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#! $<br />

<br />

Sichtweise einbringen wollen. Neue Mitglieder<br />

können sofort mitwirken, die Entscheidungen<br />

sind nachhaltiger und intelligenter<br />

als je zuvor, die Informationen<br />

stehen allen zur Verfügung und sind<br />

transparent, unsere Arbeitskultur ist viel<br />

stärker vom Einander-Zuhören geprägt.<br />

Die klare Struktur der Soziokratie hat im<br />

letzten Jahr alle ungreifbaren Konflikte<br />

an die Oberfläche gebracht und damit<br />

bearbeitbar gemacht, das war nicht immer<br />

leicht, aber sehr wesentlich für den<br />

Gesundungsprozess von Pomali.<br />

Die Verteilung des Wissens auf viele hat<br />

zur Folge, dass Einzelne nicht überlastet<br />

sind und Wissen nicht verloren geht,<br />

wenn Einzelne das Projekt verlassen.<br />

Die Trennung von Arbeitsstruktur und<br />

Beziehungspflege schafft klare Arbeitsräume<br />

und klare Beziehungsräume, was<br />

für die Erfüllung beider Bedürfnisse sehr<br />

hilfreich ist.<br />

Die Weisheit der Kreise kommt durch die<br />

klare Entscheidungsfindung voll zum Erblühen.<br />

Was aber ist das, Soziokratie?<br />

Die Soziokratie ist eine partizipative Organisationsstruktur,<br />

die seit den 70er-<br />

Jahren in den Niederlanden und in den<br />

USA eher im wirtschaftlichen Bereich<br />

angewendet wird, aber auch manche<br />

Schulen und NGOs haben sich schon so<br />

organisiert. Das Anliegen dabei war, eine<br />

Struktur zu entwickeln, um Organisationen<br />

gemeinschaftlich zu lenken. Dazu<br />

braucht es die Weisheit der Gruppe und<br />

effiziente und lebendige Prozesse.<br />

Die Soziokratie geht nicht von der Idee<br />

der Hierarchiefreiheit aus, ich würde aber<br />

sagen, sie ist heterarchisch (Führung<br />

durch Verschiedenartigkeit) organisiert<br />

und basiert auf dem Zusammenspiel von<br />

vier Prinzioien:<br />

Kreisstruktur: Die Struktur ist in Kreisen<br />

aufgebaut und sieht verschiedene Ebenen<br />

vor, die einander unter- und übergeordnet<br />

sind, je nach Ebene beschäftigt<br />

sich ein Kreis mit einem kleineren oder<br />

größeren Ausschnitt des gemeinsamen<br />

Ganzen und arbeitet in der Detailebene<br />

(z.B. Arbeitskreis Beziehungen) oder der<br />

Übersichtsebene (Leitungskreis). Innerhalb<br />

eines Kreises sind alle gleichwertig in<br />

der Beschlussfassung. Im gemeinsamen<br />

Entwicklungsprozess wird miteinander<br />

festgelegt, welche Entscheidungen auf<br />

welcher Ebene und in welchem Kreis getroffen<br />

werden.<br />

Doppelte Verknüpfung: Alle Kreise sind<br />

mit einem jeweils übergeordneten Kreis<br />

doppelt verknüpft, da die LeiterIn (von<br />

oben gewählt) und die Delegierte (von<br />

unten gewählt) eines Kreises im übergeordneten<br />

Kreis sitzen. Der Leitungskreis<br />

besteht aus allen LeiterInnen und allen<br />

Delegierten der Arbeitskreise.<br />

Konsent: Die Entscheidungsfindung<br />

findet im Konsent unter Abwesenheit<br />

schwerwiegender Einwände im Sinne<br />

der Ziele statt. Dafür ist es besonders<br />

wichtig, klar definierte Vision, Mission,<br />

Ziele und Unterziele für die gesamte<br />

Organisation zu haben, da ich meinen<br />

schwerwiegenden Einwand in Hinblick<br />

darauf argumentieren muss: „Achtung,<br />

wenn wir das tun, dann verfehlen wir<br />

unser Ziel!“<br />

Die Entscheidungsfindung läuft normalerweise<br />

in 3 Kreisrunden ab, bei denen<br />

jedes Kreismitglied 3 Mal gehört wird,<br />

Veränderung der eigenen Meinung,<br />

„sowohl als auch“ statt „entweder oder“<br />

und Integration der Einwände in den<br />

Vorschlag sind dabei wichtige Haltungen<br />

und Methoden.<br />

Offene Wahl: In 3 festgelegten Gesprächsrunden<br />

wird die geeignetste Person<br />

für die jeweils zu besetzende Funktion<br />

ermittelt. Dadurch werden die Funktionen<br />

nicht mehr von den Bereitesten<br />

oder Beliebtesten übernommen (was zu<br />

Überlastung und Vormachtstellungen<br />

führt). Im Wahlprozedere werden durch<br />

die ehrliche Argumentation auch Menschen<br />

ermutigt Verantwortung zu übernehmen,<br />

die sich sonst gar nicht melden<br />

würden, obwohl sie sehr geeignet sind.<br />

Auch in der soziokratischen Wahl werden<br />

alle Kreismitglieder 3 Mal gehört. Die gewählte<br />

Person übernimmt die Funktion<br />

für einen gemeinsam bestimmten Zeitraum.<br />

Diese strukturellen Grundlagen bewirkten<br />

nichts Geringeres als einen kulturellen<br />

Wandel innerhalb von Pomali.<br />

Unverzichtbar für diesen Wandel waren<br />

dabei die externe Begleitung, Ausdauer,<br />

Ehrlichkeit, Mut und Liebe.<br />

Ich bin sehr dankbar für diesen Prozess,<br />

der auch in mir vieles gewandelt und geheilt<br />

hat, und dankbar für alle Menschen,<br />

mit denen ich gemeinsam am Pomaliweg<br />

sein darf und durfte. Letztendlich<br />

empfinde ich es als Gnade, dass ich Teil<br />

dieser starken Gemeinschaft sein darf<br />

und damit einer meiner tiefsten Herzenswünsche<br />

in Erfüllung geht: Leben in<br />

Gemeinschaft.<br />

Infos und Kontakt zu Pomali:<br />

www.pomali.at<br />

info@pomali.at<br />

Infos und Anfragen zur Soziokratie:<br />

www.soziokratie.at<br />

katharina.lechthaler@soziokratie.at<br />

Dragon Dreaming (John Croft):<br />

www.dragondreaming.com<br />

www.dragondreaming.jimdo.com/<br />

sources-1/john-croft-fact-sheets<br />

Katharina Lechthaler<br />

ist Soziokratische Beraterin<br />

in Zertifizierung, bietet<br />

Seminare zu Supportive<br />

Listening und der Kraft<br />

des Kreises, ist Sozial- und<br />

Erlebnispädagogin und<br />

Mutter einer 8jährigen<br />

Tochter<br />

Foto: Saija Crillovich<br />

was macht eigentlich ...<br />

saija crillovich<br />

i<br />

ch bin jetzt 28 Jahre und somit genau<br />

doppelt so alt wie zum Zeitpunkt<br />

des Verlassens der <strong>Lernwerkstatt</strong>. Ein<br />

guter Zeitpunkt, um ein Resümee zu<br />

ziehen, was seither in meinem Leben<br />

passiert ist. Nach neun erfüllten Jahren<br />

in der <strong>Lernwerkstatt</strong> war meine Pflichtschulzeit<br />

anno 2000 zu Ende und ich war<br />

bereit für etwas Neues. Lebenshungrig<br />

und neugierig auf die große Welt habe<br />

ich mich für ein Auslandsjahr in Peru entschieden.<br />

Dort habe ich bei einer Familie<br />

gelebt, bin zur Schule gegangen, habe in<br />

zwei Waisenhäusern gearbeitet und bin<br />

mit anderen Austauschschülern gereist,<br />

u. a. nach Bolivien. Außerdem habe ich<br />

Spanisch sprechen und Gitarre spielen<br />

gelernt. Vor allem das Träumen und Musizieren<br />

auf den Dächern der Stadt, am<br />

Strand und durchs Land reisend haben<br />

mich Glück, Lebendigkeit und Freiheit<br />

verspüren lassen.<br />

Auch wenn dort einiges anders war als<br />

ich es von Österreich gewohnt war, so<br />

war doch das größte „Exotikum“ für mich<br />

die Schule: Frontalunterricht, einen von<br />

Unterrichtsstunden zerstückelten Schulalltag<br />

und Prüfungen schreiben kannte<br />

ich bisher nur vom Hörensagen. Hinzu<br />

kamen noch Schuluniform und morgendliches<br />

Kollektivbekenntnis zu Gott und<br />

dem Vaterland. Auch die Art zu lernen war<br />

ganz anders und viel abstrakter, als ich es<br />

gewohnt war. Ich erinnere mich noch,<br />

wie ich im Mathematik-Unterricht zu Beginn<br />

manchmal verzweifelt Kügelchen<br />

aufs Papier zeichnete - die mir bekannten<br />

Montessori-Rechenmaterialien imitierend<br />

- um zum Ergebnis einer Rechung zu<br />

kommen. Es fiel mir anfangs schwer, mich<br />

in der Schule so einzurichten, dass ich<br />

mich wohl fühlen konnte, andererseits<br />

waren die Mitschüler und Lehrer alle sehr<br />

offen und hilfsbereit mir gegenüber - was<br />

es erleichterte. Alles in allem war es ein<br />

sehr prägendes und lehrreiches Jahr für<br />

mich und Peru ist so etwas wie eine zweite<br />

Heimat für mich geworden.<br />

Wieder zurück in Österreich, mit Trauer<br />

über die Trennung von meinen dort gewonnenen<br />

Freunden und einem noch<br />

größeren Kulturschock als beim Wegfahren,<br />

stand für mich zunächst fest, dass ich<br />

praktische Erfahrungen sammeln und<br />

„leben“ möchte, was meinen jüngsten<br />

Erkenntnissen nach über Ausbildungsstätten<br />

nicht in einer Schule möglich<br />

war. Ich schnupperte also in einer Keramikwerkstatt<br />

und jobbte eine Zeit lang<br />

als Kellnerin in einem Kaffeehaus. Beides<br />

entsprach allerdings nicht meinen Vorstellungen,<br />

zu monoton war der Berufsalltag<br />

für mich. Also schwenkte ich doch<br />

wieder zurück Richtung Ausbildung und<br />

entschied mich ob meines Interesses für<br />

kreativen Ausdruck für die Wiener-Kunst-<br />

Schule. Neben dem Experimentieren mit<br />

den unterschiedlichen Materialien lernte<br />

ich hier auch brauchbare Mitschriften zu<br />

erstellen, diese dann auswendig zu lernen<br />

und bei den Prüfungen wiederzugeben<br />

(um sie danach wieder zu vergessen).<br />

Anfangs hatte ich schon den Eindruck,<br />

dass die anderen mir in diesen Dingen<br />

unaufholbar weit voraus sind. Das erlebte<br />

Defizit verringerte sich aber überraschend<br />

schnell - diese Erfahrung habe<br />

ich später bei diversen Ausbildungen immer<br />

wieder gemacht. Zunehmend habe<br />

ich auch die Vorteile erkannt, dass ich in<br />

der Lernwerksatt gelernt hatte, selbstständig<br />

und mit Freude zu lernen. Nach<br />

der Orientierungsphase stand für mich<br />

fest, dass das Anfertigen von Kunstobjekten,<br />

um sie bewerten zu lassen, nicht<br />

meines ist, und so verließ ich die Wiener-<br />

Kunst-Schule nach zwei Jahren.<br />

Kurz darauf hörte ich von einer Kunsttherapie-Ausbildung<br />

und nach dem Einführungswochenende<br />

hatte ich entschieden,<br />

dass dies das Richtige für mich ist.<br />

Mir gefiel, dass hier nicht das produzierte<br />

Objekt im Mittelpunkt stand, sondern<br />

vielmehr der Prozess des Tuns und wie<br />

durch die Beschäftigung mit unterschiedlichen<br />

Ausdrucksarten Heilungsprozesse<br />

in Gang gesetzt werden können.<br />

Zeitgleich habe ich begonnen, die Lehrabschlussprüfung<br />

zur Bürokauffrau zu<br />

machen. Lehrabschlussprüfung ohne<br />

Lehre? Das war deshalb möglich, weil ich<br />

bei meinem Vater schon 1 ½ Jahre in der

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