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als pdf - Konzertchor Burgdorf

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Mozarts Requiem<br />

Weshalb erscheint denn heute – so wie je –<br />

ausgerechnet dieses doch so unfertige,<br />

unvollendete, in vielen Belangen unklare<br />

Werk Mozarts stets wieder in den Konzertprogrammen?<br />

Perfekt komponiert sind<br />

doch auch die früheren Werke – alle –,<br />

Fehler gibt es in Mozarts Partituren keine;<br />

Spitzenwerke, die wir <strong>als</strong> Meisterwerke<br />

bezeichnen, sind in Mozarts reifer Zeit alle<br />

seine Kompositionen!<br />

Die Entstehungsgeschichten, die sich um das<br />

rätselhafte Werk ranken, tun ein Übriges –<br />

wo Geheimnisse sind, wuchern Legenden,<br />

die einem Werk zu erhöhter Aufmerksamkeit<br />

verhelfen können.<br />

Allerdings ist diese Requiem-Partitur trotz<br />

ihrer Unfertigkeit – und sie ist erschreckend<br />

unfertig – absolut singulär!<br />

Vollständig von Mozart fertig gestellt (<strong>als</strong>o<br />

auch bezüglich Instrumentation) wurden<br />

lediglich der Introitus (Requiem aeternam)<br />

und das Kyrie.<br />

Die Sequenz mit Dies irae, Tuba mirum,<br />

Rex tremendae, Recordare, Confutatis,<br />

Lacrymosa und das Offertorium mit<br />

Domine Jesu Christe und Hostias sind<br />

wenigstens in Vok<strong>als</strong>timmen und Generalbass<br />

von Mozart niedergeschrieben, vom<br />

Lacrymosa allerdings nur die ersten acht<br />

Takte. Alles Weitere ist von fremder Hand vervollständigt,<br />

ergänzt oder neu dazukomponiert.<br />

Sogenannte Meisterwerke gewannen oft<br />

besondere Aufmerksamkeit durch ihre Originalität,<br />

etwa innovative Melodik oder<br />

aussergewöhnliche Formgestaltung, vielleicht<br />

auch durch Raffinesse der Instrumentation.<br />

Dies alles entfällt hier bei Mozart.<br />

Zwar erkennt man trotz der Lücken die<br />

Umrisse der Gesamtkonzeption, die vollkommen<br />

ausgewogen und schlüssig ist und<br />

dem geistigen Gehalt in idealer Weise entspricht,<br />

doch ist sie nicht im eigentlichen<br />

Sinne «aussergewöhnlich», weder in der<br />

Themenerfindung noch im Tonartenkonzept<br />

noch in Instrumentation und Formgebung.<br />

Hier wird eine höchste Stufe des allgemein<br />

Verständlichen erreicht – indem zum Beispiel<br />

die musikalische Thematik die Nähe anderer,<br />

früherer Komponisten sucht. Dabei handelt es<br />

sich nicht um Erfindungsschwäche (die Einfallsfülle<br />

verliess Mozart auch in den letzten<br />

Lebensstunden nicht), sondern um ein Aufgreifen,<br />

Vollenden, Zusammenführen aller in<br />

der Vergangenheit relevanten musikalischen<br />

Leistungen. Ein Umschmelzen früherer Errungenschaften<br />

und stilistischer Vielfalt in ein<br />

epochales Meisterwerk, das in keiner Weise<br />

epigonal, sondern in jeder Zelle original und<br />

schöpferisch bleibt. Unverwechselbar und<br />

unvergleichlich – es genügt, eine Sekunde<br />

davon zu hören, und wir erkennen es wieder<br />

– in jedem Teil ist das Ganze präsent.<br />

Deshalb kann das Werk auch nie zu «alter»<br />

Musik werden, wie ein Felsmassiv in der<br />

Brandung vermochte es seit seiner Entstehung<br />

allem Zeitenwandel zu trotzen. Unberührt<br />

von Moden, gesellschaftlichen und<br />

geistigen Umwälzungen strahlt es seine geistige<br />

Kraft aus, vermag es Trost zu spenden<br />

und Menschen in ihrer Hoffnung zu bestärken.<br />

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