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freigeist herbst 2013<br />

18<br />

freigeist freigeist herbst herbst 2012013 19 15<br />

wozu struktur?<br />

Die Soziokratie am Beispiel von Pomali. Von Katharina Lechthaler.<br />

h<br />

eute weiß ich: immer wenn Menschen<br />

miteinander eine Vision, ein<br />

Ziel verfolgen, braucht es dafür 3<br />

Säulen, auf denen das größere Gemeinsame<br />

ruhen kann:<br />

eine gemeinsame Ausrichtung (Vision,<br />

Mission, Ziele)<br />

Vertrauen zu einander<br />

eine beteilgungsfördernde und klare<br />

Struktur<br />

Um das zu lernen, hab ich viele viele<br />

Stunden für unser Gemeinschaftsprojekt<br />

„Cohousing Pomali“ gearbeitet, gebangt,<br />

genossen, reflektiert, mich in Seminare<br />

begeben, ausgetauscht, gelacht und geweint<br />

und zu verstehen versucht. Es war<br />

manchmal ein freudvoller, manchmal ein<br />

Wohnen und leben<br />

in Gemeinschaft<br />

trauriger, manchmal ein anstrengender<br />

und immer ein intensiver Prozess, der<br />

mich sehr reich beschenkt hat.<br />

Pomali wäre dabei fast zerbrochen und<br />

Pomali wird Ende dieses Jahres lebendiger<br />

sein als je zuvor, wenn wir im Dezember<br />

nach 5 Jahren Vorarbeit endlich in unser<br />

großes neues Zuhause einziehen.<br />

2009 lernte ich Pomali als Gemeinschaftsprojekt<br />

kennen. Die Vision war,<br />

generationenübergreifend zu leben und<br />

dafür eine Cohousingsiedlung mit Gemeinschaftsräumen<br />

und 29 Wohnungen zu bauen,<br />

der Baugrund war in Wölbling bereits<br />

gefunden, der Bauträger stand fest.<br />

Ich schloss die Pomalis sehr schnell ins<br />

Herz, fühlte mich heimgekommen und<br />

am richtigen Platz und mir war schnell<br />

klar, dass das auch „mein“ Projekt war.<br />

Hier waren Menschen miteinander am<br />

Weg, die Verbindlichkeit eingingen, miteinander<br />

ein Grundstück finanzierten,<br />

eine ähnliche Vision hatten wie ich, eine<br />

gute Dosis Pragmatismus mitbrachten<br />

(ein Ökodorf wäre ja auch schön, aber<br />

wir brauchen so schnell wie möglich<br />

etwas, um aus der Vereinzelung herauszukommen),<br />

bereit waren sich zu zeigen,<br />

wie sie wirklich sind und auch die Mühen<br />

der gemeinsamen Projektentwicklung<br />

auf sich nahmen.<br />

Nicht lange, da war ich voll involviert in<br />

die Vereins- und Projektarbeit.<br />

Auffallend war für mich, dass sich nur<br />

www.pomali.at<br />

Foto: beigestellt<br />

wenige Frauen aktiv einbrachten. Die allgemeine<br />

Erklärung damals war, dass halt<br />

viele noch kleine Kinder haben, ich hatte<br />

aber Zweifel, ob es wirklich daran lag.<br />

Umso mehr legte ich mich ins Zeug.<br />

Unsere Idee war, alle Entscheidungen im<br />

Plenum zu treffen, damit die Beschlüsse<br />

gut von allen mitgetragen werden<br />

konnten, die Aufgabe des Vorstands<br />

war es, die monatlichen Plena und Pomaliwochenenden<br />

gut vorzubereiten.<br />

Diese Treffen waren dementsprechend<br />

arbeitslastig, für Beziehungspflege war<br />

wenig Zeit.<br />

Entscheidungen trafen wir nach ausgiebigen<br />

Diskussionen mit Moderation<br />

durch das Einholen von „Stimmungsbildern“,<br />

ohne Wahl und möglichst ohne<br />

starke Einwände.<br />

Der große Arbeitsumfang in Kombination<br />

mit dieser Struktur führte zu einer<br />

andauernden Überlastung der Gruppe<br />

und zur Erschöpfung Einzelner, während<br />

andere ihren Platz nicht finden konnten.<br />

Die Fülle der zu treffenden Entscheidungen<br />

hat uns regelmäßig überfordert,<br />

sollten doch alle über alles entscheiden.<br />

Es entstand eine Kultur, in der die Diskussionen<br />

von den Schnellen und Lauten<br />

geführt wurden und eher die Menschen<br />

mit viel Ausdauer die Entscheidungen<br />

trafen. Vorstandsmitglieder hatten dabei<br />

einen großen Informationsvorsprung<br />

verbunden mit einer großen Arbeitslast.<br />

Dadurch entstand eine für uns unsichtbare<br />

aber sehr wirksame Hierarchie.<br />

Ich hatte schon in anderen Kontexten gelernt<br />

schnell und laut zu sein, mich durchzusetzen<br />

und ewig sitzen zu bleiben,<br />

wenn´s sein musste . Viele Frauen (und einige<br />

Männer) hatten aber keinen Nerv für<br />

derartig kämpferische Verhaltensweisen,<br />

in denen sich jedeR erst den Platz im Gespräch<br />

nehmen muss; Eltern von kleinen<br />

Kindern (besonders Mütter) hatten gar<br />

nicht die Möglichkeit, ewig lang zu diskutieren.<br />

Für sie alle war die Beteiligung<br />

sehr schwierig bis unmöglich, die Weisheit<br />

all dieser Menschen stand damit unserem<br />

gemeinsamen Vorhaben kaum bis<br />

gar nicht mehr zur Verfügung.<br />

Wir glaubten damals, dass das halt so ist<br />

in Gruppen, bemühten uns um Verbesserungen<br />

in der Gesprächs- und Diskussionskultur,<br />

hatten aber wenig anhaltenden<br />

Erfolg damit.<br />

2011 kam die große Krise, als sich nach<br />

einem Jahr Wartezeit auf die Zusage<br />

zur Wohnbauförderung der Baubeginn<br />

durch die interne Umplanung erneut um<br />

mehrere Monate verzögerte. Der Bogen<br />

war überspannt, die Luft draußen, die Verbundenheit<br />

untereinander am Tiefpunkt.<br />

Innerhalb von 6 Monaten schrumpfte die<br />

Gruppe von über 30 Erwachsenen und<br />

20 Kindern auf ca. 15 Erwachsene und 10<br />

Kinder. Es war eine schwere und traurige,<br />

teilweise verzweifelte Zeit, die finanzielle<br />

Belastung und Sorge stieg, da manche<br />

ehemalige Pomalis ihren Grundkostenanteil<br />

zurückforderten. Wir brauchten<br />

dringend neue Mitglieder, waren aber in<br />

unserer damaligen Verfassung äußerst<br />

abschreckend für Interessierte.<br />

Das Erschreckendste und Lehrreichste<br />

für mich war damals die Dynamik des<br />

Prozesses: wir waren alle mit den besten<br />

Absichten, vielen Fähigkeiten und großer<br />

Zuneigung zueinander zusammenkommen,<br />

dennoch bildeten sich mit der<br />

Zeit die selben destruktiven und gewaltvollen<br />

Muster, die auch unsere Gesellschaft<br />

prägen (und die wir ja genau nicht<br />

wiederholen wollten), weil wir diese Muster<br />

in uns trugen. Wir kannten keine gemeinschaftlich<br />

funktionierenden Strukturen<br />

und wussten auch nicht, dass wir<br />

es mit strukturellen Konflikten und nicht<br />

mit persönlichen zu tun hatten.<br />

In dieser großen Krise baten wir endlich<br />

Barbara Strauch, eine sehr erfahrene<br />

Gemeinschaftsberaterin um Hilfe. Sie<br />

analysierte mit uns, was geschehen war,<br />

stellte uns die Soziokratie vor und wir<br />

entschlossen uns zur Umstrukturierung.<br />

Im April 2012 träumten wir Pomalis gemeinsam<br />

in einem Dragon Dreaming Prozess,<br />

leiteten daraus eine klare Vision und<br />

gemeinsame Ziele ab und entwickelten<br />

mit Barbara unsere Arbeitsstruktur.<br />

Im August 2012 startete die neue Struktur<br />

mit 5 Arbeitskreisen und einem Leitungskreis,<br />

seither arbeiten wir soziokratisch<br />

an der Umsetzung unserer mittlerweile<br />

sehr klaren gemeinsamen Ziele.<br />

Heute haben alle Pomalis ihren Platz gefunden,<br />

alle Frauen und Männer (auch<br />

die mit ganz kleinen Kindern) können<br />

sich an der Arbeit beteiligen (auch Dank<br />

skype, das sich für Arbeitstreffen sehr bewährt<br />

hat), und tun dies auch gern, weil<br />

sie wählen können, in welchem Feld sie<br />

ihre Fähigkeiten und ihre einzigartige

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