24.05.2014 Aufrufe

Artikel als PDF - Pilot und Flugzeug

Artikel als PDF - Pilot und Flugzeug

Artikel als PDF - Pilot und Flugzeug

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Archivauszug<br />

Ausgabe 2012/01<br />

Erstellt für: Nutzer EDFE<br />

Seiten: 14<br />

Zur freien Verwendung<br />

<strong>Pilot</strong> <strong>und</strong> <strong>Flugzeug</strong> ist ein unabhängiges Fachmagazin für engagierte <strong>Flugzeug</strong>halter <strong>und</strong> <strong>Pilot</strong>en von Singles, Twins,<br />

Turboprops <strong>und</strong> Businessjets. Es erscheint monatlich <strong>und</strong> beschäftigt sich primär mit der Allgemeinen Luftfahrt in Europa.<br />

Herausgeber:<br />

Airwork Press GmbH<br />

Flugplatz 2<br />

D-63329 Egelsbach<br />

Telefon: +49 (0) 6103 8314 188<br />

Telefax: +49 (0) 611 4465 2639<br />

E-Mail: abo@pilot<strong>und</strong>flugzeug.de<br />

www.pilot<strong>und</strong>flugzeug.de<br />

Nachdruck <strong>und</strong> Vervielfältigung nur mir Genehmigung der Airwork Press GmbH<br />

Copyrights by Jeppesen Airway Manual Services Flight Information, Frankfurter Strasse 233, 63263 Neu-Isenburg.<br />

Copyrights non-navigational maps by Central Intelligence Agency, Office of Public Affairs, Washington, DC 20505


Nebel <strong>und</strong> Alkohol<br />

Unfallanalyse<br />

Nebel <strong>und</strong> Alkohol<br />

Der Unfall einer King Air F90 am<br />

7. Dezember 2009 beim Landeanflug<br />

in Egelsbach zeigt eine Anzahl<br />

kritischer Aspekte im Flugbetrieb <strong>und</strong> am<br />

Boden auf. Vom Alkoholeinfluss auf die<br />

Besatzung über f<strong>als</strong>che <strong>und</strong> irreführende<br />

Informationsunterlagen des Flugplatzunternehmers<br />

bis zum Umgang mit kritischen<br />

Wetterlagen am selbsternannten<br />

„Frankfurt-Egelsbach Airport“, der doch<br />

nur ein reiner VFR-Platz ist.<br />

Die in Egelsbach (EDFE) beheimatete King<br />

Air F90 war um kurz nach drei Uhr Lokalzeit<br />

in Bremen mit dem Ziel Egelsbach gestartet.<br />

An Bord waren drei Personen. Vorn<br />

links der 61 Jahre alte Halter, der <strong>als</strong> <strong>Pilot</strong><br />

in Command fungierte, rechts ein ebenfalls<br />

King Air gerateter <strong>Pilot</strong> (56 Jahre), der den<br />

Funkverkehr durchführte, <strong>und</strong> hinten ein weiterer<br />

Passagier. Die drei Männer waren am<br />

Morgen des gleichen Tages in EDFE aufgebrochen<br />

<strong>und</strong> zunächst nach Hamburg <strong>und</strong><br />

dann weiter nach Bremen geflogen.<br />

Das <strong>Flugzeug</strong> führte den sogenannten HPA-<br />

Anflug, einen (dam<strong>als</strong>) über drei Wegpunkte<br />

geführten Sichtanflug, durch, der praktisch<br />

aus einem sehr langen Endanflug von<br />

Aschaffenburg direkt zur Piste 27 besteht. Um<br />

16:13 meldete die Crew der King Air „Victor<br />

Mike Charlie“, <strong>als</strong>o Sichtflugbedingungen.<br />

Die King Air war zu diesem Zeitpunkt noch<br />

knapp 3.000 ft MSL hoch <strong>und</strong> vollzug unmittelbar<br />

danach den Flugregelwechsel von<br />

IFR nach VFR. Es folgte ein relativ steiler<br />

Sinkflug <strong>und</strong> die Aufforderung an die Crew,<br />

das Passieren von 1.500 ft zu melden (= Verlassen<br />

des Luftraum C Frankfurt). 5,5 NM von<br />

der Schwelle entfernt zeichnete das Radar<br />

eine Höhe der King Air von 1.800 ft MSL auf,<br />

das sind gut 1.400 ft über dem Flugplatz,<br />

das alles bei einer Gro<strong>und</strong>speed (schwacher<br />

Wind) von 180 Knoten. Um 16:15:06<br />

Uhr Lokalzeit passierte die King Air 1.500 ft<br />

<strong>und</strong> setzte den Einleitungsanruf an Egelsbach<br />

Info ab. Dieser wurde von der Flugleitung<br />

mit einem Hinweis auf eine seitliche Ablage<br />

von der Anfluggr<strong>und</strong>linie <strong>und</strong> der Meldung<br />

„Lights and Flashes are on“ beantwortet.<br />

Die Wetterlage am Platz wurde mit 5 km<br />

Sicht, few 500, scattered 1.000 <strong>und</strong> broken<br />

25.000 ft sowie 6°/6° aufgezeichnet.<br />

Unmittelbar im Osten aber, <strong>als</strong>o in dem<br />

Sektor aus dem die King Air anflog, lag eine<br />

Nebelbank mit aufliegenden Untergrenzen<br />

<strong>und</strong> einer Dicke von ca. 100 bis 200 Fuß. Die<br />

Besatzungsmitglieder des in Egelsbach stationierten<br />

Polizeihubschraubers beschrieben<br />

die Wetterlage zum Zeitpunkt des Absturzes<br />

wie folgt:<br />

[...] Am Platz selbst waren die<br />

Sichtflugbedingungen völlig unproblematisch,<br />

nach Süden war keine relevante<br />

Bewölkung sichtbar. Nach Osten hin<br />

begann unmittelbar nach Überfliegen<br />

100 <strong>Pilot</strong> <strong>und</strong> <strong>Flugzeug</strong> 2012/01


Nebel <strong>und</strong> Alkohol<br />

Unfallanalyse<br />

des Gewerbegebietes Egelsbach <strong>und</strong><br />

der B<strong>und</strong>esstraße 3 aber eine ausgedehnte<br />

Nebellage. [...] Die Lage begann<br />

unmittelbar in Baumwipfelhöhe <strong>und</strong> war<br />

geschätzt ca. 100 bis 200 Fuß mächtig.<br />

Sie verhinderte völlig die Sicht nach<br />

Osten. [...] Dies war nur im langsamsten<br />

Schwebeflug unmittelbar über den<br />

Baumwipfeln möglich. Die Sichtweite<br />

betrug im Wechsel zwischen 50 <strong>und</strong><br />

maximal ca. 150 Metern. Um den<br />

Hubschrauber <strong>und</strong> darüber befand sich<br />

die besagte Nebelschicht. Durch diese<br />

konnte man kurzzeitig nach oben<br />

blaue Flecken erkennen, im Großen <strong>und</strong><br />

Ganzen war sie aber kompakt <strong>und</strong> geschlossen.<br />

[...]<br />

Solche Bedingungen mit kleinräumig sehr<br />

scharf abgegrenzten Unterschieden bei Sicht<br />

<strong>und</strong> Untergrenze sind insbesondere im Winter<br />

typisch für den Flugplatz Egelsbach. Jeder<br />

dort längere Zeit im Winter tätige <strong>Pilot</strong> kennt<br />

sie.<br />

Um 16:16:03 Uhr meldete die Flugleitung<br />

an die King Air „coming up on center line“,<br />

was von der King Air mit dem Rufzeichen<br />

bestätigt wurde, anschließend meldete der<br />

Flugleiter „You are now on center line“, was<br />

von der Besatzung ebenfalls bestätigt wurde.<br />

Zu diesem Zeitpunkt war das <strong>Flugzeug</strong><br />

gemäß Radar noch 800 bis 900 ft MSL hoch.<br />

Der Flugplatz Egelsbach ist 385 ft hoch, das<br />

Gelände steigt im östlichen Anflugsektor auf<br />

bis zu 700 ft an.<br />

Unfallstelle 1,8 NM vor der Schwelle zur Piste 27. Die Unfallstelle ist 620 ft hoch (mit Bäumen 700 ft)<br />

der Platz liegt auf 385 ft MSL.<br />

<strong>Pilot</strong> <strong>und</strong> <strong>Flugzeug</strong> 2012/01<br />

101


Nebel <strong>und</strong> Alkohol<br />

Unfallanalyse<br />

Zwei Sek<strong>und</strong>en nach der letzten Bestätigung<br />

durch die King Air forderte die Flugleitung<br />

die Besatzung auf: „Check your altitude.“<br />

Die Radardaten zeigten 700 ft Höhe an, was<br />

in etwa der Höhe der Baumwipfel an der<br />

Unfallstelle entsprach. Danach gab es keine<br />

weiteren Radaraufzeichnungen von der<br />

King Air mehr. Weitere Funksprüche der<br />

Flugleitung wurden auch nicht mehr beantwortet.<br />

Die Alarmierung der Rettungskräfte erfolgte<br />

um 16:38 Uhr durch die Flugleitung<br />

Egelsbach. In einem Waldstück 1,8 NM östlich<br />

des Flugplatzes wurde das brennende<br />

Wrack gef<strong>und</strong>en.<br />

Zwei der Insassen kamen beim Auf prall<br />

ums Leben, der dritte starb an Rauchgasvergiftung.<br />

Das Wrack wies einen sehr hohen<br />

Zerstörungsgrad auf, die Leichen konnten<br />

wegen des Feuers erst am nächsten Morgen<br />

geborgen werden.<br />

Unfallstelle <strong>und</strong> Aufnahmen des Wracks. Der<br />

hohe Zerstörungsrad machte eine technische<br />

Untersuchung der King Air schwierig.<br />

<br />

Bilder: BFU<br />

Untersuchung<br />

Außer der Anflugrichtung <strong>und</strong> dem Betriebszustand<br />

der Triebwerke ließ das stark zerstörte<br />

Wrack kaum Rückschlüsse zu. Die King<br />

Air flog beim Aufprall mit einem Track von<br />

ca. 259 Grad, was etwa dem Endanflugkurs<br />

zur Piste 27 (265°) entspricht. Die Triebwerke<br />

gaben Schub ab. Hinweise auf eine technische<br />

Störung fanden sich nicht. Eine<br />

Untersuchung von GPS-Empfänger oder<br />

ein Ablesen der Instrumente war nicht mehr<br />

möglich. Ein etwaig auf Standard-Einstellung<br />

1013 hpa belassener Höhenmesser hätte angesichts<br />

des aktuellen QNHs von 1012 hpa<br />

aber auch nur eine Abweichung von 27 ft<br />

zur Folge gehabt.<br />

102 <strong>Pilot</strong> <strong>und</strong> <strong>Flugzeug</strong> 2012/01


Nebel <strong>und</strong> Alkohol<br />

Unfallanalyse<br />

Die Untersuchungen der BFU konzentrierten<br />

sich folglich auf die betrieblichen Aspekte<br />

<strong>und</strong> die Obduktion der Besatzung.<br />

Die beiden vorne sitzenden PPL-<strong>Pilot</strong>en waren<br />

ausgebildete King-Air-Flieger mit gültiger<br />

Musterberechtigung (Type Rating) für<br />

die BE90. Der links sitzende 61-jährige PIC<br />

verfügte über eine Gesamtflugerfahrung von<br />

2.200 St<strong>und</strong>en, war in den letzten 90 Tagen<br />

ca. 16 St<strong>und</strong>en mit der King Air geflogen <strong>und</strong><br />

besaß zusätzlich noch Musterberechtigungen<br />

für die PA31/42 <strong>und</strong> C525. Sein letzter Checkflug<br />

auf der BE90 lag gerade mal drei Wochen<br />

zurück. Allerdings war sein PPL selbst fünf<br />

Wochen zuvor abgelaufen. Es fehlte die ZUP,<br />

die freilich auf die fliegerische Qualifikation<br />

eines <strong>Pilot</strong>en denkbar wenig Einfluss hat.<br />

Damaliges HPA-Anflugverfahren in Egelsbach<br />

<strong>und</strong> Übersicht über den Flugplatz von<br />

West nach Ost. Der Anstieg im Gelände im<br />

Final zur Piste 27 ist mit bloßem Auge kaum<br />

erkennbar.<br />

<br />

Bild: HFG. Karte: DFS<br />

<strong>Pilot</strong> <strong>und</strong> <strong>Flugzeug</strong> 2012/01<br />

103


Nebel <strong>und</strong> Alkohol<br />

Unfallanalyse<br />

Auszug aus der Broschüre der Hessischen Flugplatz GmbH Egelsbach „Frankfurt-Egelsbach Operations<br />

for High Performance Aircraft / How to get there and away again“. Der für das letzte Segment angegebene<br />

Sinkfluggradient von 150 ft/NM ist unrichtig <strong>und</strong> führt 4 NM vor der Schwelle in den Boden. Er entspräche<br />

dem Sinkflugprofil, wenn Egelsbach auf MSL läge. Der Platz liegt aber 385 ft hoch. Die Broschüre stammt<br />

aus dem Jahr 2008 <strong>und</strong> wurde nach dem Unfall zunächst geändert <strong>und</strong> dann komplett zurückgezogen.<br />

<br />

Quelle: HFG<br />

Auch der rechts sitzende 56 Jahre alte<br />

PPL-<strong>Pilot</strong>, der den Funkverkehr durchführte<br />

<strong>und</strong> von der BFU <strong>als</strong> Passagier bezeichnet<br />

wird, besaß ein BE90 Rating. Über seine<br />

Flugerfahrung macht die BFU keine Angaben.<br />

Er hatte die Musterberechtigung ein halbes<br />

Jahr zuvor erworben.<br />

Über das <strong>Flugzeug</strong> selbst gab es wenig zu<br />

berichten, außer der Tatsache, dass der<br />

BFU vom zuständigen Werftbetrieb zwei<br />

Nachprüfscheine vorgelegt wurden. Zunächst<br />

einer mit Gültigkeit bis Oktober 2009 <strong>und</strong><br />

dann einer mit Gültigkeit bis Dezember 2009.<br />

Die BFU schreibt dazu:<br />

Nach Zeugenanhörungen im oben<br />

genannten Betrieb wurde ein zweiter<br />

Nachprüfschein von diesem an die<br />

BFU ausgehändigt mit Ablaufdatum<br />

Dezember 2009. Da der zweite Nachprüfschein<br />

erst nach den Zeugenanhörungen<br />

im LTB an die BFU<br />

übergeben wurde, bestehen Zweifel<br />

an dessen Gültigkeit.<br />

104 <strong>Pilot</strong> <strong>und</strong> <strong>Flugzeug</strong> 2012/01


Nebel <strong>und</strong> Alkohol<br />

Unfallanalyse<br />

Welcher Schein letztendlich Gültigkeit<br />

hatte, ließ sich nicht zweifelsfrei ermitteln.<br />

Es ergaben sich jedoch keinerlei Hinweise<br />

auf technische Mängel an der Turboprop.<br />

Minuten vor dem Tod herrührte. Mit anderen<br />

Worten: Es handelte sich nicht um das<br />

Glas Wein oder das Bier zum Mittagessen.<br />

Alle drei Insassen hatten auf dem Flug von<br />

Bremen nach Egelsbach geringe Mengen<br />

Alkohol zu sich genommen.<br />

Aufschlussreicher war die Obduktion der<br />

drei Insassen. Zunächst wurde am PIC<br />

eine Konzentration eines Anti-Parkinson-<br />

Mittels <strong>und</strong> eines weiteren Mittels (Levodopa<br />

<strong>und</strong> Amantadin) festgestellt. Die exakte<br />

Konzentration <strong>und</strong> damit womöglich<br />

Leistungsminderung ließ sich jedoch nicht<br />

mehr so ohne Weiteres bestimmen:<br />

Die toxikologischen Bef<strong>und</strong>e müssen<br />

allerdings vorsichtig interpretiert werden.<br />

Ein möglicher Einfluss der thermischen<br />

Belastung oder anderer Faktoren<br />

auf die postmortale Verteilung von<br />

Amantadin kann nicht ausgeschlossen<br />

werden, insbesondere da, wie oben angeführt,<br />

das Konzentrationsverhältnis<br />

von Blut zu Leber nicht mit vergleichbaren<br />

Fällen übereinstimmt. Bei der gemessenen<br />

Leberkonzentration wären<br />

deutlich geringere Konzentrationen im<br />

Blut zu erwarten, die dann im therapeutischen<br />

Bereich liegen würden.<br />

Anders verhielt es sich bei der Untersuchung<br />

auf Alkohol. Beim <strong>Pilot</strong>en wurde ein Blutalkoholgehalt<br />

von 0,25 Promille festgestellt,<br />

beim Copiloten von 0,21 Promille<br />

<strong>und</strong> beim Passagier von 0,41 Promille. Aufschlussreich<br />

dabei: Aufgr<strong>und</strong> des Konzentrationsverhältnisses<br />

zwischen Blut <strong>und</strong><br />

Urin konnte ermittelt werden, dass der<br />

Blutalkoholgehalt von einem „geringen aber<br />

aktuellen Konsum“ innerhalb der letzten 30<br />

Betriebliche Aspekte:<br />

Das Anflugverfahren<br />

Der Anflug nach Egelsbach von Osten her<br />

wurde über das HPA-Verfahren durchgeführt,<br />

mit dem große <strong>und</strong> schnelle <strong>Flugzeug</strong>e anstatt<br />

über die Platzr<strong>und</strong>e in einem langen<br />

Endanflug zur Piste 27 geführt werden. Dam<strong>als</strong><br />

gültig waren drei Wegpunkte: Hotel 1,<br />

Hotel 2 <strong>und</strong> Hotel 3.<br />

Das Verfahren begann am Wegpunkt Hotel 1,<br />

ca. 2 NM nördlich des Flugplatzes Aschaffenburg,<br />

<strong>und</strong> führte mit 265° (M) zu Wegpunkt<br />

Hotel 2, der genau auf der Grenze zwischen<br />

der östlichen Untergrenze des Luftraum C<br />

von 3.500 ft <strong>und</strong> dem westlichen Bereich<br />

mit 1.500 ft Untergrenze lag, <strong>und</strong> dann weiter<br />

zum optionalen Wegpunkt Hotel 3, von<br />

dem aus noch ca. 4 NM zur Schwelle 27 zurückzulegen<br />

waren.<br />

In einer nicht zur AIP gehörigen Veröffentlichung<br />

des Flugplatzes Egelsbach, einer Art<br />

Briefingmappe für anfliegende Besatzungen:<br />

„Frankfurt-Egelsbach Operations for High<br />

Per formance Aircraft / How to get there and<br />

away again“, die seit Februar 2008 auf der<br />

Internetseite des Flugplatzes zum Download<br />

bereitstand, wurde auch das Sinkflugprofil für<br />

diese Segmente erläutert. Für den Weg von<br />

Hotel 2 bis zur Schwelle gab die Veröffentlichung<br />

einen Sinkfluggradienten von 150<br />

ft/NM an. Der Wert ist jedoch f<strong>als</strong>ch. Er wä­<br />

<strong>Pilot</strong> <strong>und</strong> <strong>Flugzeug</strong> 2012/01<br />

105


Nebel <strong>und</strong> Alkohol<br />

Unfallanalyse<br />

Aufgr<strong>und</strong> der erhöhten Anforderungen<br />

vor allem an die Verarbeitung von<br />

Sinneseindrücken wirkt sich Alkohol<br />

im Cockpit sehr viel schneller aus <strong>als</strong><br />

im normalen zweidimensionalen Leben<br />

oder im Auto.<br />

re richtig, wenn Egelsbach auf MSL läge.<br />

Egelsbach liegt jedoch 385 ft hoch. Daher<br />

führt der angegebene Gradient etwa 4 NM<br />

vor der Schwelle in den Boden.<br />

Für den Unfall dürfte dieser Umstand jedoch<br />

ohne Bedeutung gewesen sein, denn der<br />

Anflugweg der King Air war ohnehin sehr viel<br />

steiler <strong>als</strong> der in der Veröffentlichung empfohlene<br />

Sinkfluggradient. Die Veröffentlichung<br />

wurde seitens des Fluglatzbetreibers in der<br />

Folge zunächst geändert <strong>und</strong> inzwischen<br />

komplett zurückgezogen.<br />

Der von der BFU rekonstruierte Anflugweg<br />

der King Air zeigt lateral einen durchgängig zu<br />

weit nördlich angelegten Flugweg <strong>und</strong> vertikal<br />

ab der IFR-Cancellation ca. über Hotel 2<br />

einen Sinkflug von zunächst 275 ft/NM,<br />

<strong>als</strong>o etwa 1.000 ft/min. Danach wurde die<br />

Fluggeschwindigkeit bei Erreichen von 1.400 ft<br />

deutlich von 190 auf 140 Knoten verlangsamt.<br />

Der letzte Abschnitt des Sinkflugs begann<br />

hinter dem Punkt Hotel 3 <strong>und</strong> führte<br />

von 1.400 ft bis zur Unfallstelle auf ca. 700 ft<br />

Höhe. Auf dem ca. eine Meile langen Teilstück<br />

vom Beginn des Sinkflugs bis zur Unfallstelle<br />

sank die King Air bei 130 Knoten radarermittelter<br />

Gro<strong>und</strong>speed <strong>als</strong>o<br />

mit r<strong>und</strong> 1.400 ft/min.<br />

Das im BFU-Bericht dargestellte<br />

Vertikalprofil deckt<br />

sich hier nach unserer<br />

Inter pretation nicht exakt<br />

mit den Radardaten, da<br />

der Flugweg von Hotel 3<br />

zur Unfallstelle im Vertikalprofil<br />

<strong>als</strong> mehr oder minder kontinuierlicher<br />

Sinkflug dargestellt ist <strong>und</strong> die Phase des<br />

Geschwindigkeitsabbaus in 1.400 ft nicht<br />

berücksichtigt wird. Der Sinkflug aus 1.400 ft<br />

begann erst knapp 2,8 NM vor der Schwelle<br />

bzw. 1 NM vor der Unfallstelle <strong>und</strong> nicht –<br />

wie im Vertikalprofil dargestellt – vier Meilen<br />

von der Piste entfernt.<br />

Aus der seitlichen Ablage heraus kann man<br />

auch schließen, dass für den Anflug keine<br />

Navigationshilfen wie das Platz-NDB oder<br />

GPS genutzt wurden.<br />

Beurteilung<br />

Zur Leistungsfähigkeit der Besatzung hält<br />

die BFU fest:<br />

Resultierend aus dem Alkohol- <strong>und</strong><br />

Medikamenteneinfluss kann durchaus<br />

von Unkonzentriertheit <strong>und</strong><br />

Verminderung der Leistungsfähigkeit<br />

ausgegangen werden, wie auch in der<br />

NfL II 24/98 beschrieben wird.<br />

Das Situationsbewusstsein des <strong>Pilot</strong>en<br />

während des Anfluges war zumindest<br />

in Bezug auf die Flughöhe <strong>und</strong><br />

Entfernung zum Flugplatz unzureichend.<br />

Die Gründe hierfür liegen mit<br />

hoher Wahrscheinlichkeit im Konsum<br />

von Alkohol <strong>und</strong> daraus resultierendem<br />

Blutalkoholgehalt von 0,25 0 /00.<br />

106 <strong>Pilot</strong> <strong>und</strong> <strong>Flugzeug</strong> 2012/01


Nebel <strong>und</strong> Alkohol<br />

Unfallanalyse<br />

Oben: Die verschiedenen Anflugprofile auf dem damaligen HPA-Verfahren. Der vom Flugplatzunternehmer<br />

in der Broschüre vorgeschlagene Weg (cyan) führt in den Boden. Die King Air folgte diesem Vorschlag<br />

aber ohnehin nicht (rot). Der aufgetragene Flugweg der King Air deckt sich nach unserer Ansicht aber<br />

auch nicht mit den Radardaten (unten). Diese zeigen nach dem Wegpunkt Hotel 3 zunächst einen Leveloff<br />

<strong>und</strong> eine Verlangsamung auf 130 Knoten, bevor dann später ein sehr viel steilerer Sinkflug begann, <strong>als</strong><br />

im Vertikalprofil zu erkennen ist. Quelle: BFU, DFS, farbliche Ergänzungen unten durch P&F<br />

<strong>Pilot</strong> <strong>und</strong> <strong>Flugzeug</strong> 2012/01<br />

107


Nebel <strong>und</strong> Alkohol<br />

Unfallanalyse<br />

Die Ermittler führen am Ende folgende Ursachen<br />

<strong>und</strong> Faktoren auf:<br />

Der Unfall ist auf den Sinkflug im<br />

Endanflug, der in eine Nebelschicht <strong>und</strong><br />

in Hindernisse führte, zurückzuführen.<br />

Zum Unfall haben beigetragen:<br />

- eine zu hohe Sinkgeschwindigkeit,<br />

- eine durch Alkoholeinfluss begünstigte<br />

verminderte Leistungsfähigkeit<br />

<strong>und</strong> unzureichendes Situationsbewusstsein,<br />

- dass kein visueller Kontakt zur PAPI<br />

oder zum Flugplatz bestand,<br />

- dass die verfügbaren Navigationshilfen<br />

an Bord nicht ausreichend<br />

oder gar nicht genutzt wurden.<br />

Kommentar<br />

Alkohol beim Fliegen gehört zu den gerne<br />

totgeschwiegenen Themen sowohl in der gewerblichen<br />

wie auch in der privaten Luftfahrt.<br />

§1 Abs. 3 LuftVO hält dazu klipp <strong>und</strong> klar fest:<br />

Wer infolge des Genusses alkoholischer<br />

Getränke oder anderer berauschender<br />

Mittel oder infolge geistiger oder körperlicher<br />

Mängel in der Wahrnehmung<br />

der Aufgaben <strong>als</strong> Führer eines<br />

Luftfahrzeugs oder sonst <strong>als</strong> Mitglied<br />

der Besatzung behindert ist, darf kein<br />

Luftfahrzeug führen <strong>und</strong> nicht <strong>als</strong> anderes<br />

Besatzungsmitglied tätig sein.<br />

EU-OPS 1 1.085(d) macht‘s für den gewerblichen<br />

Verkehr ähnlich <strong>und</strong> schreibt vor, dass<br />

ein Besatzungsmitglied nicht tätig werden<br />

darf:<br />

1. während es unter dem Einfluss irgendeines<br />

berauschenden Mittels<br />

oder Medikaments steht, das seine<br />

Fähigkeiten in sicherheitsgefährdender<br />

Weise beeinträchtigen könnte,<br />

2. nach einem Tieftauchgang, außer<br />

wenn danach ein angemessener<br />

Zeitraum verstrichen ist,<br />

3. nach einer Blutspende, außer wenn<br />

danach ein angemessener Zeitraum<br />

verstrichen ist,<br />

4. wenn die geltenden medizinischen<br />

Anforderungen nicht erfüllt sind oder<br />

wenn es daran zweifelt, die ihm übertragenen<br />

Aufgaben erfüllen zu können,<br />

oder<br />

5. wenn es weiß oder vermutet, dass es<br />

so ermüdet ist oder sich derart unwohl<br />

fühlt, dass der Flug gefährdet<br />

werden kann.<br />

Die früher mal in JAR-OPS 1 festgelegten<br />

<strong>und</strong> vielen <strong>Pilot</strong>en noch bekannten Werte<br />

von 0,2 Promille <strong>und</strong> acht St<strong>und</strong>en (Bottle to<br />

Throttle) sind durch den Allgemeinen Passus<br />

(1) ersetzt worden.<br />

Ein wichtiger <strong>und</strong> oft vergessener Aspekt,<br />

den die Vorgängerbehörde der BFU bereits<br />

im Jahr 1982 herausgearbeitet hat, wird in<br />

diesem Bericht nochm<strong>als</strong> zitiert:<br />

Nach Erkenntnissen der internationalen<br />

Flugmedizin tritt bei einem<br />

108 <strong>Pilot</strong> <strong>und</strong> <strong>Flugzeug</strong> 2012/01


Blutalkoholgehalt von 0,2<br />

0 /00 bereits ein messbare,<br />

bei 0,35 0 /00 eine deutliche<br />

Leistungsbeeinträchtigung<br />

der Luftfahrzeugführer ein.<br />

Bei 0,5 0 /00 ist bereits eine<br />

absolute Fluguntauglichkeit<br />

anzunehmen. Der Gefahrenwert<br />

von 0,2 0 /00 ist für<br />

den Luftfahrzeugführer,<br />

der sich im dreidimensionalen<br />

Raum bewegt, vergleichbar<br />

mit den 0,8 0 /00<br />

für den sich auf dem Boden<br />

bewegenden Kraftfahrer.<br />

Der niedrigere Wert für<br />

den Luftfahrzeugführer ergibt<br />

sich aus den erhöhten<br />

Anforderungen beim<br />

Fliegen wie u.a: Verarbeitung<br />

zusätzlicher Sinneseindrücke (z. B.<br />

Gleichgewichtsbeeinträchtigungen<br />

oder sonstige Beschleunigungseffekte),<br />

Koordination von Steuerbewegungen<br />

in mehreren Achsen, Interpretation<br />

der angezeigten Messwerte<br />

der Flugüberwachungs- <strong>und</strong><br />

Navigationsinstrumente usw. [...]<br />

Bereits bei Flügen über 15 Minuten<br />

Dauer treten Ermüdungseffekte<br />

auf, die die Leistungsfähigkeit des<br />

Luftfahrzeugführers neben der unmittelbaren<br />

Beeinträchtigung durch den<br />

Alkohol noch weiter verschlechtern.<br />

Aufgr<strong>und</strong> der erhöhten Anforderungen vor allem<br />

an die Verarbeitung von Sinneseindrücken<br />

wirkt sich Alkohol im Cockpit sehr viel schneller<br />

aus <strong>als</strong> im normalen zweidimensionalen<br />

Leben oder im Auto.<br />

Nebel <strong>und</strong> Alkohol<br />

Unfallanalyse<br />

In Abwesenheit eines nutzbaren<br />

Instrumen ten anflugs haben sich<br />

in Egelsbach zwei Schlecht wetter-<br />

Verfahren eingebürgert. Einmal<br />

das Cloud-Braking auf der 25L<br />

bzw. 07R in Frankfurt mit anschließendem<br />

Flug die A5 herunter <strong>und</strong><br />

Landung auf der Piste 09. Zum<br />

anderen der Endanflug über die<br />

im HPA-Verfahren beschriebenen<br />

Wegpunkte. Beide Verfahren sind<br />

riskant, das Letztere in IMC schlichtweg<br />

illegal.<br />

Auch ein anderes heikles Thema wollen<br />

wir in diesem Zusammenhang ansprechen:<br />

Die notorischen VIFR-Anflüge nach Egelsbach.<br />

Die im Unfallbericht beschriebene<br />

Wetterlage deckt sich praktisch exakt mit<br />

Wetter beobachtungen, die der Autor in EDFE<br />

schon mehrm<strong>als</strong> machen konnte. Lokale <strong>und</strong><br />

scharf abgegrenzte Nebellagen sind eine<br />

Spezialität dieses Platzes. Es gibt Tage, an<br />

denen ist ein Anflug in eine Richtung problemlos<br />

unter VFR möglich, während er in die<br />

andere Richtung durch massives IMC führt.<br />

In Abwesenheit eines nutzbaren Instrumenten<br />

anflugs haben sich in EDFE zwei Schlechtwetter-Verfahren<br />

eingebürgert. Einmal das<br />

Cloud-Braking auf der 25L bzw. 07R in<br />

Frankfurt mit anschließendem Flug die A5 herunter<br />

<strong>und</strong> Landung auf der Piste 09. Dieses<br />

Verfahren wird von kleinen <strong>und</strong> langsamen<br />

Maschinen gern angewendet. Wir haben das<br />

<strong>Pilot</strong> <strong>und</strong> <strong>Flugzeug</strong> 2012/01<br />

109


Nebel <strong>und</strong> Alkohol<br />

Unfallanalyse<br />

mehrfach mit der PA30 durchgeführt <strong>und</strong><br />

zweimal mit der Cheyenne, wobei festzuhalten<br />

bleibt, dass dies mit der Cheyenne angesichts<br />

der höheren Geschwindigkeit <strong>und</strong><br />

Masse schon sehr viel grenzwertiger ist <strong>als</strong><br />

mit der Twin Comanche. Während wir für die<br />

Twin Comanche dieses Verfahren tatsächlich<br />

bei den gesetzlichen Minima von 500 ft (allerdings<br />

mindestens 3 km Sicht) durchführen<br />

konnten, haben wir nach einem abgebrochenen<br />

Versuch mit der Cheyenne für diese<br />

Tour ein Minimum von 1.000 ft Untergrenze<br />

<strong>und</strong> 5 km Flugsicht festgelegt, was gegenüber<br />

dem normalen Anflug in der Praxis dann<br />

kaum noch Vorteile bringt.<br />

Zum anderen gibt es die „Anschleich-<br />

Landung“ über das HPA-Verfahren. Wäh ­<br />

rend dieses Verfahren freilich <strong>als</strong> reine VFR-<br />

Proze dur beschrieben ist, gibt der lange <strong>und</strong><br />

über inzwischen nur noch zwei Wegpunkte<br />

(jetzt Yankee 1 <strong>und</strong> Yankee 2) definierte Endanflug<br />

einer entsprechend entschlossenen<br />

Besatzung die Möglichkeit eines IMC-Sinkfluges<br />

bis zum Platz. Und dazu entschlossen<br />

sind sind offenbar viele.<br />

Aktuelle Sichtanflugkarte von Jeppesen. Wer das HPA-VFR-Verfahren <strong>als</strong> Vorlage für einen selbstgestrickten<br />

GPS-Approach auf die 27 verwendet, der muss schon äußerst genau hinschauen, um aus der<br />

Höhe der südlichen Hochspannungsmasten den Gelände-Gradienten auf den letzten 4 NM im Endanflug<br />

zur 27 abzuleiten. Dass das Gelände hier r<strong>und</strong> 300 ft ansteigt, ist ansonsten nicht zu erkennen.<br />

110 <strong>Pilot</strong> <strong>und</strong> <strong>Flugzeug</strong> 2012/01


Stabilisiert ist dieser Anflug<br />

jedoch auch nicht, denn aufgr<strong>und</strong><br />

der Luftraumstruktur <strong>und</strong><br />

der Untergrenze des Luftraums<br />

C muss 8 NM vor dem Platz auf<br />

1.500 ft gesunken <strong>und</strong> dann für<br />

einen Moment Level in 1.500 ft<br />

geflogen werden, bevor der<br />

endgültige Sinkflug (vernünftigerweise<br />

mit dem PAPI von<br />

4,5°) eingeleitet wird.<br />

Wir reden hier nicht über die<br />

Legalität dieses abscheulichen<br />

Verfahrens, wir reden<br />

hier über die in EDFE übliche<br />

Praxis. Jeder, der Egelsbach<br />

bei solchen Wetterlagen anfliegen<br />

muss, weiß, dass dies<br />

ein selbstgestrickter GPS-Anflug ohne definierte<br />

Minima, Hindernisfreiheit <strong>und</strong> Fehlan<br />

flugverfahren ist. Wer hier ohne Sünde ist,<br />

werfe den ersten Stein – der Autor jedenfalls<br />

ganz sicher nicht.<br />

Vielen – auch vielen in Egelsbach beheimateten<br />

<strong>Pilot</strong>en – ist dabei nicht klar, wie stark<br />

das Gelände im Osten des Platzes ansteigt.<br />

Die Hochspannungsleitungen nördlich <strong>und</strong><br />

südlich der Anfluggr<strong>und</strong>linie haben die meisten<br />

<strong>Pilot</strong>en dabei noch auf dem Zettel, die<br />

Topografie jedoch nicht. Mehr <strong>als</strong> einmal hört<br />

man in <strong>Pilot</strong>engesprächen die Regel: Ich sinke<br />

auf 900 ft, das sind dann noch 500 ft über<br />

dem Platz. Mag sein, aber das sind an der<br />

Unfallstelle der King Air nur noch 200 ft über<br />

dem Wald! Also ILS CAT I Minima!<br />

Für das Auge ist dieser Anstieg des Geländes<br />

kaum erkennbar. Auch bei klarem Wetter<br />

nicht. Nur, wer die Jeppesen-Anflugkarte<br />

Nebel <strong>und</strong> Alkohol<br />

Unfallanalyse<br />

Wer <strong>als</strong>o bei schönem Wetter in EDFE<br />

war, in Erinnerung hat, dass r<strong>und</strong>herum<br />

alles flach ist <strong>und</strong> dann bei<br />

schlechtem Wetter sich das VIFR-<br />

Verfahren strickt, läuft unmittelbar<br />

Gefahr genau dort hängen zu bleiben,<br />

wo die King Air verunglückte.<br />

Die Besatzung der King Air kannte<br />

den Flugplatz jedoch sehr gut. Die<br />

genauen Einzelheiten der Topografie<br />

sind jedoch auch vielen ortsansässigen<br />

<strong>Pilot</strong>en nicht bewusst.<br />

genau studiert, kann aus den angegebenen<br />

Höhen der südlichen Hochspannungsleitung<br />

(deren Masten ja alle gleich groß sind) einen<br />

ungefähren Gradienten des Geländes ableiten:<br />

Während die Höhe des unmittelbar<br />

südlich gelegenen Mastes 681 ft beträgt, ist<br />

der 1,2 NM querab der Unfallstelle gelegene<br />

Mast mit 901 ft angegeben <strong>und</strong> der querab<br />

Yankee 2 gelegene Mast sogar mit 931 ft.<br />

Wer <strong>als</strong>o zweimal bei schönem Wetter in<br />

EDFE war <strong>und</strong> in Erinnerung hat, dass r<strong>und</strong>herum<br />

alles flach ist, <strong>und</strong> dann bei schlechtem<br />

Wetter das VIFR-Verfahren strickt, läuft<br />

unmittelbar Gefahr zu sagen: „Ok. Y2 bin ich<br />

über die Hochspannung von 950 ft drüber,<br />

der Platz ist 385 ft hoch, alles flach, keine<br />

Hindernisse, wir sinken dann nach Y2 auf<br />

800 ft <strong>und</strong> schaun‘ mal.“ Wer so strickt, der<br />

fliegt in 100 ft über die Bäume! Wer dann<br />

von seinem Radarhöhenmesser geweckt<br />

wird, hat noch Glück, wer keinen hat oder<br />

<strong>Pilot</strong> <strong>und</strong> <strong>Flugzeug</strong> 2012/01<br />

111


Nebel <strong>und</strong> Alkohol<br />

Unfallanalyse<br />

diesen nicht beachtet, der legt seine Leben<br />

in den Toleranzbereich eines barometrischen<br />

Höhenmessers.<br />

Zu einem illegalen Verfahren eine Empfehlung<br />

zu geben ist freilich eine riskante Sache. <strong>Pilot</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Flugzeug</strong> hat sich aber der fliegerischen<br />

Praxis <strong>und</strong> nicht dem rosa Trugbild verschrieben<br />

<strong>und</strong> da dieser Murks leider zur gängigen<br />

Praxis in Egelsbach gehört, wollen wir<br />

es wagen, eine Empfehlung zu geben, die<br />

sich zumindest für unsere Cheyenne eignet.<br />

Wenn man sich <strong>als</strong>o dieses Verfahren strickt,<br />

dann bitte so: Rechtzeitiges Sinken auf<br />

1.500 ft. Diese sollten schon kurz vor dem<br />

Wegpunkt Y1 <strong>als</strong>o 8 NM vor der Schwelle<br />

erreicht sein. Gr<strong>und</strong>: Sie können sich jetzt<br />

nicht auch noch um den Luftraum kümmern.<br />

Die Wegpunkte Y1, Y2 <strong>und</strong> Schwelle 27<br />

(49°57,66‘N 8°38,89‘E) im GPS, mit CDI-<br />

Genauigkeit 0,3 NM. VFR-Anflugkarte zur<br />

Kontrolle auf dem Moving-Map. Radar-<br />

Höhenmesser an <strong>und</strong> auf 500 ft eingestellt.<br />

Bei Erreichen von Y2, <strong>als</strong>o 4 NM vor der<br />

Schwelle, muss das <strong>Flugzeug</strong> langsam (bei<br />

uns maximal Blueline+10, <strong>als</strong>o 120 KIAS)<br />

<strong>und</strong> fertig konfiguriert sein. Weiter vorfliegen<br />

bis Sie 2 NM vor der Schwelle das 4,5° PAPI<br />

schneiden, <strong>als</strong>o rechtzeitig, bei ca. 2,2 NM<br />

den Sinkflug einleiten. Dann zügiger Sinkflug<br />

auf 500 ft AGL, bedeutet 885 ft MSL. Sie<br />

sinken jetzt mit dem abfallenden Gelände.<br />

Dem PAPI zu folgen bedeutet bei 120 KIAS<br />

satte 1.100 fpm. Wenn Sie den Platz sehen:<br />

Landen. Wenn nicht: GERADEAUS – keinesfalls<br />

links oder rechts – für mindestens 1,5 NM<br />

fliegen. Steigen Sie <strong>und</strong> drehen Sie keinesfalls<br />

unterhalb von 1.000 ft nach links oder<br />

rechts weg. Denken Sie daran: Egelsbach<br />

ist eingezäunt. Die Hochspannungsleitung<br />

112 <strong>Pilot</strong> <strong>und</strong> <strong>Flugzeug</strong> 2012/01


Ein GPS-Anflug hätte der Crew ein klares<br />

Sinkflugprofil vorgegeben <strong>und</strong> eine<br />

laterale Führung verschafft. Das unfallentscheidende<br />

Stück hätte aber auch auf<br />

einem GPS-Anflug bereits nach Sicht<br />

zurückgelegt werden müssen.<br />

Da sich die Besatzung schon nicht an die<br />

Minima für den VFR-Anflug hielt <strong>und</strong><br />

auch nicht die praktischen Zwänge eines<br />

selbstgestrickten VIFR-Approaches<br />

befolgte, ist es nach unserer Ansicht<br />

mehr <strong>als</strong> fraglich, ob die sehr viel engeren<br />

Vorgaben eines GPS-Anfluges<br />

Beachtung gef<strong>und</strong>en hätten.<br />

im Süden ist r<strong>und</strong> 700 bis 800 ft hoch <strong>und</strong><br />

im Norden kommt eine weitere Leitung <strong>und</strong><br />

dann das Frankfurter ILS. Bei Erreichen von<br />

1.000 ft dann sofort eine Steigflugkurve auf<br />

180° fliegen, auf 1.500 ft weiter steigen <strong>und</strong><br />

die Lage beichten. Mannheim freut sich auf<br />

Ihren Besuch. Wenn die Leistungsdaten Ihres<br />

<strong>Flugzeug</strong>es das Abfliegen des 4,5° PAPIs <strong>und</strong><br />

die anschließende Landung auf 1.400 Metern<br />

sowie das Fehlanflugverfahren innerhalb von<br />

1,5 NM von Ihrer Mindesthöhe auf 1.000 ft<br />

MSL nicht erlauben: STAY AWAY. Dann geht’s<br />

eben wirklich nicht. Nichtmal illegal.<br />

Bleibt die Frage, ob ein richtiger, legaler <strong>und</strong><br />

sicherer GPS-Anflug der King Air geholfen<br />

hätte. Zwei Argumente sprechen dafür, eines<br />

dagegen:<br />

Nebel <strong>und</strong> Alkohol<br />

Unfallanalyse<br />

Ein GPS-Anflug hätte der<br />

Crew ein klares Sinkflugprofil<br />

vorgegeben <strong>und</strong> eine laterale<br />

Guidance verschafft. Die<br />

nötigen Korrekturen durch<br />

die Flugleitung im Endanflug<br />

(King Air war nördlich der<br />

Centerline) wären <strong>als</strong>o wahrscheinlich<br />

nicht passiert.<br />

Ein GPS-Verfahren hätte<br />

wahrscheinlich auch Or d­<br />

nung <strong>und</strong> ein klares Setup<br />

in die Konfiguration für den<br />

Approach gebracht. Offenbar<br />

nutzte die Be satz ung<br />

ja keine Navi gations hilfen.<br />

Außer dem wäre ein eindeutiges<br />

Mini mum beschrieben<br />

gewesen.<br />

Allerdings: Schon der Einflug<br />

in IMC (Nebeldecke war lt.<br />

Hubschrauberbesatzung<br />

nur 200 ft dick) wäre mit Sicherheit in einer<br />

Flugphase erfolgt, die auch auf jedem denkbaren<br />

GPS-Verfahren in EDFE nach Sicht<br />

hätte zurückgelegt werden müssen.<br />

Und da sich die Besatzung schon nicht an<br />

die Minima für den VFR-Anflug hielt <strong>und</strong> auch<br />

nicht die praktischen Zwänge eines selbstgestrickten<br />

VIFR-Approaches befolgte, ist es<br />

nach unserer Ansicht mehr <strong>als</strong> fraglich, ob<br />

die sehr viel engeren Vorgaben eines GPS-<br />

Anfluges Beachtung gef<strong>und</strong>en hätten.<br />

Dass ein Instrumenten-An- <strong>und</strong> Abflug generell<br />

jedoch die Sicherheit <strong>und</strong> vor allem die<br />

Nutzbarkeit des Flugplatzes Egelsbach erheblich<br />

verbessern würde, daran haben wir<br />

keinen Zweifel.<br />

^ Jan.Brill@pilot<strong>und</strong>flugzeug.de<br />

Originalbericht: 3X178-09 www.bfu-web.de<br />

<strong>Pilot</strong> <strong>und</strong> <strong>Flugzeug</strong> 2012/01<br />

113

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!