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freigeist herbst 2013<br />
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#! $<br />
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Sichtweise einbringen wollen. Neue Mitglieder<br />
können sofort mitwirken, die Entscheidungen<br />
sind nachhaltiger und intelligenter<br />
als je zuvor, die Informationen<br />
stehen allen zur Verfügung und sind<br />
transparent, unsere Arbeitskultur ist viel<br />
stärker vom Einander-Zuhören geprägt.<br />
Die klare Struktur der Soziokratie hat im<br />
letzten Jahr alle ungreifbaren Konflikte<br />
an die Oberfläche gebracht und damit<br />
bearbeitbar gemacht, das war nicht immer<br />
leicht, aber sehr wesentlich für den<br />
Gesundungsprozess von Pomali.<br />
Die Verteilung des Wissens auf viele hat<br />
zur Folge, dass Einzelne nicht überlastet<br />
sind und Wissen nicht verloren geht,<br />
wenn Einzelne das Projekt verlassen.<br />
Die Trennung von Arbeitsstruktur und<br />
Beziehungspflege schafft klare Arbeitsräume<br />
und klare Beziehungsräume, was<br />
für die Erfüllung beider Bedürfnisse sehr<br />
hilfreich ist.<br />
Die Weisheit der Kreise kommt durch die<br />
klare Entscheidungsfindung voll zum Erblühen.<br />
Was aber ist das, Soziokratie?<br />
Die Soziokratie ist eine partizipative Organisationsstruktur,<br />
die seit den 70er-<br />
Jahren in den Niederlanden und in den<br />
USA eher im wirtschaftlichen Bereich<br />
angewendet wird, aber auch manche<br />
Schulen und NGOs haben sich schon so<br />
organisiert. Das Anliegen dabei war, eine<br />
Struktur zu entwickeln, um Organisationen<br />
gemeinschaftlich zu lenken. Dazu<br />
braucht es die Weisheit der Gruppe und<br />
effiziente und lebendige Prozesse.<br />
Die Soziokratie geht nicht von der Idee<br />
der Hierarchiefreiheit aus, ich würde aber<br />
sagen, sie ist heterarchisch (Führung<br />
durch Verschiedenartigkeit) organisiert<br />
und basiert auf dem Zusammenspiel von<br />
vier Prinzioien:<br />
Kreisstruktur: Die Struktur ist in Kreisen<br />
aufgebaut und sieht verschiedene Ebenen<br />
vor, die einander unter- und übergeordnet<br />
sind, je nach Ebene beschäftigt<br />
sich ein Kreis mit einem kleineren oder<br />
größeren Ausschnitt des gemeinsamen<br />
Ganzen und arbeitet in der Detailebene<br />
(z.B. Arbeitskreis Beziehungen) oder der<br />
Übersichtsebene (Leitungskreis). Innerhalb<br />
eines Kreises sind alle gleichwertig in<br />
der Beschlussfassung. Im gemeinsamen<br />
Entwicklungsprozess wird miteinander<br />
festgelegt, welche Entscheidungen auf<br />
welcher Ebene und in welchem Kreis getroffen<br />
werden.<br />
Doppelte Verknüpfung: Alle Kreise sind<br />
mit einem jeweils übergeordneten Kreis<br />
doppelt verknüpft, da die LeiterIn (von<br />
oben gewählt) und die Delegierte (von<br />
unten gewählt) eines Kreises im übergeordneten<br />
Kreis sitzen. Der Leitungskreis<br />
besteht aus allen LeiterInnen und allen<br />
Delegierten der Arbeitskreise.<br />
Konsent: Die Entscheidungsfindung<br />
findet im Konsent unter Abwesenheit<br />
schwerwiegender Einwände im Sinne<br />
der Ziele statt. Dafür ist es besonders<br />
wichtig, klar definierte Vision, Mission,<br />
Ziele und Unterziele für die gesamte<br />
Organisation zu haben, da ich meinen<br />
schwerwiegenden Einwand in Hinblick<br />
darauf argumentieren muss: „Achtung,<br />
wenn wir das tun, dann verfehlen wir<br />
unser Ziel!“<br />
Die Entscheidungsfindung läuft normalerweise<br />
in 3 Kreisrunden ab, bei denen<br />
jedes Kreismitglied 3 Mal gehört wird,<br />
Veränderung der eigenen Meinung,<br />
„sowohl als auch“ statt „entweder oder“<br />
und Integration der Einwände in den<br />
Vorschlag sind dabei wichtige Haltungen<br />
und Methoden.<br />
Offene Wahl: In 3 festgelegten Gesprächsrunden<br />
wird die geeignetste Person<br />
für die jeweils zu besetzende Funktion<br />
ermittelt. Dadurch werden die Funktionen<br />
nicht mehr von den Bereitesten<br />
oder Beliebtesten übernommen (was zu<br />
Überlastung und Vormachtstellungen<br />
führt). Im Wahlprozedere werden durch<br />
die ehrliche Argumentation auch Menschen<br />
ermutigt Verantwortung zu übernehmen,<br />
die sich sonst gar nicht melden<br />
würden, obwohl sie sehr geeignet sind.<br />
Auch in der soziokratischen Wahl werden<br />
alle Kreismitglieder 3 Mal gehört. Die gewählte<br />
Person übernimmt die Funktion<br />
für einen gemeinsam bestimmten Zeitraum.<br />
Diese strukturellen Grundlagen bewirkten<br />
nichts Geringeres als einen kulturellen<br />
Wandel innerhalb von Pomali.<br />
Unverzichtbar für diesen Wandel waren<br />
dabei die externe Begleitung, Ausdauer,<br />
Ehrlichkeit, Mut und Liebe.<br />
Ich bin sehr dankbar für diesen Prozess,<br />
der auch in mir vieles gewandelt und geheilt<br />
hat, und dankbar für alle Menschen,<br />
mit denen ich gemeinsam am Pomaliweg<br />
sein darf und durfte. Letztendlich<br />
empfinde ich es als Gnade, dass ich Teil<br />
dieser starken Gemeinschaft sein darf<br />
und damit einer meiner tiefsten Herzenswünsche<br />
in Erfüllung geht: Leben in<br />
Gemeinschaft.<br />
Infos und Kontakt zu Pomali:<br />
www.pomali.at<br />
info@pomali.at<br />
Infos und Anfragen zur Soziokratie:<br />
www.soziokratie.at<br />
katharina.lechthaler@soziokratie.at<br />
Dragon Dreaming (John Croft):<br />
www.dragondreaming.com<br />
www.dragondreaming.jimdo.com/<br />
sources-1/john-croft-fact-sheets<br />
Katharina Lechthaler<br />
ist Soziokratische Beraterin<br />
in Zertifizierung, bietet<br />
Seminare zu Supportive<br />
Listening und der Kraft<br />
des Kreises, ist Sozial- und<br />
Erlebnispädagogin und<br />
Mutter einer 8jährigen<br />
Tochter<br />
Foto: Saija Crillovich<br />
was macht eigentlich ...<br />
saija crillovich<br />
i<br />
ch bin jetzt 28 Jahre und somit genau<br />
doppelt so alt wie zum Zeitpunkt<br />
des Verlassens der <strong>Lernwerkstatt</strong>. Ein<br />
guter Zeitpunkt, um ein Resümee zu<br />
ziehen, was seither in meinem Leben<br />
passiert ist. Nach neun erfüllten Jahren<br />
in der <strong>Lernwerkstatt</strong> war meine Pflichtschulzeit<br />
anno 2000 zu Ende und ich war<br />
bereit für etwas Neues. Lebenshungrig<br />
und neugierig auf die große Welt habe<br />
ich mich für ein Auslandsjahr in Peru entschieden.<br />
Dort habe ich bei einer Familie<br />
gelebt, bin zur Schule gegangen, habe in<br />
zwei Waisenhäusern gearbeitet und bin<br />
mit anderen Austauschschülern gereist,<br />
u. a. nach Bolivien. Außerdem habe ich<br />
Spanisch sprechen und Gitarre spielen<br />
gelernt. Vor allem das Träumen und Musizieren<br />
auf den Dächern der Stadt, am<br />
Strand und durchs Land reisend haben<br />
mich Glück, Lebendigkeit und Freiheit<br />
verspüren lassen.<br />
Auch wenn dort einiges anders war als<br />
ich es von Österreich gewohnt war, so<br />
war doch das größte „Exotikum“ für mich<br />
die Schule: Frontalunterricht, einen von<br />
Unterrichtsstunden zerstückelten Schulalltag<br />
und Prüfungen schreiben kannte<br />
ich bisher nur vom Hörensagen. Hinzu<br />
kamen noch Schuluniform und morgendliches<br />
Kollektivbekenntnis zu Gott und<br />
dem Vaterland. Auch die Art zu lernen war<br />
ganz anders und viel abstrakter, als ich es<br />
gewohnt war. Ich erinnere mich noch,<br />
wie ich im Mathematik-Unterricht zu Beginn<br />
manchmal verzweifelt Kügelchen<br />
aufs Papier zeichnete - die mir bekannten<br />
Montessori-Rechenmaterialien imitierend<br />
- um zum Ergebnis einer Rechung zu<br />
kommen. Es fiel mir anfangs schwer, mich<br />
in der Schule so einzurichten, dass ich<br />
mich wohl fühlen konnte, andererseits<br />
waren die Mitschüler und Lehrer alle sehr<br />
offen und hilfsbereit mir gegenüber - was<br />
es erleichterte. Alles in allem war es ein<br />
sehr prägendes und lehrreiches Jahr für<br />
mich und Peru ist so etwas wie eine zweite<br />
Heimat für mich geworden.<br />
Wieder zurück in Österreich, mit Trauer<br />
über die Trennung von meinen dort gewonnenen<br />
Freunden und einem noch<br />
größeren Kulturschock als beim Wegfahren,<br />
stand für mich zunächst fest, dass ich<br />
praktische Erfahrungen sammeln und<br />
„leben“ möchte, was meinen jüngsten<br />
Erkenntnissen nach über Ausbildungsstätten<br />
nicht in einer Schule möglich<br />
war. Ich schnupperte also in einer Keramikwerkstatt<br />
und jobbte eine Zeit lang<br />
als Kellnerin in einem Kaffeehaus. Beides<br />
entsprach allerdings nicht meinen Vorstellungen,<br />
zu monoton war der Berufsalltag<br />
für mich. Also schwenkte ich doch<br />
wieder zurück Richtung Ausbildung und<br />
entschied mich ob meines Interesses für<br />
kreativen Ausdruck für die Wiener-Kunst-<br />
Schule. Neben dem Experimentieren mit<br />
den unterschiedlichen Materialien lernte<br />
ich hier auch brauchbare Mitschriften zu<br />
erstellen, diese dann auswendig zu lernen<br />
und bei den Prüfungen wiederzugeben<br />
(um sie danach wieder zu vergessen).<br />
Anfangs hatte ich schon den Eindruck,<br />
dass die anderen mir in diesen Dingen<br />
unaufholbar weit voraus sind. Das erlebte<br />
Defizit verringerte sich aber überraschend<br />
schnell - diese Erfahrung habe<br />
ich später bei diversen Ausbildungen immer<br />
wieder gemacht. Zunehmend habe<br />
ich auch die Vorteile erkannt, dass ich in<br />
der Lernwerksatt gelernt hatte, selbstständig<br />
und mit Freude zu lernen. Nach<br />
der Orientierungsphase stand für mich<br />
fest, dass das Anfertigen von Kunstobjekten,<br />
um sie bewerten zu lassen, nicht<br />
meines ist, und so verließ ich die Wiener-<br />
Kunst-Schule nach zwei Jahren.<br />
Kurz darauf hörte ich von einer Kunsttherapie-Ausbildung<br />
und nach dem Einführungswochenende<br />
hatte ich entschieden,<br />
dass dies das Richtige für mich ist.<br />
Mir gefiel, dass hier nicht das produzierte<br />
Objekt im Mittelpunkt stand, sondern<br />
vielmehr der Prozess des Tuns und wie<br />
durch die Beschäftigung mit unterschiedlichen<br />
Ausdrucksarten Heilungsprozesse<br />
in Gang gesetzt werden können.<br />
Zeitgleich habe ich begonnen, die Lehrabschlussprüfung<br />
zur Bürokauffrau zu<br />
machen. Lehrabschlussprüfung ohne<br />
Lehre? Das war deshalb möglich, weil ich<br />
bei meinem Vater schon 1 ½ Jahre in der