br />

Gesellschaft und hatte bei<br />

dieser eine fixe Anstellung in Adyar. Als<br />

der Theosoph Charles Webster Leadbeater<br />

bei einem Spaziergang am Strand von<br />

Adyar um den jungen Krishnamurti eine<br />

ungewöhnlich schöne Aura sah, glaubte<br />

er, aus dem Jungen werde einmal ein<br />

großer spiritueller Lehrer und bat den<br />

Vater um das Sorgerecht für Jiddu und<br />

seinen Bruder Nitya.<br />

Nach der Aufnahme des jungen Krishnamurti<br />

in die Theosophische Gesellschaft<br />

wuchs dieser mit seinem Bruder Nitya<br />

an verschiedenen Orten der Welt auf, ab<br />

1912 vor allem in England. Er erhielt eine<br />

besondere Ausbildung und Erziehung.<br />

1911 wurde der „Order of the Star in the<br />

East“ gegründet, ein Orden, zu dessen<br />

Oberhaupt Krishnamurti ernannt wurde<br />

und welcher ihm den Weg zum wiedergeborenen<br />

Weltlehrer ebnen sollte.<br />

Der völlig unerwartete Tod seines Bruders<br />

aber (dem führende Mitglieder der<br />

Gesellschaft eine wichtige Rolle bei der<br />

Ankunft des Weltlehrers und deshalb ein<br />

langes Leben versprochen hatten) sowie<br />

eine immer größer werdende Kluft<br />

zwischen Krishnamurtis Gedanken und<br />

denen der Theosophischen Gesellschaft,<br />

die schon von einer Weltuniversität und<br />

einer neuen Weltreligion sprach, führten<br />

1929 zum Bruch zwischen Jiddu Krishnamurti<br />

und der Theosophischen Gesellschaft.<br />

Vor dreitausend Mitgliedern des<br />

„Order of the Star in the East“ hielt er am<br />

3. August 1929 folgende Rede, mit der<br />

er die für ihn gegründete Organisation<br />

auflöste und welche schon alle wesentlichen<br />

Standpunkte enthielt, die er für<br />

den Rest seines Lebens vertrat:<br />

„Ich behaupte, dass die Wahrheit ein<br />

Jiddu Krishnamurti (1895 - 1986)<br />

Foto: Krishnamurti Foundation<br />

unwegsames Land ist und dass es keine<br />

Pfade gibt, die zu ihr hinführen – keine<br />

Religionen, keine Sekten. Das ist mein<br />

Standpunkt, den ich absolut und bedingungslos<br />

vertrete. Die Wahrheit ist<br />

grenzenlos, sie kann nicht konditioniert,<br />

sie kann nicht auf vorgegebenen Wegen<br />

erreicht und daher auch nicht organisiert<br />

werden. Deshalb sollten keine Organisationen<br />

gegründet werden, die die Menschen<br />

auf einen bestimmten Pfad führen<br />

oder nötigen. Wenn ihr das einmal verstanden<br />

habt, werdet ihr einsehen, dass<br />

es vollkommen unmöglich ist, einen<br />

Glauben zu organisieren.<br />

Der Glaube ist eine absolut individuelle<br />

Angelegenheit und man kann und darf<br />

ihn nicht in Organisationen pressen.<br />

Falls man es tut, wird er zu etwas Totem,<br />

Starrem; er wird zu Gier, zu einer Sekte,<br />

einer Religion, die anderen aufgezwungen<br />

wird. Die Wahrheit wird zu einem<br />

Konsumgut für die Schwachen, die nur<br />

eine momentane Unzufriedenheit spüren.<br />

Der Mensch kann die Wahrheit nicht<br />

zu sich herabziehen, sondern muss sich<br />

bemühen, zu ihr aufzusteigen. Man kann<br />

den Berggipfel nicht ins Tal holen. …<br />

Ich betone noch einmal, dass keine Organisation<br />

einen Menschen zur Spiritualität<br />

führen kann. Wenn eine Organisation zu<br />

diesem Zweck gegründet wird, so wird<br />

sie zu einer Krücke, die euch schwächt, zu<br />

einem Gefängnis. Solche Organisationen<br />

verkrüppeln das Individuum, hindern es<br />

daran zu wachsen und seine Einzigartigkeit<br />

zu leben, die ja darin liegt, dass<br />

es ganz alleine diese absolute, uneingeschränkte<br />

Wahrheit entdeckt. Das ist ein<br />

weiterer Grund dafür, dass ich mich – da<br />

ich der Präsident des Ordens bin – entschlossen<br />

habe, den Orden aufzulösen.<br />

Niemand hat mich zu dieser Entscheidung<br />

gedrängt oder überredet. Das ist<br />

keine großartige Tat, denn ich will keine<br />

Jünger oder Anhänger; ich meine das so,<br />

wie ich es sage. In dem Moment, in dem<br />

man beginnt, jemandem zu folgen, hört<br />

man auf, der Wahrheit zu folgen. Es ist<br />

mir gleich, ob ihr auf meine Worte hört<br />

oder nicht. Ich will in dieser Welt etwas<br />

ganz Bestimmtes tun, und ich werde<br />

es unbeirrbar tun. Es geht mir um eine<br />

einzige, wesentliche Angelegenheit: die<br />

Befreiung des Menschen. Ich will ihn von<br />

allen Begrenzungen, allen Ängsten befreien<br />

und weder neue Religionen noch<br />

Sekten gründen. …<br />

Ich habe zwei Jahre lang darüber nachgedacht<br />

– langsam, sorgfältig, geduldig<br />

– und ich habe mich nun entschlossen,<br />

den Orden aufzulösen, dessen Leiter ich<br />

zufällig bin. Ihr könnt andere Organisationen<br />

gründen und auf jemand anders<br />

warten. Damit habe ich nichts zu tun. Ich<br />

habe kein Interesse daran, neue Gefängnisse<br />

zu errichten und neue Dekorationen<br />

für diese Gefängnisse zu kreieren.<br />

Mein einziges Interesse liegt in der absoluten,<br />

uneingeschränkten Befreiung des<br />

Menschen.“<br />

Rückzug und Aufbruch zu Neuem<br />

Kurze Zeit später wurden die verschiedenen<br />

Fonds und Stiftungen aufgelöst<br />

und die riesigen Ländereien an die ursprünglichen<br />

Besitzer zurückgegeben.<br />

Jahre des Rückzugs folgten, erst in Indien,<br />

später, während des 2. Weltkriegs,<br />

in den Vereinigten Staaten, wo er viele<br />

Jahre ganz zurückgezogen in Ojai, Kalifornien<br />

lebte. Er zerbrach bewusst sein<br />

Image als kommender Messias und wurde<br />

zunehmend als „spiritueller Philosoph“<br />

betrachtet.<br />

Erst nach 1947 begann Krishnamurti eine<br />

erfolgreiche Reise- und Vortragstätigkeit<br />

in alle Teile der Welt, die mehr und<br />

mehr Menschen anzog. Er verstand es,<br />

westliches und östliches Denken miteinander<br />

zu verbinden. Er traf den Quantenphysiker<br />

David Bohm ebenso zu Gesprächen<br />

wie den Dalai Lama, stand in<br />

freunschaftlichem Kontakt mit Literaten<br />

des Westens wie Aldous Huxley oder<br />

George Bernhard Shaw als auch mit Politikern<br />

des Ostens wie Jawaharlal Nehru<br />

oder Indira und Rajiv Gandhi.<br />

In den siebziger und achtziger Jahren besuchten<br />

oft mehrere tausend Menschen<br />

seine in aller Welt gehaltenen Vorträge.<br />

Der überwiegende Teil der heutigen Literatur<br />

von Krishnamurti besteht aus diesen<br />

niedergeschriebenen Gesprächen,<br />

die er mit den Besuchern seiner Vorträge<br />

führte. In allen Vorträgen spricht er aber<br />

darüber, dass man bezweifeln muss, was<br />

er sagt. Denn nur das, was wir selbst erkennen,<br />

ist wirkliche Einsicht, nicht das,<br />

was wir in Büchern lesen. Das gelte auch<br />

und besonders für seine Bücher. Seine<br />

Aussagen sollten uns stattdessen anregen,<br />

selbst die Wahrheit unseres Lebens<br />

und des Lebens insgesamt herauszufinden.<br />

Dafür sollte auch eine neue Art von<br />

Schulen entstehen, denn in den gegenwärtigen<br />

Schulen ginge es nur um den<br />

Erwerb von Wissen und die möglichst<br />

konfliktfreie Einordnung in die Mechanismen<br />

unserer Gesellschaft mit ihren Wer-


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27<br />

unbekannte reformpädagogInnen<br />

ten und Traditionen, in welcher Leistung<br />

und Erfolg oft an erster Stelle stehen.<br />

Die Krishnamurti-Schulen<br />

Immer wieder galt das besondere Interesse<br />

Krishnamurtis den Kindern und Jugendlichen,<br />

die als kommende Generation<br />

die menschliche Gesellschaft formen.<br />

Deshalb gründete er bereits 1931 die erste<br />

Ellen Key mit Carl Milles<br />

Krishnamurti-Schule in Indien, die Rishi<br />

Valley Schule. Heute gibt es weltweit acht<br />

offizielle Krishnamurti-Schulen für ganz<br />

unterschiedliche Altersgruppen von Schülern<br />

aus verschiedensten sozialen Schichten.<br />

Die Oak Grove School in Kalifornien<br />

ist eine internationale Tagesschule mit<br />

Internat für 5 – 18Jährige, die Brockwood<br />

Park School in England, eine internationale<br />

Internatsschule für 14 – 21jährige<br />

Jungen und Mädchen. Alle anderen Schulen<br />

befinden sich in Indien. Bal-Anand<br />

in Mumbai ist eine vorschulische Ganztagesbetreuung<br />

für Kinder aus ärmsten<br />

Familien, die es den Kindern ermöglicht,<br />

später mit besonderen Stipendien in der<br />

Rishi Valley Schule weiterzulernen. Neben<br />

diesen großen Schulen – die Rishi Valley<br />

Schule ist ein ländlich gelegenes Internat<br />

auf einem 1,5 Quadratkilometer großen<br />

Gelände mit Garten und Feldern und<br />

beherbergt ungefähr 350 Mädchen und<br />

Jungen – gibt es noch etwa 15 kleinere<br />

Schulen im Rishi Valley.<br />

Bis zu seinem Tode (Jiddu Krishnamurti<br />

starb 1986 im Alter von 90 Jahren an<br />

Krebs) stand er ständig in Kontakt mit<br />

den von ihm gegründeten Schulen und<br />

hielt sich längere Zeit im Jahr in den<br />

Schulen auf. So verbrachte er jährlich<br />

4 Monate in Brockwood Park und teilte<br />

dort das Leben und die Arbeit mit den<br />

Mitarbeitern und Schülern. Er stand,<br />

wenn Zeit dafür war, jedem für private<br />

und öffentliche Gespräche zur Verfügung.<br />

Seit 1978 schrieb er 14-tägig seine<br />

„Briefe an die Schulen“, in denen er sich<br />

zu vielen Themen der Erziehung und des<br />

Lebens äußerte. Er griff aber nie aktiv in<br />

das Schul- oder Unterrichtsgeschehen<br />

ein und bei Problemen und Schwierigkeiten<br />

im Schulbetrieb war mit Hilfe von<br />

seiner Seite in Form von Ratschlägen<br />

oder Richtlinien nicht zu rechnen.<br />

„Was ist Sinn und Zweck von Erziehung<br />

und Bildung?“<br />

lautet die erste Frage in Krishnamurtis<br />

Buch „Die Flamme des Lernens“. Das Buch<br />

ist eine Sammlung von Gesprächen, die<br />

Krishnamurti mit Schülern, Studenten<br />

und Lehrern geführt hat. Den Jugendlichen<br />

der Brockwood Park Schule antwortete<br />

er auf die oben gestellte Frage,<br />

dass Krishnamurti-Schulen den Kindern<br />

ermöglichen sollen, die notwendigen<br />

Fertigkeiten zu erwerben, um später<br />

in der modernen Welt klar denken und<br />

effizient tätig sein zu können. Weit wichtiger<br />

aber sei es für ihn, in diesen Schulen<br />

eine Umgebung zu schaffen, in der der<br />

junge Mensch sich als Persönlichkeit voll<br />

und frei entfalten kann, sich zugleich als<br />

Teil einer Gemeinschaft erfährt und über<br />

die Ganzheit des Lebens lernt.<br />

Es solle also nicht nur die äußere Welt<br />

erforscht werden, sondern auch das<br />

eigene Denken, das eigene Verhalten.<br />

Nur wenn man die eigenen Prägungen<br />

entdecke und wie hierdurch das Denken<br />

verzerrt würde, könne man frei davon<br />

werden. Für Krishnamurti sollte wahre<br />

Erziehung „dem Schüler helfen, alle gesellschaftlichen<br />

Unterscheidungen und<br />

Vorurteile zu erkennen und bei sich niederzureißen.“<br />

„Wir alle – ihr und ich, aber auch die<br />

Lehrer, die Schulleitung und die Behörden<br />

– sollten also gemeinsam diese<br />

Probleme (Anm.: des ständigen Nachahmens,<br />

der Traditionen, der Ängste vor<br />

ihnen) untersuchen, damit ihr, wenn ihr<br />

diesen Ort verlasst, reife Individuen seid,<br />

die selbstständig denken können und<br />

nicht von traditionellen Torheiten abhängig<br />

sind. Dann besitzt ihr die Würde<br />

eines wahrhaft freien Menschen. Das ist<br />

der eigentliche Sinn und Zweck der Bildung<br />

– nicht nur die Vorbereitung auf<br />

bestimmte Prüfungen, um für den Rest<br />

des Lebens in etwas hineingezwängt zu<br />

werden, das man nicht wirklich von Herzen<br />

tut – beispielsweise Rechtsanwalt<br />

zu werden oder Beamter oder Hausfrau<br />

oder eine Gebärmaschine. Ihr solltet darauf<br />

bestehen, eine Art von Ausbildung<br />

zu erhalten, die euch dazu ermutigt, frei<br />

und ohne Angst zu denken, eine, die<br />

euch hilft, die Dinge zu untersuchen und<br />

zu verstehen.“<br />

Ein Kurs in der Brockwood Park Schule<br />

ist betitelt mit „Thinking“, in dem es um<br />

Denkstrukturen geht, um die Geschichte<br />

des Denkens, etc. Krishnamurti ruft dazu<br />

auf: denkt, hinterfragt, forscht!<br />

„Ihr müsst also in eurer Jugend die Flamme<br />

der Unzufriedenheit in eurem Innern<br />

wecken; ihr solltet auf radikale Veränderung<br />

ausgerichtet sein. Das ist die Zeit,<br />

um Fragen zu stellen, Entdeckungen zu<br />

machen, zu wachsen. Besteht also darauf,<br />

dass euch eure Eltern und Lehrer<br />

antworten. Gebt euch nicht damit zufrieden,<br />

in einem Klassenzimmer zu sitzen<br />

und Informationen über diesen König<br />

oder jenen Krieg in euch aufzunehmen.<br />

Foto: Krishnamurti Foundation<br />

Seid unzufrieden. Geht zu euren Lehrern<br />

und stellt Fragen, forscht.“<br />

Angst blockiert den schöpferischen<br />

Unternehmungsgeist<br />

„Noten, Einstufungen, Vergleiche<br />

und jede Form des Zwangs, sei es mit<br />

Freundlichkeit oder Drohungen, erzeugen<br />

Angst. Und weil wir in jungen Jahren<br />

in diese Angstfalle geraten, haben wir<br />

dann unser ganzes Leben lang mit der<br />

Angst zu kämpfen.“<br />

Krishnamurtis erste Forderung an eine<br />

Schule ist somit: „Mir scheint, dass der<br />

wichtigste Aspekt der Schulbildung<br />

eine Erziehung zu Angstfreiheit ist, denn<br />

Angst lässt unseren Geist verkümmern,<br />

Angst verkrüppelt unser Denken, Angst<br />

verdunkelt unsere Seele, und solange<br />

wir Angst haben, werden wir nie eine<br />

neue Welt schaffen können.“<br />

Es gibt somit keine Noten und Zensuren<br />

in den Krishnamurti-Schulen („Denn sie<br />

sind keine Garantie für Intelligenz. Im Gegenteil,<br />

sie untergraben die Menschenwürde.“),<br />

wichtig ist auch, „dass ein Kind<br />

in der Schule unbefangen ist und sich<br />

vom ersten Tag an vollkommen sicher<br />

fühlt. Dieser erste Eindruck ist von äußerster<br />

Wichtigkeit. … Wenn ein Kind unbefangen<br />

ist und sich sicher fühlt, wird es<br />

tun, was es mag, aber indem es tut, was es<br />

mag, wird es herausfinden, was das Richtige<br />

ist.“ Wichtig erscheint Krishnamurti<br />

die Schulung der Empfindsamkeit, der<br />

Aufmerksamkeit, auch, dass es Zeiten der<br />

Stille gibt. In Brockwood Park beginnt der<br />

Tag für alle Mitarbeiter und die Jugendlichen<br />

mit einer „Zeit der Stille“.<br />

Auffallend an allen Krishnamurti-Schulen<br />

ist die große Zahl der Mitarbeiter,<br />

was in Brockwood Park beispielsweise<br />

zu einem solchen zahlenmäßigen Verhältnis<br />

zwischen Lehrern und Schülern<br />

führt, dass eine normale Klasse aus ca.<br />

6 Schülern besteht und bereits ab 2 Personen<br />

ein Kurs stattfinden kann.<br />

Für das Unterrichten von Fächern, Kursen,<br />

etc. wird nicht unbedingt eine Ausbildung<br />

als Lehrer oder ein Pädagogikstudium<br />

verlangt, persönliche Befähigungen<br />

und Kenntnisse sind ausschlaggebender.<br />

Auch, Kinder beobachten zu können:<br />

„Geben Prüfungen wirklich Aufschluss<br />

über die Fähigkeiten eines Kindes? Ein<br />

Kind versagt vielleicht, weil es nervös ist,<br />

Angst vor der Prüfung hat, während ein<br />

anderes durchrutscht, weil es ein dickeres<br />

Fell hat. Beobachtest du jedes Kind dagegen<br />

Woche für Woche, beobachtest<br />

du seinen Charakter, wie es spielt, wie es<br />

spricht, welche Interessen es zeigt, wie es<br />

lernt, was es isst, dann wirst du das Kind<br />

allmählich kennen, ohne dass Prüfungen<br />

nötig sind, die dir Aufschluss über seine<br />

Fähigkeiten geben sollen.“<br />

Leider seien aber Zensuren und das Vergleichen<br />

die Basis an all den öffentlichen<br />

Schulen und unserer gesamten Kultur,<br />

meint Krishnamurti. „Der Lehrer sagt dir<br />

immer wieder, dass du so gut werden<br />

musst wie jener Junge oder dieses Mädchen,<br />

also strengst du dich an, so gescheit<br />

zu werden wie sie. Und was passiert mit<br />

dir? Du wirst immer angespannter, was<br />

schließlich zu körperlichen Beschwerden<br />

und geistiger Erschöpfung führt. Wie<br />

wäre es, wenn der Lehrer stattdessen sagen<br />

würde: `Hör zu, Junge, sei einfach du<br />

selbst. Lass uns gemeinsam herausfinden,<br />

was deine Interessen und Fähigkeiten<br />

sind. Imitiere niemanden, versuche nicht,<br />

wie Rama, Sita oder Gandhi zu werden,<br />

sondern sei, was du bist, und fange damit<br />

an.´ Wenn der Lehrer das sagt, dann geht<br />

es um dich und niemand anderen.<br />

Eine solche Art der Begleitung würde<br />

sich Krishnamurti für die Schüler wünschen,<br />

und an die Kinder und Jugendlichen<br />

gerichtet meinte er:<br />

„Das sollte im Grunde das wichtigste<br />

Ziel der Bildung und jedes Lehrers sein:<br />

euch von klein auf zu helfen, vollkommen<br />

frei von Angst zu sein, damit ihr als<br />

intelligente Menschen in die Welt hinaus<br />

geht, voll echtem Unternehmungsgeist.<br />

… Wenn ihr keine Angst habt, könnt ihr<br />

viel besser lernen. Wenn ihr nicht das Gefühl<br />

habt, zu irgendetwas gezwungen zu<br />

werden, werdet ihr herausfinden, woran<br />

ihr wirklich Interesse habt, und dann<br />

werdet ihr euer Leben lang etwas tun,<br />

das ihr von ganzem Herzen tut – und das<br />

ist viel wichtiger, als ein unglücklicher<br />

Angestellter zu werden, nur weil man<br />

einen Job braucht. Es ist Unsinn, eine<br />

bestimmte Arbeit nur zu tun, weil deine<br />

Eltern sagen, dass du das tun sollst, oder<br />

weil die Gesellschaft es von dir verlangt.<br />

Machst du aber etwas, das du von Herzen<br />

gerne tust, dann erschaffst du durch diese<br />

Liebe eine neue Welt. Und ihr seid diejenigen,<br />

die diese neue Welt schaffen müssen,<br />

nicht die alten Leute, denn die machen<br />

ein unglaubliches Chaos daraus.“<br />

Verwendung der Fotos mit freundlicher Genehmigung<br />

der Krishnamurti Foundation,<br />

Brockwood Park, England.<br />

Sämtliche Zitate sind entnommen<br />

aus:<br />

Jayakar, Pupul: „Krishnamurti. Ein Leben<br />

in Freiheit“, H.J.Maurer Verlag<br />

Krishnamurti, Jiddu: „Die Flamme des<br />

Lernens“, Arbor Verlag<br />

Krishnamurti, Jiddu: „Der Flug des Adlers“,<br />

Fischer Taschenbuch<br />

Rainer Wisiak<br />

ist Waldorf- und<br />

Montessori-Pädagoge<br />

und war mehrere<br />

Jahre Begleiter in der<br />

<strong>Lernwerkstatt</strong>


Farbenfroh, mit allen Schattierungen und Verläufen,<br />

verbindend und eindrucksvoll präsentiert sich die<br />

Gemeinschaft <strong>Lernwerkstatt</strong> auf der Klausurwoche in<br />

Istrien. Erlebt von Sonia Höllerer<br />

<br />

ls elternorganisierte Schule bedarf es<br />

Zeit und Raum, um sich auf das neue<br />

Schuljahr vorzubereiten. Deswegen<br />

trifft man sich jedes Jahr vor Schulanfang.<br />

Nicht ein paar Leute, irgendwo, für einen<br />

Abend oder so... Nein!<br />

Wir treffen uns in Istrien. An einem Campingplatz<br />

direkt am Meer kommen seit<br />

vielen Jahren für eine Woche lang bis zu<br />

200 Leute zusammen – Eltern, Begleiter,<br />

Schüler, Ex-Schüler, Ex- Eltern, kurz: viele<br />

Menschen rund um die <strong>Lernwerkstatt</strong>.<br />

Ein paar sind der Schule längst entwachsen,<br />

andere wachsen gerade hinein.<br />

Manche kommen als Großeltern wieder,<br />

und für ein paar Jugendliche ist es das erste<br />

Mal, dass sie auf den wilden Zeltplätzen<br />

im Wald übernachten dürfen.<br />

Die Aufgabenstellung ist klar. Vieles gehört<br />

besprochen und bearbeitet: Pädagogisches,<br />

Organisatorisches, Finanzielles,<br />

Visionäres, Allfälliges. Aber das ist<br />

natürlich nicht alles. Man kocht gemeinsam,<br />

wäscht ab, baut Zelte auf, diskutiert,<br />

plaudert, feiert, singt , lacht, genießt,<br />

schwimmt, spielt und verliert, rudert zur<br />

Insel, springt von Klippen und geht auf<br />

Slacklines übers Wasser.<br />

Die einen mehr, die anderen weniger.<br />

Wir sind diesmal ganz besonders ungeduldig.<br />

Schon eine Woche vor dem offiziellen<br />

Klausurstart zieht es uns nach<br />

Istrien. Aber wir sind bei weitem nicht<br />

die Ersten! Kaum aus dem Auto ausgestiegen,<br />

werden wir schon begrüßt, und<br />

wenige Minuten später finden wir uns<br />

mit einem Kaffee in der Hand in Campingsesseln<br />

wieder und unsere Kinder<br />

tauchen in den Hängematten unter.<br />

Ankommen in Istrien bedeutet: Begrüßt<br />

werden. Willkommen sein. Schön ist das.<br />

Die nächsten Tage können wir mitansehen,<br />

wie die Gemeinschaft wächst. Jeden<br />

Tag trudeln mehr Familien ein, manche<br />

kennt man kaum und man freut sich<br />

aufs Kennenlernen, manche sind schon<br />

längst ganz besondere Freunde geworden.<br />

Und dazwischen ist aber auch immer<br />

Platz, um mit der Familie zu sein,<br />

ein ruhiges Gespräch zu suchen oder<br />

die Stille zu genießen: Früh am Morgen,<br />

wenn das Meer noch seidig glatt ist,<br />

ganz alleine hinausschwimmen. In der<br />

Gemeinschaft in Istrien erlebe ich also<br />

auch: Man ist ein Individuum. Auch dafür<br />

ist Platz.<br />

Schön langsam werden wir immer öfter<br />

von anderen Campinggästen angesprochen.<br />

„Wer seid ihr? Was macht ihr hier?“.<br />

Und dann erzählen wir. Neugierde, Faszination,<br />

Skepsis, Zustimmung, Begeisterung.<br />

Und vor allem: große ungläubige<br />

Augen. So viele Jahre und so ein großes<br />

Vertrauen in die Pädagogik, in unsere<br />

Kinder, in unsere Gemeinschaft! Ich genieße<br />

solche Gespräche, es macht mir<br />

bewusst, warum ich hier bin.<br />

Nun erreicht der Zustrom seinen Höhepunkt.<br />

Alle sind da, jeder hat mehr oder<br />

weniger seinen perfekten Zeltplatz gefunden,<br />

auch das große Essenszelt steht,<br />

der Kühlschrank läuft, die ersten beginnen<br />

Zwiebeln zu schälen …. die Klausur<br />

beginnt!<br />

Jeden Vormittag – so uns der Regen nicht<br />

abhält - treffen wir uns, besprechen, planen,<br />

überlegen, diskutieren, arbeiten.<br />

Auch die Kinder genießen das Zusammensein,<br />

sie ziehen über den Campingplatz,<br />

spielen im Wald, sammeln Schätze<br />

am Strand, organisieren sich, amüsieren<br />

sich, spielen, streiten, lachen, leben.<br />

Abends sitzen wir zusammen, beim<br />

Sonnenuntergang, bei einer Einladung<br />

zu einem Glas Wein oder vor dem Gewitterregen<br />

unter einem Dach Schutz<br />

suchend. Wir erzählen, feiern, und wir<br />

lachen viel. Von weiter weg höre ich eine<br />

Gitarre und ein paar Männer spielen Tarock.<br />

Sie gewinnen und verlieren, und<br />

am Ende steigt jeder nahezu gleich aus.<br />

Was bleibt, ist der gemeinsame Spaß.<br />

Gemeinschaft in Istrien - eigentlich bedeutet<br />

es für mich: Zusammensein. Einen<br />

Platz zu haben, bereichert zu werden.<br />

Eine Woche später sitze ich am Strand,<br />

verabschiede mich vom Meer.<br />

Leer ist es geworden am Campingplatz.<br />

Fast alle sind nun weg. Es ist noch immer<br />

ein zauberhafter Ort. Die Sonne geht unter,<br />

wie jeden Abend. Der Himmel glüht<br />

und eine Möwe fliegt idyllisch von links<br />

nach rechts. Wie aus dem Bilderbuch.<br />

Aber es ist einfach nicht dasselbe.<br />

<br />

ist Diplompädagogin, selbständige freie<br />

Handwerkerin und Mutter von 2<br />

Kindern in der Lern- und Spielwerkstatt.<br />

Foto: Autorin<br />

Fotos: Sonia Höllerer, Leonie Mayr, Walter Pilgerstor fer


freigeist herbst 2013<br />

31<br />

istrien-kabarett:<br />

die phasen der l<strong>ws</strong>-eltern<br />

Elisabeth Mayr und Angelika Brandl meinten in ihrem Kabarett-Programm beim Abschlussfest in Istrien: „In der<br />

LWS hat ein Paradigmenwechsel stattgefunden, nicht die Kinder gehören gut durch die diversen Phasen<br />

begleitet, sondern deren Eltern; daraus ergeben sich ganz neue Perspektiven!“ Um uns einen Überblick zu<br />

verschaffen, stellen wir diese Phasen kurz vor:<br />

1euphoriephase (ep) - auch unter<br />

„alles-leiwand-phase“ bekannt.: erkennbar<br />

ist diese phase an aussagen<br />

wie: „die l<strong>ws</strong> ist die beste schule für mein<br />

kind!“. die schüler und schülerinnen haben<br />

es leicht in der zeit, sie können alles<br />

machen was ihnen spaß macht! auf die<br />

frage: „na, wie war‘s in der schule?“ genügt<br />

ein: „eh, super!“<br />

2operative phase (op): die eltern<br />

kommen endlich ins tun und finden<br />

sich in den verschiedenen arbeitskreisen<br />

wieder, voller freude übernehmen<br />

sie diverse rollen und arbeiten<br />

fleißig für die schule. die schüler und<br />

schülerinnen können inzwischen ihren<br />

eigenen projekten nachgehen.<br />

3<br />

panikphase (pp) - auch „5-vor-<br />

12-phase“ genannt. verzweiflung<br />

macht sich breit: „kann mein kind<br />

genug?? lernt es eh etwas??? viele fragen,<br />

wenig antworten! die jugendlichen können<br />

hier ihre eltern gut unterstützen und<br />

die phase durch gezielte bemerkungen<br />

wie: „heute hab ich gar nichts gemacht,<br />

es war ur-chillig in der seki“ oder „ich weiß<br />

nicht was ich nach der l<strong>ws</strong> machen soll?“<br />

zum höhepunkt treiben. allerdings „vorsicht!“:<br />

die panikphase kann kippen und<br />

dann unmittelbar in die regelschulphase<br />

überführen! nix mehr l<strong>ws</strong> - regelschule!!!<br />

4<br />

wird-scho-werdn-phase (<strong>ws</strong>wp):<br />

die eltern entspannen sich wieder.<br />

diese phase ist erkennbar an aussagen<br />

wie: “die jugendlichen sind sozial urkompetent“,<br />

„den lernstoff (sollte etwas<br />

noch nicht gekonnt werden) holen sie innerhalb<br />

kürzester zeit auf“; „ihre talente<br />

sind voll entfaltet“ oder „wir sind aber eh<br />

stolz auf sie“!!!<br />

geplant ist, dass wir einmal<br />

einen längeren artikel über<br />

dieses thema schreiben, weil<br />

es diese phasen ja in echt gibt.<br />

in aller bescheidenheit - haben<br />

wir da anscheinend einen nerv<br />

erwischt!<br />

Eltern in den verschiedenen Phasen<br />

Fotos: Leonie Mayr<br />

Elisabeth Mayr & Angelika Brandl


freigeist herbst 2013<br />

32<br />

freigeist herbst 2013<br />

33<br />

eine reise<br />

nach montenegro<br />

Es war der nicht nur in finanzieller Hinsicht (aber auch) erfolgreichste Schulball in der LWS-Geschichte.<br />

Dass der von den Jugendlichen gemeinsam erwirtschaftete Erlös davon für die Sekundaria-Abschlussreise<br />

verwendet wird, war von Anfang an klar. Das Ziel hingegen lange nicht. Letztendlich war es die<br />

Stadt Bar in Montenegro. Ein Reisebericht von Leonie Mayr und Johanna Gaisrucker.<br />

d<br />

donnerstag, 23. Mai, Wien Westbahnhof<br />

Es ist nicht zu übersehen: Wir sind eine<br />

Reisegruppe. All unser Gepäck liegt auf<br />

einem Haufen. Um diesen Haufen sitzen<br />

wir, die Seki-Reisegruppe. Alle sind<br />

gut drauf und wir warten auf unseren<br />

Zug. Die Begleiter sind nicht ganz so<br />

entspannt, immer wieder wandert ihr<br />

Blick zur Anzeigetafel. Dort stehen in<br />

gelb die Zahlen der Verspätung unseres<br />

Zuges und es wird immer mehr. Jetzt ist<br />

er schon eine Stunde verspätet – das ist<br />

ziemlich dumm, da wir in Budapest einen<br />

Anschlusszug erreichen müssen. Es<br />

werden schon Pläne geschmiedet, was<br />

möglich ist, wenn wir ihn verpassen.<br />

Plan A: Wir holen alles wieder auf und im<br />

Anschlusszug merkt keiner, dass wir eigentlich<br />

zu spät losgefahren sind. Daran glaubt<br />

keiner so recht, wäre auch ein Wunder.<br />

Plan B: Im Zug ist ein netter Schaffner, der<br />

für uns telefoniert und den Anschlusszug<br />

dazu bringt, auf uns zu warten. Tja,<br />

das könnte schon klappen.<br />

Plan C: Wir übernachten in einem 4-Sterne-<br />

Hotel und lassen dann die ÖBB zahlen.<br />

Laut David (der sich schon erkundigt<br />

hatte) machen sie das auch.<br />

Die Lösung unserer Sorgen? Plan B – es<br />

fand sich ein netter Schaffner.<br />

Im Nachtzug angekommen, erlitten die<br />

meisten von uns etwas, was man wohl<br />

Kulturschock nennt. Wir haben uns (kindischerweise)<br />

einen Nachtzug wie ein<br />

Hotelzimmer vorgestellt. Wir waren etwas<br />

geschockt, als wir sahen, dass in ein<br />

so genanntes Sechsleuteabteil nur sechs<br />

Leute passten, die möglichst klein waren<br />

und keine Platzangst hatten. Und wo<br />

sollten da bitte noch die riesigen Koffer<br />

Platz haben? So dauerte es einige Zeit,<br />

bis alle in ihren Abteilen waren und das<br />

Gepäck verstaut hatten. Doch nach ein<br />

paar Stunden im Zug, die man halb wach<br />

und halb schlafend verbracht hatte, kam<br />

einem das Abteil schon nicht mehr vor<br />

wie eine Zelle. Um ca. drei Uhr in der Früh<br />

wurden wir recht unsanft von den Grenzkontrollleuten<br />

geweckt. Wie in einem<br />

Film wurden wir mit einer riesigen Taschenlampe<br />

angeleuchtet und dann wurde<br />

der „Passssport“ verlangt. Als wir das<br />

zwei Mal hinter uns hatten, konnte, wer es<br />

schaffte, noch ein bisschen schlafen.<br />

Freitag, 24. Mai, im Zug Richtung<br />

Belgrad<br />

Um ca. 6.30 kam dann Belgrad in Sicht.<br />

Am Bahnhof sahen wir uns dann alle wieder<br />

und konnten uns über die tolle Nacht<br />

austauschen. David war mit einem Mann<br />

namens Fjodor im Abteil. Er kam aus Belgrad,<br />

wirkte anfangs etwas gruselig, stellte<br />

sich aber bald als total nett heraus. Er<br />

wusste, wo unser Hostel war und meinte,<br />

dass er uns hinführen könnte. Das erste,<br />

was wir gesehen haben, nachdem wir aus<br />

dem Bahnhof kamen, war ein hässliches<br />

verfallenes Haus, auf dem dick „Hostel“<br />

Sekis auf Reisen<br />

Nicht immer nach dem Äußeren gehen - unser Hostel in Belgrad!<br />

stand. Da es aber laut Fjodor nicht unser<br />

Hostel war, waren wir alle beruhigt und<br />

machten Witze darüber, wie es wäre,<br />

wenn das unser Hostel wäre. Doch nach<br />

ein paar Minuten kam Fjodor drauf, dass<br />

wir in die falsche Richtung gehen. Wir<br />

kehrten um und so kam es, wie es kommen<br />

musste: das hässliche Hostel, über<br />

das wir vorher gelacht hatten, war UN-<br />

SERES! Doch wir merkten, dass wir nicht<br />

nach dem Äußeren gehen sollten, denn<br />

von innen war es echt okay. Vielleicht lag<br />

das auch daran, dass wir ein Leonardo-<br />

DiCaprio-Poster im Zimmer hatten :)<br />

Viel Zeit zum Auspacken hatten wir<br />

aber nicht, weil Fjodor uns gleich zeigen<br />

wollte, wo wir frühstücken könnten – etwas<br />

typisch Serbisches. Er ging mit uns<br />

zu einem netten kleinen Kaffeehaus, dort<br />

bekamen wir dann Cevapcici zum FRÜH-<br />

STÜCK! Einige begaben sich danach<br />

wieder ins Hostel, andere machten eine<br />

Stadtführung mit Fjodor. Er wusste sehr<br />

viel zu erzählen. Irgendwann zu Mittag<br />

verabschiedete sich der heilige Fjodor<br />

(unser Begleiter David hat Fjodor nämlich<br />

für heilig erklärt) und bekam als kleines<br />

Dankeschön von uns Mozartkugeln. Man<br />

ist es von zu Hause irgendwie nicht wirklich<br />

gewöhnt, dass alle Menschen so nett<br />

sind wie hier und es für selbstverständlich<br />

halten, hilfsbereit zu sein.<br />

Samstag, 25. Mai, Belgrad<br />

Als wir aufwachten, sahen wir erschrocken<br />

auf die Uhr: halb elf! Wir hatten unglaublich<br />

lange geschlafen. Wir gingen<br />

in eine Bäckerei und setzten uns zum Essen<br />

in einen kleinen Park. Der Vormittag<br />

war ja dann quasi schon vorbei und am<br />

Nachmittag ist eine Gruppe (bei der wir<br />

auch dabei waren) aufgebrochen, um einen<br />

Ivan zu suchen, dem unsere Begleiterin<br />

Maria etwas geben musste. Dieser<br />

hatte ein nett hergerichtetes Café, wo wir<br />

gleich etwas getrunken haben. Den restlichen<br />

Nachmittag verbrachten wir alle<br />

verteilt. Wir zwei waren mit ein paar anderen<br />

in Belgrad unterwegs, einkaufen,<br />

Fotos machen, die unterschiedlichsten<br />

Leute beobachten. Am Abend war ja<br />

dann das Fußballspiel Bayern gegen<br />

Dortmund oder so. Aber die Kaffeebars<br />

waren so voll, dass wir von außen beim<br />

Fenster rein zugeschaut haben.<br />

Den Sonntag verbrachten manche von<br />

uns mit einer Underground-Führung<br />

durch Belgrad, andere machten in kleinen<br />

Gruppen wieder was in der Stadt<br />

oder begannen schon zu packen, denn<br />

am Abend ging es schon wieder zum<br />

Bahnhof.<br />

Montag, 27. Mai, 2 Uhr nachts, im<br />

Zug zwischen Belgrad und Bar<br />

„Passsskontrolle“, bei der einem wieder<br />

ins Gesicht geleuchtet wurde. Dann<br />

noch ein bisschen schlafen und irgendwann<br />

sind wir ziemlich früh in Bar angekommen.<br />

Das Meer hatten wir schon<br />

vom Zugfenster aus gesehen. Tja, dann<br />

mussten wir alle, müde wie wir waren,<br />

erst mal mit dem ganzen Gepäck zum<br />

Hostel latschen – wir schreiben latschen,<br />

weil es echt mühsam war!<br />

Nach der Zimmeraufteilung und ein<br />

bisschen Gepäck auspacken sind dann<br />

natürlich alle erst mal zum Strand gegangen,<br />

danach ein wenig die Stadt<br />

beschnuppern, Essen einkaufen. Am<br />

Nachmittag wollten wir nochmals zum<br />

Strand, und da beim Hostel draußen ein<br />

urlieber Babyhund angebunden war, haben<br />

wir die Leute dort gefragt, ob wir mit<br />

ihm ein bisschen spazieren gehen dürfen.<br />

Der Hund hat sich total gefreut und<br />

ist herumgesprungen als wäre schon<br />

ewig niemand mehr mit ihm spazieren<br />

gewesen. Überhaupt gab es dort extrem


freigeist herbst 2013<br />

34<br />

<br />

<br />

<br />

Johanna Gaisrucker<br />

und Leonie Mayr<br />

Ex-<strong>Lernwerkstatt</strong>-<br />

Schülerinnen<br />

Rituale zu Schulbeginn und ein<br />

Blitzlicht aus der Schmiede<br />

Von Maria Pöcksteiner<br />

viele steunende Hunde und Katzen. Am<br />

Strand sind dann ein paar schwimmen<br />

gegangen, es wurden Fotos gemacht<br />

und die Sonnenstrahlen genossen.<br />

Gekocht haben wir in kleinen Grüppchen<br />

im Hostel, da jedes Zimmer eine<br />

kleine Küche hatte. Nico, Sina und Janina<br />

hatten davor eine kleine streunende<br />

Babykatze gefunden. Nach dem Essen<br />

wurde ernsthaft überlegt, ob und wie<br />

wir sie über die Grenze schmuggeln<br />

könnten. Schlafen durfte sie derweil mal<br />

im Zimmer von Tanja, Janina, Sina, Nico<br />

und Alwin.<br />

Dienstag, 28. Mai, in Bar<br />

Das Frühstück war recht gut (die Wurst<br />

bekamen die streunenden Hunde).<br />

Die Idee, die Katze nach Österreich zu<br />

schmuggeln wurde wieder fallen gelassen<br />

und sie wurde zum Strand zurückgebracht.<br />

Am Nachmittag waren wir in der<br />

Altstadt mit vielen zerfallenen Mauern<br />

(Fotos machen!) und haben in der Nähe<br />

den ältesten Olivenbaum Europas (der<br />

Welt?) besucht. Am Abend gab es noch<br />

eine längere Besprechung, da Johanna<br />

am nächsten Tag schon zurück nach Belgrad<br />

fahren musste, weil sie am Wochenende<br />

ein AFS-Camp in Österreich hatte.<br />

So musste geklärt werden, wer sie bis<br />

nach Belgrad begleitete.<br />

Mittwoch, 29. Mai<br />

Da der Strand in Bar nicht wirklich schön<br />

war, beschlossen wir, mit dem Bus zum<br />

nächsten Ort zu fahren. David, Janina<br />

und ich (Leonie) sind dann auf einen kleinen<br />

Berg direkt an der Küste gegangen,<br />

von wo aus wir wunderschöne Buchten<br />

mit rotem Sand sehen konnten – extrem<br />

schön! So sind wir über Klippen von Bucht<br />

zu Bucht gewandert. Am späteren Nachmittag<br />

sind wir alle wieder zurück ins<br />

Hostel gefahren, weil wir vier (Johanna,<br />

Leonie, Anna und David) um sieben Uhr<br />

abends den Zug nach Belgrad erwischen<br />

mussten. So hat sich am Abend dann die<br />

Gruppe geteilt. Wir vier fuhren zurück<br />

nach Belgrad, die anderen wollten noch<br />

einen Tag Bar und das Meer genießen.<br />

Donnerstag, 30. und Freitag, 31.<br />

Mai, in Belgrad<br />

Geschlafen haben wir im Zug dieses Mal<br />

alle halbwegs gut. Um halb sieben in der<br />

Früh waren wir wieder in Belgrad. Bis Johannas<br />

Zug abfuhr, hatten wir noch Zeit<br />

für ein gemütliches Frühstück (dieses<br />

Mal keine Cevapcici, sondern dicke, ursüße<br />

Palatschinken). Nachdem wir noch<br />

ein paar lustige Fotos gemacht haben<br />

und einkaufen waren, ging es langsam<br />

wieder zurück zum Hostel (Johannas<br />

Zeug holen) und dann zum Bahnhof, um<br />

sie zu verabschieden. Ihr standen zwölf<br />

Stunden Zugfahrt bevor!<br />

Zurück in der Stadt, erschien uns Belgrad<br />

im Vergleich zu Bar riesig und sehr belebt.<br />

Wir sahen uns noch einige Plätze<br />

an, aber nach einem plötzlichen starken<br />

Regenbruch am Nachmittag beschlossen<br />

wir, einfach ins Kino zu gehen. Wir<br />

wollten uns „Epic“, einen Zeichentrickfilm<br />

anschauen. Das Kino war klein und<br />

unglaublich lieb hergerichtet und – wir<br />

waren die einzigen Gäste! Der Film war<br />

recht lustig und die Handlung haben wir<br />

verstanden, die Dialoge natürlich nicht,<br />

außer, dass die Figuren immer wieder<br />

„Popojak“ gesagt haben. Bis heute wissen<br />

wir nicht, was dieses Wort heißt, obwohl<br />

wir dann hier in Österreich dieses<br />

Wort gegoogelt oder Leute gefragt haben,<br />

die aus Serbien kommen.<br />

Den Freitag verbrachten wir dann in der<br />

Innenstadt, bummelten durch kleine<br />

Geschäfte oder schauten den Straßenkünstlern<br />

zu. Der andere Teil der Gruppe<br />

war nun in der Früh in Bar aufgebrochen,<br />

fuhr mit dem Tagzug und traf am Abend<br />

in Belgrad ein. Sie hatten nur ein bisschen<br />

Zeit herumzugehen, denn dann<br />

wartete schon der Nachtzug nach Wien.<br />

Von Johanna hatten wir inzwischen gehört,<br />

dass sie gut angekommen war und<br />

die Zugfahrt überlebt hat.<br />

Die letzte Nacht. Noch einmal vom Schlafabteil<br />

aus die Lichter von den Häusern<br />

und Autos in Belgrad sehen, mit den<br />

Abteilmitbewohnern quatschen und irgendwann<br />

im nicht mehr ganz so arg unbequemen<br />

Bett einschlafen. An die nächtliche<br />

Passsskontrolle hat sich mittlerweile,<br />

glaube ich, auch schon jeder gewöhnt.<br />

Samstag, 1. Juni, Budapest, Wien<br />

In Budapest mussten wir ziemlich früh<br />

umsteigen, es blieb aber noch ein wenig<br />

Zeit, um ein Frühstück zu kaufen und letzte<br />

Karten zu schreiben. Schließlich sind<br />

wir mit einem für uns unglaublich modern<br />

erscheinenden Railjet zürück nach<br />

Wien gefahren, dort ziemlich fertig und<br />

müde angekommen. Noch schnell ein Abschlussfoto<br />

machen! Dann die Eltern begrüßen<br />

und sich von allen verabschieden.<br />

Es waren zehn wirklich extrem coole und lustige<br />

Tage mit der besten Sekigruppe ever.<br />

DANKE an alle, die uns irgendwie geholfen<br />

und dies ermöglicht haben. Schönen Tag<br />

noch und viel „Popojak“ euch allen :)<br />

Foto: David Meixner<br />

<br />

neue Kinder haben am 2. September<br />

im Wasserschloss gestartet.<br />

Wie jedes Jahr gehörten<br />

die ersten Tage den SchulbeginnerInnen<br />

und auch die Eltern durften mitkommen.<br />

„Zwei Tage gehört das Schloss jetzt euch<br />

alleine“ beginnt David seine Begrüßungsrede.<br />

Zeit, sich umzuschauen und zu orientieren,<br />

einen Garderobehaken auszuwählen<br />

und das Zweitschuhfach. Zeit, um alles<br />

in Ruhe zu betrachten und schon einiges<br />

auszuprobieren, die akustischen Signale<br />

kennen zu lernen , wie Teepausentrommel,<br />

Geschichtenglocke, die Triangel für die<br />

Schulversammlung und die Posaune, die<br />

das Schulende signalisiert.<br />

Am dritten Tag dürfen dann endlich alle<br />

kommen und der Tag beginnt mit einer<br />

großen Schulversammlung, zu der alle<br />

Kinder und BegleiterInnen zusammenkommen.<br />

Gleich am Anfang wird jedes<br />

neue Kind mit einigen persönlichen<br />

Worten vor der großen Gruppe begrüßt,<br />

es darf eine Kerze anzünden, sich einen<br />

Stein aussuchen und wird zuletzt mit Applaus<br />

von allen bedacht.<br />

Jetzt ist der Schulbeginn komplett und<br />

nach ersten Infos und Neuigkeiten fängt<br />

der <strong>Lernwerkstatt</strong>-Alltag mit all den Herausforderungen<br />

- aus einer Vielfalt zu<br />

wählen - an.<br />

Jedes Kind ist anders und in dieser Unterschiedlichkeit<br />

beginnt jedes Kind ganz<br />

eigen seinen Platz zu finden und seine<br />

Interessen zu entwickeln. Manche forsch<br />

drauf los, manche vorsichtig oder neugierig<br />

beobachtend. Seine innere Struktur<br />

bestimmt, was im Außen wahrgenommen,<br />

wie es bewertet und was hereingelassen<br />

wird. Kinder unterschiedlichen Alters,<br />

mit verschiedenen Begabungen und<br />

Interessen lernen voneinander.<br />

Gleich in den ersten Schultagen entdecken<br />

zwei neue Kinder die Schmiede<br />

im Außenbereich. Wer schmieden will,<br />

braucht eine Einführung, ja sogar einen<br />

„Führerschein“, um selbstständig hier<br />

arbeiten zu können. Nicht immer ist es<br />

als Begleiter sofort möglich, Kinder in<br />

diesem Interesse zu unterstützen. Es<br />

braucht dann schon zwei Erwachsene,<br />

um in Ruhe dabei sein zu können. Auch<br />

an diesem Tag scheint es vorerst schwierig.<br />

Doch ein 11-Jähriger ergreift spontan<br />

Initiative und bietet seine Hilfe an, die<br />

Neuen in die Kunst des Schmiedens einzuführen.<br />

Dass beide Seiten davon profitierten,<br />

sah man an den zufriedenen<br />

Gesichtern.<br />

<br />

<br />

ist Begleiterin in der LWS und<br />

Mitbegründerin der LWS


freigeist herbst 2013<br />

36<br />

freigeist herbst 2013<br />

37<br />

l<strong>ws</strong>-abgängerInnen<br />

2013<br />

es gibt einige grundlegende Fragen;<br />

die man/frau sich zu dieser Angst<br />

stellen sollte. Wie entsteht diese<br />

Angst? Was ist die Ursache?<br />

Ich gehe seit der Volksschule in eine Alternativ-Schule,<br />

also immer schon. Und<br />

ich muss sagen, soweit ich mich an meine<br />

Volksschul-Zeit zurück erinnern kann,<br />

weiß ich, dass es schon eine Weile dauern<br />

kann, bis das System „anschlägt“ oder bis<br />

Kinder es verstehen. Abgesehen davon<br />

ist das natürlich für jedes Kind anders.<br />

Meine Mutter hat mir auch erzählt, dass<br />

sie schon manchmal ihre Zweifel hatte,<br />

ob wir die richtige Wahl getroffen haben.<br />

Ich glaube, (fast) alle Eltern haben manchmal<br />

ihre Zweifel und es kostet sicherlich<br />

immer wieder viel Kraft, durchzuhalten.<br />

Aber was ist der Nährboden für diese<br />

Zweifel und die Angst, eine falsche Entscheidung<br />

getroffen zu haben? Ich versuche,<br />

einige Gründe anzuführen:<br />

- Der Ruf der Alternativ-Schulen und das<br />

Vorurteil, dass ohne Zwang und ohne<br />

Noten nichts gelernt wird.<br />

- Die Kindheit und Erziehung der Eltern.<br />

Genaue Vorstellungen von der Zukunft<br />

des Kindes, was Loslassen, Beobachten<br />

und Vertrauen verunmöglicht.<br />

- Konkurrenz und Leistungsdruck in der<br />

Gesellschaft.<br />

- Alt eingefleischte „Glaubenssätze“.<br />

- Eigene berufliche Überforderung und<br />

somit keine oder zu wenig Zeit, das Kind<br />

beim Lernen zu unterstützen.<br />

- Zu ungenaue Vorstellungen zum Ablauf<br />

des Schul-Alltags.<br />

- Zweifel im Verwandten- und Freundeskreis.<br />

- Wenig Vertrauen in die eigenständige<br />

Entwicklung des Kindes.<br />

Aber wenn Eltern trotz der Angst nicht<br />

die Vorteile des Alternativ-Schul Systems<br />

aus den Augen verlieren, stark bleiben<br />

und die Angst nicht gewinnen lassen,<br />

dann zahlt es sich letztendlich aus.<br />

Es dauert einfach eine Weile, bis Eltern<br />

bemerken, dass das Konzept der Alternativschule<br />

aufgegangen ist. Und wenn<br />

dem Kind der Knopf aufgegangen ist<br />

und es versteht, worum es geht, dann<br />

geht alles ziemlich flüssig.<br />

Nico Halfpap<br />

Der freigeist hat die stolze Zahl von 17 nunmehrigen Ex-Sekis, die Ende Juni 2013<br />

die <strong>Lernwerkstatt</strong> verließen, um einen kurzen Steckbrief gebeten. Geb.: 23.11.1997<br />

Fabian Hauser<br />

Geb.: 25.05.1998<br />

Was ich nach der LWS mache:<br />

Fachschule für Flugtechnik Langenlebarn<br />

Was mir zur LWS einfällt:<br />

Ich hatte eine schöne Zeit in der<br />

<strong>Lernwerkstatt</strong>, doch ich freu mich<br />

schon sehr auf die neue Schule und<br />

ich hoffe, dass mir der Umstieg gut<br />

gelingen wird.<br />

Maya Mühlmann<br />

Geb.: 16.03.1998<br />

Was ich nach der LWS mache:<br />

Übergangsklasse im Sacré Coeur<br />

Pressbaum<br />

Was mir zur LWS einfällt:<br />

Eswar eine echt tolle Zeit - wie soll<br />

ich das in einem Satz beschreiben?<br />

Sina Bickel<br />

Geb.: 30.05.1999<br />

Was ich nach der LWS mache:<br />

Übergangsklasse im Sacré Coeur<br />

Pressbaum<br />

Was mir zur LWS einfällt:<br />

Die LWS ist eine extrem gute Schule.<br />

Ich war nur 3 Jahre hier, aber<br />

es war eine wunderschöne Zeit.<br />

Ich werde die Schule ganz sicher<br />

vermissen, aber ich freu mich jetzt<br />

auch meinen Weg weiter zu gehen.<br />

Ich bin froh, dass ich hier gehen<br />

durfte und dass meine Eltern mir<br />

das ermöglicht haben! Danke!<br />

‚The only way to be happy, is to be<br />

yourself‘.<br />

Thomas Rammel<br />

Geb.: 11.08.1998<br />

Was ich nach der LWS mache:<br />

Übergangsklasse im Sacré Coeur<br />

Pressbaum<br />

Was mir zur LWS einfällt:<br />

Ein cooler Ort, um in die Schule zu<br />

gehen.<br />

Leonie Mayr<br />

Anna Breiteneder<br />

Alwin Lackner<br />

Geb.: 25.07.1998<br />

Was ich nach der LWS mache:<br />

Elektroinstallationstechniker<br />

Was mir zur LWS einfällt:<br />

Ich bin dankbar dafür, dass ich so<br />

bin wie ich bin!<br />

Geb.: 23.11.1997<br />

Was ich nach der LWS mache:<br />

BORG Krems, Mediendesign<br />

Was mir zur LWS einfällt:<br />

We don‘t remember days, we<br />

remember moments!<br />

Ich hatte echt voll viele schöne<br />

Momente in der LWS.<br />

Geb.: 18.08.1998<br />

Was ich nach der LWS mache:<br />

Die Graphische Wien, Fotografie<br />

Was mir zur LWS einfällt:<br />

Everyone wants happiness, no one<br />

wants pain, but you can‘t have a<br />

rainbow without a little rain!<br />

Ich würde sofort wieder hier in die<br />

Schule gehen! Danke für alles!<br />

Es war eine WUNDERSCHÖNE Zeit!<br />

Emil Huber<br />

Geb.: 01.03.1998<br />

Was ich nach der LWS mache:<br />

Übergangsklasse im Sacré Coeur<br />

Pressbaum<br />

Was mir zur LWS einfällt:<br />

LWS war schon ok. Es war schon<br />

lustig, aber das System geht nicht<br />

ganz auf.<br />

Tanja Eßmeister<br />

Geb.: 05.05.1997<br />

Was ich nach der LWS mache:<br />

Eine Lehre bei einem Fotografen<br />

(noch unbekannt), wenn das nichts<br />

wird, eine Lehre als Kellnerin.<br />

Was mir zur LWS einfällt:<br />

Ich werde sie sehr vermissen. Es<br />

war eine schöne Zeit, aber ich<br />

freue mich jetzt auch schon etwas<br />

Neues zu machen.<br />

David Varkonyi<br />

Geb.: 01.081998<br />

Was ich nach der LWS mache:<br />

Land- und Forstwirtschaftliche<br />

Fachschule Pyhra<br />

Was mir zur LWS einfällt:<br />

War eine geile Zeit!<br />

Sina Kratochwill<br />

Geb.: 12.07.1998<br />

Was ich nach der LWS mache:<br />

Übergangsklasse im Sacré Coeur<br />

Pressbaum<br />

Was mir zur LWS einfällt:<br />

Geborgenheit, Freundschaft.<br />

Was ich nach der LWS mache:<br />

Weiterbildung in der Musikproduktion<br />

Was mir zur LWS einfällt:<br />

War eine schöne Zeit, hat meine<br />

Liebe zur Musik geweckt.<br />

Stanislaus Stadelmann<br />

Geb.: 03.03.1997<br />

Was ich nach der LWS mache:<br />

Bäckerlehre in Dornbirn<br />

Was mir zur LWS einfällt:<br />

Werken (Modellbau mit Arthur),<br />

Klettern und Erfinden (im elektrotechnischen<br />

Bereich), Ullis Chemiestunden.<br />

Mein youtube-Kanal:<br />

2000watt0hz<br />

Johanna Gaisrucker<br />

Geb.: 23.07.1998<br />

Was ich nach der LWS mache:<br />

Austausch-Jahr in den USA (Minnesota)<br />

Was mir zur LWS einfällt:<br />

My amazing second life. Ich werde<br />

alles hier vermissen.<br />

Roman Pilgerstorfer<br />

Janina Wisiak<br />

Geb.: 30.07.1999<br />

Was ich nach der LWS mache:<br />

Fachschule für Flugtechnik Langenlebarn<br />

Was mir zur LWS einfällt:<br />

Seilschwingen, Seki, Geile Zeit!<br />

Geb.: 23.10.1998<br />

Was ich nach der LWS mache:<br />

Die Graphische Wien, Grafik und<br />

Kommunikationsdesign<br />

Was mir zur LWS einfällt:<br />

Meine Schulzeit hier, würde ich gegen<br />

nichts eintauschen. Ich habe<br />

genau das erreicht, was ich erreichen<br />

wollte. Ohne euch allen wäre<br />

ich nicht da wo ich jetzt bin. Und<br />

da wo ich jetzt bin, bin ich glücklich!<br />

Ok i‘m out. Peace.<br />

Pamina Roehle<br />

Geb.: 25.08.1998<br />

Was ich nach der LWS mache:<br />

Modelschule Hetzendorf<br />

Was mir zur LWS einfällt:<br />

Ich werde die Zeit in der LWS nie<br />

vergessen! Und ich hoffe, dass<br />

noch viele Kinder die Möglichkeit<br />

haben, in so eine Schule zu gehen!


Am 31. Mai 2013 fand in Zürich der erste Bildungskongress der Initiative „Schulen der Zukunft“, welche<br />

von Prof. Dr. Gerald Hüther (Prof. für Neurobiologie, Universität Göttingen)* mitbegründet wurde, statt.<br />

Die <strong>Lernwerkstatt</strong> im Wasserschloss ist seit 2012 Modellschule dieser Initiative und war als Vertretung aus<br />

Österreich eingeladen. Ein Bericht von Christine Glaser-Ipsmiller<br />

<br />

eit Maria Theresia die Unterrichtspflicht<br />

schuf, gab es so manche Veränderungen.<br />

Diese Veränderungen<br />

betrafen selbstverständlich sämtliche<br />

Lebensbereiche. So hat sich unsere Fortbewegung<br />

von der Pferdekutsche zum<br />

Auto und zu Flugzeugen gewandelt.<br />

Uns steht Strom zur Verfügung und viele<br />

andere technische Errungenschaften<br />

prägen seither unser Leben. Auch gesellschaftlich<br />

hat sich einiges getan.<br />

Einzig das Bildungssystem tritt – von<br />

wenigen Ausnahmen einmal abgesehen<br />

– auf der Stelle. Die Grundstruktur<br />

orientiert sich weiterhin am preußischen<br />

Militärsystem – Zucht und Ordnung sind<br />

die obersten Prämissen, auch die 50<br />

Minuten-Einheiten. Ein weit verbreitetes<br />

Phänomen unter diesen Umständen ist,<br />

dass sich die Lehrer an den „Besten“ orientieren<br />

- der Rest hinkt hinterher.<br />

Es stellt sich nun unweigerlich die Frage<br />

nach dem Warum. Gibt es doch seit einigen<br />

Jahrzehnten die Ergebnisse der Gehirnforschung<br />

– deren Erkenntnisse ganz<br />

klar den oben beschriebenen Gegebenheiten<br />

widersprechen. Darüber hinaus<br />

findet in unserer Gesellschaft seit Beginn<br />

des 21. Jahrhunderts eine drastische Veränderung<br />

unserer bisherigen Lebenssysteme<br />

statt. Die zunehmende Globalisierung<br />

wie Medialisierung – sowie die<br />

sich schon jetzt abzeichnenden Folgen<br />

der Klimaveränderung – verlangt immer<br />

mehr Eigenverantwortung und Handlungskompetenz.<br />

Prof. Dr. Gerald Hüther<br />

(Universität Göttingen) verweist auf Qualitäten<br />

wie Zuversicht, Vorstellungskraft,<br />

Innovationsgeist und Handlungsbereitschaft,<br />

um neue Modelle unseres Zusammenlebens<br />

und Wirtschaftens entwerfen<br />

zu können. Die aktive Teilnahme an der<br />

Zivilgesellschaft ist vordringlicher denn je.<br />

Das aber will gelernt sein. Nicht nur, aber<br />

nicht zuletzt in der Schule. Welche Qualitäten<br />

sollen nun an Stelle von Stofffülle,<br />

Auswendiglernen, Bestzensurierungen<br />

usw. treten?<br />

Querdenken, Risikobereitschaft, Verantwortungsübernahme,<br />

eigenständiges<br />

Denken, Musterbrechen als Innovationschance<br />

sieht Hüther als wesentliche<br />

Qualitäten, um den Anforderungen unserer<br />

Zeit und vor allem auch der Zeit<br />

kommender Generationen gerecht<br />

zu werden. Unter welchen Voraussetzungen<br />

können Kinder diese Qualitäten<br />

nun erlangen und auch ihr ureigenstes<br />

Potential entfalten?<br />

Der Neurobiologe Prof. Dr. Gerald Hüther<br />

forscht in diesem Bereich und gründete<br />

2012 u.a. mit Daniel Hunziker (CH) die Initiative<br />

„Schulen der Zukunft“. Beim Bildungskongress<br />

am 31.Mai dieses Jahres<br />

in Zürich schilderte er, welches Erlebnis<br />

ihn letztendlich dazu bewogen hat, diese<br />

Initiative zu gründen: Hüther besuchte<br />

die deutsche Bundeskanzlerin Angela<br />

Merkel, um zum Thema Bildungsreform<br />

der deutschen Schulen zu sprechen.<br />

Nachdem er kurz die Grundzüge der Forschung<br />

erläuterte, meinte Frau Merkel:<br />

Gruppenbild - von links, hintere Reihe: Remo Largo (2. ), Kurt Aeschbacher<br />

(3., Moderator), Gerald Hüther (4.), Bea Linder (8., Administration Schulen der<br />

Zukunft), André Stern (9.), Christine Glaser-Ipsmiller (10. , <strong>Lernwerkstatt</strong>); vordere<br />

Reihe, von rechts: Daniel Hunziker (1., Gesamtleitung Initiative Schulen der<br />

Zukunft, Schulleiter und Schulentwickler), Florian Ungerböck (2., <strong>Lernwerkstatt</strong>);<br />

im Vordergrund, rechts: Silke Häusler (<strong>Lernwerkstatt</strong>)<br />

„Aber Herr Hüther, dann müssten wir ja<br />

ALLES ändern.“<br />

Nun war Hüther klar, dass von „oben“ -<br />

von den politischen Verantwortlichen<br />

- kein Reformwille und vor allem keine<br />

echten Reformschritte zu erwarten<br />

waren und er beschloss, die Menschen<br />

an der Basis zu erreichen. Die Initiative<br />

richtet sich nun an alle Menschen – LehrerInnen<br />

und Eltern und Jugendliche<br />

- die Veränderung wünschen und in ih-<br />

Gruppenbild: Schule im Aufbruch<br />

Fotos: Autorin<br />

rem Umfeld bessere Lernbedingungen<br />

schaffen wollen.<br />

Dieser Kongresstag war von großer Aufbruchstimmung<br />

geprägt. 1100 BesucherInnen<br />

aus der Schweiz, aus Deutschland<br />

und Österreich gaben ein kräftiges Bekenntnis<br />

ab, dass die Zeit für Veränderung<br />

auch im Bereich des Bildungswesens<br />

reif ist. Die Referate von Prof. Dr.<br />

Hüther und Prof. Dr. Remo Largo wurden<br />

förmlich aufgesogen. Im Plenum waren<br />

auch Margret Rassfeld (Evangelische<br />

Schule Berlin Zentrum) und zwei ihrer<br />

Schülerinnen vertreten. Diese beiden<br />

Mädchen konnten durch ihre Schilderungen<br />

ihres Schulalltages das Publikum<br />

besonders gut erreichen, konnten sie<br />

doch Erfahrungen im herkömmlichen<br />

Schulsystem mit den Erfahrungen der<br />

Berliner Schule vergleichen und sehr<br />

authentisch schildern, wie sie sich nunmehr<br />

entfalten können.<br />

Zwischen den Referaten wurden die Infostände<br />

der Modellschulen der Initiative<br />

„Schulen der Zukunft“ besucht.<br />

Diese Modellschulen sind Orte, an denen<br />

es gelungen ist, eine Lern- und Beziehungskultur<br />

aufzubauen, die eine<br />

optimale Entfaltung der in den Schülern<br />

angelegten Talente und Begabungen<br />

ermöglicht. Solche Schulen vorzustellen<br />

und für alle sichtbar zu machen, ist das<br />

Anliegen dieser in der Schweiz entstandenen<br />

Initiative.<br />

Für Österreich war die <strong>Lernwerkstatt</strong><br />

vertreten. Meine Kollegen Silke Häusler<br />

und Florian Ungerböck und ich haben<br />

uns über das riesige Interesse der KongressbesucherInnen<br />

sehr gefreut. Wir<br />

haben viele Fragen zu unserer Schule<br />

beantwortet und viele nette Kontakte<br />

geknüpft. Die fast Einvierteljahrhundert<br />

lange Erfahrung mit aktiver und selbstbestimmter<br />

Lernkultur hat viele Menschen<br />

beeindruckt und - wie wir hoffen<br />

- auch inspiriert.<br />

Im Kongresszentrum Zürich war viel Reformwille<br />

zu spüren – und der Wunsch,<br />

uns endgültig von den alten überholten<br />

Werten und Strukturen des herrschenden<br />

Bildungssystems zu verabschieden<br />

und anstelle dessen unseren<br />

Kindern ein Umfeld zu bieten, wo sie sich<br />

bestmöglich gemäß den Grundkenntnissen<br />

der modernen Neurobiologie<br />

und einer Beziehungskultur im Zusammenleben<br />

entfalten können.<br />

<br />

<br />

www.schulen-der-zukunft.org<br />

für die Schweiz: Lindenschule<br />

www.lindenschule.ch<br />

für Deutschland:<br />

Evangelische Schule Berlin Zentrum<br />

www.ev-schule-zentrum.de<br />

Georg Christoph Lichtenberg Gesamtschule<br />

/ Göttingen<br />

www.igs-goe.de<br />

für Österreich: <strong>Lernwerkstatt</strong> im Wasserschloss<br />

Pottenbrunn<br />

www.lernwerkstatt.at<br />

<br />

Wollen Sie uns kennen lernen?<br />

Die nächsten Schulführungstermine<br />

in der <strong>Lernwerkstatt</strong> im Wasserschloss<br />

Pottenbrunn: 17.10.2013, 21.11.2013<br />

<br />

<br />

*Prof. Dr. Gerald Hüther befasst sich wissenschaftlich<br />

u.a. mit den Wirkungsmechanismen<br />

von Psychopharmaka, dem<br />

Einfluss früher Erfahrungen auf die Hirnentwicklung,<br />

mit den Auswirkungen von<br />

Angst und Stress und der Bedeutung emotionaler<br />

Reaktionen bei Lernprozessen sowie<br />

der neurobiologischen Verankerung<br />

von Erfahrungen.<br />

<br />

<br />

LWS Organisatorische<br />

Leitung, Pädagogin


Vom 21. bis 25. Juni fand dieses Jahr nun schon zum 7. Mal das Freilerner-Sommertreffen statt.<br />

Heidrun Krisa, Freilerner-Mutter aus Herzogenburg, berichtet vom heurigen Treffen in Leibnitz in der<br />

Steiermark, wo sich etwa 130 kleine und große Menschen dieser wachsenden Gemeinschaft trafen.<br />

<br />

n den letzten Jahren steigt das Interesse<br />

an einem „Leben ohne Schule“<br />

kontinuierlich an. Es begann mit einer<br />

kleinen, überschaubaren Gruppe auf der<br />

yahoo-Plattform, wandelte sich dank<br />

einiger weniger Engagierter zu einem<br />

gut strukturierten Internet-Forum, und<br />

inzwischen finden in mehreren Bundesländern<br />

regelmäßige Treffen statt.<br />

Es ist immer wieder ein Erlebnis, wenn<br />

aus „virtuellen Bekannten“ reale Menschen<br />

werden, wenn man die Familienmitglieder<br />

dieser Menschen und ihre<br />

Ideen und Interessen in der Wirklichkeit<br />

kennen lernen kann. Aus dieser Motivation<br />

heraus wurde die Idee geboren, ein<br />

gemeinsames Sommertreffen zu organisieren.<br />

Es sollte ein Ort sein, an dem sich<br />

große und kleine Menschen wohlfühlen,<br />

der genug Platz für gemeinsame Aktivitäten<br />

bietet und wo die Abhängigkeit<br />

vom Wetter nicht zu groß ist.<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

In diesem Jahr fiel die Wahl auf den Pfadfinder-Lagerplatz<br />

in Leibnitz in der Steiermark.<br />

Das Wetter am Anreisetag lässt<br />

alle schwitzen, und umso mehr freuen<br />

wir uns über den großzügigen Lagerplatz<br />

im schattigen Auwaldrest der Sulm.<br />

Die guten Rahmenbedingungen der<br />

modernen Anlage ermöglichen ein entspanntes<br />

Zusammensein von etwa 130<br />

großen und kleinen Menschen aus ganz<br />

Österreich, denen ein schulfreies Leben<br />

ein Anliegen ist. Mancher entdeckt bereits<br />

vertraute Gesichter und freut sich<br />

über das Wiedersehen oder kommt den<br />

Zeltnachbarn im Smalltalk näher.<br />

Als Mutter empfinde ich es sehr angenehm,<br />

dass mein 6-jähriger Sohn mit seinen<br />

Freilerner-Freunden losziehen kann<br />

und relativ gefahrlos auf eigene Faust<br />

das weitläufige, aber dennoch übersichtliche<br />

Gelände erkunden kann. Eine<br />

Attraktion sind zwei ausrangierte Eisenbahnwaggons,<br />

die umgebaut wurden<br />

und nun als Spiel- und Schlafstätte für<br />

Kinder und Jugendliche dienen.<br />

Claudia aus Wien berichtet: „Unser Sohn<br />

Niklas (4,5 J.) kannte niemanden, war<br />

aber schon nach fünf Minuten mitten<br />

im Getümmel anderer Kinder und hatte<br />

die Rolle des Lokführers übernommen.“<br />

Niklas: „Mama, ich hab leider keine Zeit.<br />

Ich muss mit dem Zug jetzt nach Peru<br />

fahren!“<br />

Auch die Großen genießen die Tage im<br />

Umfeld von Gleichgesinnten. Ein verständnisvolles<br />

Umfeld ist das, was im<br />

Alltag oft fehlt. Dennoch wird beim<br />

intensiveren Austausch immer wieder<br />

klar, dass das Leben ohne Schule in jeder<br />

Familie anders umgesetzt wird und<br />

jeweils ganz eigene, individuelle Erfahrungen<br />

gemacht werden. Trotz – oder<br />

wegen – dieser Unterschiede spüre ich<br />

eine große Offenheit im Gespräch mit<br />

Fotos: Autorin<br />

<br />

anderen Eltern, Interesse am Leben der<br />

anderen und immer wieder die große<br />

Begeisterung darüber, Kinder sich<br />

selbstbestimmt entwickeln und lernen<br />

sehen zu dürfen. Das sind wunderschöne,<br />

verbindende Erlebnisse! In einer Gesellschaft,<br />

die andere Wertigkeiten lebt,<br />

ist es für die meisten nicht einfach, den<br />

Alltag nach den eigenen Maßstäben zu<br />

organisieren.<br />

Besonders gut gefällt mir die Selbstverständlichkeit,<br />

mit der große und kleine<br />

Menschen hier miteinander umgehen.<br />

<br />

<br />

<br />

Gut erkennbar ist das bei gemeinsamen<br />

Aktivitäten wie der von Karin angebotenen<br />

Möglichkeit, T-Shirts mit Siebdruck<br />

zu gestalten oder beim Original Play.<br />

Ein wichtiges Thema dieses Sommertreffens<br />

ist die weitere Zukunft des<br />

Freilerner-Vereines. Im Zuge einer ausführlichen<br />

Meinungsrunde wird die<br />

Auflösung besprochen und bei der anschließenden<br />

Generalversammlung<br />

mehrheitlich beschlossen. Nach außen<br />

bleiben die Familien in einem offenen<br />

Netzwerk organisiert, und wie schon<br />

<br />

<br />

bisher werden gemeinsame Aktivitäten<br />

über das bestehende Internet-Forum<br />

koordiniert.<br />

In einer weiteren Gesprächsrunde geht<br />

es um die Problematik, Kinder im „häuslichen<br />

Unterricht“ alternativpädagogisch<br />

zu begleiten und neue Formen für<br />

die vorgeschriebene Jahresprüfung zu<br />

finden. Mehrere Eltern gründen dafür<br />

eine „Unschooling“-Arbeitsgruppe und<br />

organisieren im August ein erstes Arbeitstreffen.<br />

(Siehe Infokasten zur rechtlichen<br />

Situation)


Einige Gedanken dazu sowie Literaturtipps zum Weiterlesen.<br />

Von Florence Holzner<br />

<br />

<br />

Olivier Keller: Denn mein Leben ist<br />

Lernen–Wie Kinder aus eigenem<br />

Antrieb die Welt erforschen<br />

Arbor-Verlag, 1999<br />

Sehr inspirierend ist der Vortrag von<br />

„freeman“ Joe Kreissl aus OÖ, der uns<br />

Einblick gibt in seinen Weg, sich zu<br />

einem freien Menschen zu erklären und<br />

Selbstverantwortung zu übernehmen.<br />

Er hat im März 2012 mittels eidesstattlicher<br />

Erklärung an die obersten Regierungsstellen<br />

den Austritt seiner Person<br />

aus dem Personalverband der Republik<br />

Österreich bekannt gegeben. Seine tiefe<br />

Überzeugung, niemand Schaden zufügen<br />

zu wollen, hat ihn dazu motiviert,<br />

den politisch Verantwortlichen in Österreich<br />

sein Vertrauen zu entziehen und<br />

sich fortan zu weigern verwaltet und<br />

regiert zu werden. Joes Weg und seine<br />

Gedankengänge stellen die Thematik<br />

von Leben in Freiheit für alle in einen<br />

größeren Zusammenhang.<br />

Viele neue Eindrücke, interessante Bekanntschaften,<br />

begeisternde Ideen!<br />

Die fünf gemeinsamen Tage in Leibnitz<br />

vergehen schnell – zu schnell – und etwas<br />

wehmütig geht es wieder ans Abschiednehmen.<br />

An dieser Stelle möchte ich allen<br />

danken, die das gute Gelingen dieses<br />

Treffens möglich gemacht haben!<br />

Claudia im Rückblick: „Ich habe mir den<br />

Traum mit nach Hause genommen, irgendwann<br />

einmal so zu leben – unter<br />

Gleichgesinnten mit Familien und anderen<br />

Kindern in der Nähe, die ähnlich<br />

denken und leben.“<br />

<br />

Biologin, Freilerner-Mutter in Herzogenburg<br />

<br />

<br />

Zur rechtlichen Situation der Freilerner<br />

in Österreich:<br />

Laut Schulpflichtgesetz kann die allgemeine<br />

Schulpflicht durch die Teilnahme<br />

am „häuslichen Unterricht“ erfüllt werden.<br />

Am Ende des Schuljahres muss die<br />

Gleichwertigkeit mit dem schulischen<br />

Unterricht in Form einer Externistenprüfung<br />

festgestellt werden. Diese kann<br />

laut Gesetz grundsätzlich an jeder<br />

öffentlichen oder mit dem Öffentlichkeitsrecht<br />

ausgestatteten Privatschule<br />

abgelegt werden. Es besteht österreichweit<br />

die freie Wahl der Prüfungsschule!<br />

Leider interpretieren die Schulbehörden<br />

den Gesetzestext anders als beispielsweise<br />

der Rechtsanwalt Dr. Christopher<br />

Fink in seiner rechtlichen Stellungnahme<br />

aus dem Jahr 2012. So werden von<br />

Bezirksschulräten Prüfungskommissionen<br />

gegründet, die hinsichtlich der Externistenprüfung<br />

keine freie Wahlmöglichkeit<br />

zulassen. Alternativschulen,<br />

die mit Freilernern kooperieren wollen,<br />

wird mit dem Entzug des Öffentlichkeitsrechts<br />

gedroht. Eltern, die ihre<br />

Kinder im „häuslichen Unterricht“ alternativpädagogisch<br />

begleiten wollen,<br />

müssen feststellen, dass freies, selbstbestimmtes<br />

Lernen durch die kompromisslose<br />

Haltung der Schulbehörden<br />

unmöglich gemacht wird.<br />

Wir brauchen daher offizielle, langfristige<br />

Lösungen anstelle individueller<br />

Kompromisse, über die man nicht reden<br />

darf. Dazu braucht es keine neuen<br />

Gesetze, wir wollen lediglich die<br />

Anwendung der bestehenden Gesetze<br />

einfordern.<br />

<br />

as ist Gemeinschaft? Ein rätselhaftes<br />

Unwort der Zeit? Etwas, dem<br />

viele nachjagen, um doch immer<br />

wieder daran zu scheitern?<br />

In irgendeiner Form haben wir alle wohl<br />

schon Erfahrungen mit Gemeinschaft<br />

gemacht. Ich hatte das Glück, schon die<br />

Erfahrung von wirklicher Gemeinschaft<br />

gemacht zu haben. Das ist etwas schwer<br />

Greifbares, das oft erst im Nachhinein,<br />

quasi durch sein Fehlen in späteren Gruppierungen,<br />

bewusst wird. Sowohl in der<br />

Kindergruppe meiner ältesten Tochter als<br />

auch in ihrer Schule war aus der Elternund<br />

BetreuerInnengruppe - warum auch<br />

immer - eine Gemeinschaft entstanden.<br />

Benennen konnte ich das erst später, auffallend<br />

ist aber rückblickend: In beiden<br />

Gruppen gab es keine Anführer/In, Eltern<br />

und BetreuerInnen waren in ihrem Engagement<br />

und ihrer Verantwortung für das<br />

Ganze kaum voneinander zu unterscheiden.<br />

Es wurde anhaltend und viel gestritten<br />

und diskutiert, alle konnten ihre Probleme<br />

offen aussprechen. Es ging nie darum,<br />

Schuldige zu finden, sondern für alle tragbare<br />

Lösungen zu erarbeiten. „Schlechtes<br />

Benehmen“ wurde als Kommunikationsversuch<br />

verstanden, alle versuchten zu verstehen,<br />

was los ist, alle trugen etwas bei,<br />

um die Situation zu verbessern. Und trotz<br />

der vielen Arbeit und Sorgen fühlten wir<br />

uns beschenkt und wohl.<br />

Für mich ist Gemeinschaft die nächste<br />

große Herausforderung, für mich persönlich,<br />

aber auch für unsere Gesellschaft insgesamt.<br />

Die gesuchte Qualität ist so neu<br />

und unbekannt, dass wir auf dem Weg<br />

dorthin noch oft straucheln werden. Uns<br />

dies immer wieder in Erinnerung zu rufen<br />

und nicht böse auf uns zu sein, wenn das<br />

Scheitern „wieder“ passiert, ist die große<br />

Herausforderung. Zu scheitern bedeutet<br />

bloß, dass eine weitere Lektion gelernt und<br />

– hoffentlich - verstanden ist.<br />

Wie schon gesagt: Vieles vom dem konnte<br />

ich erst benennen, nachdem ich die Erfahrung<br />

gemacht hatte, wie es sich anfühlt,<br />

ohne den “geheimnisvollen“ Geist zusammenzuarbeiten.<br />

Und ich machte mich auf<br />

den Weg, um zu sehen, was ich dazu beitragen<br />

könnte, dass wirkliche Gemeinschaften<br />

nicht nur „glücklicherweise“ passieren, sondern<br />

vielleicht sogar herbeiführbar sind. Diese<br />

Bücher haben entscheidend zu meinem<br />

besseren Verständnis beigetragen:<br />

M. Scott Peck:<br />

Gemeinschaftsbildung.<br />

Der Weg zu authentischer Gemeinschaft<br />

Der Autor erzählt in diesem Buch aus<br />

seiner jahrelangen Erfahrung mit Gemeinschaftsbildungsworkshops.<br />

Es<br />

wird anschaulich beschrieben, was eine<br />

„Gemeinschaft“ ausmacht. Er definiert<br />

den Begriff umfassend, Gemeinschaften<br />

sind für ihn nicht nur Menschen, die im<br />

selben Haus wohnen. Er weist darauf<br />

hin, was dazu beiträgt, dass aus einer<br />

Gruppe nebeneinander lebender, arbeitender<br />

oder sonst wie verbundener<br />

Gruppe von Menschen eine tragfähige<br />

und arbeitsfähige Gemeinschaft wird.<br />

Er zeigt die Konsequenzen von „nebeneinander<br />

Herleben“ auf, wie dabei die<br />

Projektionen blühen, die zwar der Entlastung<br />

des/der Einzelnen dienen mögen,<br />

jedoch dem längerfristigen Gelingen der<br />

Gruppe und der Weiterentwicklung des/<br />

der Einzelnen im Wege stehen.<br />

Diana Leafe Christian:<br />

Creating a Life Together<br />

Eines der empfehlenswertesten Bücher<br />

für alle, die sich für Gemeinschaften interessieren<br />

- es ist jedoch bislang nur in<br />

Englisch verfügbar. Die Autorin ist seit<br />

20 Jahren Herausgeberin einer Zeitung<br />

für Gemeinschaftsleben in den USA. Sie<br />

erforschte im Rahmen dieser Tätigkeit,<br />

was die etwa 10% der gegründeten Gemeinschaften,<br />

die letztendlich wirklich<br />

gelingen, gemeinsam haben. Sie fand<br />

heraus, dass diese Gruppen bestimmte<br />

Strukturen eingehalten hatten, um zum<br />

Erfolg zu werden. Mit vielen Fallbeispielen<br />

entsteht dazu ein Handwerkszeug<br />

für eigene Projekte.<br />

Holger Seyer, Tonio Keller:<br />

Gemeinschaft<br />

ein Traum auf dem Prüfstand<br />

Es ist dies ein sehr fundiertes, kritisches<br />

Buch, das den Bogen vom reichhaltigen<br />

persönlichen Erfahrungsschatz der Autoren<br />

über die Auswertung der derzeitigen<br />

Situationen der „Gemeinschaften“<br />

im deutschsprachigen Raum und ihrer<br />

Schwierigkeiten bis hin zu detaillierten<br />

Ideen für den Umgang damit spannt.<br />

Es enthält eine Fülle an wichtigen Tipps<br />

auf allen Ebenen, etwa zur Strukturierung<br />

einer Gemeinschaft, zu rechtlichen<br />

Fragen, zu Formen der Finanzierung,<br />

zum Bauen - bis hin zum Muster-Gesellschaftsvertrag<br />

im Anhang.


Linda Kohanov: Botschafter zwischen<br />

den Welten<br />

Was hat ein Buch über Pferde bei Büchern<br />

über Gemeinschaften zu suchen?<br />

Dieses Buch stellt eine der besten Beschreibungen<br />

über das Funktionieren<br />

des Zusammenlebens von Menschen<br />

(und von Menschen mit Pferden) dar.<br />

Die Autorin beschreibt Pferde als die<br />

besten Lehrmeister, um die vielen unbewussten<br />

Kanäle der Kommunikation und<br />

den Umgang damit kennenzulernen. Sie<br />

beschreibt, wie Zusammenleben und<br />

individuelle Wünsche unter einen Hut<br />

zu bringen sind und benennt essentielle<br />

Fähigkeiten zum Aufbau „authentischer<br />

Gemeinschaften“.<br />

<br />

Johannes Heimrath: Die Post-Kollaps-<br />

Gesellschaft - Wie wir mit viel weniger<br />

viel besser leben werden – und wie wir uns<br />

heute schon darauf vorbereiten können<br />

Zum Thema Gemeinschaft gehört auch<br />

immer dazu: Wieso brauchen wir sie?<br />

Und warum gerade jetzt? Johannes<br />

Heimrath beschreibt in seinem Buch<br />

sehr anschaulich den Ist-Zustand unseres<br />

Planeten und erarbeitet drei mögliche<br />

Szenarios, wie es weitergehen<br />

könnte. In zweien davon geht es schnell<br />

oder langsam bergab. Sie sind für ihn die<br />

sehr wahrscheinlichen. Das dritte Szenario<br />

beschreibt, wie eine gemeinschaftliche<br />

Lösung funktionieren könnte. Mit<br />

sogenannten Commonien sollen die<br />

<br />

Luise Muschailov<br />

<br />

Probleme unserer Welt gelöst und für<br />

alle gangbare Wege des Zusammenlebens,<br />

die nicht auf die Ausbeutung von<br />

anderen oder unseres Planeten beruhen,<br />

gefunden werden. Soziale Gleichwürdigkeit<br />

und respektvoller Umgang<br />

mit unserem Planeten sind für ihn dabei<br />

die wesentlichen Randbedingungen.<br />

<br />

TSIBUTSANG GesmbH.<br />

Ingenieurin für Bautechnik, IBO-Bauökologin,<br />

Mentorin für Neue Arbeit - Neue Kultur,<br />

Montessoripädagogin<br />

Verheiratet, 3 Kinder (26, 8 und 4 Jahre).<br />

<br />

<br />

So, meine Lieben, wir haben uns wieder<br />

einmal zusammengesetzt, um ein<br />

ganz wichtiges Thema zu besprechen.<br />

Unsere Gemeinschaft.<br />

Welche, was bitte?<br />

Unsere Familiengemeinschaft. Nicht<br />

nur die LWS ist eine Gemeinschaft, auch<br />

wir bilden eine kleine. Und geht es der<br />

kleinen Gemeinschaft gut, geht es auch<br />

der LWS gut.<br />

Schön gesagt. Also, es geht darum,<br />

dass ich und eure Mutter finden, dass<br />

unserer Gemeinschaft ein paar gemeinschaftsstärkende<br />

Maßnahmen guttäten.<br />

Was für eine Gemeinschaft sind wir<br />

eigentlich?<br />

Eine Schicksalsgemeinschaft. Haha.<br />

Nein, das sind Leute, die zufällig zusammengewürfelt<br />

eine Notsituation<br />

überleben.<br />

Na, das triffts doch eigentlich ganz<br />

gut.<br />

Ich glaube doch, dass deine Partnerwahl<br />

ein bewusster Akt war?<br />

Naja, ganz nüchtern waren wir<br />

nicht…<br />

Bäh, sowas will ich nicht hören. Ich<br />

bin jedenfalls nicht freiwillig in dieser<br />

Gemeinschaft.<br />

He, ich hab da gerade gegoogelt. Kinder<br />

sind unfreiwillige Mitglieder einer<br />

Gemeinschaft, weil sie hineingeboren<br />

werden! Ich hab es immer gewusst!<br />

Zwangsvergemeinschaftet, genau!<br />

Zeig her!<br />

und im Chor: Medienverbot bei<br />

Familienversammlungen! Weg mit dem<br />

Ipod!<br />

Nur kurz, da schau! Das ist doch in-<br />

<br />

„Die Menschen sind am Leben und wissen<br />

nicht, warum.“<br />

Zu Erwin Wagenhofers neuem Film „Alphabet“<br />

<br />

teressant. Eine Gemeinschaft ist eine<br />

Gruppe von Individuen, die emotionale<br />

Bindekräfte und ein Wir-Gefühl kennzeichnen.<br />

Wir unterscheiden uns von<br />

den Anderen.<br />

Wieso, unsere Familie ist doch genauso<br />

deppert wie alle anderen.<br />

Hach, das hat er goldig gesagt, das<br />

schreib ich auf für den Kindermund.<br />

Du weißt eh, Mama, das heißt Taschengelderhöhung.<br />

Ich bin nicht sicher, ob ein unfreiwilliges<br />

Mitglied dieser Gemeinschaft<br />

irgendwelche Rechte hat.<br />

Also, das wird doch jetzt absurd. Wir<br />

sind uns einig, dass wir eine Familie sind,<br />

oder!?<br />

Sollen wir abstimmen?<br />

Die Unfreiwilligen haben doppeltes<br />

Stimmrecht.<br />

Ich möchte nur kurz wissen – sind wir<br />

eine Gemeinschaft oder nicht?<br />

Natürlich sind wir das, Schatz, reg<br />

dich nicht so auf. Kinder, nun sagt doch<br />

endlich eurem Vater, dass ihr auch dazugehören<br />

wollt.<br />

Nur unter der Bedingung, dass wir<br />

festhalten, dass diese Mitgliedschaft unfreiwillig<br />

passierte.<br />

Das gilt doch für mich auch. Ich bin in<br />

diese Gesellschaft hineingeboren worden,<br />

haben mich meine Eltern gefragt?<br />

Na und ich? Wollte ich hier sein?<br />

Wollte ich Kinder haben?<br />

Ja, wolltest du. Drei Unfreiwillige, um<br />

genau zu sein.<br />

Also, sind wir nun eine Gemeinschaft,<br />

ja oder nein.<br />

Ja, wenn du das willst, Papa.<br />

Dieses Zitat des Malers Arno Stern ist<br />

zentral zu Erwin Wagenhofers Film. Für<br />

ihn greift die jetzige Bildungsdiskussion<br />

zu kurz: „Was wir lernen, prägt unseren<br />

Wissensvorrat, aber wie wir lernen, prägt<br />

unser Denken.“ Und dieses Denken bildet<br />

die Basis, auf der wir Menschen die Welt<br />

um uns herum gestalten und durch die wir<br />

sie begreifen. In seinem Film zeichnet Wagenhofer<br />

das Bild einer Gesellschaft in der<br />

Krise, deren Motor die Angst ist. Es seien<br />

Verlustängste, die das Bildungssystem<br />

kennzeichnen und ein Mangel an Kreativität.<br />

Wagenhofer entlarvt jene Denkstrukturen,<br />

die hinter dem Konkurrenzund<br />

Leistungsdenken stecken und zeigt<br />

ihren zerstörerischen Einfluss. Er begleitet<br />

junge Unternehmensberater bei einem<br />

<br />

Luise Muschailov<br />

Und was unterscheidet uns von den<br />

anderen?<br />

Müssen wir uns unterscheiden?<br />

Na, sonst sind wir ja keine Familie, sondern<br />

ein Wartesaal. Wir brauchen Werte,<br />

Ideale. Etwas, woran wir uns erkennen.<br />

Also, ich erkenne daran, dass ich zu<br />

Hause bin, dass es so komisch nach alten<br />

Socken und Kohl riecht.<br />

Gutes Erkennungsmerkmal. Wie wäre<br />

es mit einem Familienwappen?<br />

Alte Socke vor Grünem Kohl.<br />

DAS meine ich mit gemeinschaftsstärkend.<br />

Wir brauchen noch einen Wahlspruch.<br />

Gemeinsam sind wir anders. Das<br />

fände ich toll.<br />

Gemeinsam anders als die anderen<br />

und doch gleich deppert. Hahaha!<br />

Goldig! Und nun basteln wir unser<br />

Wappen und denken uns noch ein gemeinschaftsstärkendes<br />

Ritual aus.<br />

Wie wäre es mit Zähneputzen und<br />

dann ins Bett?<br />

Aber gemeinsam. Zuerst die Kinder!<br />

Da sieht man es wieder, immer werden<br />

die unfreiwilligen Mitglieder mit autoritärem<br />

Verhalten unter Kontrolle gehalten.<br />

Genau! Und jetzt alle gemeinsam!<br />

Alle im Chor singend: Gemeinsam anders<br />

als die anderen!<br />

und : …und doch gleich deppert…<br />

hahaha…<br />

Geht’s, ruinierts nicht die gute Gemeinschaftsstimmung.<br />

Und jetzt Zähneputzen<br />

und Abmarsch!<br />

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann<br />

vergemeinschaften sie sich heute noch.<br />

Workshop „CEO of the future“, fährt mit<br />

Pisa-Chef Andreas Schleicher nach China,<br />

spricht mit Hirnforscher Gerald Hüther, besucht<br />

Arno Sterns „Malort“ in der Provence<br />

und den Waldfexxx Waldkindergarten in<br />

Krems an der Donau, einen Partnerkindergarten<br />

der <strong>Lernwerkstatt</strong>. „Alphabet“ ist<br />

der Abschlussfilm von Wagenhofers Trilogie<br />

über den Zustand der Welt, welche<br />

die Filme „We Feed the World“ und „Lets<br />

Make Money“ einschließt.<br />

Ab 11. Oktober im Kino


„In unseren Kisten finden Sie ausschließlich<br />

Bioprodukte, die zum größten Teil aus eigener<br />

Produktion stammen.“<br />

Spaß am Singen - neue Freunde und Lieder<br />

kennen lernen - Verbesserung der Stimmtechnik<br />

- regelmäßige Auftritte<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

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Miriam Braunstätter<br />

Horsemanship Trainerin<br />

Kurse f. Kinder u. Erwachsene<br />

Reitunterricht, Bodenarbeit<br />

Jungpferdeausbildung<br />

Einstellplätze, Kindercamps<br />

Doppellonge, Verladetraining<br />

Gelassenheitstraining<br />

Die Biokiste vom Biohof Mogg ist ein<br />

Abonnement, das Ihnen bequem ins Haus<br />

zugestellt wird.<br />

Biohof Mogg<br />

Sankt Andräer Ortsstraße 21<br />

3130 Herzogenburg<br />

Tel.: 02782/83129<br />

gemuese@biohof-mogg.at<br />

<br />

Kinderchor St. Pölten<br />

jeden Mittwoch, 15:30 bis 16:30 Uhr<br />

Festspielhaus St. Pölten, ehemaliges Café Publik<br />

Hannes Fromhund<br />

Stimmbildung und Chorleitung<br />

0650/4652353<br />

<br />

<br />

<br />

www.miriambraunstaetter.com<br />

info@miriambraunstaetter.com<br />

tel 0676 6604792<br />

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1/12 „Gesund & Krank“ 2/12 „Gut oder Böse?“ 3/12 „Gehirn & Lernen“<br />

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Jede Ausgabe hat ein Schwerpunktthema.<br />

Jahres-Abo in Österreich: Eur 25,-<br />

Ausgabe 4/12 erscheint Mitte Dezember<br />

zum Thema „Jugend & Alter“.<br />

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Integrative Bewegungstherapie<br />

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und Tanz <br />

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Leitung und Infos: Auguste Reichel<br />

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Tel: 0680 / 1400-646<br />

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veranstaltungen<br />

pistatschios<br />

l<strong>ws</strong> veranstaltungen<br />

Fred O. Donaldson<br />

„Feuerpfote und der Donnerclan“<br />

nach dem Buch „Warrior Cats“<br />

Dienstag | 25. Okt. 2013 | 17:00<br />

in der Erlebnisschule Mödling (Missionshaus<br />

St. Gabriel, Ma. Enzersdorf<br />

Kartenreservierungen: 02236-205811<br />

Samstag | 30. Nov. 2013 | 15:00<br />

im Paradies der Fantasie, St. Pölten<br />

Kartenreservierungen: 02742-43550, info@lernwerkstatt.at<br />

„Morgen, Findus, wird‘s was geben“<br />

nach Sven Nordquist (ab 4 Jahren)<br />

Sonntag | 01. Dez. 2013 | 16:00 Uhr<br />

im Fuhrwerkerhaus Eichgraben<br />

VVK 6€ in Sparkasse und Trafik Eichgraben, AK 8€<br />

Samstag | 21. Dez. 2013 | 15:00 Uhr<br />

im Paradies der Fantasie, St. Pölten<br />

Kartenreservierungen: 02742-43550, info@lernwerkstatt.at<br />

Ein Schaf für‘s Leben nach Maritgen Matter<br />

Samstag | 07. Dez. 2013<br />

beim Schloss-Advent in der <strong>Lernwerkstatt</strong><br />

Samstag | 26. Okt. 2013 | 9 - 18 Uhr<br />

Schloss der Vielfalt<br />

Ein Tag für Körper, Geist und Seele mit vielen<br />

Kursangeboten für Bewegung, Entspannung und<br />

Inspiration. Feldenkrais, Yoga, Gyrokinesis, Tanzimprovisation,<br />

Singen, Drehtanz, Pilates, Bollywood,<br />

Malangebot für Kinder, internationales Buffet<br />

Ort: LWS Pottenbrunn<br />

Spendenbeitrag: Einzelveranstaltung € 5, Tageskarte € 15, Kinderbetreuung<br />

ganztägig € 5 (dafür Anmeldung bis 18.10. erforderlich!)<br />

Info unter www.lernwerkstatt.at<br />

Freitag | 8. Nov. 2013 | 19:00 Vortrag<br />

9. und 10. Nov. 2013 | ab 10:00 Workshop<br />

Original Play - von Herzen spielen mit<br />

Fred O. Donaldson<br />

„Original Play“ bedeutet in Verbindung sein mit<br />

dem eigenen Herzen und in liebevollen Kontakt<br />

treten mit anderen Lebewesen. Ursprüngliches<br />

Spiel zwischen Kindern oder zwischen Kindern<br />

und Erwachsenen sieht auf dem ersten Blick<br />

aus wie lustiges Balgen. Es gibt keine Konkurrenz<br />

und keinen Wettstreit, es gibt keine GewinnerInnen<br />

und keine VerliererInnen. Original Play<br />

ist von der UNESCO anerkannt als Prävention<br />

von Gewalt gegen Kinder.<br />

Ort: LWS Pottenbrunn<br />

Spendenbeitrag: € 15/12 (V), € 190 (WS inkl. V), Anmeldungen erforderlich<br />

bis 15.10.2013 unter info@lernwerkstatt.at, 02742/43550<br />

www.originalplay.at, www. lernwerkstatt.at<br />

Samstag | 07. Dez. 2013| ab 14:00 Uhr<br />

Schloss-Advent<br />

in der LWS Pottenbrunn<br />

Wollen Sie unsere Schule<br />

und unsere Pädagogik<br />

näher kennen lernen?<br />

schulführung<br />

am 17.10., 21.11.2013 und 16.01.2014<br />

jeweils Do, 16-18:30<br />

Eintritt frei!<br />

Wir freuen uns auf Ihre Anmeldung!<br />

info@lernwerkstatt.at oder 02742/43550<br />

Führung Spielwerkstatt 14:30 - 16 Uhr,<br />

Anmeld. 02742/43802<br />

Eine Schulführung bietet die Gelegenheit, einen<br />

Einblick in das Leben der <strong>Lernwerkstatt</strong> zu bekommen.<br />

Anhand von Filmszenen aus dem Schulalltag<br />

und einer Führung durch die Räume im Wasserschloss<br />

stellen wir Ihnen die Pädagogik der <strong>Lernwerkstatt</strong><br />

vor.<br />

Die gezeigten Filmausschnitte stammen aus der<br />

DVD „Wie Kinder Lernen“, erhältlich bei den Schulführungen<br />

sowie unter www.lernwerkstatt.at<br />

Nach Absolvierung einer Schulführung ist das<br />

Hospitieren während des Schulvormittages<br />

gerne möglich. Nach der Hospitation findet ein<br />

Abschlussgespräch statt. Kostenbeitrag: € 50,-<br />

(€ 25,- f. Stud.). Für interessierte<br />

Eltern ist die<br />

Hospitation kostenfrei.<br />

schul<br />

einschreibung<br />

Um eine gute Entscheidung des Schuleintrittes<br />

Ihres Kindes treffen zu können, haben wir für Sie<br />

einen Aufnahmemodus entwickelt. Für die Terminplanung<br />

bitten wir um rechtzeitige Kontaktaufnahme.<br />

Ein Schulwechsel von der Regelschule<br />

ist vor der zweiten Klasse Volksschule möglich.<br />

Ausnahme: Wechsel aus einer Alternativschule.<br />

mit allen sinnen lernen<br />

Aktiv und selbstbestimmt den eigenen Entwicklungsplan<br />

entfalten!<br />

Vortrag, Filmvorführung: „Wie Kinder lernen“ (Regie:<br />

Ilse Crillovich) über den Schulalltag in der LWS<br />

und Diskussionsrunde. Termine auf Anfrage für Elternabende<br />

in Kindergruppen und Kindergärten.<br />

raumvermietung<br />

Es besteht die Möglichkeit, Räume im Wasserschloss<br />

in der schulfreien Zeit zu mieten. Terminvereinbarung<br />

und Preisinformation:<br />

raummiete@lernwerkstatt.<strong>ws</strong><br />

weitere informationen:<br />

<strong>Lernwerkstatt</strong> im Wasserschloss<br />

Josef-Trauttmansdorff-Straße 10<br />

3140 Pottenbrunn<br />

info@lernwerkstatt.at<br />

02742 435 50 (Di-Fr 8:00-12:00)<br />

www.lernwerkstatt.at<br />

Unverbindliche<br />

Voranmeldungen<br />

jederzeit möglich!<br />

Die <strong>Lernwerkstatt</strong> ist<br />

Modellschule von<br />

Schulen der Zukunft<br />

www.schulen-der-zukunft.org<br />

P.b.b. Erscheinungsort 3140 Pottenbrunn / Aufgabepostamt 3107 St. Pölten<br />

Ausgabenummer: 3/2013, Zulassungsnummer: 04Z035787

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