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Interview & 6 EURORIDING Vor über 30 Jahren haben Sie schon an Olympischen Spielen teilgenommen. Was hat sich seit damals verändert in der Dressurreiterei? Die Ausbildung, die wir damals genossen, war sehr präzise und systematisch aufgebaut. Wir hatten gute ehrliche Pferde zur Verfügung, aber vom Vermögen her waren sie im internationalen Vergleich einfach nicht ausreichend. Man musste halt das Beste aus dem machen, was man bekam.* Heute verläuft in der Ausbildung alles schneller. Zudem hat sich die Zucht enorm weiter entwickelt. Mit den Pferden Fotos: Jacques Toffi An höhere Dressur-Lektionen wie Piaffe und Passage kommt man nicht heran, wenn es in der Grundausbildung mangelt. Woran man das erkennt, erklärt Reitmeister Wolfgang Müller im Gespräch mit Euroriding News. von damals könnte man heute nicht mehr vorn mitreiten. Reiterlich musste man bei Lektionen wie fliegenden Galoppwechseln, Passagen und Piaffen mehr aus den Pferden herausholen als heute. *) Das Pferdezuchtziel der DDR konzentrierte sich auf den Freizeitbereich. Dadurch bestand keine Aussicht auf eine Goldmedaille im internationalen Leistungsvergleich. Dies war jedoch die Zielvorgabe, und so beschloss der Ministerrat der DDR 1973, den kostenintensiven Pferdesport von der internen Liste der Olympischen Sportarten zu streichen und die Förderung einzustellen. Das einzige vorhandene Dressur- Trainingszentrum wurde aufgelöst. Grundausbildung ist das A und O Was sind die häufigsten Fehler, die Ihnen als Ausbilder immer wieder begegnen? Die Grundausbildung! Viele Leute kaufen sich aus Unkenntnis teure Pferde, die in Verkaufsställen professionell vorgestellt werden. Aber die Käufer haben nicht das Vermögen, sie entsprechend nachzureiten. Mitunter werden die Pferde auch hochgepowert vorgestellt, aber die Durchlässigkeit ist in Wahrheit gleich Null. An höhere Lektionen wie Piaffe und Passage kommt man nicht heran, wenn es in der Grundausbildung mangelt. Ein Pferd muss sich zusammenstellen lassen, halbe Paraden annehmen ... Das muss ein Spiel wie mit einer Ziehharmonika sein. Beim Reiter sieht man häufig schlecht gerittene Hufschlagfiguren. Man darf das Pferd nicht einfach laufen lassen, sondern muss es vorwärts reiten, stellen, biegen; jede Ecke aktiv reiten. Klappt im A/L-Bereich alles sauber, ergibt sich das Weitere fast von allein. Wichtig ist beim Reiter auch die Kopfarbeit, das Vorbereiten der Aufgaben. Manche Reiter können nicht allein arbeiten, brauchen immer jemanden der unten steht und Anweisungen gibt. Konzeptionsloses Reiten bringt jedoch nicht weiter. Und in den Klassen M und S? Dort sieht man häufig Fehler in den Seitengängen, oftmals Taktstörungen. Das lässt sich auch wieder auf die Grundausbildung zurückführen, nämlich auf Mängel in der Durch- lässigkeit und im sich-Biegenlassen. Ein weiterer Punkt sind die fliegenden Galoppwechsel. Nach meiner Meinung sollte in der Einführungsphase immer jemand unten stehen, um das saubere Umspringen zu kontrollieren. Die Einführung ist für mich keine Frage des Pferdealters. Wir beginnen damit bereits bei unseren 5-jährigen Pferden, denn auf der Koppel bringen sie es ja auch. Die Voraussetzung ist dann gegeben, wenn das Pferd sauberen Außengalopp und akkurate Übergänge Schritt – Galopp – Schritt beherrscht. Die Erfahrung hat uns gelehrt, in der Einführungsphase nicht zu viel zu verlangen, sich zunächst mit wenigen Wechseln zufrieden zu geben. Ein weiterer Punkt ist das Setzen für die Pirouetten. Eigentlich ist es nicht viel anders als eine Parade vom Galopp zum Halten. Der Reiter muss sich gut in die Bewegung hineinsetzen. Durch die Fliehkraft geraten jedoch viele Reiter nach außen, was das Pferd aus dem Gleichgewicht bringt. Und auch hier spielt wieder die Durchlässigkeit, das Annehmen der Parade eine zentrale Rolle. Wenn Sie in den letzten Jahren Berittpferde angenommen haben, was war deren häufigstes Problem? Das waren oftmals Pferde, mit denen die Besitzer nicht mehr klar kamen. Fest im Rücken und in der Hand, hängende Galoppwechsel etc. Da fehlte die Durchlässigkeit und es galt, erst mal wieder an das Pferd
„heran zu kommen“, es auf seine Seite zu bringen. Das bedeutet für uns: Raus aus der Reithalle, viel ins Gelände, um das Pferd im Kopf wieder klar zu kriegen. Dressur kann man auch auf einer Wiese reiten. Unser Prinzip ist es, die Pferde zweimal täglich zu beschäftigen: einmal arbeiten und einmal spazierenreiten oder -führen. Aber auch beim Spazierenreiten achte ich auf taktreinen Schritt oder Trab. In der Regel dauert es zwei bis drei Monate, bis mit solchen Korrekturpferden wieder ein Vertrauensverhältnis aufgebaut ist und man kooperativ arbeiten kann. Das ist der Knackpunkt, alles weitere ist dann kein großes Problem mehr. Stichwort Turnierrichter: Was würden Sie sich wünschen? Erst kürzlich habe ich in alten Fachzeitschriften aus den vergangenen 30-er Jahren geblättert. Schon damals ging es darum, dass Dressurrichter die Oeinen Reiter lieber sahen als andere und bei internationalen Wettbewerben die eigene Nation hochgepunktet haben. Dieses Thema existiert schon so lange wie es die turniermäßige Dressurreiterei gibt. Ich würde mir wünschen, dass es beim Richten weniger um Politik, weniger um Namen geht. Wenn in den unteren Klassen gerichtet wird und sich die Punkte immer im Mittelfeld bewegen, mag mitunter auch Unsicherheit in der Bewertung dahinter stehen; bei sehr großen Teilnehmerfeldern sicher auch eine Ermüdung der Richter. Das ist bei den Teilnehmerzahlen auch kein Wunder. Frustriert Sie das nicht? Wer das nicht vertragen kann, muss die Bügel kürzer schnallen und Springen reiten! „ Wer das nicht vertragen kann, muss die Bügel kürzer schnallen und Springen reiten!“ Wie sehen Sie die Eigenschaft eines Reiters, selbstkritisch an sich zu arbeiten? Vor rund 40 Jahren fragte mich einmal Oberst Kopenhagen, nachdem er mich zehn Jahre ausgebildet hatte: „Müller, können Sie reiten?“ Ich hatte zu diesem Zeitpunkt bereits S-Springen und fünf DDR-Meister-Titel im Dressurreiten gewonnen, und antwortete mit „Ja.“ Darauf er: „Wenn Sie einmal 60 geworden sind, werden Sie feststellen, dass Sie immer noch nicht reiten können!“ Egal auf welchem Niveau man sich befindet, man kann immer noch dazu lernen, ausprobieren, Anregungen mitnehmen. Interview: Beate Uhlenbrok Reitmeister Wolfgang Müller aus Löbnitz wurde 1969 Mannschafts-Vizeeuropameister, errang 1970 bei der WM Mannschafts-Bronze, erreichte bei den Olympischen Spielen 1968 den vierten und 1972 den fünften Platz mit der Mannschaft, ist 11facher DDR-Meister Dressur und war auch im Springsattel bis Klasse S erfolgreich. Noch heute arbeitet der jetzt 72-Jährige täglich Dressurpferde auf höchstem Niveau. EURORIDING 7
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