Prolog - Rhejvandar
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29. Kapitel - Evinees Rätsel<br />
er Morgen war noch jung, doch schon jetzt begann der Wind so kräftig aufzufrischen, wie<br />
man es für gewöhnlich erst in der zweiten Tageshälfte von ihm erwartete. Er ließ die Geräusche<br />
der Flügelräder anschwellen und schickte einige Sturmböen über das Friedhofsgelände.<br />
Schützend kniff Skamrat Augen und Lippen zusammen, doch er konnte den<br />
Staub bereits auf seiner Zunge spüren. Auch sein Begleiter schien von dem plötzlichen Windstoß<br />
überrascht worden zu sein. Der Arzt hörte Faran neben sich husten.<br />
Etwas stieß sacht gegen Skamrats Bein. Er blinzelte und sah gerade noch eine kopfgroße Mooskugel<br />
davonrollen. Da war wohl jemand beim Befestigen nicht aufmerksam genug gewesen und nun hatte<br />
sich der Wind den Grabschmuck als Spielzeug geholt.<br />
»Ich weiß nicht, Skamrat«, begann Faran, nachdem der Sturm sich ein wenig beruhigt hatte und nicht<br />
mehr so viel Staub aufwirbelte, »aber ich werde einfach nicht schlau aus Euch.«<br />
Er hustete erneut und spie dann unauffällig zur Seite. Skamrat folgte seinem Beispiel und spuckte<br />
ebenfalls aus, um sich von dem knirschelnden Schmutz in seinem Mund zu befreien.<br />
»Meine Mutter scheint Euch wirklich vertraut zu haben. Auch gab es oft Momente, in denen Ihr mir<br />
wie ein Freund erschient«, fuhr Faran unterdessen fort. Er steckte die Hände in die Hosentaschen<br />
und richtete den Blick nachdenklich in die Ferne, so als spräche er nur zu sich selbst. »Aber dann tut<br />
Ihr wiederum Dinge, die ich nicht verstehe und die den Anschein erwecken, dass Ihr unlautere Absichten<br />
hegt.« Mit einem resignierten Schulterzucken sah er Skamrat jetzt an. »Ich weiß einfach nicht,<br />
was ich tun soll.«<br />
»Begleitet mich zu Evinees Grab!«<br />
Der junge Mann ruckte kaum merklich mit dem Kopf. »Wozu?«, fragte er ruhig und nur das Flackern<br />
in seinen Augen verriet, dass ihn die Aufforderung des Arztes in Erregung versetzte.<br />
Skamrat atmete tief durch und versuchte seine Stimme ebenso fest klingen zu lassen. Es gelang ihm<br />
nicht.<br />
»Um das Rätsel zu lösen«, antwortete er viel zu überstürzt, doch das war ihm jetzt auch einerlei.<br />
Faran, der bei seinen Worten verwundert die Augenbraue nach oben gezogen hatte, öffnete den<br />
Mund. Bevor der junge Mann jedoch etwas erwidern konnte, hob Skamrat die Hand, um ihm zuvorzukommen.<br />
»Der Brief war nicht die einzige Nachricht, die mir Eure Mutter nach ihrem Tod hinterlassen hat«,<br />
erklärte er eilig und war froh, jetzt endlich zu der Sache zu kommen, die ihm am meisten auf der<br />
Seele brannte. »Kurz bevor sie für immer von uns ging, steckte sie mir unbemerkt etwas zu.«<br />
Während er es sagte, hatte Skamrat die obersten Knöpfe seines Kragens aufgemacht und zog jetzt<br />
das kleine Medaillon heraus, das er seit Jahren an einer Kette um den Hals trug. Mit den ruhigen<br />
Fingern eines Chirurgen öffnete er den winzigen Verschluss an der Seite des Schmuckstücks. Faran<br />
stand regungslos in zwei Schritt Entfernung und beobachtete mit skeptischem Blick, wie Skamrat das<br />
Medaillon aufklappte und ein fingerkuppengroß zusammengerolltes Papierstreifchen herausnahm.<br />
Während der Arzt den Zettel glatt strich, trat er junge Mann näher an ihn heran und bemühte sich,<br />
die beiden in sichtlicher Eile daraufgekritzelten Zeilen zu entziffern.