27.04.2014 Aufrufe

download - Lernwerkstatt.ws

download - Lernwerkstatt.ws

download - Lernwerkstatt.ws

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

freigeist herbst 2013<br />

4<br />

freigeist herbst 2013<br />

5<br />

gemeinschaft als basis für<br />

das menschliche leben<br />

Diesen Sommer wurde im „Garten der Generationen“ der erste Holz-Strohballen-Lehmbau errichtet. Über die<br />

Wichtigkeit gemeinschaftlichen Engagements und die nächsten Schritte des Projektes hat Tobias Steirer den<br />

<strong>Lernwerkstatt</strong>-Mitbegründer Markus Distelberger befragt.<br />

d<br />

as Thema des Herbst-Freigeist<br />

dlautet „Gemeinsam Leben“. Was<br />

bedeutet für dich in diesem<br />

Zusammenhang „Gemeinschaft“?<br />

M: Prinzipiell glaube ich, dass es ein Leben<br />

ohne Gemeinschaft eigentlich nicht<br />

gibt, dass Gemeinschaft die Basis für<br />

das menschliche Leben ist. Ich sehe das<br />

immer auch als ein Gegenüber zu dem<br />

Begriff der Institution, oder dem des Unternehmens.<br />

Üblicherweise verwende<br />

ich den Begriff „Gemeinschaft“ in einem<br />

ganzheitlichen Sinn, wo Menschen Verbindungen<br />

eingehen, die nicht auf einen<br />

Zweck ausgerichtet sind wie bei einem<br />

Unternehmen, wo z.B. Gewinne erzielt<br />

werden sollen, oder bei Institutionen, die<br />

bestimmte Dienstleistungen erbringen<br />

und wo das Interesse am Einzelnen immer<br />

auf einen ganz bestimmten Aspekt<br />

eingeschränkt ist. In einer Gemeinschaft<br />

ist für mich das Interesse aneinander auf<br />

die ganze Person gerichtet, unabhängig<br />

von verschiedenen Bedürfnissen.<br />

Immer wieder verweise ich gerne auf<br />

Sobonfu Somé, eine Afrikanerin, die in<br />

Europa Seminare über afrikanische Gemeinschaftskultur<br />

hält. Sie definiert den<br />

Begriff „Gemeinschaft“ als einen Ort,<br />

wo Menschen ihre Gaben anbringen<br />

können. Egal, welche Gaben da im Vordergrund<br />

stehen. Da wird nicht gefragt:<br />

„Welche Gaben brauche ich?“, sondern<br />

man freut sich über die Gaben, die da<br />

sind. Dem möchte ich mich anschließen.<br />

Stehen individuelle Ziele und<br />

Bedürfnisse auch in einem Widerspruch<br />

zu einer Gemeinschaft, oder<br />

ist das nur bei Institutionen so?<br />

M: Eine Institution oder auch ein Unternehmen<br />

wird immer Charakter und Ei-<br />

Markus Distelberger<br />

genschaften eines einzelnen abwägen<br />

und sich fragen: passt jemand zu unserem<br />

ganz konkreten Ziel, bzw. welche Auswirkungen<br />

auf die Abläufe in unserem<br />

System hat sie oder er. Eine Gemeinschaft<br />

sollte nicht so starr sein. Sie sollte<br />

prinzipiell Interesse an einem Menschen<br />

und dem, was er mitbringt, haben - und<br />

wie es zur Entfaltung gelangen kann. Es<br />

braucht einen gewissen Abbau von egozentrischer<br />

Denkweise. Wir sind heutzutage<br />

verbildet durch zu wenig Gemeinschaft<br />

und zu viele Institutionen und sind<br />

dadurch in einem starken Zweckdenken<br />

und egozentrischen Denken verhaftet.<br />

Eine Gemeinschaft ist vielmehr etwas,<br />

wo man in einem Dialog miteinander<br />

ist, wo das offener ist. Es kommen Menschen<br />

zusammen, jeder mit bestimmten<br />

Vorstellungen, Bildern und Zielen. In diesem<br />

miteinander Sein können sich diese<br />

aber verändern, man kommt drauf, dass<br />

manches nicht so wichtig ist. Man entwickelt<br />

mehr innere Freiheit und ist von<br />

seinen kleinen persönlichen Zielen nicht<br />

mehr so abhängig.<br />

Du meinst, dass man weniger<br />

eigene Bedürfnisse der Gemeinschaft<br />

unterordnen muss, als dass<br />

sich ein anderes Bewusstsein<br />

entwickelt, wo diese an Bedeutung<br />

verlieren.<br />

M: Es entstehen vielleicht neue, individuelle<br />

Ziele. Es geht nicht darum, dass man<br />

nichts mehr für sich will, sondern es geht<br />

um Flexibilität und Freiheit. Unsere Gesellschaft<br />

hat einen Hang zur Egozentrik<br />

und dazu, Ängste zu entwickeln, etwas<br />

nicht zu bekommen, was man glaubt,<br />

unbedingt zu brauchen.<br />

Fotos: Tobias Steirer<br />

Du hast in einem Interview im<br />

Freigeist vor mittlerweile vier<br />

Jahren über die Gründungsphase<br />

vom „Garten der Generationen“<br />

gesprochen. Was hat sich seither<br />

da entwickelt?<br />

M: Seither ist einiges gewachsen. Damals<br />

war es noch mehr Idee und Konzept.<br />

Mittlerweile haben wir das Land gekauft.<br />

Es haben ungefähr 40 Menschen<br />

Geld zusammengelegt in Form dieses<br />

neuen Finanzierungssystems „Vermögenspool“.<br />

Das hat derzeit ein Volumen<br />

von 800.000 Euro. Der gemeinsame Gemüse-<br />

und Gartenbau hat sich dauerhaft<br />

etabliert. Das sind sehr unterschiedliche<br />

Leute, aus den verschiedensten Kreisen,<br />

die sich im Garten treffen und teils gemeinsame,<br />

teils private Flächen bebauen.<br />

Es sind Menschen aus dem Ort, Leute<br />

aus dem Umfeld von unserem Wohnprojekt<br />

hier, dann Leute aus dem Kreis der<br />

<strong>Lernwerkstatt</strong> und einzelne andere Leute,<br />

wie zum Beispiel ein ca. 75 jähriger Ex-<br />

Lebenspartner der verstorbenen Mutter<br />

einer Freundin unseres Projektes aus<br />

Wien. Der fährt immer von Wien heraus<br />

zu seinem Gartenfeld. Das ist für ihn die<br />

Möglichkeit, Anschluss zu haben.<br />

Wir haben heuer auch mit dem ersten<br />

Holz-Strohballen-Lehmbau begonnen.<br />

Der Rohbau ist bald fertig. Da hat sich ein<br />

Kreis von Freiwilligen rund um Gerhard<br />

Scherbaum und Paul Adrian Schulz, zwei<br />

sehr engagierte Strohballen-Lehm-Bau-<br />

Instrukteure, gebildet. Das Prinzip ist,<br />

mit einfachen und naturnahen Mitteln<br />

Wohnraum zu schaffen. Zur Weitergabe<br />

des Know-how dieser Art des Bauens<br />

haben sie den Verein „EGB – Einfach gemeinsam<br />

Bauen“ gegründet.<br />

Ich habe auch von ähnlichen<br />

Projekten gelesen, mitunter von<br />

dem „Ökodorf sieben Linden“ in<br />

Deutschland, das ja schon in den<br />

1980ern und 90ern gegründet wurde.<br />

Das hat mittlerweile eine Dimension<br />

von über 140 Bewohnern.<br />

Ist so etwas eine Art Vorbildprojekt,<br />

auch vom organisatorischen<br />

System her?<br />

M: Eigentlich haben wir keine definierten<br />

Vorbildprojekte. Aber wir sind sicher<br />

durch eine Vielzahl von anderen Projekten<br />

inspiriert. Unser Projekt finanziert<br />

sich über den sogenannten Vermögenspool,<br />

was mir aus anderen Projekten<br />

nicht bekannt wäre. Hier können Menschen<br />

Kapital einbringen und wieder<br />

herausnehmen, unabhängig davon, was<br />

mit dem Kapital finanziert wird. Wenn<br />

z.B. jemand eine Wohnung von 100m2<br />

Fläche mit einem Wert von 220.000<br />

Euro bewohnt, so ist er weder verpflichtet,<br />

das gesamte Kapital aufzubringen,<br />

noch Schulden mit Zinsen zu bedienen.<br />

Es gibt eine Vereinbarung, wie viel man<br />

beisteuert. Dies entspricht vor allem<br />

der Abnutzung der Wohnung und den<br />

Betriebskosten. Es soll also beigetragen<br />

werden, den Wert zu erhalten. Aber was<br />

die Liquidität des Vermögenswertes betrifft,<br />

da ist man nur verpflichtet, eigenes<br />

Vermögen, das man nicht nutzt, was<br />

sonst auf der Bank liegen würde, in diesen<br />

Vermögenspool zu geben und dort<br />

selber anzusparen. Andere, die vorher<br />

schon Geld hineingegeben haben, können<br />

Geld dann wieder herausnehmen.<br />

So schließt sich der Kreislauf.<br />

So nach dem Prinzip „Nimm was du<br />

brauchst und gib was du kannst“?<br />

M: Ja, das ist im Garten der Generationen<br />

ein Grundprinzip. Eher weg vom Tauschen:<br />

„Was krieg ich und was geb ich?“<br />

Mehr freies Einbringen. Beim Vermögenspool<br />

besteht eine gewisse Verantwortung,<br />

dass dieser Fluss in Gang bleibt.<br />

Dieses Konzept hat sich mittlerweile sehr<br />

etabliert und bewährt.<br />

Zur Zufriedenheit aller, oder gibt es<br />

welche, die unzufrieden sind, weil<br />

sie mehr eingebracht haben?<br />

M: Das haben wir entkoppelt. Die Hälfte<br />

der Menschen, die in den Vermögenspool

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!