Rheinland - Betreuungsvereine
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Alle suchen das Daheim-Gefühl<br />
8. Fachtag Psychogeriatrie in Lahnstein erneut ausgebucht<br />
Psychogeriatrie<br />
Lahnstein. Alle suchen das Daheim-Gefühl. Und doch<br />
versteht keiner keinen. Die Generationen verstehen einander<br />
nicht und die Angehörigen unterschiedlicher Kulturen<br />
auch nicht. Vor diesem Hintergrund entwickelt und<br />
vollzieht sich eine Altenpflege, die sich der Probleme<br />
immer mehr gewusst wird und beginnt, sich darauf einzustellen.<br />
Professor Erwin Böhm (Wien) sprach während<br />
des 8. Fachtages Psychogeriatrie zu einem der aktuellsten<br />
Themen: Transkulturelle und transgenerationelle<br />
Pflege.<br />
Mit 140 Teilnehmern war der Fachtag – wie alle seine<br />
Vorgänger auch – erneut ausgebucht. Als weiteren Erfolg<br />
durfte der Veranstalter, die AWO <strong>Rheinland</strong>, vermerken,<br />
durch AWO Mitarbeiter erstmals eigene Erfahrungen im<br />
Umgang mit dem Böhm'schen Pflegemodell vermitteln<br />
zu lassen und dadurch seine Vorrangstellung beim liebevoll-freundlichen<br />
Umgang mit dementen Menschen zu<br />
unterstreichen. Die Geschäftsführerin der ENPP Böhm<br />
Bildungs- und Forschungs GmbH, Marianne Kochanski,<br />
erläuterte zuvor die Grundzüge des Modells, das bereits<br />
64mal deutschlandweit und erfolgreich praktiziert wird.<br />
Professor Erwin Böhm blickte auf eine erschreckende<br />
Situation: das Heimat-Babylon. Verstehen wir einen<br />
Moslem, einen Buddhisten, einen Hinduisten gefühlsmäßig,<br />
zumal wenn er alt geworden ist und aktuell in<br />
vergangenen Zeiten lebt? Unterschiede könnten kaum<br />
größer sein. Wie stellt sich darauf eine Pflegekraft ein,<br />
die, noch dazu deutlich jünger als die Klientel, aus einer<br />
völlig anderen Lebens- und Gefühlswelt entstammt?<br />
Böhms Forderung: Jeder muss die Wurzeln der Anderen<br />
verstehen und begreifen lernen. Alle Menschen – so Professor<br />
Böhm – haben gemeinsam, dass sie das Daheimgefühl<br />
suchen und brauchen, um sich wohlzufühlen. Die<br />
Altenpflege hat sich dieser Herausforderung zu stellen.<br />
Flexibilität statt Ordnung, Toleranzgrenzen erhöhen;<br />
Daheimgefühl statt Segregations-Oase schaffen (jeder<br />
auf seiner Insel für sich); mit der Seele des Anderen mitfühlen;<br />
sich von der Multisituation inspirieren lassen und<br />
sie als Motor für Erneuerungen betrachten.<br />
Protagonisten von AWO Fachtagen (von links): Erwin Böhm,<br />
Marianne Kochanski und Doris Sattler.<br />
Foto: Axel Holz<br />
Am Nachmittag des Fachtages kamen Mitarbeiter der<br />
AWO zu Wort. Sie schilderten ihre Erfahrungen während<br />
und mit der Einführung des Böhm-Modells. Beeindrukkend<br />
authentisch, erfahrungsstark und kenntnisreich<br />
vermittelten sie eine Grundhaltung, der ihrer Arbeit in<br />
einem Böhm-Wohnbereich zugrunde liegt: der menschliche<br />
Umgang mit sich und anderen. Die Referenten<br />
waren: Gaby Weber, Carlo Strohe (Mayen), Ute Trenz,<br />
Petra Schmidt, Nicole Graulich (Diez), Ute Kallwies, Katja<br />
Vater und Marion Becker-Peuser (Höhr-Grenzhausen).<br />
Der Geschäftsführer der AWO <strong>Rheinland</strong>, Winfried Bauer,<br />
und sein Stellvertreter, Heinz Hörter, begründeten zu<br />
Beginn und am Ende des Fachtages die Entscheidung,<br />
alle Altenpflegeheime der AWO <strong>Rheinland</strong> mit einem<br />
Schwerpunkt 'Böhm-Pflege' auszustatten.<br />
An der Vorbereitung und Durchführung des Fachtages<br />
waren außerdem direkt beteiligt: Monika Dinkelbach,<br />
Doris Sattler, Christian Friedrich, Sven Hastrich und Axel<br />
Holz.<br />
Sponsoren des Fachtages waren: WarlichDruck Ahrweiler<br />
GmbH und die WarlichDruck Meckenheim GmbH.<br />
(ah)<br />
Interview<br />
mit dem stellvertretenden Bezirksgeschäftsführer und Abteilungsleiter<br />
Altenhilfe beim AWO Bezirksverband <strong>Rheinland</strong>, Heinz Hörter.<br />
Interview<br />
Frage: Was bedeutet die Diagnose Demenz?<br />
Hörter: Die Diagnose Demenz bringt für Angehörige und Betroffene eine gravierende<br />
Veränderung im Zusammenleben mit sich. Wir, mit unseren Seniorenzentren der<br />
AWO <strong>Rheinland</strong>, fühlen uns mit den alten Menschen und ihren Angehörigen verbunden<br />
und zur Unterstützung verpflichtet.<br />
Frage: Und das heißt konkret?<br />
Hörter: Wir führen in allen unseren Einrichtungen das Pflegemodell nach Professor<br />
Erwin Böhm ein – oder haben es bereits eingeführt. Dieses Modell hat sich in der<br />
Praxis bewährt. So finden sich Bewohner mit einer Demenz in ihrer Umgebung besser<br />
zurecht; sie brauchen weniger Medikamente, sind lebendiger, ausgeglichener,<br />
zeigen wieder Eigeninitiative. Die Mitarbeiter sind zufriedener; sie erfahren Anerkennung<br />
und Wertschätzung. Die Pflegequalität ist verbessert.<br />
Heinz Hörter<br />
Frage: Kann jeder Mitarbeiter in einem Böhm-Wohnbereich arbeiten?<br />
Hörter: Grundsätzlich ja, wenn er nach den Vorgaben der ENPP Bildungs- und Forschungs GmbH geschult worden ist.<br />
Das sind pro Mitarbeiter etwa 80 Stunden innerhalb eines halben Jahres, eingebettet in den praktischen Pflegealltag.<br />
(Die Fragen stellte Axel Holz.)<br />
5<br />
AWO <strong>Rheinland</strong><br />
Stadt und Land<br />
4/2008