Umschlag_Montage:Layout 1 - Verband Schweizer Presse
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INHALT DIESER AUSGABE<br />
EDITORIAL<br />
Dauerbrenner Qualität<br />
Von Hanspeter Lebrument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />
MEDIENPOLITISCHES MANIFEST<br />
Medien – wesentlicher Teil der Demokratie<br />
Von Urs F. Meyer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6<br />
Das diesjährige Kongressmotto<br />
Medien.Vielfalt.Visionen nimmt<br />
das FlashExtra11 zum Anlass,<br />
Brücken zwischen der<br />
traditionellen und der digitalen<br />
Medienwelt zu schlagen.<br />
Foto 123rf<br />
IMPRESSUM<br />
HERAUSGEBER<br />
VERBAND SCHWEIZER MEDIEN<br />
REDAKTION<br />
JOSEFA HAAS<br />
URS F. MEYER<br />
WALTRAUD STALDER<br />
YELIZ AÇIKSOEZ<br />
WALTRAUD MISTARZ<br />
GESTALTUNG<br />
KURT SCHWERZMANN<br />
GRAFIK/PRODUKTION<br />
SCHWERZMANN/ROTHENFLUH<br />
BILDBEARBEITUNG/LITHO<br />
TNT GRAPHICS KLOTEN<br />
DRUCK<br />
SWISSPRINTERS ST. GALLEN AG<br />
ST. GALLEN<br />
ANZEIGEN<br />
GESCHÄFTSSTELLE<br />
VERBAND SCHWEIZER MEDIEN<br />
WALTRAUD STALDER<br />
DIE AUSGABE UMFASST DEN<br />
JAHRESBERICHT 2010, DIE<br />
EINLADUNG FÜR DEN MEDIEN-<br />
KONGRESS 2011 SOWIE EINEN<br />
REDAKTIONELLEN TEIL.<br />
ABDRUCK, AUCH AUSZUGSWEISE,<br />
NUR MIT GENEHMIGUNG DES<br />
HERAUSGEBERS UND MIT<br />
QUELLENANGABE.<br />
VIELFALT<br />
Und wie nutzen Sie die Medien?<br />
Von Alexandra Stark . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10<br />
VIELFALT<br />
Kulturelle Vielfalt in einer liberalen Gemeinschaft<br />
Von Josefa Haas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12<br />
VISIONEN<br />
Auf die Antiquiertheit des Menschen ist Verlass<br />
Von Ludwig Hasler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18<br />
BIODIVERSITÄT<br />
Leben aus der Vielfalt<br />
Von René Worni . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20<br />
VISIONEN<br />
Ein einig Volk von Freunden...<br />
Von Josefa Haas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26<br />
TRENDBEFRAGUNG<br />
Nach der Defensive in die Offensive<br />
Von Josefa Haas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28<br />
MEDIENBUDGET<br />
Leitmedien – geschätzt, leistungsstark, vernetzt<br />
Von Thérèse Ruedin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38<br />
JAHRESBERICHT 2010 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61<br />
LEADERSHIP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79<br />
MEDIENKONGRESS<br />
MEDIEN.VIELFALT.VISIONEN.<br />
Themen, Referenten, Zeitpläne und alle wichtigen<br />
Informationen zum Kongress . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87<br />
© VERBAND SCHWEIZER MEDIEN<br />
KONRADSTRASSE 14<br />
CH-8021 ZÜRICH<br />
TELEFON 044 318 64 64<br />
FAX 044 318 64 62<br />
E-MAIL: CONTACT@SCHWEIZERMEDIEN.CH<br />
INTERNET: WWW.SCHWEIZERMEDIEN.CH<br />
SCHUTZGEBÜHR: 15 FRANKEN<br />
FLASHEXTRA 2011<br />
3
IcH tReffe Mich<br />
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WestschWeizeR<br />
MaNaGerN.<br />
www.unentbehrlich.ch<br />
ICH BIN UNENTBEHRLICH, ICH BIN
EDITORIAL<br />
Dauerbrenner<br />
Qualität<br />
Foto Dani Boschung<br />
DAS UMFELD FÜR DIE MEDIEN hat sich abrupt verändert.<br />
Die Budgets für 2010 hätten falscher nicht sein können. Es<br />
gab praktisch keine Unternehmung, die nicht einen Trauerflor<br />
um ihr Budget gespannt und ihren Verantwortlichen prophezeit<br />
hat, es werde alles noch viel schlimmer kommen. Nun<br />
waren die Medien nicht die einzigen, die bei der Budgetiererei<br />
in tiefe Depressionen versanken. Bund und Kantone prophezeiten<br />
weit in die Zukunft hinaus hohe Defizite. Die Wirtschaft<br />
machte sich bereit, weitere Jahre im Jammertal zu wandern.<br />
Warum und wieso sich alles so schnell geändert hat und<br />
die Abschlüsse für 2010 plötzlich sehr respektabel aussehen,<br />
weiss eigentlich niemand genau. Aber das Abwerfen dieser<br />
Last hat dazu geführt, dass der jahrzehntelange Medien-Dauerbrenner<br />
«Qualität» oder besser gesagt «mangelnde Qualität»<br />
wieder in vieler Munde ist. Die Branche liebkost das Thema,<br />
das immer dann evident wird, wenn nicht gerade wirtschaftliche<br />
Probleme zu bewältigen sind.<br />
Was hat sich eigentlich in der Qualitätsdebatte zu<br />
früher geändert? Bis in die späteren Neunzigerjahre waren die<br />
Hauptkritiker an den Medien die politischen Kräfte, die sich<br />
HANSPETER LEBRUMENT<br />
PRÄSIDENT VERBAND SCHWEIZER MEDIEN<br />
langsam aus der Verantwortung gedrängt fühlten. Die Zeitungen haben jahrzehntelang stolz verkündet,<br />
wem sie nach dem Mund schrieben und für wen sie eintraten. Das hat dazu geführt, dass das Verhältnis<br />
zwischen Parteizeitungen und politischen Parteien zu sehr gespaltenen Beziehungen wurden. Und an<br />
diesem Punkt haben die politischen Parteien mit ihrer Kritik, dass ihre Blätter vielfach nicht mehr reine<br />
Lehre verbreiteten, angesetzt.<br />
ALS SICH DAS BILD ÄNDERTE und die meisten Verlage sich von ihren politischen Gründungsanschauungen<br />
verabschiedeten, trat langsam aber sicher eine andere Spezies Leute an ihre Stelle. An den Universitäten<br />
und heute auch an den Fachhochschulen entwickelte sich das demokratischste aller Gewerbe,<br />
nämlich das Zeitungs- und Medienschaffen, zu einer Wissenschaft. Gemäss dem hämischen Ausdruck<br />
«wer nichts wird, wird Wirt» hat die schlechtere Garde der zur Wissenschaft Berufenen das Feld der<br />
Medien und Kommunikation erobert und Dozenten und Professorentitel, Bachelor und Master aus dem<br />
Hut gezaubert. Zurzeit erleben wir den Höhepunkt dieses Schaffens, das geprägt ist von wenig Systematik,<br />
von fragwürdiger Forschung und höchst fragwürdigen Ausbildungskriterien für die Lehrenden sowie<br />
von Resultaten, die wenig verständlich sind. Man kann das, was hier entsteht, weder als Grundlage<br />
gebrauchen noch als brauchbare Anleitung oder Korrektur verstehen.<br />
In der Medizin, im Ingenieur- und Architekturwesen und in den geisteswissenschaftlichen Disziplinen<br />
machen die Universitäten die Vorgaben und legen die Grundlagen fest, auf denen die Praxis später<br />
aufbaut und die von der Praxis anerkannt werden. In Medien und Kommunikation hat sich die Wissenschaft<br />
diesen Ruf nie erarbeiten können. Die Praxis hat wenig Vertrauen in diese Wissenschaft, und in<br />
dieser Wissenschaft können nur wenige sagen, sie hätten in der Praxis Spitzenpositionen eingenommen.<br />
SO IST DIE QUALITÄTSDEBATTE IN DEN MEDIEN EINE LEIDIGE ANGELEGENHEIT. Sie ist ein<br />
Pausenfüller zwischen den Zeiten, in denen die Medien an sich so schwer zu arbeiten haben. Die<br />
Qualitätsdebatte, ihre Wissenschafter und die Praktiker haben im Gegensatz zu den wirklichen<br />
wissenschaftlichen Disziplinen keinerlei Banden geknüpft, die gegenseitig Verständnis, Respekt<br />
und Vertrauen haben wachsen lassen.<br />
FLASHEXTRA 2011<br />
5
MEDIENPOLITISCHES MANIFEST<br />
Medien –<br />
wesentlicher Teil<br />
der Demokratie<br />
Etwas überheblich mag der<br />
Titel klingen. Aber bei genauer<br />
Betrachtung muss festgestellt<br />
werden, dass Demokratie nur<br />
funktionieren kann, wenn<br />
informierte Bürger sie tragen.<br />
Dabei spielen die Medien, von<br />
Print über elektronisch bis<br />
Rundfunk, eine wesentliche<br />
Rolle, denn sie sind das<br />
Sprachrohr der Politik, der Verwaltung<br />
und der Gesellschaft.<br />
Foto 123rf<br />
VON URS F. MEYER<br />
Ein politisches System ohne eine gut funktionierende Medienlandschaft basiert kaum auf demokratischen<br />
Grundsätzen. In Ländern, wo die Medien staatlich kontrolliert werden, ist der<br />
Machtapparat nicht daran interessiert, die Meinung der Bevölkerung zu erfahren. Letzteres ist<br />
zwar in einer gut funktionierenden Demokratie auch nicht immer der Fall, aber wenigstens haben<br />
die Stimmbürger die Möglichkeit, sich frei eine persönliche Meinung zu bilden, öffentlich<br />
zu diskutieren, die Meinungen auszutauschen und schliesslich sogar abzustimmen. Dies alles<br />
setzt voraus, dass möglichst viele Medien die unterschiedlichen Meinungen darlegen und ihre<br />
Leser, Zuhörer oder Zuschauer über die verschiedenen Aspekte informieren.<br />
SCHWEIZER MEDIEN SETZT SICH DAFÜR EIN, dass die Medienlandschaft Schweiz vielfältig<br />
bleibt und neben grossen national und international bekannten Medien auch kleinere Häuser<br />
mit ihren regional verankerten Angeboten bestehen können. Dafür braucht es in erster Linie<br />
beste Rahmenbedingungen. Solche sind in einem Rechtsstaat durch Verfassung, Gesetz und<br />
Reglemente zu sichern. Primär ist dabei das oberste Gebot der freien Meinungsäusserung zu<br />
beachten. Kein Gesetz soll dazu führen, dass Medien in ihrer Freiheit eingeschränkt werden.<br />
Jeder Journalist muss seine Meinung frei äussern können, höchstens beschränkt durch jene<br />
Werte, die ihm die Gesellschaft vorgibt, wie Anstand, Ethik, Moral, Persönlichkeitsrechte anderer<br />
usw. Jeder Verleger soll unternehmerische Entscheide treffen können, welche sich an den<br />
Grenzen der Handels- und Gewerbefreiheit, des Wettbewerbsrechtes und überhaupt der Rechtsordnung<br />
orientieren. Kurz: Wer beispielsweise eine Zeitung herausgeben will, soll dies ohne<br />
medienpolitische Beschränkung tun können.<br />
6 FLASHEXTRA 2011
FLASHEXTRA 2011<br />
7
MEDIENPOLITISCHES MANIFEST<br />
Foto 123rf<br />
Damit solche Rahmenbedingungen für Medien verbessert werden, hat der <strong>Verband</strong><br />
SCHWEIZER MEDIEN das medienpolitische Manifest erarbeitet. Es fordert:<br />
> Bessere Rahmenbedingungen für den Vertrieb: Die bestehende Förderung der <strong>Presse</strong>distribution<br />
beruht auf der Vollkostenrechnung der Post und einer Zahlung des Bundes an die Vertriebskosten.<br />
Die jährlich steigenden Vertriebskosten stehen dem in den letzen fünf Jahren gesenkten<br />
Bundesbeitrag gegenüber. Das Vollkostenmodell soll künftig mit einem vereinfachten<br />
Vertriebsmodell zu Grenzkosten ersetzt werden. Die bisherige Sonderförderung für die kleinauflagige<br />
Lokalpresse soll zur Erhaltung der <strong>Schweizer</strong>ischen <strong>Presse</strong>vielfalt gewahrt werden.<br />
> Mehrwertsteuer: Anbieter publizistischer Medienleistungen sollen von der Mehrwertsteuer<br />
(MwSt.) befreit werden (echte Befreiung), wie dies in anderen europäischen Ländern der<br />
Fall ist. Zumindest sind die bestehenden Sondersätze beizubehalten und auf alle Medienprodukte<br />
auszudehnen. Vor Einführung der MwSt. waren die Abonnemente für Zeitungen und<br />
Zeitschriften ebenfalls nicht besteuert.<br />
> Leistungsschutzrecht für Medienunternehmen: Mit der Digitalisierung steigt die Gefahr,<br />
dass Rechte im Bereich der Publizistik ignoriert werden. Entsprechende Schutzrechte fehlen<br />
weitgehend, womit die Finanzierung des Mediensystems gefährdet wird. Das Urheberrecht<br />
ist durch die Einführung eines Leistungsschutzrechtes für Medienunternehmen zu ergänzen.<br />
Ein Leistungsschutzrecht ist ein originäres Recht, welches unabhängig vom urheberrechtlichen<br />
Schutz des zugrundeliegenden Werkes dem Medienunternehmen zusteht und gegen Dritte geltend<br />
gemacht werden kann. Damit werden die wirtschaftlichen und organisatorischen Leistungen<br />
in der Herstellung von Medienprodukten anerkannt und vor der Ausnutzung durch Trittbrettfahrer<br />
geschützt.<br />
8 FLASHEXTRA 2011
Foto 123rf<br />
> Aufgabenteilung SRG/<strong>Presse</strong>: Im Fernseh- und Radiobereich<br />
hat die SRG einen klar umschriebenen Verfassungsauftrag. Diesen<br />
Service public kann sie mit Zusatzinformationen online begleiten. Für<br />
eine multimediale Ausdehnung des Leistungsauftrags der SRG gibt es<br />
aber weder medienpolitische Gründe noch eine rechtliche Grundlage.<br />
Vielmehr hat die SRG auf die Stellung und die Aufgaben der anderen<br />
Medien, vor allem der <strong>Presse</strong>, Rücksicht zu nehmen (Art. 93 Bundesverfassung).<br />
Das Online-Werbeverbot der SRG ist deshalb weiterhin<br />
beizubehalten (Art. 25 Bundesgesetz über Radio- und Fernsehen).<br />
Die Werbeeinnahmen im Onlinegeschäft sollen weiterhin die<br />
privaten Medien finanzieren, nicht die gebührenfinanzierte SRG.<br />
> Aus- und Weiterbildung: Die Aus- und Weiterbildung fördert die Qualität der Medien.<br />
Im Sinne von guten Rahmenbedingungen soll der Staat die Berufs- und höheren Fachprüfungen<br />
als Bildungsmöglichkeiten für Berufsleute fördern und unterstützen.<br />
DIESE OPTIMIERTEN RAHMENBEDINGUNGEN geben den Medien die Möglichkeit, auch<br />
künftig quantitativ und qualitativ gut zu vernünftigen Preisen angeboten werden zu können.<br />
Als Gegenzug sind die <strong>Schweizer</strong> Stimmbürgerinnen und Stimmbürger gut und vielfältig über<br />
gesellschaftliche Themen informiert und in der Lage, die Abstimmungsthemen seriös zu beurteilen.<br />
So funktioniert die Demokratie in unserem Land weiterhin.<br />
«Primär ist das oberste Gebot<br />
der freien Meinungsäusserung<br />
zu beachten. Kein Gesetz soll<br />
dazu führen, dass Medien in<br />
ihrer Freiheit eingeschränkt<br />
werden.»<br />
FLASHEXTRA 2011<br />
9
VIELFALT<br />
Und wie nutzen Sie die Medien?<br />
VON ALEXANDRA STARK<br />
Larissa Reisch, 16,<br />
Lehrling, Zierpflanzengärtnerin,<br />
Siegershausen (TG)<br />
«Meine Eltern haben die Thurgauer<br />
Zeitung abonniert. Die<br />
lese ich aber nur, wenn ich<br />
weiss, dass da über jemanden<br />
was drin steht, den ich kenne.<br />
Sonst lese ich nur montags regelmässig<br />
Zeitung: 20 Minuten,<br />
wenn ich mit dem Zug in<br />
die Gewerbeschule fahre. Bis<br />
vor einem Jahr hatte ich ein<br />
Abo von ‹Bravo Girl›, das hat mir meine Gotte jeweils zu Weihnachten<br />
geschenkt. Aber dafür bin ich jetzt zu alt. Ich interessiere<br />
mich für das, was auf der Welt passiert. Am Morgen bekomme<br />
ich die News auf DRS 3 mit. Im Geschäft läuft immer<br />
Radio – Antenne Bayern. Bei uns im Thurgau sind viele Sender<br />
aus Deutschland besser empfangbar als die schweizerischen. Ich<br />
schaue auch gerne ausländische Fernsehsender, wie RTL oder<br />
Pro7. Aber auch Nachrichten auf SF, wenn etwas passiert ist, was<br />
mich interessiert, wie zum Beispiel das Erdbeben in Japan im<br />
März. Am liebsten mag ich allerdings Liebeskomödien und<br />
DSDS. Wenn ich mal eine Folge verpasse, schaue ich sie mir später<br />
im Internet an. Dazu brauche ich allerdings ein Passwort, das<br />
mein Vater verwaltet.<br />
Wenn ich abends im Internet bin, schaue ich immer bei<br />
Blick.ch und 20 Minuten online vorbei. Dort lese ich meist<br />
noch etwas mehr zu Themen, von denen ich tagsüber am Radio<br />
gehört habe. Die meiste Zeit verbringe ich aber auf Facebook. Es<br />
passiert mir oft, dass ich zwei Stunden drin bin. Bis vor zwei Jahren<br />
war ich auf Netlog. Aber das ist Kindergarten, da sind nur<br />
Zehn- bis Dreizehnjährige dabei. Auf Facebook sind meine<br />
Freunde und Kolleginnen, wir koordinieren zum Beispiel die<br />
Ufzgi über Facebook. Und seit ich da drauf bin, verpasse ich nie<br />
mehr einen Geburtstag. Da ich noch nicht herausgefunden habe,<br />
wie ich Musik runterladen kann, ohne dass es mich viel kostet,<br />
nutze ich Youtube, um Musik zu hören.<br />
Bei Twitter habe ich mich mal angemeldet, aber ich habe<br />
mein Passwort vergessen. Das macht nichts, weil da eh keine<br />
meiner Freundinnen ist. Ich bin zwar gerne online, aber ich<br />
lese auch sehr viele Bücher. Die kaufe ich mir. Wenn mich ein<br />
Buch packt, dann schaffe ich 500 Seiten in drei Tagen. Am liebsten<br />
mag ich Romane oder Fantasy-Bücher. Hätte ich ein Handy,<br />
mit dem ich ins Internet gehen könnte, würde ich das natürlich<br />
tun. Es wäre sehr praktisch, um Zugsverbindungen herauszufinden<br />
oder auch um Musik im Internet hören zu können.<br />
Aber das kostet viel Geld, das habe ich nicht. Vielleicht ist es<br />
auch besser so. Sonst würde ich noch mehr Zeit in Facebook verbringen,<br />
anstatt Hausaufgaben zu machen.»<br />
Philipp Wenger, 28,<br />
Architekt, Zürich<br />
«Ich bin interessiert am Geschehen,<br />
aber kein News-Junkie,<br />
der RSS-Feeds und Alarme<br />
abonniert hat. In den Tag starte<br />
ich mit Radio. Bis vor kurzem<br />
habe ich unter der Dusche<br />
immer DRS 3 gehört. Jetzt probiere<br />
ich Radio 105 aus. Ob ich<br />
dabei bleibe, weiss ich noch<br />
nicht. Der Nachrichtengehalt<br />
ist doch sehr spärlich. Eine<br />
Zeitung habe ich zurzeit nicht<br />
abonniert. Aber ich mag Zeitungen.<br />
Unterwegs lese ich zum Beispiel 20 Minuten, die wird<br />
einem ja förmlich nachgeschmissen und man kann sich ihr fast<br />
nicht entziehen. Als Heimweh-Berner lese ich auch gerne die<br />
BZ, wenn sie mir in die Finger kommt. Die einzigen Zeitungen,<br />
die ich mir regelmässig selber kaufe, sind die Sonntagszeitung<br />
und der Sonntagsblick. Der Gang zum Kiosk am Sonntag ist ein<br />
eigentliches Ritual, das für mich dazugehört wie für andere der<br />
Zopf. Ich lese auch gerne Zeitschriften. Oft kaufe oder ergattere<br />
ich mir welche, die ich dann im Zug nach Bern lese. Magazine<br />
wie Hochparterre, Wallpaper oder Raum & Wohnen schaue ich<br />
mir am liebsten in Cafés an. Bücher lese ich eher weniger, aber<br />
ich hole mir aus Kunst- und Grafikbüchern Inspiration für meine<br />
Arbeit.<br />
Ich informiere mich auch am Computer, meistens über<br />
tagesanzeiger.ch. Seit Januar habe ich ein iPhone. Ich nutze es<br />
auch, um mich unterwegs übers Weltgeschehen zu informieren.<br />
Für diese News nutze ich diverse Gratis-Apps. Ich will am Puls<br />
der Zeit bleiben. Da ich in meiner Freizeit auch DJ bin, interessiere<br />
ich mich für Themen, die in den klassischen Medien nicht<br />
unbedingt viel Platz erhalten – mal abgesehen vom Züri-Tipp.<br />
Was in Zürich läuft und angesagt ist, erfahre ich oft auch über<br />
Flyer und Plakate, vor allem aber über Newsletters wie Ron Orp<br />
oder Seiten wie Bewegungsmelder. In Foren und Blogs erfahre<br />
ich Interessantes aus dem Stadtleben und bekomme mit, was<br />
andere – vor allem auch Leute aus der Szene – darüber denken.<br />
Ich nutze auch Facebook, um zu wissen, was meine<br />
Freunde tun, etwa eine halbe Stunde pro Tag. Auch Youtube<br />
nutze ich intensiv. Ich höre mir dort aber fast ausschliesslich<br />
Musik an. Ich verbringe abends immer mehr Zeit mit sozialen<br />
Medien, das geht dann auf Kosten der Freizeit.<br />
Ich schaue gerne fern. Besonders mag ich Spielfilme und<br />
das Sportpanorama. Immer öfter schaue ich mir Filme allerdings<br />
online an, wie etwa die Serie ‹Friends›, weil ich das dann<br />
machen kann, wenn ich Zeit und Lust habe und nicht dann,<br />
wenn sie am TV läuft.»<br />
10 FLASHEXTRA 2011
Pierre Müller, 48,<br />
Zimmermann, Anwil (BL)<br />
«Mein Tag beginnt mit der Zeitung<br />
– das war schon immer so<br />
und wird wohl auch so bleiben.<br />
Meine Eltern hatten die<br />
Basler Zeitung zu Hause. Als<br />
ich dann vor 28 Jahren auszog,<br />
abonnierte ich sie auch. Für<br />
mich gehört sie einfach dazu.<br />
Weil ich stark in der Region<br />
verwurzelt bin, habe ich auch<br />
die Volksstimme im Abo. Bei<br />
den Sonntagszeitungen hingegen<br />
bin ich weniger treu. Ich habe zwar sonntags immer eine<br />
im Briefkasten, allerdings nutze ich da immer nur die Aktionen,<br />
also immer wieder eine andere. Da ich selten vor dem Computer<br />
sitze, ist News am PC zu lesen für mich keine Alternative. Als<br />
Handwerker bin ich zudem oft mehrere Tage am Stück auswärts<br />
auf <strong>Montage</strong>, in anderen Regionen der Schweiz und manchmal<br />
auch im Ausland.<br />
Früher habe ich mich, wenn ich auswärts übernachtet<br />
habe, einfach gar nicht informiert. Das iPhone hat das geändert,<br />
obwohl das gar nicht so geplant war. Ich habe es mir nur<br />
zum Telefonieren gekauft. Aber es ist doch sehr praktisch. Heute<br />
informiere ich mich unterwegs über Apps, die ich heruntergeladen<br />
habe. Ich habe die App der Volksstimme und die des Tages-Anzeigers.<br />
Warum ich nicht die App der Basler Zeitung habe,<br />
weiss ich selber nicht, das ist einfach so. Früher habe ich auf<br />
Baustellen viel Radio gehört. Heute ist mir das zu viel Unruhe.<br />
Nur in Ausnahmesituationen, etwa wenn so eine grosse Katastrophe<br />
wie das Erdbeben im März in Japan passiert, organisiere<br />
ich mir ein Radio. Ansonsten schalte ich Radio nur noch im<br />
Auto ein. Abschalten kann ich am besten vor dem Fernseher.<br />
Ich schaue am liebsten öffentlich-rechtliche Sender, weil es da<br />
weniger Werbung gibt. Ich kann auch auf meinem PC über<br />
Wilmaa fernsehen, aber das mache ich nur selten, wenn meine<br />
Frau und ich uns nicht aufs Programm einigen können. Vor<br />
dem PC Fernsehen zu schauen, ist einfach nicht dasselbe. Ich<br />
schaue eigentlich alles, was sich zur Entspannung eignet. Talk-<br />
Sendungen, wie zum Beispiel die ‹Arena›, nerven mich aber zunehmend.<br />
Da wird zu viel Sinnloses geredet. Bei Facebook bin<br />
ich zwar dabei, aber ich nutze es nicht, ich gehe nur drauf, wenn<br />
ich eine Meldung bekomme, dass Freunde auf eine Antwort<br />
warten. Youtube nutze ich gar nicht. Überhaupt habe ich das<br />
Gefühl, dass man mit all diesen neuen Medien viel zu viel Zeit<br />
braucht! Ich fühle mich mit den Medien, die ich schon lange<br />
nutze, gut versorgt. Deshalb werde ich meine Abos sicher nicht<br />
kündigen. Und ich werde auch in Zukunft am Sonntagabend<br />
Tatort schauen.»<br />
FLASHEXTRA 2011<br />
Elisabeth Guyer, 64,<br />
pensionierte eidgenössische<br />
Beamtin, Thun (BE)<br />
«Seit ich pensioniert bin, bin<br />
ich ein richtiger Wandervogel<br />
geworden – ich bin so oft wie<br />
möglich unterwegs. Als ich<br />
noch gearbeitet habe, hatte<br />
ich die NZZ abonniert. Das<br />
Abo habe ich nach der Pensionierung<br />
gekündigt. Nicht, weil<br />
ich weniger lese, im Gegenteil.<br />
Heute kaufe ich mir aber jeweils<br />
am Bahnhofkiosk, was<br />
mich gerade besonders anspricht. Am Sonntag war das bis vor<br />
kurzem die Sonntagszeitung, nun bin ich auf die NZZ am Sonntag<br />
umgestiegen. Ich bin vielseitig interessiert. Auch deshalb gehe<br />
ich zweimal in der Woche in die Stadtbibliothek Thun. Im<br />
Lesesaal gibt es eine grosse Auswahl an verschiedenen Medien.<br />
Dort vertiefe ich mich in das, was mich interessiert: Zeitungen,<br />
aber auch Zeitschriften – oft auch internationale, wie zum Beispiel<br />
«Die Welt». Früher hatte ich immer wieder mal unterschiedliche<br />
Frauenzeitschriften abonniert. Heute kaufe ich mir<br />
manchmal die Glückspost. Nicht wegen der Royals, auf die<br />
könnte ich verzichten! Ich mag die Gesundheitsbeilagen und<br />
Rubriken zu Haus und Garten.<br />
Ich lese auch gerne Bücher – zu allen möglichen Themen.<br />
Die kaufe ich mir, allerdings meist als Paperback. Obschon<br />
ich es grundsätzlich gedruckt lieber mag, informiere ich<br />
mich immer öfter online, es ist einfach praktischer. Ich habe<br />
mir sogar einen extra grossen Bildschirm gekauft, damit ich einfacher<br />
lesen kann. Mein Handy könnte auch ins Internet, aber<br />
da ist mir der Display zu klein. Dass man so viel Information<br />
gratis bekommt, hat sicher auch dazu beigetragen, dass ich<br />
mein NZZ-Abo gekündigt habe. Müsste man dafür bezahlen,<br />
würde ich das wahrscheinlich tun. Ich schaue abends, wenn immer<br />
es geht, Nachrichten. Entweder die Tagesschau oder dann<br />
10vor10. Ich mag auch Krimis und Sendungen wie Einstein<br />
oder Puls. Wenn ich mal was nicht schauen kann, weil ich unterwegs<br />
bin, nehme ich es auf. Ich habe Bluewin TV. Ich schaue<br />
auch Filme auf Youtube, aber nur dann, wenn mir einer empfohlen<br />
wird. Von alleine gehe ich nicht drauf. Auf Facebook habe<br />
ich mich zwar registriert, aber ich nutze es nicht. Ich scheue<br />
mich davor, dass Informationen über mich für andere einsehbar<br />
sind. Ich möchte nicht, dass andere zu viel über mich wissen<br />
können. Von Twitter habe ich gehört, aber ich sehe den<br />
Sinn nicht. Ich wehre mich nicht grundsätzlich gegen Neues,<br />
ich schaue schon, dass ich mit den Entwicklungen mithalten<br />
kann. Man muss immer ein bisschen dranbleiben, sonst ist man<br />
bald weg vom Fenster!»<br />
11
VIELFALT<br />
Kulturelle Vielfalt in<br />
einer liberalen Gemeinschaft<br />
Der Begriff der Vielfalt gehört zum politischen<br />
Vokabular. Was die Bedeutung von<br />
Vielfalt für eine Gemeinschaft ist und wo<br />
die Grenzen der Ansprüche liegen, ist<br />
eine philosophische Frage.<br />
Für Peter Schaber, Professor am Ethik-<br />
Zentrum der Universität Zürich, setzt ein<br />
friedliches Zusammenleben sowohl den<br />
Respekt der Vielfalt als auch den<br />
Respekt von Grundwerten voraus.<br />
VON JOSEFA HAAS<br />
Habe ich als <strong>Schweizer</strong> Bürgerin einen Anspruch<br />
auf kulturelle Vielfalt?<br />
Der Einzelne hat kulturelle Bedürfnisse, die er durch die Medien<br />
befriedigt sehen will. Er profitiert zugleich davon, dass die<br />
unterschiedlichen kulturellen Bedürfnisse breit abgedeckt sind.<br />
Welche Verantwortung hat der Staat für ein vielfältiges<br />
Angebot?<br />
Einzelne können keine Ansprüche auf bestimmte Leistungen<br />
stellen. So kann niemand auf ein Recht auf Opern pochen. Der<br />
Staat hat jedoch gute Gründe, ein breites kulturelles Angebot zu<br />
sichern, weil dies einem gedeihlichen Zusammenleben in einer<br />
Gesellschaft ohne Zweifel förderlich ist. Deshalb muss dies ein<br />
Anliegen sein für den Staat als Repräsentant der Interessen der<br />
Gemeinschaft.<br />
Das Internet ermöglicht heute allen, einen Beitrag zu<br />
veröffentlichen. Kann jetzt nicht alles dem Markt<br />
überlassen werden?<br />
Der Markt ist sehr gut, wenn es um die effiziente Bereitstellung<br />
von Mitteln für bestimmte Zwecke geht. Allerdings ist der Markt<br />
nicht das einzige Modell, wie eine Gemeinschaft ihr Zusammenleben<br />
organisiert. Es geht in unserem Zusammenleben<br />
nicht bloss um Effizienz, sondern zum Beispiel auch darum,<br />
dass die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen die Möglichkeit<br />
haben, ihre Lebensform zu präsentieren. Dass sie diese<br />
Möglichkeit in der Öffentlichkeit haben, darf auch in ihrer symbolischen<br />
Bedeutung im Blick auf ein gutes gesellschaftliches<br />
Zusammenleben nicht unterschätzt werden.<br />
In einer Demokratie müssen am Schluss tragfähige<br />
Entscheidungen gefällt werden. Ist dies in der offenen<br />
multikulturellen Gesellschaft möglich?<br />
Es kann nicht darum gehen, eine Einheitsgesamtkultur anzustreben.<br />
Mir ist wichtig, eine Idee von gelungener Vielfalt von<br />
Kultur zu formulieren, die auf einer gegenseitigen Anerkennung<br />
beruht. Wenn sämtliche Bewohnerinnen und Bewohner der<br />
Schweiz die Option haben, Teil eines gelungenen Pluralismus<br />
zu sein, bedeutet dies eine Bereicherung für alle.<br />
Damit eine Gemeinschaft funktioniert, ist sie auf einen<br />
kleinsten gemeinsamen Nenner angewiesen. Kann es<br />
auch zuviel Vielfalt geben?<br />
Der Respekt der Grundwerte einer Gesellschaft muss von allen<br />
eingefordert werden, damit eine liberal verfasste Gemeinschaft<br />
funktionieren kann. Dazu gehören bestimmte Ideen wie Achtung<br />
vor dem Andersdenkenden, Anerkennung der Grundrechte,<br />
Toleranz gegenüber anderen Traditionen. Der weite Bereich<br />
der Fragen, wie man sein Leben gestalten soll, bleibt dabei offen.<br />
Es handelt sich lediglich um einen Grundkonsens, den es<br />
für ein positives Zusammenleben der Gesellschaft geben muss.<br />
Es ist die Idee einer liberalen Gesellschaft, dass sie möglichst vie-<br />
12 FLASHEXTRA 2011
Foto 123rf<br />
FLASHEXTRA 2011<br />
13
VIELFALT<br />
Foto 123rf<br />
len Lebensformen die freie Entfaltung zugesteht. Der Grundkonsens<br />
soll gerade dies ermöglichen. Das ist die Geschichte,<br />
die wir erzählen müssen.<br />
Welche Rolle kann das Internet spielen? Im arabischen<br />
Raum spricht man von einer Revolution der Facebook-<br />
Generation.<br />
Jede Innovation birgt sowohl Chancen wie Risiken. Das Potenzial<br />
der Internetwelt ist vorrangig äusserst vorteilhaft, weil sie<br />
auf globaler Ebene kommunikative Vernetzung und Zugang zu<br />
Informationen ermöglicht. Das ist auch in politischer Hinsicht<br />
von Vorteil. Durch das Internet sind wir uns zudem weltweit<br />
um einiges näher gekommen.<br />
Das Internet ermöglicht Vielfalt für die Kommunikation.<br />
Die Frage ist, wer finanziert die Inhaltsproduzenten?<br />
Haben diese einen ethischen Anspruch auf Respekt ihrer<br />
Autorenschaft?<br />
Dies gehört zu den problematischen Seiten des Internets. Geistiges<br />
Eigentum beruht auf der Idee, dass der Produzent das<br />
Recht hat, über sein eigenes Produkt verfügen zu können. Wird<br />
dieses Recht nicht geschützt, werden nicht nur die Eigentumsrechte<br />
der Produzenten verletzt. Vielmehr leidet darunter auch<br />
die kulturelle Produktion. Das ist aus Sicht der Gesellschaft<br />
nicht wünschenswert.<br />
FLASHEXTRA 2011<br />
Wikileaks zeigt die Grenzen der Vertraulichkeit. Datenklauer<br />
oder Whistleblower, worin unterscheiden sie sich?<br />
Wirkliche Whistleblower verfügen über eine altruistische Motivation.<br />
Es geht ihnen um Gerechtigkeit. Transparenz ist ein<br />
wichtiger, aber kein absoluter Wert. Es gibt Dinge, die transparent<br />
gemacht werden müssen, bei denen die Bürger ein Anrecht<br />
auf detaillierte Information haben. Es soll aber auch kein Transparenzfetisch<br />
betrieben werden. Viele Gespräche führen wir im<br />
Wissen, dass sie nicht publik gemacht werden können. Es gibt<br />
so was wie einen geschützten Raum. Ich möchte etwas mit einem<br />
Kollegen diskutieren können und vereinbaren, dass es unter<br />
uns bleibt. Sonst würde ich gewisse Informationen und Gedanken<br />
nicht preisgeben.<br />
Gibt es einen ethischen Anspruch auf Intimität<br />
und Privatheit?<br />
Mit Sicherheit. Privatheit ist das Recht zu bestimmen, wo ich<br />
andere ausschliessen will. Wir sind ja nicht durchwegs soziale<br />
Wesen. Wir haben das berechtigte Bedürfnis, Dinge für uns zu<br />
behalten. Wenn persönliche Belange ungewollt publik werden,<br />
kann das mitunter demütigend sein. Ich möchte nicht in einer<br />
Welt leben, in der jede persönliche Kommunikation an die Öffentlichkeit<br />
gezerrt werden darf. Das Recht, in bestimmten Kontexten<br />
gleichsam eine Maske tragen zu dürfen, gehört zur Würde<br />
des Menschen. Es geht dabei nicht darum, andere zu täu-<br />
15
VIELFALT<br />
Foto 123rf<br />
«Medien berichten nicht<br />
nur über Politik, sondern<br />
stellen auch verschiedene<br />
Lebensweisen vor.»<br />
schen und zu hintergehen, sondern für sich sein zu dürfen.<br />
Bei den Krisen der jüngsten Vergangenheiten spielen<br />
Tabus, Denkverbote eine Rolle. Muss eine neue Ethik im<br />
Umgang mit Andersdenkenden entworfen werden?<br />
Die Idee der Toleranz ist einer der Grundwerte einer liberal verfassten<br />
Gemeinschaft. Vom Mainstream abweichenden Lebensformen<br />
muss innerstaatlich und weltweit Respekt entgegengebracht<br />
werden.<br />
FLASHEXTRA 2011<br />
Das Resultat kann eine Alibi-Vielfalt sein, mit der<br />
Quoten-Frau, dem Quoten-Farbigen...<br />
Ich verstehe die Kritik. Die symbolische Bedeutung solcher Aktionen<br />
darf man allerdings nicht unterschätzen, auch ihre längerfristige<br />
Wirkung nicht. Man gewöhnt sich an das Bild mit<br />
Frauen, Farbigen, Menschen mit Behinderungen. Es wird zu einer<br />
Selbstverständlichkeit, dass unterschiedliche Menschen unsere<br />
Gemeinschaft bilden und Verantwortung übernehmen<br />
können. Die Präsenz von Menschen, die bislang in Politik und<br />
Wirtschaft benachteiligt waren, wirkt längerfristig durch ihre<br />
symbolische Kraft. Es handelt sich um komplexe Prozesse der<br />
Gewöhnung und der Akzeptanz. Der erste schwarze Präsident<br />
in den USA ist ein sensationelles Beispiel dafür.<br />
Als Ethiker, welche Wünsche an die Medien<br />
würden Sie äussern?<br />
Mein Wunsch ist, dass Debatten über wichtige Werte in unserer<br />
Gesellschaft in ihrer ganzen Komplexität in den Medien geführt<br />
werden. Es ist wichtig für das Zusammenleben in einer Gesellschaft,<br />
dass diese Diskussionen stattfinden. Medien berichten<br />
nicht nur über Politik, sondern stellen auch verschiedene Lebensweisen<br />
vor. Die Medien haben eine starke expressive und<br />
symbolische Bedeutung für die Thematisierung der Lebensstile,<br />
aber auch der Werte. Das Unternehmen «liberal verfasste Gesellschaft»<br />
ist kognitiv und emotional anspruchsvoll. Es erfordert<br />
eine permanente Auseinandersetzung. Hier spielen die Medien<br />
eine wichtige Rolle.<br />
17
VISIONEN<br />
Auf die Antiquiertheit<br />
des Menschen ist Verlass<br />
VON LUDWIG HASLER<br />
Für Visionen bin ich die falsche Besetzung. Zu viele sah ich leuchten – und erglühen. Zuletzt die Hoffnung<br />
auf eine bessere Welt dank Internet, die Fantasien einer unerhörten Freiheit, einer quasi mystischen<br />
Schwarmintelligenz. Die Wirklichkeit hat sie eingeholt, herausgekommen sind vor allem neue Geschäftspraktiken,<br />
auch neue Möglichkeiten der Konsumsteuerung.<br />
Reizt wenigstens «Vielfalt» die Fantasie? Mischwälder gefallen auch mir besser als Tannenwälder.<br />
Die sind ästhetisch anregender, die Polyphonie von Laub und Nadelbäumen stärkt den Wald auch funktional,<br />
macht ihn widerstandskräftig. Dieses Muster liesse sich fortspinnen auf die Medienvielfalt, nach<br />
der abgegriffenen Maxime «Vielfalt macht stark»: Stärkt mediale Vielstimmigkeit das gemeinsame kommunikative<br />
Konzert? Oder verstärkt es das Chaos all der Interessen und Wünsche, der individuellen Freiheitsspielräume<br />
und Bedürfniswelten?<br />
Zum Beispiel der 26. Februar 2011. In Ägypten der «Tag des Zorns». Zehntausende auf Kairos Strasse.<br />
Wer organisierte das? Eine Schlüsselrolle spielte offenbar die Facebookseite «Wir sind alle Khaled Said».<br />
Khaled Said war vergangenes Jahr von Polizisten aus einem Internetcafé geschleppt und zu Tode geprügelt<br />
worden. Das Mubarak-Regime ignorierte die Wut im Netz. Die Ereignisse in Tunesien ermutigten sie, offline<br />
und auf die Strasse zu gehen.<br />
Ohne uns, sagt News-Sender al-Jazira, wären die Tyrannen in Tunis und Kairo noch an der Macht.<br />
Gut möglich. Dank al-Jazira sah die arabische Welt täglich 24 Stunden Revolution. Zusehen bringt in<br />
Stimmung. Damit es aber was zu sehen gab, brauchte das Fernsehen neue Medien, Social Networks wie<br />
Twitter und Facebook, also Laien, die mit ihrer Handykamera überall sind, wo etwas passiert. Bei al-Jazira<br />
durchkämmt eine ganze Abteilung laufend Facebook-Seiten und Twitter-Meldungen, sichtet täglich Hunderte<br />
Handy-Videos, versucht zu verifizieren, kontaktiert die Absender, holt die interessantesten ins Studio.<br />
So verbündet sich das alte Fernsehen, dessen schwer- und auffällige Kamera-Teams die brenzlige<br />
Wirklichkeit mehr verscheucht als einfängt, erfolgreich mit den jüngsten Online-Medien.<br />
Und die Printmedien? Das Buch hatte, falls es nicht verboten wurde, den Funken der Freiheit unterhalten,<br />
die geistige Kondition des Aufstandes bereitet. Sagt man, mit Blick etwa auf Nagib Machfus, den Nobelpreisträger,<br />
der so packend von Herrschaft und Gewalt («Sturz des Imam») schrieb. Nirgendwo wirkt<br />
Literatur fruchtbarer als im Untergrund. Anders als Zeitungen, die man zwar ebenso leicht verbieten oder<br />
zensurieren kann, die sich aber rasch erholen und gerade bei turbulentem Lauf der Dinge unentbehrlich<br />
werden: als Agentur für tägliche Deutungsofferten.<br />
An diesem 26. Februar spielte offenbar die mediale Musik, weil jedes Medium seine Stärke ausspielte,<br />
sich auf das konzentrierte, was es besser kann als die andern (Bilder, Authentizität, News, Tempo, Selektion,<br />
Reflexion ...). Muss für diese Klugheit die Welt in Aufruhr sein? Zwei Tage lang wurde das Konzert<br />
eintönig, alle Medien schlugen dieselbe Pauke: Wiener Opernball, Mörtel plus Ruby gleich Bunga-Bunga-<br />
Ball. Nichts gegen die Gaudi, aber es ist doch bemerkenswert, wie ausnahmslos alle Richard Lugners jährliche<br />
Selbstvermarktung willfährig und gratis mitziehen, und das gar nicht kleinlich, von Boulevard-Medien<br />
über die sogenannt seriöse <strong>Presse</strong> (natürlich um zu zeigen, wie die traditionelle Veranstaltung in der<br />
Wiener Oper stets grotesker wird) bis hin zu gebührenpflichtigen SRG-Kanälen (womit Mörtel/Ruby zur<br />
geistigen Grundnahrung der Idée suisse erklärt sind).<br />
18 FLASHEXTRA 2011
Vielfalt kann das Leben leichter machen: Das einzelne Medium muss nicht mehr alles selber<br />
machen. Die einstigen Alleinversorger oder -unterhalter erwachen unwillig aus dem Schlaf des Monopolisten,<br />
sind fixiert auf das ganze Programm, das vollständige Menü. Was so vertrauenerweckend wirkt<br />
wie die Endlosspeisekarte im Restaurant: Man traut es der Küche schlicht nicht zu.<br />
Auf Youtube war an jenem Tag die «arme Tricia» der Renner; sie prangerte ihren abgesprungenen<br />
Lover an, mit netten Details (bisexuell, impotent, Herpes). Zwölf Millionen klickten das Video an. «Internet<br />
shaming» heisst das Spiel, es gilt als niederträchtig, ist sehr gefragt. Schmutzige Wäsche war immer<br />
beliebt. Im Web wirkt sie schmutziger – weil online direkt und filterlos funktioniert, in einer Art Wildwest<br />
ohne Sheriff – und ohne dass wir so schlau wären, uns selber zu verteidigen. Weshalb wir uns auf<br />
Schlamm- und weitere Schlachten jederzeit freuen dürfen.<br />
Wird dadurch die mediale Polyphonie primitiver? Oder ist der Einfluss digitaler Medien begrenzter, als<br />
die Ängste davor vermuten lassen? Natürlich macht Powerpoint manchen klugen Vortrag zur albernen<br />
Vorführung. Natürlich kann Twitter unsere Aufmerksamkeitsspanne zusammenschnurren lassen. Natürlich<br />
weichen Suchmaschinen manch ein Hirn zum nervösen Flipperautomaten auf. Nur schaffen das Techniken<br />
nie solo. Kein Medium kann schlauer sein als der Mensch, der es nutzt. Viel dümmer auch nicht. Unser<br />
Hirn ist kein Lehmklumpen, den Medien beliebig kneten. Es kommt drauf an, wer das Zeug nutzt. Ich<br />
kenne Leute, die lesen täglich wissenschaftliche Studien – und haben doch eine weiche Birne. Ich kenne<br />
Leute, die switchen irre durch Cyber-Galaxien – und denken doch prima pfiffig. Ich kenne Leute, die wildern<br />
online nicht ungern durch Schundgebiete – und handeln moralisch auffällig intakt.<br />
Man sagt, die digitale Welt sei so verdammt zwiespältig – super für Wissenssucher, pfui für<br />
Pornosüchtige. Doch welche irdische Welt ist nicht zwiespältig? Die Bücherwelt etwa? Feinste Bildung, ja –<br />
und jede Menge Schrott, und endlose Gewaltorgie, von Homer bis Ernst Jünger. Natürlich strotzt der Cyberspace<br />
vor Widersprüchen. Das Internet: eine entsetzliche Zeitvernichtungsmaschine – und der segensreichste<br />
Zeitersparnisapparat. Facebook, ideale Stätte zur Stammesbildung – und Schlupfloch für Sozialneurotiker.<br />
Smartphone, perfekt als Weltanschluss – und die spiessigste aller Quasselbuden. Cyberspace,<br />
ein Ort der Transparenz – und der Verdunkelung. Eine subversive Wunderwaffe gegen Diktatoren – und<br />
ein raffiniertes Schnüffelsystem für Geheimdienste. Und so weiter.<br />
Was die einen stört (etwa «schmutzige Wäsche»), ist die Kehrseite dessen, was andere mögen (etwa<br />
«freie Meinungsäusserung»). Der Zwiespalt liegt im Menschen. Wir sind nun mal unberechenbare Zwitter,<br />
zwei Seelen, ach, in der Brust, mal Herzblatt, mal Miststück. Bei dieser Conditio humana bleibt keine Medientechnik<br />
eindeutig. Schon die Sprache, mit der alles begann: total ambivalent. Toll zum Lügen, zum<br />
Verunglimpfen. Überhaupt: Hätten Kulturkritiker der Entstehung der Lebensarten beigewohnt, sie hätten<br />
gerufen: «Wozu Affen? Wo es unter Würmern so friedlich läuft. Affen haben doch nichts als Sex im Kopf!»<br />
Stets sah man im Neuen das Debakel fürs Gewohnte: als die Schrift die Mündlichkeit ersetzte, der Buchdruck<br />
die Schriftrolle, der Traktor den Ackergaul, das Fernsehen den Groschenroman usw. Was heisst «ersetzte»?<br />
Der Affe ersetzte nicht die Würmer, der Traktor nicht das Pferd – er befreite es in den Edelstatus<br />
Reitpferd. Das Buch ersetzt nicht die Erzählung, das Fernsehen nicht die Zeitung, der iPod nicht das Konzert.<br />
Der Fortschritt verläuft kumulativ, nicht verdrängend. Und je mehr die Technik diversifiziert, umso<br />
besser kann sich das einzelne Medium auf seine Stärke konzentrieren – gastronomisch gesprochen: Fernsehen<br />
als Appetizer, Internet als Selbstbedienungsgemischtwarenladen, Zeitung als Digestif – zum Verdauen<br />
des Schnellgeschluckten, Unverdauten. So rückt gerade das Neue das Alte in dessen Bestform.<br />
Wenn etwas alt bleibt, dann der Mensch selbst. Verführbar zu jedem Humbug, lädt er etwa auf seinen<br />
iPod 40 000 Lieblingssongs, jeder sein eigener Programmdirektor. Bis es ihn langweilt, stets zu hören, was<br />
er auflegt. Er will wieder auf Empfang, will sich überraschen lassen. Also retour zum Radio. Weshalb Apple<br />
in die neuen Versionen des iPod einen Radioempfänger einbaut. Auf die Antiquiertheit des Menschen ist<br />
Verlass.<br />
FLASHEXTRA 2011<br />
19
BIODIVERSITÄT<br />
Leben aus der Vielfalt<br />
Ohne Artenvielfalt kein Leben,<br />
jedenfalls keines, das für den<br />
Menschen lebbar wäre.<br />
Dennoch geht die Biodiversität<br />
weltweit laufend zurück.<br />
VON RENÉ WORNI<br />
Was ist Biodiversität und welche Bedeutung kommt ihr für das<br />
Leben auf dem Planeten Erde zu? Zunächst zwei Beispiele: 1991<br />
liessen sich vier Männer und vier Frauen zusammen mit ein<br />
paar Hühnern und Schweinen in ein luftdicht verschlossenes<br />
und hermetisch von der Aussenwelt abgeriegeltes Glashaus in<br />
der Wüste von Arizona einsperren. Als Abbild der Biosphäre Erde<br />
gedacht, hiess das Experiment «Biosphere 2». Der Milliardär<br />
Edward Bass finanzierte das Projekt unter der Leitung von<br />
Newage-Guru John Allen mit 200 Mio. US-Dollar. «Biosphere 2»<br />
gilt bis heute als das verwegenste Unternehmen seiner Art, um<br />
herauszufinden, ob Leben ausserhalb der globalen Ökosysteme<br />
langfristig möglich wäre. Im imposanten Gebäudekomplex, der<br />
aus einer Glaspyramide, Gewächshäusern und verglasten Kuppeln<br />
bestand, breitete sich auf einer Fläche von 1,3 Hektaren<br />
unter 6500 Glasscheiben ein künstliches Naturparadies mit Regenwald,<br />
einem Meer, einer Wüste, einer Savanne, einem Mangrovensumpf<br />
und einer Zone für intensive Landwirtschaft aus.<br />
Die Tier- und Pflanzenwelt war so gewählt, dass ein eigenes<br />
Ökosystem entstand, welches sich selbst und die Insassen am<br />
Leben erhalten sollte.<br />
Abgemagert und zerstritten<br />
Zwei Jahre später, nach unzähligen Pannen, Schädlingsbefall,<br />
Verlust der Ernten und Nahrungsknappheit sowie einem kontinuierlichen<br />
Kommunikationsdesaster sowohl intern wie auch<br />
zur Aussenwelt entstiegen die acht Personen ihrem gläsernen<br />
Verlies – bis auf die Knochen abgemagert und völlig miteinander<br />
zerstritten. Eines der grössten Probleme von «Biosphere 2»<br />
war die Aufrechterhaltung der Atmosphäre. Es mangelte an Sauerstoff,<br />
den man künstlich zuführen musste. Später stellte sich<br />
heraus, dass die riesige Betonwanne, auf der das Glashaus mit<br />
den künstlichen Landschaften stand, sehr viel Kohlenmonoxyd<br />
absorbierte, das die Pflanzenwelt unter der riesigen Käseglocke<br />
dringend zur Bildung des überlebenswichtigen Sauerstoffes<br />
benötigt hätte.<br />
Bizarre Nebenwelt<br />
Auch ohne menschliches Zutun finden sich in der Natur Ökosysteme,<br />
die von der globalen Biosphäre praktisch abgeschnitten<br />
sind und wo sich eine faszinierende und gruslige Gegenwelt<br />
entwickelt hat. Als 1986 der Diktator Nicolae Ceausescu nahe<br />
beim heutigen Touristenstädtchen Mangalia an der Schwarzmeerküste<br />
Rumäniens ein gigantisches Kraftwerk zu bauen befahl,<br />
stiessen die Arbeiter auf eine verborgene Höhle, die über<br />
Millionen Jahre von der Aussenwelt isoliert war. Erst ab 1990 begannen<br />
Forscher systematisch, das System zu untersuchen und<br />
fanden eine bizarre Tierwelt in einer lebensfeindlichen und von<br />
giftigen Schwefeldämpfen durchzogenen Unterwelt vor. Es gibt<br />
dicke Schleimschichten aus Bakterien, blinde Egel, Spinnen<br />
und Wasserskorpione, riesige Tausendfüssler mit Giftklauen<br />
und langen Tastorganen anstelle der Augen, Asseln und<br />
Schnecken mit durchsichtigen Panzern und Gehäusen, die sich<br />
nicht gegen das Licht zu schützen brauchen. Sie alle machen in<br />
der Dunkelheit Jagd aufeinander und scheinen in der für Menschen<br />
tödlichen Umgebung praktisch ohne Sauerstoff auszukommen.<br />
Die Movile-Höhle beherbergt eine Nebenwelt ausserhalb<br />
der irdischen Zeit und erlaubt einen Blick in ferne Zeiten<br />
der Erdgeschichte. An dieser Höhle ist ersichtlich, wie sich das<br />
Leben in einem geschlossenen Kreislauf entwickelt. Forscher<br />
zählten bis jetzt 48 Tierarten, davon kommen 33 nur in der Movile-Höhle<br />
vor.<br />
20 FLASHEXTRA 2011
Foto 123rf<br />
FLASHEXTRA 2011<br />
21
BIODIVERSITÄT<br />
Foto 123fr<br />
Ohne Artenvielfalt schränken sich die Lebensbedingungen<br />
also drastisch ein und es wird schnell lebensgefährlich für<br />
uns Menschen. Biodiversität ist demnach gleichbedeutend mit<br />
dem Leben an sich, das sich ständig wandelt und erneuert. Als<br />
Spezies Mensch sind wir dafür selber der schlagende Beweis. In<br />
seinem Beitrag «Wir Bakterien» beschreibt der Journalist Mathias<br />
Plüss, dass der menschliche Körper durchschnittlich von<br />
einer halben Billiarde Bakterien bevölkert wird, etwa hundert<br />
Mal so viele wie der Körper Zellen hat. Ein Erwachsener trägt<br />
ständig etwa zwei Kilogramm Bakterien mit sich herum. Vermutlich<br />
werden wir von mehreren Hunderten, wenn nicht gar<br />
Tausenden von Arten besiedelt, die wiederum tausend Mal so<br />
viele Gene wie das menschliche Erbgut beherbergen.<br />
Und Bakterien sind zäh. Sie überleben in radioaktiv verseuchter<br />
Umgebung ebenso wie in siedendem Wasser oder<br />
Schwefelsäure. Die meisten Arten finden sich auf der Haut, besonders<br />
auf den Unterarmen, Handflächen, dem Zeigefinger<br />
und in den Kniekehlen. Die individuellen Unterschiede sind<br />
zudem enorm. Nur gerade 13 Prozent der Bakterienstämme sind<br />
bei zwei Menschen identisch. Theoretisch könnte ein Mensch<br />
von Bakterien unbesiedelt leben, doch er müsste ständig damit<br />
rechnen, von Infektionen und Krankheiten befallen zu werden.<br />
Denn Bakterien halten das körpereigene Immunsystem am Laufen<br />
und dieses wiederum kontrolliert die Bakterien. Der Mensch<br />
FLASHEXTRA 2011<br />
selber ist damit ein hochkomplexes Ökosystem und bildet mit<br />
seinen mikroskopisch kleinen Bewohnern eine Einheit.<br />
Artenvielfalt sinkt weiter<br />
Die internationale Konvention über biologische Vielfalt ist seit<br />
1993 in Kraft und definiert Biodiversität als «… die Variabilität<br />
unter lebenden Organismen jeglicher Herkunft, darunter unter<br />
anderem Land-, Meeres- und sonstige aquatische Ökosysteme<br />
und die ökologischen Komplexe, zu denen sie gehören. Dies<br />
umfasst die Vielfalt innerhalb der Arten und zwischen den Arten<br />
und die Vielfalt der Ökosysteme». Im letzten Oktober trafen<br />
sich über 190 Teilnehmerstaaten zur Biodiversitätskonferenz im<br />
japanischen Nagoya und einigten sich in letzter Minute auf 20<br />
Ziele, um bis zum Jahr 2020 das Artensterben aufzuhalten.<br />
Schutzgebiete zu Wasser und zu Land sollen ausgeweitet und in<br />
den nächsten zehn Jahren etwa 17 Prozent der Landfläche und<br />
10 Prozent der Meeresfläche unter Schutz gestellt werden.<br />
Noch vor wenigen Jahren war der Begriff Biodiversität<br />
hier zu Lande in der alltäglichen Wahrnehmung weitgehend<br />
unbekannt. Doch das hat sich geändert. 2010 hatte die Uno das<br />
Jahr der Biodiversität ausgerufen. Auch die Schweiz beging ihr<br />
Biodiversitätsjahr. Laut Studien des Forschungsinstitutes GfS<br />
kennen heute rund 65 Prozent der <strong>Schweizer</strong>innen und <strong>Schweizer</strong><br />
den Begriff Biodiversität und begrüssen politische Massnah-<br />
23
BIODIVERSITÄT<br />
Foto 123rf<br />
Biodiversität ist demnach<br />
gleichbedeutend mit dem<br />
Leben an sich, das sich ständig<br />
wandelt und erneuert.<br />
men sowie persönliches Engagement. Dass die Artenvielfalt<br />
auch in der Schweiz (zum Beispiel die Moorlandschaften) laufend<br />
zurückgeht, wird dagegen nicht als Problem wahrgenommen.<br />
Doch der Trend mit der Zersiedelung der Landschaft und<br />
dem Verlust von Kulturland hält an. Besonders in der zweiten<br />
Hälfte des letzten Jahrhunderts gingen viele bedeutende Lebensräume<br />
verloren. Auch die Qualität der Ökosysteme verschlechtert<br />
sich mehr und mehr und genügt für einen langfristigen<br />
Erhalt der Biodiversität nicht. In der Schweiz gibt es rund<br />
3000 Farn- und Blütenpflanzenarten. Von diesen sind 2 Prozent<br />
verschollen, 32 Prozent bedroht und 14 Prozent selten und damit<br />
potenziell gefährdet. Von den etwa 43 000 Tierarten wurden<br />
3000 beurteilt, von denen wiederum sind 5 Prozent ausgestorben,<br />
35 Prozent bedroht und 12 Prozent selten. Von den<br />
FLASHEXTRA 2011<br />
1030 bekannten Moosarten sind 18 Prozent bedroht und<br />
21 Prozent selten und damit potenziell gefährdet. Bei mehr als<br />
80 Prozent aller Arten weiss man wenig bis nichts über ihre Situation.<br />
Am stärksten sind in der Schweiz Reptilien und Amphibien<br />
wie etwa der Laubfrosch gefährdet, da ihnen die geeigneten<br />
Lebensräume fehlen.<br />
Wirkung im Kleinen<br />
In der Schweiz laufen eine Reihe nationaler Programme, um<br />
den Artenverlust zu stoppen und die Vielfalt zu fördern. Umweltorganisationen<br />
wie Pro Natura oder der WWF liefern Bauern,<br />
Firmen, Schulen und Gemeinden Ideen. Auch als Privatperson<br />
kann man selbst auf engstem Raum, etwa auf dem Balkon<br />
in Blumentöpfen Futterangebote für blütenbesuchende Insekten<br />
anbringen. Hummeln und Wildbienen finden dadurch<br />
Nahrung und können sich besser vermehren. Im Laufe des Sommers<br />
werden dann die noch in der Landschaft vorhandenen<br />
Blumen und Wildsträucher ausreichend bestäubt und bilden<br />
Früchte und Samen, die wiederum weiteren Tieren wie Vögeln<br />
und Kleinsäugern als Nahrung dienen. Die Rückkehr der Artenvielfalt<br />
kommt dann (hoffentlich) von selbst.<br />
25
VISIONEN<br />
Ein einig Volk<br />
von Freunden...<br />
Der schnelle Erfolg von sozialen Kommunikationsplattformen<br />
kann nicht allein durch<br />
die technischen Innovationen erklärt werden.<br />
Facebook, Twitter und Co. befriedigen<br />
offenbar grundlegende Bedürfnisse des<br />
Menschen. Wird damit die Welt zu einem<br />
einig Volk von Freunden oder liefert die<br />
gläserne Gesellschaft uns Manipulatoren<br />
aller Art aus?<br />
VON JOSEFA HAAS<br />
Davon träumen wir gerne: Die Welt wird von friedlichen Menschen<br />
besiedelt, die sich gegenseitig unterstützen. Facebook vermittelt<br />
diese Hoffnung: Global pflegen in diesem sozialen Netzwerk<br />
mehr als 500 Mio. Menschen ihre Kontakte mit Freunden.<br />
Leicht lassen sich Bekannte, Kollegen, Schulkameraden in jeder<br />
Ecke der Welt aufspüren, in Gruppen Fremde treffen, die sich<br />
für dieselben Themen interessieren, sei es Politik, Wirtschaft<br />
oder Kultur. Dank meiner aufmerksamen Freunde habe ich<br />
schon manch interessanten Artikel gelesen, Film gesehen oder<br />
Anlass bemerkt. Es ist fast wie im reellen Leben: Am Abend tratschen<br />
und essen im Freundeskreis ist wohlig anregend. Virtuell<br />
zwitschern wir auf Twitter und fühlen uns gleich weniger allein.<br />
Kooperation schlägt Konkurrenz<br />
Warum tun uns diese Netzwerke so gut? Jeremy Rifkin beschreibt<br />
in seiner Analyse zur empathischen Zivilisation, wie<br />
sich die Menschen dank der Technologie ihre Vision der freundschaftlichen<br />
Zivilisation erfüllen können. Unser Leben sei getragen<br />
von gegenseitiger Empathie, leitet Rifkin aus der Evolution<br />
und den Forschungsergebnissen der Neurologie ab. Die<br />
Entdeckung der Spiegelneuronen hat bewiesen, dass Menschen<br />
nicht nur kulturell, sondern auch biologisch auf gegenseitige<br />
Einfühlung programmiert sind. Menschen sind soziale Kreaturen,<br />
die sich nach Gemeinschaft sehnen. Indem sie sich Geschichten<br />
erzählen und miteinander spielen, bilden sich ihre<br />
Identitäten heraus. Kooperation siege über Konkurrenz, meint<br />
Rifkin, dies zeige die Geschichte. Geteiltes Risiko und Zusammenarbeit<br />
auf der Grundlage gemeinsam zugänglicher Informationen<br />
würden die Regel und nicht macchiavellistische Intrigen<br />
und Machtspiele. Möglich machen das soziale Netzwerke,<br />
Netzwerkkommunikation und auf Netzwerken basierende<br />
Geschäftsstrukturen.<br />
Demokratisierung der Kommunikation<br />
Sein Buch «Die empathische Zivilisation – auf dem Weg zu einem<br />
globalen Bewusstsein» tönt über weite Strecken wie eine<br />
politische Utopie. Publiziert hat er es vor den Revolutionen in<br />
der arabischen Welt und der Atomkrise in Fukushima. Für<br />
Rifkin ist die Entwicklung der Energieversorgung und Kommunikationsmittel<br />
der Schlüssel für die Zivilisationsgeschichte.<br />
Technische Entwicklungen ermöglichen in diesen Bereichen einen<br />
allgemeinen Zugang und eine Dezentralisierung. Beides ist<br />
die Voraussetzung für eine kooperative Gesellschaft. Der amerikanische<br />
Soziologe und Ökonom ist überzeugt: «Die dritte industrielle<br />
Revolution ermöglicht die Vision einer neuen Gesellschaft,<br />
in der allgemein zugänglicher Strom zu einer in der Geschichte<br />
beispiellosen Zusammenarbeit zwischen den Menschen<br />
und Nationen führen wird. Die Kommunikation ist bereits<br />
demokratisiert – jetzt folgt die Demokratisierung der Energie.<br />
Eine Welt zeichnet sich ab, in der Hunderte Millionen Menschen<br />
am Netz sind – mit unabsehbaren Folgen für das gesellschaftliche<br />
und politische Leben.»<br />
Vision für Marketing<br />
Die heute erfolgreichen Kommunikationskonzerne nutzen im<br />
Marketing den Traum von einer friedlichen Weltfamilie. Google<br />
kommuniziert sich mit dem Slogan «Das Leben ist eine Su-<br />
26 FLASHEXTRA 2011
Foto 123rf<br />
che» und stellt dabei hilfreich immer ausgefeiltere Instrumente<br />
zur Verfügung. Twitter begrüsst uns mit Zeichnungen von Vögeln<br />
wie aus dem Bilderbuch. Facebook verspricht uns einen<br />
weltweiten Freundeskreis. Der Zauberstab zu dieser Welt sind<br />
letztlich die Geräte, welche uns mit einem Fingertipp den Zugang<br />
zu allen Informationen und Kommunikationskanälen ermöglichen:<br />
Apple hat mit dem iPhone und dem iPad gezeigt, in<br />
welche Richtung es geht. Andere werden folgen. Gleichzeitig<br />
nutzt die Werbung die riesigen Datenmengen, welche im Netz<br />
gesammelt werden. Gezielte, personalisierte und wenn möglich<br />
von Freunden empfohlene Reklame soll in Zukunft den Konsum<br />
anregen. Google erwirtschaftet 97 Prozent seiner Erträge<br />
über Werbung.<br />
Die Visionen der digitalen Schrittmacher gilt es für Medienanbieter<br />
sorgfältig anzusehen. Letztlich verkaufen sie Geschichten,<br />
die das Leben ihrer Leser, Hörer oder Zuschauer bereichern<br />
sollen. Dazu gehören die aktive Beteiligung an der Aushandlung<br />
von politischen Entscheidungen, die Verantwortung<br />
im Arbeitsleben und als Konsument das kulturelle und soziale<br />
Leben, Unterhaltung und Spiel. Wer sein Publikum binden will,<br />
erfüllt diese Wünsche.<br />
Medien als Freunde<br />
Völlig neu ist diese Erkenntnis für Medienanbieter nicht. Sie<br />
müssen nur bewährte Rezepte der Vergangenheit an die Kommunikationsmittel<br />
von heute anpassen. Die Verleger der ersten<br />
Stunde waren sich bewusst, dass eine treue Leserschaft ein<br />
freundschaftliches Verhältnis zur Redaktion wünscht. Die erste<br />
Ausgabe der Winterthurer Zeitung «Der Landbote» vom 24.<br />
März 1836 richtete sich denn auch «an seine Freunde und die<br />
FLASHEXTRA 2011<br />
es werden wollen». Er sah sich als rüstigen Wanderer, «der keine<br />
von Menschen bewohnte Gegend des <strong>Schweizer</strong>landes unbesucht<br />
lassen wird, dessen Wiederkehr aber notwendig abhängt<br />
von der freundlichen oder unfreundlichen Aufnahme,<br />
die man ihm angedeihen lässt». Wer in alten Ausgaben von<br />
Zeitschriften blättert, findet auch bereits Formen von sozialen<br />
Medien. In der «<strong>Schweizer</strong> Familie» vom März 1903 werden in<br />
der Ratgeberrubrik die Abonnenten ersucht, «sich auch, je nach<br />
ihrem Wissen, an der Beantwortung der Fragen beteiligen zu<br />
wollen». Dies tun sie denn auch, indem sie Heilmethoden,<br />
Tipps für den Haushalt oder Kaufempfehlungen einsenden.<br />
Das Böse in Schach halten<br />
Wie unsere Vorfahren sich austauschten und beistanden, vernetzen<br />
wir uns freudig in der digitalen Welt. Dabei geht es nicht<br />
nur um Gesundheit und Konsum. Die Generation Facebook hat<br />
bereits politisch Geschichte geschrieben und in der islamischen<br />
Welt Despoten abgesetzt oder in Bedrängnis gebracht. Trotzdem<br />
bleibt die Frage: Werden die Bösewichte denn einfach aussterben?<br />
Wird die Macht- und Geldgier im sozialen Netz neutralisiert?<br />
Die Visionäre einer fürsorglichen, kollaborierenden Welt<br />
sehen in Kriegen und Kämpfen die Ausnahme, welche die Regel<br />
bestätigt. Zudem soll dank der Weisheit der Vielen Negatives<br />
schnell erkannt und in Schach gehalten werden. Auf Plattformen<br />
wie Wikileaks gelangen wirtschaftliche und politische<br />
Machenschaften künftig an die Öffentlichkeit. In der gläsernen<br />
Gesellschaft brauchen die Guten nichts zu fürchten und die Bösen<br />
können sich weniger verstecken, so die Hoffnung. Träumen<br />
wir doch noch ein bisschen vom einig Volk von Freunden.<br />
27
TRENDBEFRAGUNG<br />
Nach der Defensive<br />
in die Offensive<br />
Die <strong>Schweizer</strong> Medienanbieter<br />
fokussieren ihre Aufmerksamkeit<br />
im Umfeld der konjunkturellen und<br />
strukturellen Veränderungen auf<br />
ihre Kernkompetenzen:<br />
publizistische Leistung, Nutzerbindung<br />
und Werbewirkung.<br />
Neue Kommunikationsplattformen<br />
werden mit den traditionellen<br />
verknüpft. Tradition und Innovation<br />
spielen zusammen.<br />
VON JOSEFA HAAS<br />
Die Finanzkrise war für die <strong>Schweizer</strong> Medienmanager eine der<br />
härtesten Herausforderungen. Nach rigorosen Kostensenkungen<br />
stehen die <strong>Schweizer</strong> Medienhäuser wieder auf finanziell<br />
stabilen Füssen. Der Strukturwandel der Medienwelt fordert sie<br />
weiterhin heraus: Digitale Innovationen folgen Schlag auf<br />
Schlag. Die Medienanbieter reagieren mit Besonnenheit und<br />
Offenheit. Sowohl im publizistischen als auch im Nutzer- und<br />
im Werbemarkt werden Leistungen, Prozesse und Preise angepasst<br />
oder gar neu definiert. Ein Medienverantwortlicher formuliert<br />
die Grundstimmung wie folgt: «Nach zwei defensiven<br />
Jahren ist es an der Zeit, die Erholung der Konjunktur durch offensive<br />
Markenpositionierung zu nutzen. Das Retablissement<br />
des bestehenden Sortiments steht im Vordergrund. Neue Geschäftsmodelle<br />
sind bei der jetzigen Marktlage nicht pro-aktiv,<br />
sondern nur in unmittelbarer Umsetzung mit dem Kunden einführbar.»<br />
Die wichtigsten Herausforderungen und Trends:<br />
1. Nutzung von neuen Technologien und Plattformen<br />
Vor kurzem konnten noch zwei Pole in der Medienbranche beobachtet<br />
werden: auf der einen Seite die digitalen Stürmer, auf<br />
der anderen die traditionellen Verteidiger. Inzwischen finden<br />
sie sich vermehrt in der Mitte. Die Traditionalisten wissen, dass<br />
sie weiterhin mit den klassischen Medien Zeitung, Fernsehen<br />
und Radio Geld verdienen. Ohne eine Verknüpfung mit den digitalen<br />
Kanälen werden sie jedoch bald abseits stehen. Die Stürmer<br />
erkennen hingegen, dass sie nicht so schnell so viel Geld<br />
verdienen werden. Ihre digitalen Plattformen sind auf starke<br />
Medienmarken angewiesen. Die Begriffe Multimedia, Crossmedia,<br />
Konvergenz, hybride Medien tauchen deshalb in den Antworten<br />
auf die Fragen in der Umfrage zu den Medientrends vermehrt<br />
auf. Zentral sind weiterhin die Kosten: Investitionen<br />
müssen sich schnell lohnen. Über Spielgeld für digitale Experimente<br />
verfügt kaum ein Verleger.<br />
2. Publizistisches Profil<br />
Traditionelle Medienmarken sind auf digitalen Plattformen gefragt,<br />
zeigen die Erfahrungen der letzten Zeit. Seien es Internet,<br />
Social Media oder Apps, die Nutzerinnen und Nutzer bleiben<br />
Stammpublikum ihrer Zeitung, ihres Fernseh- oder Radiopro-<br />
«Die Marke unserer Medien<br />
crossmedial im Print und Netz<br />
verankern.»<br />
28 FLASHEXTRA 2011
gramms. Diese Inhalte teilen sie gerne mir ihren Freundinnen<br />
und Freunden im sozialen Netz. Zentral sind dabei allerdings eine<br />
klare Positionierung der Medienmarke und ein scharfes publizistisches<br />
Profil. Mit ihrem Logo werden sie auf Tablets,<br />
Smartphones und Sozialen Plattformen zu Icons, mit welchen<br />
bestimmte Erwartungen verbunden sind. Eine offensive Markenpositionierung<br />
ist deshalb für die Medienverantwortlichen<br />
eine zentrale Herausforderung. Damit verbunden ist ein Bewusstsein<br />
für die Ansprüche der Nutzerinnen und Nutzer. So<br />
sollen die redaktionelle Leistung ausgebaut und die Qualität gepflegt<br />
werden. Der Konkurrenzdruck der digitalen Medienwelt<br />
fordert die traditionellen Medienproduzenten heraus. «Journalistische<br />
Bestleistung in neuen Medien» sei gefordert, schreibt<br />
ein Medienverantwortlicher.<br />
3. Bezahlte Inhalte und Diversifikation<br />
Die Finanzierung von publizistischen Leistungen ist eine der<br />
wichtigsten Herausforderungen für die Branche. Dass die neuen<br />
Technologien den Durchbruch für Paid Content ermöglichen,<br />
sind inzwischen schon 81 Prozent überzeugt. Es gelte,<br />
hier Überzeugungsarbeit bei den Leserinnen und Lesern zu leisten.<br />
Verschiedene Preismodelle im Nutzermarkt schütteln das<br />
traditionelle Angebot beim Einzelverkauf und im Abo-Markt<br />
durcheinander. Das bedeutet jedoch nicht, dass die publizistischen<br />
Produkte künftig billiger sein werden. Qualität darf ihren<br />
Preis haben, sind viele Medienanbieter überzeugt. Die klassischen<br />
Einnahmequellen sollen vermehrt durch weitere Geschäftsfelder<br />
ergänzt werden. Das Vertrauen in die Möglichkeit,<br />
journalistische Leistungen über Erträge aus dem Nutzer- und<br />
Werbemarkt zu finanzieren, nimmt ab. Indirekte Erträge über<br />
Transaktionsgeschäfte gewinnen hingegen an Bedeutung, und<br />
einzelne möchten die Diversifikation ihrer Unternehmen vorantreiben.<br />
4. Selbstbewusstsein im Lokalen und Speziellen<br />
In allen Antworten ist das erstarkte Selbstbewusstsein der Anbieter<br />
von Lokal-, Fach- und Spezialmedien zu spüren.<br />
Während sich die überregionalen Medien in der Konkurrenz<br />
von digitalen und internationalen Plattformen sehen, können<br />
Nischen-Publizisten mit unverzichtbarem und einzigartigem<br />
Fachwissen punkten. Zielgruppenmedien würden durch das Internet<br />
gefördert, heisst es beispielsweise.<br />
5. Reorganisation und Integration<br />
Der Medienwandel fordert eine Anpassung der Strategien und<br />
Organisationen der Medienunternehmen. Die grossen Häuser<br />
müssen ihre Zusammenschlüsse und Übernahmen strukturell<br />
bewältigen. Kleine wie Grosse passen ihre Organisation der<br />
Konvergenz und der Allmedia-Vermarktung an. Die Rollen zwischen<br />
Verleger, Vermittler und Media-Agenturen werden verhandelt.<br />
Die Medienbetriebe werden deshalb praktisch überall<br />
massiv umgebaut, sei es mit der Einrichtung von Newsrooms,<br />
der Definition der Prozesse oder der Verteilung von Aufgaben.<br />
Genannt wird unter anderem die Integration eines Titels in ein<br />
bestehendes Zeitungssystem, die «Integration/Konsolidierung<br />
der akquirierten Unternehmen», das «erfolgreiche Zusammenführen<br />
von zwei Zeitungen», das Nutzen von Medienkonvergenz<br />
und Synergien, die Umsetzung einer neuen Diversifikationsstrategie,<br />
«die Planung eines Konvergenz-Medienhauses»,<br />
«die Sicherung von personellen Ressourcen». Andere haben offenbar<br />
den Prozess des Wandels bereits hinter sich. Für diese<br />
FLASHEXTRA 2011<br />
MEDIENPROFIS BEURTEILEN MEDIENTRENDS<br />
Der <strong>Verband</strong> SCHWEIZER MEDIEN führte im März 2011<br />
zum dritten Mal die Studie Medientrends durch in Zusammenarbeit<br />
mit René Grossenbacher, Publicom. In dieser Befragung<br />
werden aktuelle Einschätzungen zur Entwicklung<br />
von publizistischen Medien erfasst. Die Trendbefragung positioniert<br />
sich komplementär zu den bereits bestehenden<br />
Studien über den Medien- und Werbemarkt.<br />
Die Einladung für die Teilnahme an der Befragung ging an<br />
die Frauen und Männer, die in den Gremien und Arbeitsgruppen<br />
des <strong>Verband</strong>es <strong>Schweizer</strong> Medien aktiv sind. Das Mail<br />
mit dem elektronischen Fragebogen wurde an 303 Personen<br />
versandt, 150 füllten ihn vollständig aus, was einem Rücklauf<br />
von 50 Prozent entspricht. 101 Personen sind in Geschäftsleitungen<br />
tätig, davon 52 Prozent als CEO. Die Bereiche Redaktion,<br />
Werbemarkt, Nutzermarkt und Technik sind gewichtet<br />
vertreten. 24 Frauen nahmen an der Umfrage teil. Das<br />
Durchschnittalter liegt bei 50 Jahren. 17 Personen sind jünger<br />
als 40, 53 zwischen 40 und 50, und 80 über 50 Jahre alt.<br />
Der Studienverlauf über drei Jahre zeigt konstante Beurteilungen<br />
zu grundsätzlichen Fragen. Die Medienentwicklung<br />
wurde mit aktuellen Fragen abgebildet. Wertvolle Inputs<br />
kommen aus den offenen Antworten, welche die Teilnehmenden<br />
zu jeder Fragestellung formulieren können.<br />
steht die «erfolgreiche Konsolidierung nach der Reorganisation»<br />
im Vordergrund. Nach der Transition müsse der Umsatz gesteigert<br />
und Wachstum realisiert werden.<br />
6. Vermarktung der Total Audience<br />
Der traditionelle Werbemarkt muss sich den neuen digitalen<br />
Realitäten anpassen. Dabei herrscht jedoch noch weitgehend<br />
Unklarheit: Weder die Produkte noch die Währungen und Wirkungen<br />
sind eindeutig definiert. In dieser Umbruchsituation erhalten<br />
neue Plattformen grosse Aufmerksamkeit. Sie können<br />
vom Hype profitieren und geraten als einzelne Kommunikationsplattformen<br />
in den Vordergrund. Klassische Werbeträger<br />
werden hingegen als altmodisch wahrgenommen. Ihre Wirkung<br />
und Bedeutung in Crossmedia-Kampagnen unterschätzt.<br />
Das Zusammenspiel von allen Kanälen im Hintergrund ist zudem<br />
sehr aufwändig. Spezialisten spielen die verschiedenen<br />
Werbeträger gegeneinander aus. Geschickte Kombinationen<br />
sind hingegen in Allmedia-Strategien gefragt.<br />
78 Prozent gehen davon aus, dass Medienhäuser vermehrt<br />
zu Komplettanbietern von Werbeangeboten werden. Die<br />
Erschliessung neuer Geschäftsfelder und der «gezielte Einsatz<br />
aller Kanäle» sind eine grosse Herausforderung. Einzelne können<br />
bereits ihre Allmedia-Strategie konsolidieren. Andere hoffen,<br />
die Werbeumsätze zu halten oder Marktanteile zu gewinnen.<br />
Werbung im publizistischen Umfeld ist weiterhin attrak-<br />
«Technische Verbesserungen<br />
werden den Konsum von<br />
Mobile- und Online-Diensten<br />
weiter wesentlich erleichtern.»<br />
29
TRENDBEFRAGUNG<br />
HERAUSFORDERUNGEN DER BRANCHE<br />
Kundenbeziehungen stärken<br />
40 48 11 1<br />
Neue Technologien/Plattformen nutzen<br />
39 49 12<br />
Neue Geschäftsmodelle umsetzen<br />
30 47 18 5<br />
Medienmarken offensiv positionieren<br />
29 44 24 3<br />
Neue publizistische Angebote<br />
22 35 35 8<br />
Publizistische Qualität verbessern<br />
20 37 38 5<br />
Marketing im Werbemarkt verstärken<br />
14 55 27 4<br />
Kosten senken<br />
11 33 49 7<br />
Diversifikation vorantreiben<br />
9 40 39 12<br />
0% 50% 100%<br />
Quelle Publicom 2011<br />
Die Beziehungspflege mit den Kundinnen und Kunden hat eindeutig<br />
Priorität. 87 Prozent sehen dies als grösste Herausforderung,<br />
im Vorjahr waren es 94 Prozent. Ein Umfrageteilnehmer<br />
meint dezidiert, es gehe um das «Erhalten wichtiger Geschäftsbeziehungen<br />
durch Optimierung der Qualitätsansprüche und<br />
der Abläufe». Er mahnt, man solle sich wieder vermehrt nach<br />
aussen richten.<br />
Aus den weiteren zentralen Herausforderungen lassen<br />
sich auch die Hauptaufgaben ableiten, die Medienverantwortliche<br />
anpacken wollen. Das Ziel ist, «die Leserzahlen wieder steigern<br />
zu können!» sowie «Auflagensteigerung bzw. Abonnentenzuwachs».<br />
Sorgen macht die ungewisse Entwicklung, deshalb<br />
soll an der «Prognose des Nutzerverhaltens (Papier versus<br />
elektronische Devices)» gearbeitet werden.<br />
Die Nutzung von neuen Technologien und Plattformen<br />
hat weiter an Bedeutung gewonnen: 88 Prozent gegenüber 85<br />
Prozent im Vorjahr setzen hier einen Schwerpunkt. «Neue Angebote»<br />
sollen entwickelt und «Social-Media-Marketing» getiv,<br />
sind 84 Prozent überzeugt. Sowohl die Medienanbieter als<br />
auch die Werbewirtschaft müssten ihre Verantwortung wahrnehmen,<br />
heisst es in den offenen Antworten: Bei den Medienanbietern<br />
ist eine Strukturbereinigung gefordert, bei den<br />
Werbetreibenden Qualitätsbewusstsein.<br />
7. Konkurrenz und Kooperation<br />
Konzentration, Konsolidierung und Kooperation beschäftigen<br />
die Medienverantwortlichen. Kooperationen sind vor allem für<br />
die kleineren Zeitungen von Bedeutung. Mehrmals wird davon<br />
ausgegangen, dass mittlere Unternehmen von grösseren übernommen<br />
werden, kleine hingegen ihre Selbstständigkeit bewahren<br />
können. Aufmerksam wird das Zusammenspiel mit den<br />
Technologie- und Telekommunikationskonzernen beobachtet.<br />
Die Meinungen gehen hier auseinander. Während die einen befürchten,<br />
die Kontrolle über zentrale Wertschöpfungsstufen zu<br />
verlieren, sehen andere neue Chancen für Medienproduzenten.<br />
Die Umfrage wird in diesem Punkt auch kritisiert. «Ich<br />
vermisse Fragen zur Medienkonzentration bzw. deren möglichen<br />
negativen Folgen.» Die Zusammenschlüsse und Übernahmen<br />
werden in den offenen Antworten kritisch bewertet: «Konzentrationen<br />
fördern keineswegs die Qualität, im Gegenteil.»<br />
FLASHEXTRA 2011<br />
trifft voll und ganz zu<br />
trifft eher zu<br />
trifft weniger zu<br />
trifft überhaupt nicht zu<br />
Herausforderung<br />
der Branche<br />
31
TRENDBEFRAGUNG<br />
ANBIETER IM MEDIENMARKT<br />
Kooperationen zwischen<br />
Medienunternehmen werden zunehmen<br />
34 54 11 1<br />
In zunehmend fragmentierten Märkten entstehen<br />
für kleine Medienunternehmen neue Chancen<br />
33 49 17 1<br />
Medienunternehmen entwickeln sich zu<br />
Komplettanbietern von Werbeangeboten<br />
25 54 18 3<br />
Suchmaschinen-, Telecom- und Vertriebsanbieter<br />
werden zu Inhaltsproduzenten<br />
16 47 30 7<br />
Kleinere und mittlere Medienunternehmen<br />
werden von den grossen übernommen<br />
11 54 30 5<br />
0% 50% 100%<br />
Quelle Publicom 2011<br />
sehr dringlich<br />
ziemlich dringlich<br />
weniger dringlich<br />
überhaupt nicht dringlich<br />
pusht werden. Zu den Hauptaufgaben, die sich die Befragungsteilnehmer<br />
stellen, gehört weiter, «<strong>Layout</strong> und Homepage zu<br />
überdenken und anzupassen» sowie die «Prozesse Print/Online<br />
zu optimieren»..<br />
Print/Online/Mobile<br />
Die Technologie ermöglicht die Umsetzung von neuen Geschäftsmodellen.<br />
Auch hier wird der Akzent verstärkt gesetzt:<br />
2010 waren es noch 72 Prozent, 2011 sind es bereits 77 Prozent,<br />
die dieser Frage grosse Bedeutung zumessen. Es geht insbesondere<br />
um die Entwicklung von «neuen Geschäftsmodellen im<br />
Verbund Print/Online/Mobile», betont ein Medienmanager,<br />
wobei eine geschickte Kombination von Bezahlinhalten und<br />
kostenlosen Inhalten entwickelt werden muss. «Gratisinhalte<br />
in Bezahlinhalte umzuwandeln» wird als zentrale Herausforderung<br />
genannt. Es gelte, die «Verzahnung/Vermarktung von<br />
Print und Online» zu gewährleisten und «parallel dazu ein ertragstarkes<br />
Geschäftsmodell in diesem Bereich» aufzubauen.<br />
Ein Medienverantwortlicher spricht in diesem Zusammenhang<br />
von «neuen Business(intermedia)modellen für elektronische<br />
Produkte», die es zu entwickeln gelte. «Profitable Online-Geschäftsmodelle<br />
zu entwickeln» ist keine einfache Aufgabe. Im<br />
schnellen Wandel geht es um «eine strategische Ausrichtung<br />
mit Blick auf die Anpassung des Geschäftsmodells im digitalen<br />
Umfeld».<br />
Total Audience<br />
Klassische Medienmarken verfügen über ein grosses Potenzial<br />
in der digitalen Medienwelt. Offenbar setzen die Verantwortlichen<br />
hier auf die gute Ausgangslage. 2011 sehen noch 73 Pro-<br />
zent in der offensiven Positionierung der Marken eine grosse<br />
Herausforderung, 2010 waren es 78 Prozent. In den offenen<br />
Antworten sind die Medienmarken hingegen ein häufiges Thema:<br />
So wird eine «offensive Positionierung der Medienmarken»<br />
gefordert oder eine «Forcierung der Marke(n)». Mehrfach wird<br />
eine stärkere oder klarere Positionierung im Markt erwähnt,<br />
und zwar sowohl des Unternehmens als auch der Marken «unserer<br />
Printprodukte» oder der «Zeitung als Informationsplattform<br />
auch in den neuen Medien». Dem Marketing im Werbemarkt<br />
wird eine grössere Bedeutung zugeschrieben: 69 Prozent<br />
setzen hier einen Akzent, 2010 waren es nur 63 Prozent. Ein<br />
zentrales Thema ist die «Vermarktung Total Audience». Leicht<br />
an Bedeutung gewonnen hat die Entwicklung von neuen publizistischen<br />
Angeboten: 57 Prozent wollen diesbezüglich vermehrt<br />
Energie investieren, drei Prozent mehr als im Vorjahr.<br />
Kosten-Nutzen-Bilanz<br />
Weiter an Bedeutung verloren hat der Auftrag, die Kosten zu<br />
senken: 2009 war dies für 86 Prozent eine Herausforderung,<br />
2010 für 59 Prozent und 2011 nur noch für 44 Prozent. Bei den<br />
offenen Antworten auf die Frage zeigt sich, dass die Kosten vor<br />
allem bei den Investitionen ein Thema sind. So wird eine «effektive<br />
Kosten-Nutzen-Bilanz» angestrebt, das «Kosten/Ertragsverhältnis»<br />
soll verbessert werden. Dass es bei den<br />
Finanzen weiterhin um eine existenzielle Herausforderung<br />
geht, zeigen Aussagen wie «profitabel bleiben», «Kosten in den<br />
Griff bekommen», «Kosten reduzieren» oder «Kosten senken».<br />
Die «Produktivität zu steigern, ohne Kosten zu generieren», dies<br />
setzt sich ein Medienmanager als Ziel. Konkret geht es um «Kostensenkung<br />
im Vertrieb», «Budgeterreichung, neue Segmente<br />
«Die Medienunternehmer<br />
müssen zum Content<br />
Provider werden.»<br />
FLASHEXTRA 2011<br />
«Wichtigkeit der Rolle<br />
der traditionellen Medien<br />
aktualisieren/nachweisen.»<br />
33
TRENDBEFRAGUNG<br />
PUBLIZISTISCHES ANGEBOT<br />
Publizistische Angebote können auf mobilen<br />
Plattformen ihren Wert steigern<br />
24 54 21 1<br />
JournalistInnen werden verschiedene Aufgaben<br />
ausführen: schreiben, fotografieren, sprechen,...<br />
24 54 19 3<br />
Trennungsgebot zwischen redaktionellen Inhalten<br />
und Werbung wird immer weniger respektiert<br />
15 55 23 7<br />
Die Entwicklung in Medienmärkten und Web<br />
fördern den Wettbewerb und damit die Qualität<br />
12 34 41 13<br />
Die publizistische Vielfalt<br />
ist bedroht<br />
9 35 33 23<br />
Medienmarken werden im Vergleich zu<br />
anderen Marken an Bedeutung verlieren<br />
3 26 30 41<br />
Soziale Netzwerke ersetzen<br />
die klassische Publizistik<br />
1 20 44 35<br />
0% 50% 100%<br />
Quelle Publicom 2011<br />
trifft voll und ganz zu<br />
trifft eher zu<br />
trifft weniger zu<br />
trifft überhaupt nicht zu<br />
im Anzeigenbereich gewinnen, neue Vertriebsformen im Lesermarkt».<br />
Zur Besonnenheit rät ein Befragungsteilnehmer trotz<br />
der verbesserten Konjunktur: «In einem wachsenden Werbemarkt<br />
nicht euphorisch werden, Möglichkeiten zur Kostensenkung<br />
nutzen, neue digitale Angebote aus- und aufbauen.»<br />
Stabil ist die Sorge um die publizistische Qualität: Wie<br />
im Vorjahr erachten dies 57 Prozent als besondere Herausforderung.<br />
2009 sahen 62 Prozent diesbezüglich Handlungsbedarf.<br />
Die «Stärkung der Publizistik» wird in den offenen Antworten<br />
gefordert, «publizistische Qualität sichern» heisst es weiter. Ein<br />
anderer weist auf den Konkurrenzdruck hin. Er fordert «journalistische<br />
Bestqualität in den neuen Medien». Die «publizistische<br />
Qualität steigern bei gleichzeitigem Kostendruck» ist eine zentrale<br />
Herausforderung für einen Befragungsteilnehmer. Zurücklehnen<br />
dürfe sich die Branche nicht, meint ein anderer, gefordert<br />
sei eine «Qualitätsverbesserung des Info-Angebots in Print<br />
und Online». Auf die klassischen Ertragsquellen im Nutzer- und<br />
im Werbemarkt allein wollen sich nicht alle verlassen. Deshalb<br />
möchten 48 Prozent die Diversifikation ihrer Unternehmen vorantreiben.<br />
«Jetzt oder nie!<br />
Bezüglich Bezahlinhalte ...»<br />
Koopetition<br />
neu gestalten<br />
Stetig nimmt die Zustimmung zur Frage ab, ob kleinere und<br />
mittlere Medienunternehmen von den grossen übernommen<br />
werden: von 77 Prozent 2009, über 69 Prozent 2010 zu 65 Prozent<br />
2011. Nach den Übernahmen und Zusammenschlüssen<br />
der letzten Zeit ist das Thema nicht mehr so virulent. «Es wird<br />
mittelfristig sicherlich noch zu weiteren Konsolidierungen<br />
kommen.» Trotzdem bestünden weiterhin Chancen für lokale<br />
Anbieter, meint ein Teilnehmer an der Umfrage: «Kleine und<br />
mittelgrosse Medienunternehmen müssen den lokalen bzw. regionalen<br />
Raum nutzen, die Nähe zur Kundschaft/Leserschaft.»<br />
Ein anderer ist überzeugt: «Insbesondere die mittleren Anbieter<br />
werden von den grossen übernommen, nicht aber die kleinen.<br />
Sie werden mehrheitlich ihre Selbstständigkeit bewahren können.»<br />
Nicht die Grösse sei in Zukunft der einzige Erfolgsfaktor,<br />
schreibt ein Befragungsteilnehmer. Wichtiger sei: «Das virtuose<br />
Ausschöpfen aller möglichen Erlösquellen und das effiziente<br />
Bündeln von redaktionellen Inhalten wird die erfolgreichen<br />
von den erfolglosen Anbietern unterscheiden.» In diesem Zusammenhang<br />
ist auch die hohe Zustimmung auf eine erstmals<br />
gestellte Aussage zu sehen: 78 Prozent sind überzeugt davon,<br />
dass sich Medienunternehmen zu Komplettanbietern von Werbeangeboten<br />
entwickeln werden. «Es wird in den nächsten Jahren<br />
weiterhin strukturelle Änderungen geben im Sinne einer<br />
34 FLASHEXTRA 2011
ENTWICKLUNGEN DER PRESSE<br />
Die Lokalpresse kann ihre Stellung<br />
behaupten<br />
26 55 19<br />
Die Fach- und Spezialpresse wird sich<br />
wirtschaftlich erfolgreich behaupten<br />
16 62 20 2<br />
Wochen- und Sonntagstitel gewinnen auf<br />
Kosten der Tageszeitungen an Bedeutung<br />
12 54 31 3<br />
Tageszeitungen werden quantitativ weniger,<br />
dafür qualitativ bessere Leistungen erbringen<br />
12 54 27 7<br />
Die abonnierte Tageszeitung wird zu<br />
einem Luxusartikel<br />
7 50 36 7<br />
Die Zeitschriften werden ihre Stellung<br />
im Medienmarkt behalten<br />
6 72 19 3<br />
Im Jahr 2025 wird es keine<br />
gedruckten Medien mehr geben<br />
4 23 73<br />
0% 50% 100%<br />
Quelle Publicom 2011<br />
trifft voll und ganz zu<br />
trifft eher zu<br />
trifft weniger zu<br />
trifft überhaupt nicht zu<br />
Konzentration und zugleich Diversifikation der Kanäle.»<br />
Wo Medienunternehmen zusammen und wo sie gegeneinander<br />
arbeiten, bleibt eine zentrale Herausforderung, auch<br />
wenn sie immer weniger stark gewichtet wird. Bei der ersten<br />
Umfrage 2009 lag die Zustimmung bei 96 Prozent, 2010 wurde<br />
dieses Thema von 94 Prozent etwas weniger betont, 2011 stimmen<br />
noch 89 Prozent zu. «Ohne weitreichende Kooperationen<br />
werden kleine Zeitungen kaum überleben können.»<br />
Eine grosse Zukunft für Fach- und Spezialmedien<br />
Konstant 82 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass sich<br />
in den zunehmend fragmentierten Märkten für kleinere Medienunternehmen<br />
neue Chancen eröffnen. «Das Lokale ist zunehmend<br />
wichtig. Als kleine Lokalzeitung haben wir eine echte<br />
Chance», betont ein Medienverantwortlicher. Ein anderer<br />
weist darauf hin, dass sich «‹die Medien› kaum über einen Leisten<br />
schlagen lassen; Fachmedien unterscheiden sich mit ihren<br />
Konzepten stark von Publikumsmedien». Optimistisch ist folgender<br />
Antworter: «Fachmagazine und Zeitungen haben eine<br />
grosse Zukunft − selbst bei steigenden Abopreisen −, wenn diese<br />
unabhängig, glaubwürdig und verlässlich sind.» Die Bedeutung<br />
der Mitgliedschaftspresse dürfe nicht unterschätzt werden,<br />
heisst es im Weiteren: «Spezialpresse Coop, Migros und auch<br />
TCS werden in Zukunft deutlich an Einfluss gewinnen.»<br />
Eine Mehrheit von 63 Prozent ist überzeugt, dass sich<br />
Suchmaschinen-, Telecom- und Vertriebsanbieter zu Inhaltsproduzenten<br />
entwickeln werden. Zu dieser Frage gab es in den<br />
offenen Antworten engagierte Äusserungen: «Dass letzte Frage<br />
des vorherigen Punktes ‹voll und ganz› zutrifft, wie ich meine,<br />
wird bei den ‹etablierten› Medienhäusern immer noch sträflich<br />
FLASHEXTRA 2011<br />
unterschätzt, weil diese derzeit in der Regel nur aufgrund des<br />
hohen Tempos der Veränderungen reagieren ... Ausnehmen<br />
kann man wohl nur Tamedia.» Ähnlich äussert sich folgender<br />
Medienverantwortliche: «Medienanbieter (Verlage) müssen<br />
aufpassen, dass ihnen das Geschäft mit Inhalten nicht weggenommen<br />
wird (Google, Apple).» Ein weiterer fordert auf, die positiven<br />
Seiten dieser Entwicklung zu sehen: «Die neuen Technologien<br />
bergen einmalige Chancen zwischen Content-Anbietern<br />
und Firmen wie Google, Microsoft und ähnlichen Firmen<br />
sowie Telekom-Unternehmen wie Swisscom.»<br />
Konkurrenz<br />
fördert<br />
die Qualität<br />
Neue Plattformen und wachsende Konkurrenz wirken sich positiv<br />
auf die Qualität des publizistischen Angebots aus, sind die<br />
Befragungsteilnehmer zunehmend überzeugt. 46 Prozent stimmen<br />
der Aussage zu, dass die Entwicklungen in den Medienmärkten<br />
und im Web den Wettbewerb im Journalismus und damit<br />
die Qualität der Angebote fördern. 2010 waren es 39 Prozent.<br />
Diese Haltung ist nicht zuletzt wirtschaftlich begründet,<br />
wie es ein Medienverantwortlicher offen formuliert: «Die neuen<br />
Technologien müssen qualitativ hochwertigen Journalismus<br />
35
TRENDBEFRAGUNG<br />
FINANZIERUNG VON PUBLIZISTISCHEN ANGEBOTEN<br />
Indirekte Erträge über Transaktionsgeschäfte<br />
gewinnen für Medienunternehmen an Bedeutung<br />
15 66 17 2<br />
Neue Technologien ermöglichen<br />
den Durchbruch für Paid Content<br />
15 66 14 5<br />
Professionelle journalistische Leistung wird sich<br />
über Verkauf und Werbung nicht finanzieren<br />
7 31 45 17<br />
Der Staat wird Qualitätsjournalismus für<br />
elektronische Medien mitfinanzieren müssen<br />
3 30 34 33<br />
Alternative Finanzierungsformen (Stiftungen,<br />
Spenden, u.ä.) werden an Bedeutung gewinnen<br />
2 40 45 13<br />
Die Attraktivität des publizistischen<br />
Umfelds für Werbung sinkt massiv<br />
1 15 51 33<br />
0% 50% 100%<br />
Quelle Publicom 2011<br />
trifft voll und ganz zu<br />
trifft eher zu<br />
trifft weniger zu<br />
trifft überhaupt nicht zu<br />
«Qualität hat ihren Preis<br />
und das hoffentlich auch<br />
im Netz und in den<br />
neuen Medien!»<br />
bringen, damit die Kunden dafür bezahlen. Für Durchlauferhitzer<br />
und Veredler von <strong>Presse</strong>meldungen wird der Kunde kaum<br />
bezahlen.»<br />
«Publizistische Qualität wird weiter gefragt sein», ist<br />
man überzeugt. Als grosse Herausforderung wird weiterhin die<br />
Positionierung in der Online-Welt gesehen. «Das Internet fördert<br />
Zielgruppenmedien», heisst es beispielsweise. Deshalb<br />
müssten «für Leser Themen aus der weltweiten Infoflut, in der<br />
die meisten verloren sind, priorisiert werden. Diese Leistung ist<br />
Geld wert!» 45 Prozent sehen die publizistische Vielfalt tendenziell<br />
als bedroht an. Die Frage wurde dieses Jahr zum ersten Mal<br />
gestellt. Medienmarken bewahren weiterhin ihre Bedeutung,<br />
sind zwei Drittel der Antwortenden überzeugt.<br />
Sorgen macht die Gratiskultur: «Leider werden immer<br />
mehr Informationsangebote gratis im Netz zur Verfügung gestellt.<br />
Qualität ist nicht mehr das Ziel, sondern Aufmerksamkeit.»<br />
Bezahlte Inhalte müssten allerdings etwas leisten, wenn<br />
sie ihren Preis wert sein wollen: «Wenn die journalistische Qualität<br />
in den gedruckten und bezahlten Medien nicht verbessert<br />
wird, wird diese Erlösquelle immer weniger hergeben.» Kritische<br />
Bemerkungen werden zum aktuellen Qualitätsbewusstsein<br />
in verschiedenen Redaktionen gemacht. «Die Qualität insbesondere<br />
der Wirtschaftsredaktionen lässt sehr zu wünschen<br />
übrig. Viele Redaktionen insbesondere der Sonntagspresse sind<br />
bald so viel wert wie Reise- oder Autojournalisten, wenn sie sich<br />
weiter so von Lobbyisten und PR-Leuten vereinnahmen lassen»,<br />
heisst es beispielsweise von Seiten eines Medienvertreters.<br />
Gelassen reagieren die Befragungsteilnehmer auf Social<br />
Media. Ein Fünftel befürchtet, die sozialen Netzwerke würden<br />
die klassische Publizistik ersetzen. Die Mehrheit teilt die Meinung,<br />
welche in folgender Antwort eines Medienverantwortlichen<br />
Ausdruck findet: «Facebook und Twitter werden nicht ersetzen,<br />
sondern ergänzen ...»<br />
Die mobilen Plattformen werden von der grossen Mehrheit<br />
der Medienverantwortlichen als Chance wahrgenommen.<br />
78 Prozent unterstützen die Aussage, publizistische Angebote<br />
könnten auf mobilen Plattformen ihren Wert steigern. Dies sind<br />
sechs Prozent mehr als im Vorjahr. Steigend ist auch die Zustimmung<br />
bezüglich Entwicklung des Multimedia-Journalismus.<br />
Inzwischen sind 78 Prozent der Meinung, Journalistinnen<br />
und Journalisten werden verschiedene Aufgaben erfüllen:<br />
schreiben, fotografieren, sprechen, filmen, präsentieren und<br />
produzieren.<br />
70 Prozent − gleich viele wie im Vorjahr − beobachten,<br />
wie das Trennungsgebot zwischen redaktionellen Inhalten und<br />
Werbung immer weniger respektiert wird. Hier müsse allerdings<br />
auch ein Kulturwandel berücksichtigt werden, bemerkt ein Antwortender:<br />
«Ich denke, das hat nicht in erster Linie mit Respekt<br />
zu tun, sondern ist eine Folge des veränderten Nutzungsverhaltens.<br />
Es ist den Nutzern nicht mehr so wichtig (wie den Journis<br />
und/oder Verlegern). Was in Ordnung geht, da die Rezipienten<br />
‹fähiger› und autonomer sind, als manche Medienschaffende es<br />
wahrhaben wollen.»<br />
«Überleben werden nur<br />
grosse Allrounder und<br />
kleine Spezialisten.»<br />
36 FLASHEXTRA 2011
Immerwährende<br />
Liebe zum Papier<br />
2010 war geprägt von der Entwicklung von mobilen Endgeräten:<br />
Smartphones, Tablets und Lesegeräte erobern bedeutende<br />
Leserschichten. In Zukunft würden sie aber keineswegs die gedruckten<br />
Medien verdrängen, sind die Medienverantwortlichen<br />
überzeugt: Nur sechs der 150 Befragungsteilnehmer rechnen<br />
mit einem Aussterben von Print. Die neuen Plattformen<br />
werden aber sehr ernst genommen. «Insbesondere Zeitschriften<br />
werden die Tablets bemerken», betont ein Antwortender. Die<br />
Grundhaltung entspricht wohl dieser Aussage: «Der Mensch<br />
und die Liebe zum Papier resp. zum gedruckten Titel werden<br />
ewig währen. Das papierlose Büro war auch schon ein Flop und<br />
das dauert immer noch an – schauen Sie sich in den Verlagen<br />
um.»<br />
Tagespresse vs. Wochenpresse<br />
Immer mehr Medienverantwortliche beobachten eine wachsende<br />
Konkurrenz zwischen der Wochen- und der Tagespresse. 66<br />
Prozent gehen davon aus, dass Wochen- und Sonntagstitel auf<br />
Kosten der Tageszeitung an Bedeutung gewinnen. Im Vorjahr<br />
waren es erst 51 Prozent. Weniger Quantität, dafür mehr Qualität<br />
werde die Zukunft der Tageszeitungen sein, meinen 66 Prozent.<br />
2010 waren es 73 Prozent. Qualität ist allerdings für viele<br />
eine Überlebensfrage, wie es in folgender Aussage zum Ausdruck<br />
kommt: «Die Tagespresse wird quantitativ weniger, aber qualitativ<br />
bessere Leistungen erbringen müssen.» Konstant ist die Meinung<br />
bezüglich der abonnierten Tageszeitung: 57 Prozent gehen<br />
davon aus, dass sie in Zukunft ein Luxusartikel sein wird. Ein<br />
eindeutiges Profil fordert dieser Medienverantwortliche: «Die<br />
Tagespresse muss sich klar als Chronistin – das Wichtigste des Tages<br />
in Kürze – und als Geschichtenerzählerin – was haben die Informationen<br />
miteinander zu tun – profilieren.»<br />
Der Lokalpresse, der Fach- und Spezialpresse und den<br />
Zeitschriften sprechen jeweils rund 80 Prozent weiterhin eine<br />
gute Stellung zu. So heisst es in einer offenen Antwort: «Die Zukunft<br />
liegt im Lokalen, im Fachlichen und im Speziellen!»<br />
Grundsätzlich sollte es das Ziel sein, die verschiedenen<br />
Plattformen optimal miteinander zu verbinden: «Neue Medien<br />
werden die bestehenden ergänzen. Es gilt hier, einen grossen<br />
Bogen über mehrere Medien zu spannen und so dem Kunden<br />
(Anzeigen und Leser) ein attraktives Angebot präsentieren zu<br />
können!»<br />
«Lokale Berichterstattung<br />
wird an Bedeutung gewinnen.<br />
Profilieren mit<br />
journalistischer Qualität.»<br />
FLASHEXTRA 2011<br />
Finanzierung<br />
Bei der Finanzierung von publizistischen Inhalten blicken die<br />
Medienverantwortlichen hoffnungsvoll auf die Entwicklung<br />
der neuen Technologien: 81 Prozent sind zuversichtlich, dass<br />
sich künftig in der digitalen Welt Paid Content durchsetzen<br />
wird. 2010 waren es erst 74 Prozent. Nach den Erfahrungen in<br />
der Internetzeit zeichnet sich im Mobile- und Tablet-Zeitalter eine<br />
grosse Bereitschaft ab, Inhalte kostenpflichtig im Nutzermarkt<br />
anzubieten.<br />
Die Verantwortung für den Erfolg bei der Leserschaft<br />
und den Nutzerinnen und Nutzern liege allerdings bei den Medienanbietern,<br />
heisst es in den offenen Antworten: «Paid Content<br />
hängt nicht von der Technologie ab, sondern vom Willen<br />
der Medienanbieter, ihr schizophrenes Verhalten (Inhalte auf<br />
einem Weg verkaufen und auf dem andern Weg verschenken)<br />
zu beenden.» Im Zentrum der Aufmerksamkeit müsse dabei<br />
weiterhin die Qualität stehen: «Paid Content (kostenpflichtiger<br />
elektronischer Vertrieb): Journalistische Qualitätsarbeit muss<br />
und darf auch in Zukunft etwas kosten.» Die Leserinnen und Leser<br />
seien dann auch wieder zahlungsbereit: «Qualität hat ihren<br />
Preis. Wenn die Qualität wirklich stimmt, dann ist der Leser/die<br />
Leserin bereit, für <strong>Presse</strong>erzeugnisse mehr zu bezahlen.»<br />
Die Zuversicht in die Monetarisierung von professioneller<br />
journalistischer Leistung ist stark: Während 2010 fast die<br />
Hälfte (47 Prozent) der Aussage zustimmten, Publizistik lasse<br />
sich nicht mehr über Verkauf und Werbung finanzieren, sind es<br />
2011 nur noch 38 Prozent. Stabil geblieben ist die Einschätzung<br />
der zunehmenden Bedeutung von indirekten Erträgen über<br />
Transaktionsgeschäfte durch 82 Prozent der Befragten. Die Entwicklung<br />
in den USA, Recherchejournalismus vermehrt über<br />
Stiftungen und Spenden zu finanzieren, wird 2011 von 42 Prozent<br />
als relevant angesehen, 2010 waren es noch 47 Prozent.<br />
Die Attraktivität des publizistischen Umfelds für die<br />
Werbung bleibe weiterhin bestehen, sind 84 Prozent der Medienverantwortlichen<br />
überzeugt. Ohne Veränderungen gehe es<br />
aber auch hier nicht. Von Seiten der Medienanbieter wird gefordert:<br />
«Da Qualität steigen wird/muss (Strukturbereinigung,<br />
schlanker werden etc.), wird auch die Attraktivität als Werbe-<br />
Umfeld (wieder) steigen.» Und die Werbewirtschaft müsse<br />
ebenfalls ihre Verantwortung wahrnehmen: «Werbung setzt<br />
immer mehr auf Masse. Journalistische Qualität ist kein Kriterium.»<br />
Service-public-Medien<br />
Die wirtschaftliche Flaute und den Strukturwandel wollen die<br />
Medienunternehmen aus eigener Kraft bewältigen. Zwei Drittel<br />
sprechen sich mehrheitlich gegen die Option aus, dass der Staat<br />
künftig den Service public auch ausserhalb der Leistungsaufträge<br />
für Radio- und Fernsehveranstalter mitfinanzieren müsse.<br />
«Staatliche Förderung von Qualitätsmedien nur über indirekte<br />
Subventionierung.» Gefragt sind gute Rahmenbedingungen:<br />
«<strong>Presse</strong>förderung lässt grüssen!» Unabhängigkeit ist für private<br />
Medienanbieter zentral: «Die Unternehmen müssen selbstständig<br />
bleiben, staatliche Unterstützung ist nicht die Lösung. Insbesondere<br />
der letzte Punkt mit den Spenden wird in unseren<br />
Breitengraden eher unwahrscheinlich sein.» Trotzdem sei bei<br />
der Finanzierung von Publizistik Innovation gefordert: «Journalismus<br />
muss weitere Erlösquellen ausserhalb des Service public<br />
und der Privatwirtschaft finden.»<br />
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