I. Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB B könnte gegen A ...
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Wiss. MA Christian Sell und Peter Wehner, FSU Jena, LS Eichenhofer<br />
christian.sell@recht.uni-jena.de p.wehner@recht.uni-jena.de<br />
<strong>BGB</strong> AT AG – Lösung Fall 8<br />
S.1<br />
I. <strong>Anspruch</strong> <strong>aus</strong> <strong>§</strong> <strong>812</strong> <strong>Abs</strong>. 1 <strong>Satz</strong> 1 <strong>Alt</strong>. 1 <strong>BGB</strong><br />
B <strong>könnte</strong> <strong>gegen</strong> A einen <strong>Anspruch</strong> auf Rückzahlung des Kaufpreises <strong>aus</strong> <strong>§</strong> <strong>812</strong><br />
I 1 <strong>Alt</strong>. 1 haben. Dies setzt vor<strong>aus</strong>, dass A etwas durch Leistung des B ohne<br />
rechtlichen Grund erlangt hat.<br />
1. Etwas erlangt<br />
A müsste etwas erlangt haben. „Etwas“ bedeutet in dieser Hinsicht die<br />
Erlangung jeder vermögenswerten Rechtsposition. Hier hat der A das Eigentum<br />
und den Besitz an dem Geld (19,80 €) erlangt, welches ihm der A gegeben hat.<br />
2. durch Leistung des B<br />
Die Bereicherung des A müsste durch Leistung des B eingetreten sein.<br />
Leistung ist die bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens.<br />
Hier hat der B dem A das Geld bewusst übergeben, dies geschah mit dem<br />
Zweck, den Kaufvertrag <strong>gegen</strong>über A zu erfüllen. Damit wollte B das Vermögen<br />
des A mehren.<br />
Somit liegt eine Leistung des B vor.<br />
3. ohne Rechtsgrund<br />
Die Vermögensverschiebung müsste ohne rechtlichen Grund erfolgt sein.<br />
Rechtsgrund <strong>könnte</strong> hier jedoch ein bestehender Kaufvertrag gemäß <strong>§</strong> 433<br />
zwischen A und B sein.<br />
Dann müsste der Kaufvertrag wirksam zustande gekommen und nicht nichtig<br />
sein.<br />
a. Kaufvertrag wirksam zustande gekommen?<br />
Der Kaufvertrag (<strong>§</strong> 433) zwischen A und B müsste wirksam zustande<br />
gekommen sein.<br />
aa. Zustandekommen
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<strong>BGB</strong> AT AG – Lösung Fall 8<br />
S.2<br />
Ein Kaufvertrag besteht <strong>aus</strong> zwei inhaltlich übereinstimmenden, in Bezug<br />
aufeinander abgegebenen WE, <strong>aus</strong> Angebot und Annahme.<br />
Eine Einigung zwischen A und B mittels zweier korrespondierender WE liegt<br />
hier vor.<br />
bb. Wirksamkeit<br />
Die WE von A und B müssten aber auch wirksam sein. Bei A ist dies<br />
unproblematisch, problematisch erscheint hier die Wirksamkeit der WE des B.<br />
B ist laut Sachverhalt 14 Jahre als und damit gemäß <strong>§</strong><strong>§</strong> 2, 106 in der<br />
Geschäftsfähigkeit beschränkt. Die Wirksamkeit seiner WE richtet sich somit<br />
gemäß <strong>§</strong> 106 nach den <strong>§</strong><strong>§</strong> 107 ff.<br />
(1) Gemäß <strong>§</strong> 107 bedarf die WE eines beschränkt Geschäftsfähigen zur<br />
Wirksamkeit grundsätzlich der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters, es sei<br />
denn die WE ist für den Minderjährigen lediglich rechtlich vorteilhaft (<strong>§</strong> 107).<br />
Hier ist die WE allerdings auf den <strong>Abs</strong>chluss eines Kaufvertrags gerichtet.<br />
Damit ist eine Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung verbunden. Dies ist ein<br />
rechtlicher Nachteil. Somit ist die Einwilligung nicht entbehrlich.<br />
(2) Vorliegen der Einwilligung?<br />
B bedarf somit der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters. Die Einwilligung<br />
ist gemäß <strong>§</strong> 183 <strong>Satz</strong> 1 die vorherige Zustimmung.<br />
Hier haben laut Sachverhalt die Eltern des B diesem den Kauf von Büchern<br />
gestattet.<br />
Die Eltern sind gemäß <strong>§</strong> 1629 <strong>Abs</strong>. 1 <strong>Satz</strong> 1 die gesetzlichen Vertreter des B.<br />
Fraglich ist jedoch, ob die Einwilligung bestimmt genug ist.<br />
Der Schutzzweck des Minderjährigenrechts verbietet einen unbeschränkten<br />
Generalkonsens, also die Einwilligung in sämtliche Rechtsgeschäfte.<br />
Ein beschränkter Generalkonsens ist indes dann zulässig, wenn er nicht zu<br />
einer partiell erweiterten Geschäftsfähigkeit des Minderjährigen führt.
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<strong>BGB</strong> AT AG – Lösung Fall 8<br />
S.3<br />
Hier haben die Eltern dem B den Kauf von Büchern gestattet. Diese<br />
Einwilligung ist hier bestimmt genug, dem B wird gerade nur der Kauf von<br />
Büchern gestattet.<br />
Eine wirksame Einwilligung liegt somit vor.<br />
(3) Die WE des B ist somit gemäß <strong>§</strong> 107 wirksam.<br />
cc. Ergebnis<br />
Der Kaufvertrag (<strong>§</strong> 433) zwischen A und B ist somit wirksam zustande<br />
gekommen.<br />
b. Kaufvertrag nichtig?<br />
Der Kaufvertrag <strong>könnte</strong> allerdings nichtig sein, wenn der B seine WE wirksam<br />
angefochten hat (<strong>§</strong> 142 I). Die WE des B <strong>könnte</strong> also infolge wirksamer<br />
Anfechtung nach <strong>§</strong> 142 I <strong>BGB</strong> ex-tunc nichtig sein.<br />
Dazu müsste B eine Anfechtungserklärung <strong>gegen</strong>über dem richtigen<br />
Anfechtungsgegner abgegeben haben, es muss ein Anfechtungsrund vorliegen<br />
und B muss die Anfechtungsfrist eingehalten haben.<br />
aa. Anfechtungserklärung<br />
Die Anfechtungserklärung ist eine empfangsbedürftige WE, mit der der<br />
Erklärende deutlich macht, dass er aufgrund eines Willensmangels nicht am<br />
Vertrag festhalten will.<br />
(1) Abgabe der Anfechtungserklärung<br />
Hier hat B <strong>gegen</strong>über dem A, seinem Vertragspartner (<strong>§</strong> 143 I, II), erklärt, er<br />
wolle nicht am Vertrag festhalten. Damit hat A eine entsprechende<br />
Anfechtungserklärung abgegeben.<br />
(2) Wirksamkeit der Anfechtungserklärung<br />
Die Anfechtungserklärung muss auch wirksam sein. Der B ist jedoch noch<br />
minderjährig, somit erscheint die Wirksamkeit hier als problematisch.
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<strong>BGB</strong> AT AG – Lösung Fall 8<br />
S.4<br />
Die Anfechtungserklärung <strong>könnte</strong> gemäß <strong>§</strong><strong>§</strong> 111 S. 1, 107 unwirksam sein.<br />
Danach bedarf der B aufgrund seiner Minderjährigkeit hinsichtlich eines<br />
einseitigen Rechtsgeschäfts grundsätzlich der Einwilligung seines gesetzlichen<br />
Vertreters (<strong>§</strong> 111 S. 1), also seiner Eltern gemäß <strong>§</strong> 1629 I 1.<br />
(Wichtig: Die Anfechtungserklärung ist eine einseitige empfangsbedürftige WE,<br />
deshalb ist <strong>§</strong> 111 S. 1 zu beachten: Es kann nur eine Einwilligung, also eine<br />
vorherige Zustimmung erfolgen (<strong>§</strong> 183 S. 1). Fehlt die Einwilligung, kommt eine<br />
Genehmigung (<strong>§</strong> 184 I) nicht in Betracht! Denn es fehlt eine dem <strong>§</strong> 108 I<br />
entsprechende Norm bei den einseitigen Rechtsgeschäften!)<br />
Hier liegt eine vorherige Zustimmung, also eine Einwilligung seitens der Eltern<br />
als gesetzliche Vertreter des B zum Kauf des Buches vor (s.o.). Fraglich ist<br />
jedoch, ob diese Einwilligung auch die Anfechtung umfasst.<br />
(a) Da<strong>gegen</strong> <strong>könnte</strong> sprechen, dass sich die Eltern für den Fall der<br />
Anfechtung die Entscheidung im Einzelfall selbst vorbehalten<br />
wollen.<br />
(b) Dafür spricht aber, dass der Minderjährige an den Vertrag stärker<br />
gebunden wäre, als ein Geschäftsfähiger. Das Minderjährigenrecht<br />
soll den Minderjährigen aber schützen und nicht schlechter stellen.<br />
(c) Damit deckt die Einwilligung auch die Anfechtung durch B.<br />
Die Anfechtungserklärung ist somit nicht nach <strong>§</strong><strong>§</strong> 111 S. 1, 107<br />
unwirksam.<br />
(3) Zwischenergebnis: Es liegt eine wirksame Anfechtungserklärung vor.<br />
bb. Anfechtungsgrund<br />
Weiterhin muss ein Anfechtungsgrund gegeben sein.<br />
Hier käme ein Eigenschaftsirrtum gemäß <strong>§</strong> 119 II in Betracht. Danach müsste<br />
sich B im Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft einer Person oder<br />
einer Sache befunden haben.<br />
Fraglich ist, ob das Genre eines Buches eine verkehrswesentliche Eigenschaft<br />
ist.
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<strong>BGB</strong> AT AG – Lösung Fall 8<br />
S.5<br />
Dies ist dann der Fall, wenn dieser Umstand der Sache dauerhaft anhaftet und<br />
für die Wertschätzung von Bedeutung ist.<br />
Die Tatsache, dass das Buch kein Geschichtsbuch über die Kreuzzüge ist,<br />
sondern ein Biographie von George W. Bush haftet dem Buch als Eigenschaft<br />
dauerhaft an. Auch ist dieser Umstand eine Eigenschaft die verkehrswesentlich<br />
ist. Das Buch mag zwar 19.80 € wert sein, es hat indes nicht die Eigenschaften,<br />
die man sich bei einem Geschichtsbuch vorstellt.<br />
B ist somit einem Irrtum über die Eigenschaft des Buches unterlegen, dieser<br />
Irrtum war auch k<strong>aus</strong>al für die Abgabe seiner Willenserklärung in Bezug auf den<br />
Kauf des Buches.<br />
Damit ist der Anfechtungsgrund des <strong>§</strong> 119 II hier gegeben.<br />
cc. Anfechtungsfrist, <strong>§</strong> 121<br />
Gemäß <strong>§</strong> 121 I 1 <strong>BGB</strong> müsste B unverzüglich, das heißt ohne schuldhaftes<br />
Zögern die Anfechtung erklärt haben. Hier ist B sofort nachdem er seinen Irrtum<br />
entdeckt hat zu A gegangen und hat die Anfechtung erklärt. Damit hat B die<br />
Frist des <strong>§</strong> 121 I 1 eingehalten.<br />
dd. Zwischenergebnis<br />
B hat somit seine WE wirksam angefochten. Dies hat zur Folge, dass die WE<br />
gemäß <strong>§</strong> 142 I ex tunc nichtig sind. Damit besteht zwischen B und A kein<br />
Kaufvertrag mehr.<br />
c. Zwischenergebnis<br />
Damit ist die Vermögensverschiebung (Leistung des B) ohne rechtlichen Grund<br />
erfolgt. Die Vor<strong>aus</strong>setzungen des <strong>§</strong> <strong>812</strong> I 1 <strong>Alt</strong>. 1 liegen somit vor.<br />
II. Ergebnis<br />
B hat somit <strong>gegen</strong> A einen <strong>Anspruch</strong> auf Rückzahlung des Kaufpreises nach <strong>§</strong><br />
<strong>812</strong> I 1, 1. <strong>Alt</strong> <strong>BGB</strong>.