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IST ENGLISCH GUT ODER SCHLECHT FÜR DIE ... - Plansprachen.ch

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Andreas Künzli (S<strong>ch</strong>weiz)<br />

<strong>IST</strong> <strong>ENGLISCH</strong> <strong>GUT</strong> <strong>ODER</strong> <strong>SCHLECHT</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>DIE</strong> SCHWEIZ ?<br />

Bemerkungen zum kontroversen Diskurs über das Englis<strong>ch</strong>e als „fünfte<br />

Landesspra<strong>ch</strong>e“ qua lingua franca in der vierspra<strong>ch</strong>igen S<strong>ch</strong>weiz<br />

Mehrspra<strong>ch</strong>igkeit bzw. Vierspra<strong>ch</strong>igkeit wird von den meisten Autoren, die si<strong>ch</strong> mit der<br />

S<strong>ch</strong>weizer Spra<strong>ch</strong>ensituation befassen, als zentrales Element des s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en<br />

Selbstverständnisses bezei<strong>ch</strong>net. Demzufolge ist Fremdspra<strong>ch</strong>enunterri<strong>ch</strong>t in der<br />

S<strong>ch</strong>weiz ni<strong>ch</strong>t nur eine pädagogis<strong>ch</strong>e, sondern au<strong>ch</strong> eine staatspolitis<strong>ch</strong>e Frage.<br />

Ents<strong>ch</strong>eidungen im Zusammenhang mit Fremdspra<strong>ch</strong>enunterri<strong>ch</strong>t sind im Wesentli<strong>ch</strong>en<br />

davon abhängig, wie spra<strong>ch</strong>politis<strong>ch</strong>e, ökonomis<strong>ch</strong>e, linguistis<strong>ch</strong>e und pädagogis<strong>ch</strong>e<br />

Argumente gewi<strong>ch</strong>tet werden. Da eine globalisiert-vernetzte Wirts<strong>ch</strong>aft bessere<br />

Englis<strong>ch</strong>kenntnisse verlangt, müsse die S<strong>ch</strong>ule sol<strong>ch</strong>e hervorbringen, heisst es in<br />

eins<strong>ch</strong>lägigen Beri<strong>ch</strong>ten und Beiträgen zum Thema. 1<br />

Die Einstellung zum Englis<strong>ch</strong>en ist mit der Einstellung zu den S<strong>ch</strong>weizer<br />

Landesspra<strong>ch</strong>en eng verknüpft. Daher dauert der Streit im s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en<br />

Erziehungssystem über den Stellenwert der englis<strong>ch</strong>en Spra<strong>ch</strong>e als Fa<strong>ch</strong> im öffentli<strong>ch</strong>en<br />

S<strong>ch</strong>ulsystem nun s<strong>ch</strong>on mehrere Jahre. Soll Englis<strong>ch</strong> als ni<strong>ch</strong>t-s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e Spra<strong>ch</strong>e<br />

als obligatoris<strong>ch</strong>es S<strong>ch</strong>ulfa<strong>ch</strong> im Lehrplan der S<strong>ch</strong>ulen auf der Primarstufe und der<br />

Sekundarstufe I unterri<strong>ch</strong>tet werden ? Und wer soll das überhaupt bestimmen ? - in der<br />

S<strong>ch</strong>weiz liegt die Hoheit über die öffentli<strong>ch</strong>en Bildungsinstitutionen mehrheitli<strong>ch</strong> bei<br />

den Kantonen. Und in wessen Interesse würde man hier handeln, wenn man diesen<br />

Ents<strong>ch</strong>eid träfe – im Interesse der Industrie und der 'globalen' Wirts<strong>ch</strong>aft, der Eltern, der<br />

Kinder, des Landes, der einzelnen Kantone als Standorte von multinationalen<br />

Unternehmen usw.? Gefährdet diese offensi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Bevorzugung des Englis<strong>ch</strong>en als<br />

zweite Spra<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong> der Mutterspra<strong>ch</strong>e den Zusammenhalt (Kohäsion) der S<strong>ch</strong>weiz als<br />

mehrspra<strong>ch</strong>iges und multikulturelles Land und seine spra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Kultur, die spra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e<br />

Oekumene? Kommt die Deuts<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>weiz somit in Versu<strong>ch</strong>ung, an der Romandie Verrat<br />

zu üben? 2 Wird si<strong>ch</strong> in linguistis<strong>ch</strong>er Hinsi<strong>ch</strong>t dur<strong>ch</strong> die lokale Entwicklung des<br />

Englis<strong>ch</strong>en ni<strong>ch</strong>t eine endonormative (d.h. ni<strong>ch</strong>t-native) Form dieser Spra<strong>ch</strong>e als lingua<br />

franca über die Spra<strong>ch</strong>grenzen in der S<strong>ch</strong>weiz herausbilden, ni<strong>ch</strong>t eine Art<br />

1 Die fünfte Landesspra<strong>ch</strong>e? Englis<strong>ch</strong> in der S<strong>ch</strong>weiz. Akademis<strong>ch</strong>e Kommission der Universität Bern,<br />

vdf Züri<strong>ch</strong> 2001, S. 62 (Martin Stauffer: Fremdspra<strong>ch</strong>en an S<strong>ch</strong>weizer S<strong>ch</strong>ulen: Dilemmata und<br />

Perspektiven eines Gesamtspra<strong>ch</strong>enkonzepts).<br />

2 Während in der Deuts<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>weiz bisher Französis<strong>ch</strong> als erste Fremdspra<strong>ch</strong>e gelehrt wird, wird in der<br />

Romandie Ho<strong>ch</strong>deuts<strong>ch</strong> als erste Fremdspra<strong>ch</strong>e unterri<strong>ch</strong>tet. Einige an der eins<strong>ch</strong>lägigen Diskussion<br />

beteiligten Romands und Deuts<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>weizer befürworteten die Förderung des S<strong>ch</strong>weizerdeuts<strong>ch</strong>en<br />

(Dialekt) an den S<strong>ch</strong>ulen der Romandie, um die angebli<strong>ch</strong>e Entfremdung zwis<strong>ch</strong>en Romands und<br />

Deuts<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>weizern zu vermindern und die Kontakte zu Deuts<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>weizern, die Ho<strong>ch</strong>deuts<strong>ch</strong> angebli<strong>ch</strong><br />

ungern und s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t spre<strong>ch</strong>en, zu verbessern. Es stellt si<strong>ch</strong> die Frage, wel<strong>ch</strong>en s<strong>ch</strong>weizerdeuts<strong>ch</strong>en<br />

Dialekt von den zahlrei<strong>ch</strong>en Varianten man wählen soll. Auf Grund der Bevölkerungszahl ist wohl der<br />

Zür<strong>ch</strong>er und Berner Dialekt am weitesten verbreitet. Dur<strong>ch</strong> das Nebeneinander von alemannis<strong>ch</strong>en<br />

Dialekten als Umgangsspra<strong>ch</strong>e und deuts<strong>ch</strong>er Ho<strong>ch</strong>spra<strong>ch</strong>e als S<strong>ch</strong>riftspra<strong>ch</strong>e ist in der S<strong>ch</strong>weiz der Fall<br />

der Diglossie gegeben.<br />

1


verkümmertes „Pan Swiss Englis<strong>ch</strong>“ gefördert, analog etwa zum Indis<strong>ch</strong>-Englis<strong>ch</strong>en<br />

oder Singapur-Englis<strong>ch</strong>en? 3 Ganz zu s<strong>ch</strong>weigen von den unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en 'Jargons', die<br />

si<strong>ch</strong> in den vers<strong>ch</strong>iedenen Fa<strong>ch</strong>berei<strong>ch</strong>en herausbilden und die von fa<strong>ch</strong>fremden 'Usern'<br />

ni<strong>ch</strong>t mehr verstanden werden (aK). Dies sind einige der Fragen, die im Streit um<br />

Englis<strong>ch</strong> gestellt worden waren und werden, und es gibt derer no<strong>ch</strong> mehr. Die<br />

Einführung der englis<strong>ch</strong>en Spra<strong>ch</strong>e als obligatoris<strong>ch</strong>es S<strong>ch</strong>ulfa<strong>ch</strong> und die Bevorzugung<br />

des Englis<strong>ch</strong>en gegenüber dem Französis<strong>ch</strong>en, Deuts<strong>ch</strong>en oder Italienis<strong>ch</strong>en, ganz zu<br />

s<strong>ch</strong>weigen vom Rätoromanis<strong>ch</strong>en, das si<strong>ch</strong> existentiell in einer prekären Lage befindet, 4<br />

ist also längst zu einem brisanten politis<strong>ch</strong>en Thema in der S<strong>ch</strong>weiz geworden. Diese<br />

Kontroverse erhitzt ni<strong>ch</strong>t nur die Gemüter, sonder s<strong>ch</strong>eint den Graben zwis<strong>ch</strong>en den<br />

Landesteilen zu vertiefen und vor allem den Gegnern Munition gegen eine globalisierte<br />

Wirts<strong>ch</strong>aft zu liefern.<br />

Seit Ende der a<strong>ch</strong>tziger Jahren gab es genügend Gelegenheiten, die Kontroverse um die<br />

Stärkung des Englis<strong>ch</strong>en an S<strong>ch</strong>weizer S<strong>ch</strong>ulen anzuheizen. So wurde 1989 in einem<br />

vom S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Bundesrat (Regierung) in Auftrag gegebenen Beri<strong>ch</strong>t unter dem<br />

Titel Zustand und Zukunft der vierspra<strong>ch</strong>igen S<strong>ch</strong>weiz die englis<strong>ch</strong>e Spra<strong>ch</strong>e als grosse<br />

Gefahr für das harmonis<strong>ch</strong>e Zusammenleben der vier s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Landesspra<strong>ch</strong>en<br />

und als potentielle Bedrohung für den Spra<strong>ch</strong>frieden dargestellt. 5 Man sieht, dass beim<br />

Staat, im Unters<strong>ch</strong>ied zur Privatwirts<strong>ch</strong>aft, politis<strong>ch</strong>e Argumente in Bezug auf die<br />

Zweckmässigkeit des Englis<strong>ch</strong>en dominieren.<br />

Ab etwa Mitte der neunziger Jahre bekam die Diskussion eine neue Dimension. Für<br />

brisant wurden die im August 1998 vorgestellten Vors<strong>ch</strong>läge zur Verbesserung des<br />

Spra<strong>ch</strong>unterri<strong>ch</strong>ts einer Expertengruppe der Eidgenössis<strong>ch</strong>en Erziehungsdirektorenkonferenz<br />

(EDK) gehalten, die den Status des Englis<strong>ch</strong>en im Fremdspra<strong>ch</strong>enunterri<strong>ch</strong>t<br />

der kantonalen S<strong>ch</strong>ulsystemen aufwerten mö<strong>ch</strong>te. 6<br />

3 Die fünfte Landesspra<strong>ch</strong>e? Englis<strong>ch</strong> in der S<strong>ch</strong>weiz. S. 3.<br />

4 Zwis<strong>ch</strong>en 1800 und 1960 wurden drei Versu<strong>ch</strong>e zur S<strong>ch</strong>affung einer überregionalen romanis<strong>ch</strong>en<br />

S<strong>ch</strong>riftspra<strong>ch</strong>e gema<strong>ch</strong>t, die allesamt aus unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en Gründen s<strong>ch</strong>eiterten. Zur Rettung des<br />

s<strong>ch</strong>windenden Rätoromanis<strong>ch</strong> legte 1982 der Zür<strong>ch</strong>er Romanist Heinri<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>mid im Auftrag der<br />

Da<strong>ch</strong>organisation Lia Rumants<strong>ch</strong>a die „Ri<strong>ch</strong>tlinien für die Gestaltung einer gesamtbündnerromanis<strong>ch</strong>en<br />

S<strong>ch</strong>riftspra<strong>ch</strong>e Rumants<strong>ch</strong> Gris<strong>ch</strong>un“. Auf dieser Basis wurde 1985 ein Wörterbu<strong>ch</strong> erarbeitet. 1993<br />

ers<strong>ch</strong>ien die gesamte linguistis<strong>ch</strong>e Datenbank im Form eines „Pledari grond“, das seit 2001 mit einem<br />

integrierten Verbenbu<strong>ch</strong> auf CD-Rom erhältli<strong>ch</strong> ist. S. Website www.liarumants<strong>ch</strong>a.<strong>ch</strong>.<br />

5 Eidg. Departement für Inneres (Hg.). Zustand und Zukunft der vierspra<strong>ch</strong>igen S<strong>ch</strong>weiz. Abklärungen,<br />

Vors<strong>ch</strong>läge und Empfehlungen einer Arbeitsgruppe des Eidgenössis<strong>ch</strong>en Departements des Inneren,<br />

S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e Bundeskanzlei, Bern 1989. In diesem Zusammenhang ist erwähnenswert, dass das<br />

glei<strong>ch</strong>e Ministerium in einem offiziellen Beri<strong>ch</strong>t des Jahres 1953 die internationale Spra<strong>ch</strong>e Esperanto im<br />

Spra<strong>ch</strong>unterri<strong>ch</strong>t als unerwüns<strong>ch</strong>t erklärt hatte.<br />

6 Die fünfte Landesspra<strong>ch</strong>e? Englis<strong>ch</strong> in der S<strong>ch</strong>weiz. S. 4.<br />

2


Na<strong>ch</strong> der emotional aufgeladenen Debatte wollten si<strong>ch</strong> die Spra<strong>ch</strong>wissens<strong>ch</strong>aftler<br />

sa<strong>ch</strong>kundig mit dem Problem befassen. Zu diesem Zweck wurde im Januar 2000 an der<br />

Universität Bern ein Symposium zum Thema 'Englis<strong>ch</strong> in der S<strong>ch</strong>weiz' abgehalten (die<br />

Beiträge wurden in einer S<strong>ch</strong>rift publiziert). 7 Im glei<strong>ch</strong>en Jahr wurde ein im Auftrag des<br />

Bundesamtes für Bildung und Wissens<strong>ch</strong>aft ebenfalls von den Spra<strong>ch</strong>wissens<strong>ch</strong>aftlern<br />

und Anglisten der Universität Bern verfasster umfangrei<strong>ch</strong>er Fors<strong>ch</strong>ungsberi<strong>ch</strong>t zur<br />

Situation des Englis<strong>ch</strong>en in der S<strong>ch</strong>weiz mit vers<strong>ch</strong>iedenen Einzelbeiträgen vorgelegt. 8<br />

In Bezug auf die Einführung des sogenannten Frühenglis<strong>ch</strong> spielt der Kanton Züri<strong>ch</strong><br />

eine Vorreiterrolle. Die Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te des Zür<strong>ch</strong>er Experiments begann im Sommer 1996.<br />

Du diesem Zeitpunkt gab es im Kanton Züri<strong>ch</strong> weder an der Volkss<strong>ch</strong>ule no<strong>ch</strong> an den<br />

Mittels<strong>ch</strong>ulen ein Obligatorium für Englis<strong>ch</strong>, während die Kantone Bern, Freiburg,<br />

Neuenburg, S<strong>ch</strong>wyz und Waadt den obligatoris<strong>ch</strong>en Englis<strong>ch</strong>unterri<strong>ch</strong>t an der Oberstufe<br />

(für die anspru<strong>ch</strong>volleren Zweige) der Volkss<strong>ch</strong>ule bereits eingeführt hatten. Den<br />

herrs<strong>ch</strong>enden Zustand era<strong>ch</strong>teten viele Mens<strong>ch</strong>en im Kanton Züri<strong>ch</strong> als unhaltbar,<br />

unzeitgemäss. Auf diesem Hintergrund erfolgte im August 1996 der Auftrag des<br />

kantonalen Erziehungsdirektors Züri<strong>ch</strong> an seine Direktion, die Einführung eines<br />

obligatoris<strong>ch</strong>en Englis<strong>ch</strong>unterri<strong>ch</strong>ts an der Volkss<strong>ch</strong>ule und an den Gymnasien in die<br />

Wege zu leiten. Der früheste Zeitpunkt für die Einführung des Englis<strong>ch</strong>unterri<strong>ch</strong>ts an<br />

der Zür<strong>ch</strong>er Oberstufe sollte das S<strong>ch</strong>uljahr 1999/2000 sein. 9<br />

Aus der Teilnahme des Erziehungsdirektors des Kantons Züri<strong>ch</strong> an einer internationalen<br />

Bildungskonferenz in den USA ging eine Arbeitsgruppe „S<strong>ch</strong>ulprojekt 21“ (an der<br />

Primars<strong>ch</strong>ule) hervor, die si<strong>ch</strong> intensiv mit Fragen des Fremdspra<strong>ch</strong>enunterri<strong>ch</strong>ts<br />

auseinandersetzte und in diesem Zusammenhang den Beginn des Englis<strong>ch</strong>unterri<strong>ch</strong>ts so<br />

früh wie mögli<strong>ch</strong>, d.h. ab der 1. Klasse anzusetzen, prüfte. Ein entspre<strong>ch</strong>endes<br />

S<strong>ch</strong>ulexperiment wurde lanciert. Die Erfahrungen seien positiv. 10 Die weitere<br />

Diskussion konzentrierte si<strong>ch</strong> vor allem auf die Frage, ab wel<strong>ch</strong>er Klasse Frühenglis<strong>ch</strong><br />

eingeführt werden soll und wel<strong>ch</strong>e Methodik(en) anzuwenden sei(en), denn man wollte<br />

Fehler aus dem herkömmli<strong>ch</strong>en Fremdspra<strong>ch</strong>enunterri<strong>ch</strong>t, der mehr auf Erwa<strong>ch</strong>sene als<br />

auf Kinder zuges<strong>ch</strong>nitten war, ni<strong>ch</strong>t wiederholen.<br />

Im September 2000 hat der Regierungsrat des Kantons Züri<strong>ch</strong> nun im Rahmen des<br />

„S<strong>ch</strong>ulprojekts 21“ ents<strong>ch</strong>ieden, dass ab dem S<strong>ch</strong>uljahr 2003/04 an den Volkss<strong>ch</strong>ulen<br />

der Englis<strong>ch</strong>unterri<strong>ch</strong>t im dritten S<strong>ch</strong>uljahr einsetzen soll, während Französis<strong>ch</strong> ab dem<br />

fünften S<strong>ch</strong>uljahr gelehrt werden soll. Diesen Ents<strong>ch</strong>eid will der Zür<strong>ch</strong>er<br />

Bildungsdirektor Bus<strong>ch</strong>or, die Kantonshoheit für das Erziehungswesen ausnützend,<br />

au<strong>ch</strong> bei einer abwei<strong>ch</strong>enden Empfehlung der S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en<br />

7 ebd. Watts, Ri<strong>ch</strong>ards J; Murray, Heather (Hg.): Die fünfte Landesspra<strong>ch</strong>e? Englis<strong>ch</strong> in der S<strong>ch</strong>weiz.<br />

Akademis<strong>ch</strong>e Kommission der Universität Bern, vdf Züri<strong>ch</strong> 2001<br />

8 Englis<strong>ch</strong> in der S<strong>ch</strong>weiz. Fors<strong>ch</strong>ungsberi<strong>ch</strong>t von Dr. Heather Murray, Dr. Ursula Wegmüller, Fayaz Ali<br />

Khan (Institut für Spra<strong>ch</strong>wissens<strong>ch</strong>aft, Universität Bern). Im Auftrag des Bundesamtes für Bildung und<br />

Wissens<strong>ch</strong>aft. Zu Handen des Bundesamtes für Bildung und Wissens<strong>ch</strong>aft und der „Paritätis<strong>ch</strong>en<br />

Arbeitsgruppe Spra<strong>ch</strong>engesetz Bund / Kantone (PAS)“, 6. Dezember 2000.<br />

9 Die fünfte Landesspra<strong>ch</strong>e? Englis<strong>ch</strong> in der S<strong>ch</strong>weiz. S. 69ff. (Christian Aeberli: Englis<strong>ch</strong> ab der ersten<br />

Klasse: Das Zür<strong>ch</strong>er Experiment).<br />

10 ebd. S. 71ff. und S. 84.<br />

3


Erziehungsdirektorenkonferenz (SKA) dur<strong>ch</strong>setzen. 11 Na<strong>ch</strong> der Meinung Bus<strong>ch</strong>ors sei<br />

in seinem wirts<strong>ch</strong>aftsstarken Kanton die starke Na<strong>ch</strong>frage des immer bedeutenderen<br />

Englis<strong>ch</strong> zu befriedigen.<br />

So ist mit der stärkeren Gewi<strong>ch</strong>tung des Englis<strong>ch</strong>en in den kantonalen<br />

Bildungssystemen, insbesondere dur<strong>ch</strong> den Bes<strong>ch</strong>luss des Kantons Züri<strong>ch</strong>, das bis anhin<br />

weithin befolgte Gesamtspra<strong>ch</strong>enkonzept der S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Konferenz der<br />

kantonalen Erziehungsdirektoren ins Wanken geraten. Medien und Bundesbehörden<br />

haben kritis<strong>ch</strong> auf die Unbehagen auslösenden Ents<strong>ch</strong>eide reagiert. Die Frage einer<br />

Wests<strong>ch</strong>weizer Journalistin, ob der Kanton Züri<strong>ch</strong> mit seinem Ents<strong>ch</strong>eid für das<br />

Frühenglis<strong>ch</strong>e ni<strong>ch</strong>t den nationalen Zusammenhalt gefährde, erwiderte Bus<strong>ch</strong>or, dass<br />

das Französis<strong>ch</strong>e in seinem Kanton übrigens glei<strong>ch</strong>wertig im Verglei<strong>ch</strong> zum Englis<strong>ch</strong>en<br />

unterri<strong>ch</strong>tet werde, aber ni<strong>ch</strong>t vom selben Zeitpunkt an, und dass der<br />

Französis<strong>ch</strong>unterri<strong>ch</strong>t zudem dur<strong>ch</strong> kulturelle Inhalte ergänzt werde.<br />

Dem absehbaren Zür<strong>ch</strong>er Bes<strong>ch</strong>luss ging 1998 ein vom Historiker Max Mittler<br />

herausgegebenes Bu<strong>ch</strong> 12 voraus, das prononcierte Beiträge zum Thema zugängli<strong>ch</strong><br />

ma<strong>ch</strong>te. So hält etwa der Lehrer und Journalist José Ribeaud das „S<strong>ch</strong>ulprojekt 21“ für<br />

uns<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong> und sieht das Problem im uneingestandenen Deuts<strong>ch</strong>komplex des<br />

alemannis<strong>ch</strong>en Landesteils: Der deuts<strong>ch</strong>en Spra<strong>ch</strong>e weder von Herzen zugetan no<strong>ch</strong> ihr<br />

wirkli<strong>ch</strong> mä<strong>ch</strong>tig, flü<strong>ch</strong>teten si<strong>ch</strong> die Deuts<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>weizer zum Englis<strong>ch</strong>en, das sie servil<br />

vergötterten. Dies führe ni<strong>ch</strong>t nur zur S<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>ung der s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en<br />

Vierspra<strong>ch</strong>igkeit, sondern zu einer kulturellen „McDonaldisierung“, zu einer<br />

Provinzialisierung des Italienis<strong>ch</strong>en und zum weiteren Zurückdrängen des<br />

Französis<strong>ch</strong>en auf nationaler Bühne, s<strong>ch</strong>rieb Ribeaud und kam zum S<strong>ch</strong>luss, dass ein<br />

Zusammenleben der s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Nation, die si<strong>ch</strong> des Englis<strong>ch</strong>en bedient, eigentli<strong>ch</strong><br />

keinen Sinn mehr ma<strong>ch</strong>t. Der Spra<strong>ch</strong>wissens<strong>ch</strong>aftler Georges Lüdi spra<strong>ch</strong> sogar von<br />

einer Misere, ja von einem S<strong>ch</strong>eitern der s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>ulspra<strong>ch</strong>enpolitik, die der<br />

erwüns<strong>ch</strong>ten Zwei- und Mehrspra<strong>ch</strong>igkeit ni<strong>ch</strong>t genügend Re<strong>ch</strong>nung trage. Andere<br />

Autoren mo<strong>ch</strong>ten die rhetoris<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>ärfe Ribeauds und Lüdis zwar ni<strong>ch</strong>t teilen,<br />

spra<strong>ch</strong>en aber etwa von einem wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong> bestimmten, utilitaristis<strong>ch</strong>en<br />

Spra<strong>ch</strong>verständnis bei den Zür<strong>ch</strong>ern (Marco Bas<strong>ch</strong>era). Man erkannte hinter der<br />

Verbreitung des Englis<strong>ch</strong>en, analog dem Dollar in den ökonomis<strong>ch</strong>en Kreisläufen, einen<br />

auf Uniformierung hinauslaufenden Hegemonieanspru<strong>ch</strong>. S<strong>ch</strong>limmer no<strong>ch</strong> sei ein<br />

voraussehbarer Vers<strong>ch</strong>leiss des Englis<strong>ch</strong>en zu prognostizieren, das si<strong>ch</strong> in unzählige<br />

lokal determinierte Varianten zersplittern werde. Dies würde der Traum von der<br />

Völkerverständigung wieder zuni<strong>ch</strong>te ma<strong>ch</strong>en, wird der Gymnasiallehrer und<br />

Literaturwissens<strong>ch</strong>aftler Bas<strong>ch</strong>era zitiert, der für die s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e Mehrspra<strong>ch</strong>igkeit<br />

plädiert. Der Wels<strong>ch</strong>land-Korrespondent der Neuen Zür<strong>ch</strong>er Zeitung, Roger Friedri<strong>ch</strong>,<br />

erinnerte daran, dass das Verhältnis zur jeweils anderen Landesspra<strong>ch</strong>e au<strong>ch</strong> eine Frage<br />

des Verhältnisses zu den europäis<strong>ch</strong>en Na<strong>ch</strong>barstaaten der S<strong>ch</strong>weiz sei, also zu<br />

Frankrei<strong>ch</strong>, Deuts<strong>ch</strong>land, Italien und Österrei<strong>ch</strong>. Andere Autoren forderten eine<br />

verstärkte Aufmerksamkeit zugunsten des Französis<strong>ch</strong>en in der Deuts<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>weiz und des<br />

11 NZZ 15.9.2000<br />

12 Max Mittler (Hrgs.). Wieviel Englis<strong>ch</strong> brau<strong>ch</strong>t die S<strong>ch</strong>weiz? Unsere S<strong>ch</strong>ulen und die Not der<br />

Landesspra<strong>ch</strong>en. Frauenfeld, Stuttgart, Wien 1998.<br />

4


Deuts<strong>ch</strong>en in der Romandie als flankierende Massnahme bei der Einführung des<br />

Frühenglis<strong>ch</strong>en. Der rätoromanis<strong>ch</strong>e Publizist Iso Camartin hielt ni<strong>ch</strong>t die Frage der<br />

Reihenfolge der Fremdspra<strong>ch</strong>en auf der Lektorentafel für ents<strong>ch</strong>eidend, sondern die Art<br />

des Unterri<strong>ch</strong>ts und den propädeutis<strong>ch</strong>en Wert einer Spra<strong>ch</strong>e. Die Lernlust (Motivation)<br />

und Lernfähigkeit müsse ins Zentrum der Überlegungen gestellt werden, meinte die<br />

Primarlehrerin Katja Klingler. 13<br />

Ausserdem regte si<strong>ch</strong> Widerstand gegen Frühenglis<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> bei einem Teil der<br />

Sekundarlehrerkräfte des Kantons Züri<strong>ch</strong>, die si<strong>ch</strong> vom Zür<strong>ch</strong>er Lehrerinnen- und<br />

Lehrerverband (ZLV) abspalteten und diesem ni<strong>ch</strong>t mehr angehören. Die zum ZLV<br />

gehörende Zür<strong>ch</strong>er Kantonale Mittelstufenkonferenz wies warnend darauf hin, zwei<br />

Fremdspra<strong>ch</strong>en an der Primars<strong>ch</strong>ule seien zu viel. Die PISA-Studie, die bei den<br />

Lesefähigkeiten der S<strong>ch</strong>weizer Jugendli<strong>ch</strong>en einen grossen Na<strong>ch</strong>holbedarf eruierte,<br />

habe bewiesen, dass die deuts<strong>ch</strong>e Spra<strong>ch</strong>e Priorität habe. Diese Lehrer und Lehrerinnen<br />

verlangten das Ende der „ineffizienten Spra<strong>ch</strong>enexperimentiererei“ und kündigten<br />

Widerstand gegen das neue Volkss<strong>ch</strong>ulgesetz an. 14 Trotz zahlrei<strong>ch</strong>er Proteste aus<br />

Politiker-, Lehrer- und Intellektuellenkreisen und aus der Romandie will Züri<strong>ch</strong> am<br />

Frühenglis<strong>ch</strong>en festhalten: der Bildungsrat des Kantons Züri<strong>ch</strong> hat an seiner Sitzung<br />

vom 15. März 2004 bes<strong>ch</strong>lossen, Englis<strong>ch</strong> als obligatoris<strong>ch</strong>es S<strong>ch</strong>ulfa<strong>ch</strong> in den<br />

S<strong>ch</strong>ulgemeinden des Kantons Züri<strong>ch</strong> ab der 2. Klasse der Primars<strong>ch</strong>ule ab den<br />

S<strong>ch</strong>uljahren 2004/05 und 2006/07 zeitli<strong>ch</strong> gestaffelt einzuführen. Und in der ersten<br />

Klasse wird die Lektionenzahl für Deuts<strong>ch</strong> erhöht. 15 Der Grosse Rat des dem Kanton<br />

Züri<strong>ch</strong> bena<strong>ch</strong>barten Kantons S<strong>ch</strong>affhausen spra<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong> im Januar 2001 in einem<br />

Grundsatzents<strong>ch</strong>eid ebenfalls zugunsten der Einführung des Frühenglis<strong>ch</strong>en aus.<br />

Au<strong>ch</strong> auf der Ebene der Bundespolitik hat der galoppierende Forts<strong>ch</strong>ritt des Englis<strong>ch</strong>en<br />

entspre<strong>ch</strong>ende Reaktionen ausgelöst, die Parlamentarier blieben diesem Thema<br />

gegenüber ni<strong>ch</strong>t glei<strong>ch</strong>gültig. Zu den wi<strong>ch</strong>tigsten Grundsätzen der helvetis<strong>ch</strong>en Staatsund<br />

Spra<strong>ch</strong>politik zählt die Rücksi<strong>ch</strong>tnahme auf spra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Minderheiten und die<br />

Erhaltung der Spra<strong>ch</strong>räume der vierspra<strong>ch</strong>igen S<strong>ch</strong>weiz. Dies ist so in der Verfassung<br />

13 NZZ 22.12.1998<br />

14 NZZ 6.4.2002<br />

15 www.bildungsdirektion.zh.<strong>ch</strong><br />

16 Gemäss Art. 18 der S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Bundesverfassung ist die Spra<strong>ch</strong>enfreiheit in der S<strong>ch</strong>weiz<br />

gewährleistet. Die Bundesverfassung von 1848 erklärte die "drei Hauptspra<strong>ch</strong>en der S<strong>ch</strong>weiz", das<br />

Deuts<strong>ch</strong>e, das Französis<strong>ch</strong>e und das Italienis<strong>ch</strong>e, als "Nationalspra<strong>ch</strong>en des Bundes" und gab ihnen die<br />

politis<strong>ch</strong>e Legitimität. Die CH-Bundesverfassung legte 1938 das Rätoromanis<strong>ch</strong>e neben dem Deuts<strong>ch</strong>en,<br />

Französis<strong>ch</strong>en und Italienis<strong>ch</strong>en als Nationalspra<strong>ch</strong>e fest. In einem revidierten Spra<strong>ch</strong>enartikel von 1999<br />

wurde das Rätoromanis<strong>ch</strong>e im Verkehr mit Personen rätoromanis<strong>ch</strong>er Spra<strong>ch</strong>e als Amtsspra<strong>ch</strong>e des<br />

Bundes aufgewertet. Im Unters<strong>ch</strong>ied zum übrigen Europa koppelte die S<strong>ch</strong>weiz mit der offiziellen<br />

Mehrspra<strong>ch</strong>igkeit die politis<strong>ch</strong>e Staatsbürgers<strong>ch</strong>aft von der kulturellen Spra<strong>ch</strong>enzugehörigkeit ab.<br />

17 Die S<strong>ch</strong>weiz hat als mehrspra<strong>ch</strong>iger Staat Modell<strong>ch</strong>arakter erlangt, insbesondere aufgrund der Seltenheit<br />

von spra<strong>ch</strong>politis<strong>ch</strong>en Konflikten. Das Zusammenleben der vier Spra<strong>ch</strong>gemeins<strong>ch</strong>aften hat si<strong>ch</strong> seit 1848<br />

im grossen und ganzen problemlos entwickelt und gilt als beispiellose Erfolgsges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te. Beurteilt man<br />

aber den Zustand der vierspra<strong>ch</strong>igen bzw. mehrspra<strong>ch</strong>igen S<strong>ch</strong>weiz aufgrund der individuellen<br />

Spra<strong>ch</strong>kompetenzen, muss allgemein festgestellt werden, dass der S<strong>ch</strong>ritt von der institutionellen zur<br />

5


verankert (Art. 70). 16 Der Bund hat mit seiner Spra<strong>ch</strong>enpolitik die Aufgabe, die<br />

Minderheitenspra<strong>ch</strong>en zu s<strong>ch</strong>ützen und zu fördern, eine Brücke der Verständigung<br />

zwis<strong>ch</strong>en den Spra<strong>ch</strong>en und Kulturen des Landes zu s<strong>ch</strong>lagen und so für den<br />

Zusammenhalt der fast mythis<strong>ch</strong> überwölbten „Willensnation“ S<strong>ch</strong>weiz zu sorgen. 17<br />

Die Spra<strong>ch</strong>– und Kulturgemeins<strong>ch</strong>aften haben beim Aufbau des föderativen Staates<br />

stets eine bedeutende Rolle gespielt. Hat also der S<strong>ch</strong>utz der Landesspra<strong>ch</strong>en mehr den<br />

eigentli<strong>ch</strong>en Zweck, den nationalen Zusammenhalt zu garantieren, bzw. die Gefahr des<br />

Auseinanderdriftens der Spra<strong>ch</strong>gemeins<strong>ch</strong>aften der Eidgenossens<strong>ch</strong>aft zu bannen? An<br />

entspre<strong>ch</strong>enden Vorstössen im S<strong>ch</strong>weizer Parlament hat es ni<strong>ch</strong>t gemangelt – zwis<strong>ch</strong>en<br />

1979 und 1999 gab es deren 26, die explizit das Englis<strong>ch</strong>e betrafen, wobei in 18 Fällen<br />

eine eher negative und in 8 eine neutrale oder eher positive Haltung gegenüber dem<br />

Englis<strong>ch</strong>en und dessen Platz in der S<strong>ch</strong>weizer Spra<strong>ch</strong>enlands<strong>ch</strong>aft eingenommen<br />

wurde. 18 So wollte Nationalrätin Vreni Hubmann (SP/ZH) in ihrer an den Bundesrat<br />

geri<strong>ch</strong>teten Interpellation (8.10.1997) wissen, wel<strong>ch</strong>e staats- und<br />

gesells<strong>ch</strong>aftspolitis<strong>ch</strong>en Konsequenzen zu erwarten sind, wenn das Englis<strong>ch</strong>e als<br />

Fremdspra<strong>ch</strong>e zunehmend eine zweite Landesspra<strong>ch</strong>e verdrängt. Der Bundesrat, bei<br />

dem si<strong>ch</strong> in dieser Frage eine eher pragmatis<strong>ch</strong>e Position ausma<strong>ch</strong>en lässt, beurteilte die<br />

Situation als ni<strong>ch</strong>t dramatis<strong>ch</strong> oder als eine Gefährdung der Spra<strong>ch</strong>envielfalt der<br />

S<strong>ch</strong>weiz, obwohl er zugab, dass die Verdrängung der Landesspra<strong>ch</strong>en aus den<br />

Bildungsprogrammen zugunsten des Englis<strong>ch</strong>en mit Si<strong>ch</strong>erheit eine na<strong>ch</strong>teilige<br />

Auswirkung auf die interkulturelle Verständigung in der S<strong>ch</strong>weiz haben könnte. Der<br />

Staat jedo<strong>ch</strong> müsse der Herausforderung mit Offenheit begegnen, da er den Bürgerinnen<br />

und Bürgern den Zugang zu den Informationen und Märkten der Welt ni<strong>ch</strong>t verwehren<br />

kann und will. Seine Aufgabe bestehe darin, geeignete Massnahmen zur Erhaltung und<br />

Förderung der Spra<strong>ch</strong>kompetenz in den Landesspra<strong>ch</strong>en zu treffen, ohne dabei dem<br />

Erlernen des Englis<strong>ch</strong>en als globaler Kommunikationsspra<strong>ch</strong>e grundsätzli<strong>ch</strong><br />

Hindernisse in den Weg zu legen. Mit seiner Motion (21.12.1999) forderte der einer<br />

extremre<strong>ch</strong>ten Partei angehörende Nationalrat Bernhard Hess (BE), der George W.<br />

Bush übrigens für einen mutmassli<strong>ch</strong>en Kriegsverbre<strong>ch</strong>er hält, vom Bundesrat, in<br />

Anlehnung an die Gesetze Frankrei<strong>ch</strong>s ein s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>es Gesetz zum S<strong>ch</strong>utz der<br />

Landesspra<strong>ch</strong>en zu erlassen, das gesetzli<strong>ch</strong>e Bestimmungen, insbesondere gegen die<br />

Flut englis<strong>ch</strong>er Begriffe, enthält. In seiner Begründung hielt der Motionär fest, dass die<br />

Spra<strong>ch</strong>en und Kulturen Europas in zunehmendem Masse von angloamerikanis<strong>ch</strong>em<br />

Spra<strong>ch</strong>- und Kulturgut beeinflusst würden. Dies habe letztli<strong>ch</strong> einen Identitätsverlust der<br />

betroffenen Völker und Volksgruppen zur Folge. In seiner Stellungnahme, in der der<br />

individuellen Mehrspra<strong>ch</strong>igkeit bislang (no<strong>ch</strong>) ni<strong>ch</strong>t getan wurde. (Die fünfte Landesspra<strong>ch</strong>e? Englis<strong>ch</strong> in<br />

der S<strong>ch</strong>weiz. S. 142 (Constantin Pits<strong>ch</strong>: Wieviel Mehrspra<strong>ch</strong>igkeit ist zumutbar?)<br />

18 ebd. S. 165 (Renata Coray: Englis<strong>ch</strong> in der S<strong>ch</strong>weiz: Trojanis<strong>ch</strong>es Pferd oder Sprungbrett für die<br />

Zukunft). Bezügli<strong>ch</strong> der parteipolitis<strong>ch</strong>en Positionierung gegenüber dem Englis<strong>ch</strong>en lässt si<strong>ch</strong> aufgrund<br />

der untersu<strong>ch</strong>ten parlamentaris<strong>ch</strong>en Vorstössen keine eindeutige Aussage ma<strong>ch</strong>en. Die wenigen positiven<br />

Stimmen zum Englis<strong>ch</strong>en sind tendenziell jedo<strong>ch</strong> eher aus dem deuts<strong>ch</strong>spra<strong>ch</strong>igen linken<br />

Parteienspektrum zu vernehmen. Die SP-alt Bundesrätin jüdis<strong>ch</strong>er Herkunft Ruth Dreifuss befand, dass<br />

der Vormars<strong>ch</strong> des Englis<strong>ch</strong>en in der S<strong>ch</strong>weiz kein Zei<strong>ch</strong>en der Öffnung, sondern vielmehr der<br />

Unterordnung darstelle.<br />

6


Bundesrat dem Parlament die Ablehnung der Motion Hess beantragt hat, wies er zwar<br />

sehr wohl auf den wa<strong>ch</strong>senden Einfluss des Englis<strong>ch</strong>en auf den Spra<strong>ch</strong>gebrau<strong>ch</strong> und<br />

damit auf Zustand und die Entwicklung der Landesspra<strong>ch</strong>en hin. Er era<strong>ch</strong>tete es jedo<strong>ch</strong><br />

„als s<strong>ch</strong>wierig, na<strong>ch</strong> dem französis<strong>ch</strong>en Modell spra<strong>ch</strong>re<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Normen zu erlassen,<br />

die ein aus spra<strong>ch</strong>politis<strong>ch</strong>er Si<strong>ch</strong>t unerwüns<strong>ch</strong>tes Spra<strong>ch</strong>verhalten in den<br />

vers<strong>ch</strong>iedensten Berei<strong>ch</strong>en des öffentli<strong>ch</strong>en Lebens eins<strong>ch</strong>ränken oder gar verbieten.“<br />

Die bundesstaatli<strong>ch</strong>en Kompetenzregelungen seien mit der zentralistis<strong>ch</strong>en Regelung<br />

eines Staates ni<strong>ch</strong>t zu vereinbaren. Zumal das fragli<strong>ch</strong>e Gesetz in Frankrei<strong>ch</strong> das<br />

Problem keineswegs gelöst habe und bezügli<strong>ch</strong> Anwendbarkeit sehr umstritten sei. Ob<br />

der Bund befugt wäre, bei einem kantonalen Verstoss gegen den verfassungsre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en<br />

Verständigungsauftrag im Rahmen des Fremdspra<strong>ch</strong>enunterri<strong>ch</strong>ts zu intervenieren, ist<br />

fragli<strong>ch</strong>. Der Bundesrat sieht im Moment keinen Anlass dazu, die Kompetenzen des<br />

Bundes in der Spra<strong>ch</strong>enpolitik auf Verfassungsstufe zu erweitern und verweist darauf,<br />

dass man si<strong>ch</strong> mit entspre<strong>ch</strong>enden Postulaten an die Kantone und Eidgenössis<strong>ch</strong>en<br />

Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) zu ri<strong>ch</strong>ten habe. Im übrigen befasst si<strong>ch</strong> eine<br />

sogenannte paritätis<strong>ch</strong>en Arbeitsgruppe Spra<strong>ch</strong>engesetz des Bundes mit der Frage,<br />

inwiefern die wa<strong>ch</strong>sende Bedeutung des Englis<strong>ch</strong>en in Bildung und Wissens<strong>ch</strong>aft als<br />

unmittelbare Konkurrenz zu den Landesspra<strong>ch</strong>en mitberücksi<strong>ch</strong>tigt werden kann und<br />

muss. Neben dem Englis<strong>ch</strong>en stellt übrigens au<strong>ch</strong> die Präsenz anderer Ni<strong>ch</strong>t-<br />

Landesspra<strong>ch</strong>en (wie Türkis<strong>ch</strong>, Albanis<strong>ch</strong>, Spanis<strong>ch</strong>, slawis<strong>ch</strong>e Spra<strong>ch</strong>en usw.) die<br />

S<strong>ch</strong>ulen vor grosse Probleme. 19<br />

Obwohl beim Bund jeder grundsätzli<strong>ch</strong> das Re<strong>ch</strong>t hat, seine eigene Spra<strong>ch</strong>e zu<br />

verwenden, sieht es in der Praxis so aus, dass nur Deuts<strong>ch</strong> und Französis<strong>ch</strong><br />

ents<strong>ch</strong>eidungswirksam sind, während Italienis<strong>ch</strong> und Rätoromanis<strong>ch</strong> weitgehend nur<br />

no<strong>ch</strong> symbolis<strong>ch</strong> zu existieren s<strong>ch</strong>einen. Beim Gebrau<strong>ch</strong> des Englis<strong>ch</strong>en als 'neutraler'<br />

Fremdspra<strong>ch</strong>e wäre somit niemand bena<strong>ch</strong>teiligt. Dort wo der Bund mit internationalen<br />

Aktivitäten, wie in der Diplomatie und Armee, in Berührung kommt, ist Englis<strong>ch</strong> kein<br />

Tabu. 20<br />

Ob man das gerne sieht oder ni<strong>ch</strong>t, der Verwendungsgrad der englis<strong>ch</strong>en Spra<strong>ch</strong>e wird<br />

ni<strong>ch</strong>t nur in der s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Industrie und Wirts<strong>ch</strong>aft zunehmend grösser – einige<br />

internationale Unternehmen benutzen auss<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> Englis<strong>ch</strong>, besonders na<strong>ch</strong>dem sie<br />

bei Fusionen international geworden sind, meist auf Kosten der Identifikation der<br />

lokalen Mitarbeiter mit der vormals s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en oder von S<strong>ch</strong>weizern geführten<br />

Firma. Als äusserst brisante Erkenntnis gilt, dass im Wirts<strong>ch</strong>aftsleben die Höhe des<br />

Salärs immer stärker dur<strong>ch</strong> die Kenntnis des Englis<strong>ch</strong>en beeinflusst wird<br />

(Lohnwirksamkeit). 21 Aber au<strong>ch</strong> setzt si<strong>ch</strong> das Ausmass der Verbreitung des Englis<strong>ch</strong>en<br />

zum Beispiel immer mehr auf sämtli<strong>ch</strong>en Ebenen des s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en<br />

Universitätswesens dur<strong>ch</strong>. An den beiden Te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en Ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ulen (ETH) von Züri<strong>ch</strong><br />

19 Die fünfte Landesspra<strong>ch</strong>e? Englis<strong>ch</strong> in der S<strong>ch</strong>weiz. S. 141-59 (Constantin Pits<strong>ch</strong>: Wieviel<br />

Mehrspra<strong>ch</strong>igkeit ist zumutbar?)<br />

20 Die fünfte Landesspra<strong>ch</strong>e? Englis<strong>ch</strong> in der S<strong>ch</strong>weiz. S. 17f. (Alessandra Franzen: Wo wird Englis<strong>ch</strong> in<br />

der S<strong>ch</strong>weiz verwendet? Eine Dokumentation).<br />

21 Die fünfte Landesspra<strong>ch</strong>e? Englis<strong>ch</strong> in der S<strong>ch</strong>weiz. S. 63 (Martin Stauffer: Fremdspra<strong>ch</strong>en an<br />

S<strong>ch</strong>weizer S<strong>ch</strong>ulen: Dilemmata und Perspektiven eines Gesamtspra<strong>ch</strong>enkonzepts) und S. 115ff. (François<br />

Grin: Der ökonomis<strong>ch</strong>e Wert der englis<strong>ch</strong>en Spra<strong>ch</strong>e).<br />

7


und Lausanne ist das Englis<strong>ch</strong>e als Wissens<strong>ch</strong>aftsspra<strong>ch</strong>e weit verbreitet. Au<strong>ch</strong> das<br />

Ausmass, in wel<strong>ch</strong>em Englis<strong>ch</strong> im Studienalltag z.B. der Universität Bern verwendet<br />

wird, ist erstaunli<strong>ch</strong>, wie eine Untersu<strong>ch</strong>ung gezeigt hat. In Fä<strong>ch</strong>ern wie Allgemeine<br />

Psy<strong>ch</strong>ologie, Angewandte Mathematik (Informatik), Ethnologie, Mikrobiologie und<br />

Volkswirts<strong>ch</strong>aft, wo teilweise englis<strong>ch</strong>spra<strong>ch</strong>ige Professoren dozieren, wird hier mehr<br />

als die Hälfte in Englis<strong>ch</strong>, in den Fä<strong>ch</strong>ern Politologie, Soziologie, Geographie und<br />

Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te weniger als die Hälfte in Englis<strong>ch</strong> gelehrt. In mehreren Spezialgebieten<br />

müssen die Studierenden sowieso Fa<strong>ch</strong>literatur in Englis<strong>ch</strong> und Gastvorlesungen<br />

verstehen können, an englis<strong>ch</strong>spra<strong>ch</strong>igen Diskussionen teilnehmen und gerade in den<br />

Bio- und Naturwissens<strong>ch</strong>aften Beri<strong>ch</strong>te und Arbeiten auf Englis<strong>ch</strong> verfassen. Bei<br />

Umfragen gaben die StudentInnen im Allgemeinen an, wenig<br />

Verständniss<strong>ch</strong>wierigkeiten zu haben, wobei S<strong>ch</strong>reiben und Spre<strong>ch</strong>en als s<strong>ch</strong>wieriger<br />

empfunden wurde. In dem Beitrag wird die Befür<strong>ch</strong>tung geäussert, dass die wa<strong>ch</strong>sende<br />

Tendenz zu Englis<strong>ch</strong> im akademis<strong>ch</strong>en Alltag dazu führen könnte, dass die<br />

Universitäten mit den von ihnen hervorgebra<strong>ch</strong>ten Eliten si<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> weiter von der<br />

Gesells<strong>ch</strong>aft entfernen. 22<br />

Ohne gebührende Englis<strong>ch</strong>kenntnisse, über die auf der Welt 300 bis 400 Mio.<br />

Mutterspra<strong>ch</strong>ler verfügen, ist in den genannten Arbeitsberei<strong>ch</strong>en heutzutage also nur<br />

s<strong>ch</strong>wer Fuss zu fassen. Das Englis<strong>ch</strong>e hat so au<strong>ch</strong> in der S<strong>ch</strong>weiz alle Gebiete erfasst:<br />

Wirts<strong>ch</strong>aft, Industrie, Arbeitsmarkt, Erziehung, Fors<strong>ch</strong>ung, Politik, Verwaltung, Armee,<br />

Diplomatie, Sport, Tourismus, Medien, Werbung, Marketing, Internet und<br />

Unterhaltung. Das Prestigedenken s<strong>ch</strong>eint au<strong>ch</strong> ein Grund für den Gebrau<strong>ch</strong> des<br />

Englis<strong>ch</strong>en zu sein. Die Vorteile des Gebrau<strong>ch</strong>s des Englis<strong>ch</strong>en in multinationalen<br />

Betrieben seien oder sind, dass Zeit und Geld gespart werde/wird. Daher werden<br />

Englis<strong>ch</strong>kurse überall zur Pfli<strong>ch</strong>t. Mangelnde Englis<strong>ch</strong>kenntnisse können si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t nur<br />

als Lohnhemmer, sondern au<strong>ch</strong> als eigentli<strong>ch</strong>er Entlassungsgrund entpuppen.<br />

Dabei sind no<strong>ch</strong> längst ni<strong>ch</strong>t alle S<strong>ch</strong>weizer dem Englis<strong>ch</strong>en wohlgesinnt, ges<strong>ch</strong>weige<br />

denn mä<strong>ch</strong>tig, vor allem ältere Personen. Viele Gegner des Frühenglis<strong>ch</strong>en befür<strong>ch</strong>ten,<br />

dass die Weltspra<strong>ch</strong>e Englis<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>lei<strong>ch</strong>end zur Nationalspra<strong>ch</strong>e werden und den<br />

Spra<strong>ch</strong>frieden in der S<strong>ch</strong>weiz (zer)stören könnte. Das Englis<strong>ch</strong>e s<strong>ch</strong>eint in ihren Augen<br />

eine Bedrohung für die Landesspra<strong>ch</strong>en und eine Gefahr für die s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e<br />

nationale Kultur darzustellen. Aber viellei<strong>ch</strong>t sind die Ängste übertrieben und ni<strong>ch</strong>t<br />

gere<strong>ch</strong>tfertigt. Bis heute gibt es keine umfassende, offizielle Studie, die die qualitative<br />

Rolle des Englis<strong>ch</strong>en in der S<strong>ch</strong>weiz näher untersu<strong>ch</strong>t hat. Analysiert wurden meist in<br />

unveröffentli<strong>ch</strong>ten Lizentiatsarbeiten ledigli<strong>ch</strong> Teilberei<strong>ch</strong>e wie der Englis<strong>ch</strong>gebrau<strong>ch</strong><br />

in einzelnen Firmen, zum Beispiel in einer Bank im Tessin. Beim Englis<strong>ch</strong>-Streit<br />

s<strong>ch</strong>eint au<strong>ch</strong> eine Mentalitätsdiskrepanz zwis<strong>ch</strong>en der Deuts<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>weiz einerseits und<br />

der französis<strong>ch</strong>en und italienis<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>weiz andererseits zu bestehen. Während die<br />

Akzeptanz für das Englis<strong>ch</strong>e bei den Deuts<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>weizern relativ gross zu sein s<strong>ch</strong>eint,<br />

ziehen die Wests<strong>ch</strong>weizer und die Tessiner vielfa<strong>ch</strong> Werbung in ihrer Mutterspra<strong>ch</strong>e<br />

vor. Es mag absurd klingen, aber Englis<strong>ch</strong> wird ni<strong>ch</strong>t nur mehr für Kontakte mit dem<br />

Ausland, sondern au<strong>ch</strong> für die Kommunikation innerhalb der Landesgrenzen benutzt, so<br />

22 Die fünfte Landesspra<strong>ch</strong>e? Englis<strong>ch</strong> in der S<strong>ch</strong>weiz. S. 90, 93f., 98f. (Heather Murray: Englis<strong>ch</strong> als<br />

Wissens<strong>ch</strong>aftsspra<strong>ch</strong>e an der Universität Bern).<br />

8


häufig zwis<strong>ch</strong>en Mitarbeitern eines Unternehmens in der Deuts<strong>ch</strong>en, Französis<strong>ch</strong>en oder<br />

Italienis<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>weiz. So beginnt si<strong>ch</strong> das Englis<strong>ch</strong>e in der S<strong>ch</strong>weiz als lingua franca,<br />

d.h. als Verständigungsmittel von Personen, die keine ausrei<strong>ch</strong>enden Kenntnisse der<br />

Mutterspra<strong>ch</strong>e des anderen besitzen, immer mehr dur<strong>ch</strong>zusetzen. Dies würde bedeuten,<br />

dass Englis<strong>ch</strong> von seinem Fremdspra<strong>ch</strong>estatus zum Zweitspra<strong>ch</strong>estatus aufrücken würde<br />

(der Status „Nr. 1“ ist der Mutterspra<strong>ch</strong>estatus). Das Englis<strong>ch</strong>e wird ni<strong>ch</strong>t vorgezogen,<br />

weil es als eine besonders s<strong>ch</strong>öne Spra<strong>ch</strong>e angesehen würde, sondern aus Gründen<br />

seiner vielgelobten Zweckmässigkeit und weil si<strong>ch</strong> die Frage na<strong>ch</strong> einer Alternative gar<br />

ni<strong>ch</strong>t mehr stellt. Diese Feststellungen basieren auf Aussagen von<br />

Firmenmitarbeitenden. 23 Professor Peter Trudgill von der Universität Fribourg ist der<br />

Ansi<strong>ch</strong>t, dass die Fremdspra<strong>ch</strong>e Englis<strong>ch</strong> als neutrales Kommunikationsmittel die<br />

Spannungen zwis<strong>ch</strong>en Mehrheits- und Minderheitsspra<strong>ch</strong>en der S<strong>ch</strong>weiz etwas<br />

ents<strong>ch</strong>ärfen könnte. Na<strong>ch</strong> seiner Meinung spielt die S<strong>ch</strong>weiz au<strong>ch</strong> im 'Fall Englis<strong>ch</strong>'<br />

einen Sonderfall und ist vereinfa<strong>ch</strong>t hö<strong>ch</strong>stens mit Belgien oder Finnland zu<br />

verglei<strong>ch</strong>en. Wenn die Zukunftsvision si<strong>ch</strong> erfüllen würde, dass die S<strong>ch</strong>weiz zu<br />

denjenigen Ländern gehören wird, in denen Englis<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t nur als Fremdspra<strong>ch</strong>e gelehrt<br />

wird, sondern wo diese Spra<strong>ch</strong>e die Rolle als lingua franca auf höherem Niveau spielt,<br />

so wären die Voraussetzungen dazu gegeben, dass die S<strong>ch</strong>weiz neben Indien, Singapur,<br />

Nigeria, Kenya usw. zu den ersten Ländern gehören würde, in dem si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> eine<br />

eigene, klar erkennbare Form von „Swiss-Englis<strong>ch</strong>“ entwickelt hat. 24<br />

Die Diskussion über die Beliebtheit des Englis<strong>ch</strong>en, die immer wieder in Zweifel<br />

gezogen wird, s<strong>ch</strong>eint müssig zu sein. S<strong>ch</strong>on seit mindestens 15 Jahren ist Englis<strong>ch</strong> in<br />

der S<strong>ch</strong>weiz ein begehrtes S<strong>ch</strong>ulfa<strong>ch</strong>, wie ein Nationalfonds-Projekt (1985) zeigte.<br />

Ungefähr 65% der befragten 20-jährigen Wels<strong>ch</strong>- und Deuts<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>weizer, sowie 48%<br />

der italienis<strong>ch</strong>spra<strong>ch</strong>igen S<strong>ch</strong>weizer waren der Meinung, dass Englis<strong>ch</strong> die erste<br />

Fremdspra<strong>ch</strong>e im S<strong>ch</strong>ulunterri<strong>ch</strong>t sein sollte. Eine ISOPUBLIC-Studie aus dem Jahr<br />

2000 zeigte auf, dass sogar 73% der Deuts<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>weizer aus derselben Altersgruppe<br />

dieser Meinung sind (in der Französis<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>weiz waren es 45%). Ab den<br />

Neunzigerjahren lernten mehr als die Hälfte aller S<strong>ch</strong>weizer Sekundars<strong>ch</strong>üler Englis<strong>ch</strong><br />

als zweite Fremdspra<strong>ch</strong>e. 25 Bis 2001 wurde Englis<strong>ch</strong> als zweite Fremdspra<strong>ch</strong>e in 60%<br />

der S<strong>ch</strong>weizer Kantone unterri<strong>ch</strong>tet. Der Trend geht in Ri<strong>ch</strong>tung 80%. 26<br />

Rund um das Frühenglis<strong>ch</strong> gab es Fragen an die Politik, z.B. ob es gut sei, a) dass der<br />

Kanton Züri<strong>ch</strong> eigenmä<strong>ch</strong>tig vorgeht, ohne si<strong>ch</strong> mit anderen Kantonen zu koordinieren,<br />

und b) Englis<strong>ch</strong> oder die zweite Landesspra<strong>ch</strong>e zuerst zu unterri<strong>ch</strong>ten (der<br />

Expertenberi<strong>ch</strong>t zu einem Gesamtkonzept für den Spra<strong>ch</strong>enunterri<strong>ch</strong>t der S<strong>ch</strong>weiz.<br />

Konferenz der Erziehungsdirektoren lässt die Wahl der Reihenfolge offen). An die<br />

Fremdspra<strong>ch</strong>enfors<strong>ch</strong>ung wurden au<strong>ch</strong> die folgenden Fragen gestellt: Beeinflusst mehr<br />

und früherer Fremdspra<strong>ch</strong>enunterri<strong>ch</strong>t tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> die Fremdspra<strong>ch</strong>enkompetenz von<br />

S<strong>ch</strong>weizer S<strong>ch</strong>ulkindern? Führt ein früher Beginn mit Fremdspra<strong>ch</strong>enunterri<strong>ch</strong>t zu einer<br />

23 Die fünfte Landesspra<strong>ch</strong>e? Englis<strong>ch</strong> in der S<strong>ch</strong>weiz. Akademis<strong>ch</strong>e Kommission der Universität Bern,<br />

vdf Züri<strong>ch</strong> 2001, S. 9-17. (Alessandra Franzen: Wo wird Englis<strong>ch</strong> in der S<strong>ch</strong>weiz verwendet? Eine<br />

Dokumentation).<br />

24 ebd. S. 25, 33.<br />

25 ebd. S. 55<br />

26 ebd. S. 60f.<br />

9


positiveren Einstellung gegenüber dieser Spra<strong>ch</strong>e und zu einer grösseren Sensibilität<br />

gegenüber Fremdspra<strong>ch</strong>en generell? Sind die Vorteile von frühem<br />

Fremdspra<strong>ch</strong>enunterri<strong>ch</strong>t so gross, dass sie in späteren Jahren ni<strong>ch</strong>t mehr wettgema<strong>ch</strong>t<br />

werden könnten? Bleibt Englis<strong>ch</strong> als Spra<strong>ch</strong>fa<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> dann populär, wenn der<br />

Englis<strong>ch</strong>unterri<strong>ch</strong>t für alle S<strong>ch</strong>üler verbindli<strong>ch</strong> eingeführt wird? Wird der ökonomis<strong>ch</strong>e<br />

Vorteil, den gute Englis<strong>ch</strong>kenntnisse heute mit si<strong>ch</strong> bringen, abnehmen, wenn diese<br />

selbstverständli<strong>ch</strong> werden (Na<strong>ch</strong>frage/Angebot)? Und was bringt Frühenglis<strong>ch</strong><br />

überhaupt? Sind neun Jahre S<strong>ch</strong>ulenglis<strong>ch</strong> zwingend wirkungsvoller als sieben Jahre.<br />

Usw. Ferner wurde in Hinsi<strong>ch</strong>t auf die Finanzen (ökonomis<strong>ch</strong>e Rentabilität) au<strong>ch</strong> die<br />

brisante Frage laut, was ges<strong>ch</strong>ehen wird, wenn si<strong>ch</strong> erweisen sollte, dass S<strong>ch</strong>ülerInnen<br />

besser Englis<strong>ch</strong> als Französis<strong>ch</strong> oder Deuts<strong>ch</strong> können. 27 S<strong>ch</strong>on jetzt wird in der<br />

deuts<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>weiz anteilmässig mehr Geld für den Englis<strong>ch</strong>unterri<strong>ch</strong>t aufgewendet als<br />

in der französis<strong>ch</strong>en und italienis<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>weiz. 28<br />

S<strong>ch</strong>luss<br />

Au<strong>ch</strong> wenn das Englis<strong>ch</strong>e in der nä<strong>ch</strong>sten Zukunft keine Chancen hat, zur einzigen<br />

Amtsspra<strong>ch</strong>e Europas zu werden, ist es faktis<strong>ch</strong> als lingua franca des europäis<strong>ch</strong>en<br />

Alltags aufgestiegen. 29 Die Europäis<strong>ch</strong>e Union baut auf der spra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Vielfalt auf.<br />

Na<strong>ch</strong> Grie<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>, Latein und Französis<strong>ch</strong> ist es wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>, dass die Welt in eine<br />

Epo<strong>ch</strong>e erhöhter internationaler Bedeutung des Englis<strong>ch</strong>en eingetreten ist. 30 No<strong>ch</strong><br />

betra<strong>ch</strong>ten si<strong>ch</strong> die S<strong>ch</strong>weizer in der Spra<strong>ch</strong>enfrage als europäis<strong>ch</strong>en Modell- und<br />

Sonderfall. Hat si<strong>ch</strong> die S<strong>ch</strong>weiz also entweder für die nationale Kohäsion oder für den<br />

globalisierten Markt und damit für die Öffnung gegenüber der Welt - oder für beides –<br />

zu ents<strong>ch</strong>eiden ? Wel<strong>ch</strong>en Weg die S<strong>ch</strong>weizer au<strong>ch</strong> immer eins<strong>ch</strong>lagen, eines steht fest:<br />

Die europäis<strong>ch</strong>en Spra<strong>ch</strong>entwicklungen vermindern die Bedeutung des Französis<strong>ch</strong>en<br />

und Deuts<strong>ch</strong>en au<strong>ch</strong> in der S<strong>ch</strong>weiz. Während si<strong>ch</strong> die S<strong>ch</strong>weiz für Urs Altermatt<br />

(Rektor Universität Freiburg) zu einem anderthalbspra<strong>ch</strong>igen Land wandelt<br />

(Mutterspra<strong>ch</strong>e plus eine halbe 'fremde' Landesspra<strong>ch</strong>e), wird das Englis<strong>ch</strong>e für René<br />

Knüsel (Politologe Universität Lausanne) für die vierspra<strong>ch</strong>ige S<strong>ch</strong>weiz zum<br />

ambivalenten Prüfstein der Multilingualität. 31 Altermatt stellte im übrigen die These auf,<br />

dass in der S<strong>ch</strong>weiz seit etwa 1970 eine vermehrte Identifikation der S<strong>ch</strong>weizerinnen<br />

und S<strong>ch</strong>weizer mit der Spra<strong>ch</strong>e und der Kultur ihrer eigenen Spra<strong>ch</strong>region festzustellen<br />

27 ebd. S. 55ff.; Englis<strong>ch</strong> in der S<strong>ch</strong>weiz. Fors<strong>ch</strong>ungsberi<strong>ch</strong>t von Dr. Heather Murray, usw. S. 23, 29.<br />

Ähnli<strong>ch</strong>e Fragestellungen erwiesen si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> beim Esperanto-Unterri<strong>ch</strong>t.<br />

28 Englis<strong>ch</strong> in der S<strong>ch</strong>weiz. Fors<strong>ch</strong>ungsberi<strong>ch</strong>t von Dr. Heather Murray, Dr. Ursula Wegmüller, Fayaz Ali<br />

Khan (Institut für Spra<strong>ch</strong>wissens<strong>ch</strong>aft, Universität Bern). Im Auftrag des Bundesamtes für Bildung und<br />

Wissens<strong>ch</strong>aft. Zu Handen des Bundesamtes für Bildung und Wissens<strong>ch</strong>aft und der „Paritätis<strong>ch</strong>en<br />

Arbeitsgruppe Spra<strong>ch</strong>engesetz Bund / Kantone(PAS)“, 6. Dezember 2000. S. 3.<br />

29 Debatte: Spra<strong>ch</strong>politis<strong>ch</strong>e Perspektiven in der S<strong>ch</strong>weiz. In: Swiss Political Science Review 3(1):1-<br />

156/1997.<br />

30 Die fünfte Landesspra<strong>ch</strong>e? Englis<strong>ch</strong> in der S<strong>ch</strong>weiz. Akademis<strong>ch</strong>e Kommission der Universität Bern,<br />

vdf Züri<strong>ch</strong> 2001, S. 164. (Renata Coray: Englis<strong>ch</strong> in der S<strong>ch</strong>weiz: Trojanis<strong>ch</strong>es Pferd oder Sprungbrett<br />

für die Zukunft).<br />

31 Debatte: Spra<strong>ch</strong>politis<strong>ch</strong>e Perspektiven in der S<strong>ch</strong>weiz. In: Swiss Political Science Review 3(1):1-<br />

156/1997.<br />

10


sei, was zur Bildung von eigentli<strong>ch</strong>en 'Spra<strong>ch</strong>blöcken' geführt habe – dies drohe den auf<br />

politis<strong>ch</strong>er und konfessioneller Solidarität basierenden s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Zusammenhalt<br />

früherer Jahre bzw. Jahrhunderte abzulösen. 32 In der S<strong>ch</strong>weiz s<strong>ch</strong>eint aber ein breiter<br />

Konsens darüber zu bestehen, dass das Englis<strong>ch</strong>e ni<strong>ch</strong>t gegen die Landesspra<strong>ch</strong>en<br />

ausgespielt werden dürfe, sondern dass ihm ebenfalls adäquate Plätze und Funktionen<br />

eingeräumt werden sollen. Denno<strong>ch</strong> exponieren si<strong>ch</strong> nur wenige Fa<strong>ch</strong>leute in der<br />

S<strong>ch</strong>weizer Öffentli<strong>ch</strong>keit für die bewusste Förderung des Englis<strong>ch</strong>en als künftige lingua<br />

franca der S<strong>ch</strong>weiz. 33 Und trotz des hohen Druckes zugunsten des Englis<strong>ch</strong>unterri<strong>ch</strong>ts,<br />

die die Popularität des Englis<strong>ch</strong>en auf die Politik ausübt, thematisiert die neuere<br />

Literatur zur Spra<strong>ch</strong>ensituation und zur Spra<strong>ch</strong>politik in der S<strong>ch</strong>weiz Englis<strong>ch</strong> nur am<br />

Rande. Es liegen bei weitem mehr Diskussionsbeiträge als empiris<strong>ch</strong>e Fors<strong>ch</strong>ungen vor,<br />

die den soziolinguistis<strong>ch</strong>en Gründen des Englis<strong>ch</strong>en als lingua franca na<strong>ch</strong>spüren<br />

würden. 34<br />

Es ist also dur<strong>ch</strong>aus mögli<strong>ch</strong>, dass Englis<strong>ch</strong> in einer ni<strong>ch</strong>t allzu fernen Zukunft zur<br />

Grundausstattung eines jeden jungen Erwa<strong>ch</strong>senen gehört, der si<strong>ch</strong> dem Arbeitsmarkt<br />

stellt, so wie heute Lesen, S<strong>ch</strong>reiben und Grundkenntnisse der Informatik. Bis dahin<br />

wird z.B. in Firmen eine Art spra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>es „Zweiklassensystem“ herrs<strong>ch</strong>en mit<br />

Mitarbeitenden, die Englis<strong>ch</strong> perfekt beherrs<strong>ch</strong>en und die qualifiziertere Zugänge zu<br />

Ressourcen haben, und Mitarbeitenden, die von diesen Vorteilen ausges<strong>ch</strong>lossen sind.<br />

Eine andere Frage betreffen die Hypothesen, inwieweit die angelsä<strong>ch</strong>sis<strong>ch</strong>e Kultur die<br />

Firmen prägt, wel<strong>ch</strong>en Einfluss sie auf die Mitarbeitenden ausüben wird und wel<strong>ch</strong>e<br />

Spra<strong>ch</strong>politik die Firmen handhaben werden. 35<br />

Das Thema Spra<strong>ch</strong>imperialismus ist also no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t ad acta gelegt. Hier könnte die<br />

Diskussion über die neutralen Universalspra<strong>ch</strong>en wieder neu einsetzen.<br />

32 Englis<strong>ch</strong> in der S<strong>ch</strong>weiz. Fors<strong>ch</strong>ungsberi<strong>ch</strong>t von Dr. Heather Murray, usw. S. 11. Bei der S<strong>ch</strong>weizer<br />

Volkszählung von 1990 gaben nur 60'786 Personen (oder 0,9% der Gesamtbevölkerung) als<br />

Hauptspra<strong>ch</strong>e an. Als Umgangsspra<strong>ch</strong>e in der Familie wurde Englis<strong>ch</strong> in dieser Volkszählung mehr als<br />

dreimal und in S<strong>ch</strong>ule und Beruf zusammen sogar mehr als zehnmal so häufig genannt.<br />

33 ebd. S. 164 (Renata Coray: Englis<strong>ch</strong> in der S<strong>ch</strong>weiz: Trojanis<strong>ch</strong>es Pferd oder Sprungbrett für die<br />

Zukunft).<br />

34 Englis<strong>ch</strong> in der S<strong>ch</strong>weiz. Fors<strong>ch</strong>ungsberi<strong>ch</strong>t von Dr. Heather Murray, usw. S. 9.<br />

35 ebd. S. 121ff. (Daniel Stotz: Spra<strong>ch</strong>politik und Spra<strong>ch</strong>praxis in „big business“: Der Status des<br />

Englis<strong>ch</strong>en).<br />

11


Verwendete Literatur<br />

WATTS, Ri<strong>ch</strong>ards J; MURRAY, Heather (Hg.): Die fünfte Landesspra<strong>ch</strong>e? Englis<strong>ch</strong> in<br />

der S<strong>ch</strong>weiz. Akademis<strong>ch</strong>e Kommission der Universität Bern, vdf Züri<strong>ch</strong> 2001.<br />

MURRAY, Heather; WEGMÜLLER, Ursula; ALI KHAN, Fayaz. Englis<strong>ch</strong> in der<br />

S<strong>ch</strong>weiz. Fors<strong>ch</strong>ungsberi<strong>ch</strong>t (Institut für Spra<strong>ch</strong>wissens<strong>ch</strong>aft, Universität Bern). Im<br />

Auftrag des Bundesamtes für Bildung und Wissens<strong>ch</strong>aft. Zu Handen des Bundesamtes<br />

für Bildung und Wissens<strong>ch</strong>aft und der „Paritätis<strong>ch</strong>en Arbeitsgruppe Spra<strong>ch</strong>engesetz<br />

Bund / Kantone(PAS)“, 6. Dezember 2000.<br />

Debatte: Spra<strong>ch</strong>politis<strong>ch</strong>e Perspektiven in der S<strong>ch</strong>weiz. In: Swiss Political Science<br />

Review 3(1):1-156/1997.<br />

Diverse Artikel aus der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG (NZZ).<br />

Andreas Künzli (Jg. 1962), Bern/S<strong>ch</strong>weiz. Studium der Slavistik, Osteuropäis<strong>ch</strong>en<br />

Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te und des Völkerre<strong>ch</strong>ts (Universität Züri<strong>ch</strong>, 1992 Abs<strong>ch</strong>luss mit dem Lizentiat<br />

über die Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te der Interlinguistik und des Esperanto in Russland und in der<br />

Sowjetunion). Weiterbildung in Wirts<strong>ch</strong>aftsinformatik. Arbeitet als Informationsbroker<br />

und Webmaster. Esperantist seit 1979, Redaktor des S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en<br />

<strong>Planspra<strong>ch</strong>en</strong>lexikons (Svisa Enciklopedio Planlingva, ers<strong>ch</strong>eint voraussi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> 2005).<br />

Mitglied der S<strong>ch</strong>weizer Esperanto-Gesells<strong>ch</strong>aft, des Beirats des Centre de<br />

documentation et d'étude sur la langue internationale, La Chaux-de-Fonds (S<strong>ch</strong>weiz)<br />

und der Gesells<strong>ch</strong>aft für Interlinguistik (Berlin). Vertreter der Universala Esperanto-<br />

Asocio bei den Vereinten Nationen in Genf.<br />

Ers<strong>ch</strong>ienen in Interlinguistica Tartuensis VII/2005<br />

12


Expose<br />

Englis<strong>ch</strong> breitet si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> in der S<strong>ch</strong>weiz immer mehr als lingua franca aus: In der<br />

Wirts<strong>ch</strong>aft, Politik, an Universitäten, im Tourismus, im Sport, in der Werbung, usw.<br />

Kritis<strong>ch</strong> eingestellte Spra<strong>ch</strong>wissens<strong>ch</strong>aftler, Historiker, Pädagogen, Journalisten und<br />

Politiker äusserten si<strong>ch</strong> besorgt darüber, dass die zunehmende Ausbreitung des<br />

Englis<strong>ch</strong>en als Kommunikationsspra<strong>ch</strong>e in der S<strong>ch</strong>weiz zu einer Uniformierung und<br />

zum Verlust der spra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Tradition führen könnte. Einige gehen sogar so weit und<br />

behaupten, Englis<strong>ch</strong> stelle eine Gefährdung des nationalen Zusammenhalts der offiziell<br />

vierspra<strong>ch</strong>igen S<strong>ch</strong>weiz und ihrer inneren kulturellen, gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en,<br />

wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en und politis<strong>ch</strong>en Bindungen dar.<br />

In der S<strong>ch</strong>weiz ist das Erziehungswesen und mit ihm die Spra<strong>ch</strong>politik Sa<strong>ch</strong>e der<br />

Kantone. Die eigenmä<strong>ch</strong>tige Ents<strong>ch</strong>eidung des Kantons Züri<strong>ch</strong>, das Frühenglis<strong>ch</strong>e in<br />

der Unterstufe der Primars<strong>ch</strong>ule einzuführen, hat in der S<strong>ch</strong>weiz die Gemüter erhitzt<br />

und die kontroverse Debatte angeheizt. Der Beitrag resümiert die Diskussion über die<br />

Einführung des Englis<strong>ch</strong>en an s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>ulen seit 1989 und vor allem seit der<br />

Mitte der 90er Jahre. Er nennt Argumente pro und contra Einführung des Englis<strong>ch</strong>en<br />

und thematisiert die Vor- und Na<strong>ch</strong>teile seiner Verwendung in der Wirts<strong>ch</strong>aft und im<br />

akademis<strong>ch</strong>en Berei<strong>ch</strong>. Die Diskussion um das Englis<strong>ch</strong>e wird au<strong>ch</strong> stellvertretend für<br />

die Grundsatzfrage geführt, ob si<strong>ch</strong> die S<strong>ch</strong>weiz eher für den nationalen Zusammenhalt<br />

des Landes und somit für die auto<strong>ch</strong>thone Vierspra<strong>ch</strong>igkeit oder für den globalen Markt<br />

und die Öffnung des Landes gegenüber der Welt mit Englis<strong>ch</strong> an der Spitze ents<strong>ch</strong>eiden<br />

soll, oder für beides glei<strong>ch</strong>zeitig. Während Politiker im wirts<strong>ch</strong>aftsstarken Kanton<br />

Züri<strong>ch</strong> das Englis<strong>ch</strong>e so früh wie mögli<strong>ch</strong> in den S<strong>ch</strong>ulen einführen mö<strong>ch</strong>ten, damit die<br />

S<strong>ch</strong>ülerInnen si<strong>ch</strong> ihre Englis<strong>ch</strong>kompetenz ras<strong>ch</strong> und na<strong>ch</strong>haltig aneignen können, um<br />

mehr Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu bekommen, nehmen Politiker auf Bundesebene<br />

(Parlament) sowie patriotis<strong>ch</strong> gesinnte Intellektuelle aller Couleur eine eher verhaltene<br />

bis kritis<strong>ch</strong> gefärbte Position gegenüber dieser Entwicklung ein. Die S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e<br />

Regierung (Bundesrat) verhält si<strong>ch</strong> eher neutral bis pragmatis<strong>ch</strong> gegenüber dem<br />

Forts<strong>ch</strong>ritt der englis<strong>ch</strong>en Spra<strong>ch</strong>e bei glei<strong>ch</strong>zeitiger Betonung, dass au<strong>ch</strong> die in der<br />

Verfassung verankerte Förderung der Landesspra<strong>ch</strong>en ni<strong>ch</strong>t zu verna<strong>ch</strong>lässigen sei.<br />

Staats- und spra<strong>ch</strong>politis<strong>ch</strong> gesehen befindet si<strong>ch</strong> die S<strong>ch</strong>weiz in einem Dilemma, das<br />

sie pragmatis<strong>ch</strong> lösen zu wollen s<strong>ch</strong>eint. Nur wenige Fa<strong>ch</strong>leute exponieren si<strong>ch</strong> aber in<br />

der S<strong>ch</strong>weizer Öffentli<strong>ch</strong>keit für die bewusste Förderung des Englis<strong>ch</strong>en als künftige<br />

lingua franca der Eidgenossens<strong>ch</strong>aft.<br />

Der Beitrag führt wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e, politis<strong>ch</strong>e, kulturelle, pädagogis<strong>ch</strong>e, linguistis<strong>ch</strong>e und<br />

akademis<strong>ch</strong>e Standpunkte und Fragen rund um die Einführung und Verwendung des<br />

Englis<strong>ch</strong>en als lingua franca in der S<strong>ch</strong>weiz aus, nennt einige wi<strong>ch</strong>tige Akteure in dem<br />

Diskurs und stellt einen Teil der eins<strong>ch</strong>lägigen Literatur dazu vor.<br />

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