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Wirtschaftsraum....

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Einwurf<br />

Berichte aus dem Dschungel<br />

Psychologen entschlüsseln das Bild, das sich Journalisten von Wirtschaft machen<br />

Irgendwie hat man es geahnt. Die<br />

Deutschen hadern mit der Ökonomie,<br />

sie neigen zu Skepsis und haben ei -<br />

genwillige Vorstellungen vom Funk tio -<br />

nieren der Wirtschaft. Aber dass auch<br />

Journalisten ein Bild von Wirtschaft in<br />

ihren Köpfen tragen, das irritierend viele<br />

Fehlfarben aufweist, ist neu. Das Ergebnis<br />

hat Folgen, denn Journalisten prägen<br />

Meinungen, und das tun sie jeden Tag,<br />

im Fernsehen, in der Zeitung, im Radio,<br />

im Internet. Intensiver als wir können sie<br />

Fakten sondieren, prüfen, bewerten und<br />

in Zusammenhänge stellen. Darf man da<br />

nicht erwarten, dass die Dinge stimmen?<br />

Man darf nicht. Psychologen des Rhein -<br />

gold Instituts sind hinter die Fassade der<br />

Bekenntnisse zu Objektivität und Neu -<br />

tralität gestiegen und haben einen be -<br />

klemmenden Befund geliefert: Journa -<br />

listen färben die Sicht auf die Wirtschaft.<br />

In jedem Beitrag, den wir konsumieren,<br />

vermitteln sie eine Sichtweise, die je nach<br />

Einstellung von der Hofberichterstattung<br />

bis zur publizistischen Demontage reichen<br />

kann. Diese Feststellung gilt nicht für<br />

jeden Journalisten, aber für eine Viel zahl<br />

und sie betrifft einen Gegenstand der<br />

Berichterstattung, der für die Ent wick -<br />

lung der Gesellschaft von Bedeutung<br />

ist, weil Wirtschaft auch über Lebens -<br />

perspektiven entscheidet.<br />

Die Bilder von Wirtschaft, die die Forscher<br />

entdeckt haben, sind zunächst widersprüchlich.<br />

Klar, jeder Journalist wirtschaftet<br />

auch im Kleinen, jeder weiß<br />

etwas über seine Einkäufe und die<br />

Familienkasse, aber diese „kleine“ Welt<br />

der Wirtschaft scheint intakt und völlig<br />

isoliert neben der „großen“ Welt zu<br />

bestehen. Die „große“ Wirtschaft bringt<br />

die Farbe. Sie trägt in den Augen vieler auch andere Aspekte eine Rolle, zum<br />

Journalisten die Logos von Deutscher Beispiel die Aufmerksamkeitsökonomie,<br />

Bank, Amazon, Nestlé, Shell und Google. die uns das Aufregende eher wahrnehmen<br />

lässt als das Normale. Dennoch darf<br />

Sie ist bedrohlich. In den Köpfen erscheint<br />

die Vorstellung eines Dschungels, in dem Kritik an der journalistischen Sicht auf<br />

dunkle Mächte herrschen. Wer in diesem die Welt der Wirtschaft erlaubt sein; die<br />

Umfeld berichtet, erlebt sich als klein Kritik stellt nicht die Notwendigkeit in -<br />

und ohnmächtig. Kein gutes Gefühl für frage, dass Journalisten Ereignisse hinterfragen<br />

und Skandale aufdecken sollten.<br />

Berichterstatter. Sie suchen Beispiele,<br />

um den als übermächtig erlebten<br />

Aber man reibt sich doch die Augen.<br />

Wirtschaftsbetrieb zu verkleinern und „Wäre Wirtschaft ein Mensch, so sehe<br />

zu entmachten. Die Umgebung erleben ich einen Mann mit wenig Moral, der<br />

sie als kalt, sie besteht aus Zahlen, sehr ziemlich unverständlich redet und mich<br />

abstrakt und kaum durchschaubar. betuppen will“, sagte eine der Befragten.<br />

Die Untersuchung, die der Journalisten - Wie entstehen solche Vorstellungen?<br />

preis der deutschen Wirtschaft, der Ernst- Die Psychologen sagen, sie haben mit der<br />

Schneider-Preis, in Auftrag gegeben hat, „German Angst“ zu tun. Viele Deutsche<br />

liefert Einsichten in die unbewusste verstehen die globale Wirtschaft nicht.<br />

Reaktion der Journalisten auf die von Wir sehen ein einkommensmäßiges<br />

ihnen empfundene Ohnmacht. Über - Auseinanderdriften von oben und unten,<br />

raschenderweise durchbrechen sie bei wir erleben Währungskrisen und kapitulieren<br />

vor Finanzprodukten. In dieser<br />

der Berichterstattung über Wirtschaft ihr<br />

Berufsethos. Zu dem bekennen sie sich Vertrauenskrise suchen wir Schuldige.<br />

sonst mit Nachdruck. Journalisten wollen Tief im Inneren glauben wir, dass Gier uns<br />

dem Ganzen gegenüber interessiert sein, schadet. Und Gier verknüpfen wir schnell<br />

sich nicht gemein machen, sich nicht vereinnahmen<br />

lassen und der Wahrheit auf Forscher, nicht nur Banker, sondern das<br />

mit Wirtschaft. Daher eignen sich, so die<br />

die Spur kommen. Bei Wirtschaftsthemen Thema Wirtschaft insgesamt als neues,<br />

aber ergreifen Journalisten oft Partei. Sie gesellschaftlich akzeptiertes Feindbild.<br />

stellen sich auf die Seite der kleinen Leute. Das ist, man ahnt es, zu kurz gesprungen.<br />

So als gäbe es eine richtige und eine falsche<br />

Wirtschaft, als gäbe es trennscharf men, sollten an dieser Bruchstelle anset-<br />

Journalisten, die ihren Beruf ernst neh-<br />

schützenswerte Verbraucher und feind - zen. Sie bietet Stoff für die Aufarbeitung<br />

liche Konzerne. Die Psychologen stellten von Vorurteilen auf allen Seiten.<br />

fest, dass Journalisten, die Wirtschafts -<br />

themen aufgreifen, sich häufig als Kor -<br />

Christian Knull<br />

rektiv, sogar als Gegengewicht sehen.<br />

Ernst-Schneider-Preis der<br />

Das erklärt die auffallend hohe Anzahl<br />

skeptischer bis negativer Berichte über<br />

Wirtschaft und die Lust am Skandal.<br />

Natürlich spielen in der Berichterstattung<br />

privat<br />

deutschen Industrie- und<br />

Handelskammern e.V., Köln<br />

52 | <strong>Wirtschaftsraum</strong> | Hanau-Kinzigtal | Juli & August 2014

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