Das Leben, der Tod und dazwischen der Aldi - Andreas Donder ...
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<strong>Das</strong> <strong>Leben</strong>, <strong>der</strong> <strong>Tod</strong><br />
<strong>und</strong> <strong>dazwischen</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>Aldi</strong>-Markt.<br />
Unterwegs<br />
in Sri Lanka, Indien <strong>und</strong> <strong>der</strong> Warenwelt<br />
Reisebeschreibungen<br />
ANDREAS DONDER<br />
Hamburg<br />
Stand: 26.1.04<br />
1
"Die Vögel im Flug, so behauptet <strong>der</strong> Architekt<br />
Vincenzo Volentieri, leben nicht zwischen den Orten,<br />
sie haben ihren Ort bei sich. Wir fragen uns nie, wo<br />
sie leben: sie sind am Himmel zu Hause, im Flug. Ihr<br />
<strong>Das</strong>ein in dieser Welt ist das Fliegen." Geoff Dyer<br />
2
INTRO 1:<br />
DAS REISEN ZUM ENDE VOM ANFANG.<br />
Wenn ich meine Reisen anschaue, erkenne ich<br />
rückblickend vier verschiedene Typen: Reisen zu<br />
einem Bleibe-Ort, <strong>der</strong> klassische Urlaub. Reisen zu<br />
einem geographischen Ziel. Reisen, die das<br />
"Unterwegs-sein" zum Ziel haben. Innere Reisen mit<br />
Erkenntniszielen. Und Kombinationen daraus.<br />
Mein erster Reisezyklus hatte das "Unterwegs-sein"<br />
zum Ziel. Inspiriert durch Kerouac <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e<br />
Beatniks vagab<strong>und</strong>ierte ich zwischen 1979-1983<br />
durch Europa, USA, Südamerika <strong>und</strong> Asien. Mit<br />
knapper Reisekasse auf Tramp-Tour. In kürzeren <strong>und</strong><br />
längeren Etappen mit insgesamt mehr als 830<br />
Reisetagen <strong>und</strong> einer Strecke von gefühlten 250.000<br />
Kilometern.<br />
Auf diesen Reisen wollte ich mich selbst überholen.<br />
Mein begrenztes Ich entgrenzen. Durch pausenloses<br />
Untwegs-sein mich selbst transzendieren. Ende 1983<br />
erreichte ich den traumatischen Höhepunkt dieser<br />
Zielsetzung. Der sich allerdings zum höchst<br />
konstruktiven <strong>Leben</strong>swendepunkt entfaltete, von dem<br />
aus ich zum nächsten Reisezyklus aufbrach. Dem<br />
inneren Reisen.<br />
Von 1984-1987 reiste ich ausschließlich zu inneren<br />
Zielen. Während dieser Periode habe ich meine<br />
Höhle auf dem Matterhorn nicht verlassen. Und bin<br />
auf den Pfaden des Geistes in mehr als 4.000<br />
Meditationen ins Nirvana, ins Atman <strong>und</strong> Brahman<br />
gereist. Sehr exotische, esoterische Ziele. Und ein<br />
Reisen in Lichtgeschwindigkeit. Mühelos <strong>und</strong> dabei<br />
höchst abenteuerlich.<br />
Von 1988 bis 1992 gab es eine Mischphase, mit<br />
langen Aufenthaltsreisen in Asien, die Erkenntnisse<br />
zum Ziel hatten.<br />
Ab 1990 entdeckte ich die sogenannten Pilgerreisen,<br />
in denen ich geographische Ziele mit<br />
Erkenntniszielen mischte. Zum Beispiel eine<br />
Pilgerschaft nach Santiago de Compostella im Jahr<br />
3
1992 <strong>und</strong> eine Durchquerung Deutschlands in Nord-<br />
Süd-Richtung.<br />
Mit dieser nun vorliegenden Reise wollte ich einen<br />
inneren Anschluss an den 1983 beendeten Zyklus<br />
finden. Jedoch in einer integrierten <strong>und</strong><br />
weiterentwickelten äußeren Form. Und mit einem<br />
anspruchsvollen inneren Ziel im Sinn: Erlösung von<br />
einer Angst.<br />
<strong>Das</strong> alles war nicht einfach zu planen. Zuerst als<br />
Containerschiffsreise geplant, dann als Ayurveda-<br />
Urlaub umgesetzt. <strong>Das</strong> waren planerische Umwege.<br />
Habe ich meine Ziele erreicht? Keine Ahnung.<br />
Erkenntnisziele müssen erarbeitet werden.<br />
Erkenntnisziele sind das Ergebnis von Denken. Klar,<br />
können Erfahrungen auch Erkenntnisse sein. Doch<br />
meine ich, dass Erfahrungen erst durch Denken zur<br />
Erkenntnis werden. Vorher sind sie Gefühle, die von<br />
Beschreibungen ummantelt werden. <strong>Das</strong> gezielte<br />
abstrahierende Denken befreit Beschreibungen von<br />
Gefühlen <strong>und</strong> Bewertungen.<br />
Ziele, Wege, Resultate. Unter diesem Dreisatz<br />
betrachte ich die nachfolgende Reise nach Indien<br />
<strong>und</strong> Sri Lanka.<br />
Der zweite Teil dieses Manuskriptes rekapituliert<br />
meine erste Indienreise vor 20 Jahren <strong>und</strong><br />
beantwortet dabei überraschen<strong>der</strong>weise existentielle<br />
Fragen, die im ersten Text hier <strong>und</strong> da in den Raum<br />
gestellt werden.<br />
Der dritte Teil ist in Vorbereitung.<br />
Gute Reise.<br />
4
NUR DIE DURCHGEGARTEN<br />
KOMMEN IN DEN GARTEN.<br />
Da weiss eine Hand was die an<strong>der</strong>e tut, wenn mich<br />
Kumara <strong>und</strong> Karun simultan mit Kräuteröl massieren.<br />
Ayurveda ist die Wissenschaft vom <strong>Leben</strong>. Und<br />
beginnt im Club Bentota auf Sri Lanka mit intensiven<br />
Öl-Massagen. Und gipfelt in einem Stirnguss mit<br />
heissem Öl. Die unklaren Gedanken werden aus<br />
meiner Denkerstirn förmlich herausgespült. Sogar<br />
meine schon chronisch zu nennenden<br />
Rückenschmerzen lösen sich hier in Wohlgefallen<br />
auf. Mit heissen Kräutersäckchen werden<br />
Nervenbündel kurz betupft <strong>und</strong> glattgestrichen.<br />
Danach geht es in die Dampfröhre. Nur <strong>der</strong> Kopf<br />
guckt raus. Ich liege auf einem Holzgitter <strong>und</strong> unter<br />
mir brodelt ein Zaubertrank aus Heilkräutern. Nach<br />
20 Minuten bin ich durchgegart. Dann schaffe ich es<br />
gerade noch auf eine gemütliche Liege im Garten<br />
unter Palmen <strong>und</strong> versacke in selige Träume. Bis<br />
mich eine <strong>der</strong> bezaubernden Ayurveda<br />
Spezialistinnen weckt mit den Worten „Your<br />
medicine, Sir. Aber langsam trinken.“<br />
Man spricht also deutsch --- denn 90% <strong>der</strong> Klientel<br />
stammen aus dem Land <strong>der</strong> Teutonen. Und einige<br />
<strong>der</strong> Ayurveda-Practioner haben in Deutschland<br />
gearbeitet. Also: alles wie zuhause, nur schöner.<br />
Alles in Öl könnte man glauben. Wäre da nicht das<br />
üppige Büffet, das in mir den täglichen Kampf auslöst<br />
zwischen Sinnengenuss <strong>und</strong> den guten<br />
Ges<strong>und</strong>heitsempfehlungen des Ayurveda: kein<br />
Fleisch, keine Süssigkeiten, nicht überessen.<br />
Für die Ayurvedagäste gibt es zwei, drei immer<br />
gleiche Spezialgerichte, die in leckerer Konkurrenz<br />
stehen zu 30 an<strong>der</strong>en herausragenden<br />
Gaumenfreuden, denen auch ein „Durchgegarter“<br />
kaum wi<strong>der</strong>stehen mag.<br />
5
WO DAS GELD ZUM FENSTER<br />
RAUSGESCHMISSEN WIRD. FÜR<br />
EINEN HIMMLISCHEN ZWECK.<br />
Ich besuche Gunter, <strong>der</strong> mit seiner singalesischen<br />
Frau in Kalutara wohnt. Zumindest zeitweise, wenn<br />
die Familie nicht gerade im deutschen Weinheim<br />
weilt. Gunter habe ich im Flugzeug kennengelernt<br />
<strong>und</strong> er hat mich eingeladen. Die Gelegenheit nehme<br />
ich wahr. Er zeigt mir die Dagoba von Kalutara, die in<br />
<strong>der</strong> Tempelanlage Gangatilaka Vihara direkt am<br />
Fluss liegt. Die Anlage wird von <strong>der</strong><br />
Hauptverkehrsstraße durchtrennt. Die gläubigen<br />
Buddhisten werfen ihren Obolus in Form von Münzen<br />
<strong>und</strong> Scheinen im Vorbeifahren aus zum Fenster <strong>der</strong><br />
Busse <strong>und</strong> Autos auf die Straße. Die bereitstehende<br />
Tempelpolizei sammelt das Geld in die fest<br />
installierten Boxen am Straßenrand. Ehrerbietung im<br />
Vorbeifahren. Erkauft man sich so einen gemütlichen<br />
Platz im Himmel?<br />
Der Weg dorthin scheint die Strasse hier auf Erden<br />
zu sein. In nur drei Tagen Aufenthalt habe ich zwei<br />
schwere Unfälle erlebt. Einen davon hautnah. Der<br />
LKW mit einem Container beladen wäre glatt in<br />
unseren British Leyland Bus gekracht. Wäre <strong>der</strong><br />
Fahrer nicht ausgewichen <strong>und</strong> hätte eine Palme als<br />
Bremshilfe gewählt, wäre unser vollbesetzter Local<br />
Bus sicherlich zusammengefaltet worden wie ein<br />
leere Coladose.<br />
In dem Maße wie die Technik versagt, wird hier auf<br />
die Tube gedrückt. Wie um sich zu beweisen, dass<br />
alles bestens funktioniert. Aber das tut es mit<br />
Sicherheit! Nicht. Improvisation statt Perfektion.<br />
Mit unserem Tuk-Tuk, einer dreirädrigen<br />
Motorradrikshaw, rollen wir weiter nach Richmond<br />
Castle. Ein adeliges Anwesen, das ein singalesischer<br />
Kautschuk-Baron zur Jahrhun<strong>der</strong>twende gebaut hat.<br />
Mit parkähnlichem Garten, eigenem Theater <strong>und</strong><br />
klassischen Säulen --- alles im englischen <strong>und</strong><br />
griechischen Stil gestaltet. Heute wird es als Schule<br />
genutzt für 100 Schüler <strong>der</strong> Umgebung. Gemäß dem<br />
Wunsch des Erblassers, dem <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>wunsch nicht<br />
erfüllt wurde.<br />
6
DIE TUK-TUK-AKQUISE.<br />
Die Gäste <strong>der</strong> Club Bentota Anlage ruhen sicher<br />
hinter einem niedrigen Gatter auf ihren<br />
Sonnenbänken. Die Neuankömmlinge ganz weiss,<br />
die Drei-Tägigen sonnenverbrannt ganz rot <strong>und</strong> die<br />
Ein-Wöchigen makellos braun. Vor dem Gatter lagern<br />
die Beachboys, die ihre „Zielherde“ mit Kennerblick<br />
taxieren. Neuankömmlinge werden mit<br />
zuvorkommen<strong>der</strong> Höflichkeit begrüßt. So wie man<br />
alte Fre<strong>und</strong>e begrüßt. Die Beachboys sagen einfach,<br />
man würde sich schon aus einem an<strong>der</strong>en Urlaub<br />
kennen. Und da die meisten Club-Besucher schon<br />
einmal hier waren, stimmt das manchmal sogar. In<br />
meinem Fall jedoch nicht. Ich war vor 16 Jahren in<br />
Hikkaduwa, was etwas südlicher liegt.<br />
Der mit einem Rhesus-Äffchen auf <strong>der</strong> Schulter lädt<br />
ein zum Spiel mit dem Tier, ein an<strong>der</strong>er lockt mit<br />
Batikstoffen, die nächste mit T-Shirts, ein<br />
Zigarettenverkäufer mit unverzollten Marlboros, ein<br />
Zeitungsverkäufer mit <strong>der</strong> aktuellen Springerpresse<br />
(wahrscheinlich aus den Urlaubsfliegern<br />
"organisiert"), ein an<strong>der</strong>er Typ präsentiert seine<br />
Phyton im handzahmen Opiumrausch, ein Tamile mit<br />
handgeschnitzten Booten <strong>und</strong> Marionetten. Mit<br />
an<strong>der</strong>en Worten: ein ganzer „Kiosk auf Beinen“. Doch<br />
die Mehrzahl hat sich auf das lukrativste Segment<br />
spezialisiert: Ausflüge in die Umgebung zur<br />
Schildkrötenfarm o<strong>der</strong> nach Kandy <strong>und</strong> Adam´s<br />
Peak.<br />
Die Geschickteren verwickeln die Urlauber in Small-<br />
Talk, natürlich auf deutsch <strong>und</strong> kommen dann<br />
zielsicher zum geschäftlichen Part: dem Angebot.<br />
Versprochen wird viel. Erfahrene Ausflügler belehren<br />
mich mit ihrem Erfahrungswissen: fahre mit Eric <strong>und</strong><br />
nicht mit Rambo Tours, schau dir vor <strong>der</strong> Abfahrt den<br />
Zustand <strong>der</strong> Reifen an, lass dir das Reserverad<br />
zeigen, bestimme selbst die Ziele <strong>und</strong> die Stoppovers,<br />
bestehe auf die Abmachungen <strong>und</strong> meide die<br />
Hotel-Arrangements.<br />
Nach fünf Urlaubstagen steht mir inzwischen <strong>der</strong> Sinn<br />
nach Faulheit. Mich lockt we<strong>der</strong> <strong>der</strong> Kräutergarten,<br />
noch <strong>der</strong> Dschungelwasserfall o<strong>der</strong> die<br />
7
Elefantenschule o<strong>der</strong> Schildkrötenfarm, auch nicht<br />
<strong>der</strong> botanische Garten o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Fischmarkt in<br />
Beruwela. Ich will mein Buch („Wassermusik“ über<br />
die Entdeckung des Niger) weiterlesen <strong>und</strong> zwischen<br />
Massage, Strand <strong>und</strong> Büffet hin <strong>und</strong> her pendeln.<br />
Meine kleinen Ausflüge in den Ort zum Internet-Café<br />
sind anstrengend genug. Keinen Schritt bin ich allein.<br />
So anhänglich wie sich Wespen an ein<br />
Honigbrötchen heften, kleben Schlepper <strong>und</strong> Tuk-<br />
Tuk-Fahrer an meinen Fersen <strong>und</strong> bearbeiten mich<br />
mit ihren Anliegen. Versuchen meine Vorlieben<br />
rauszufinden. Sind es Edelsteine, Massage,<br />
Ausflüge, Massanzüge, Ölbil<strong>der</strong> o<strong>der</strong> Le<strong>der</strong>waren. ich<br />
will in Ruhe gelassen werden. Dieses Begehren<br />
scheint zur Zeit nicht erfüllbar.<br />
Ich nenne das die Tuk-Tuk Verkaufsmethode. Nach<br />
dem Motto „stete Ansprache weicht die Abwehr<br />
langsam auf“. So wie Tuk-Tuk-fahren mürbe macht,<br />
die Sinne schwinden lässt während man im engen<br />
Sitzgefährt über dampfend heissen Asphalt tuckert,<br />
eingehüllt in dicken Dieselwolken <strong>der</strong> archaisch<br />
wirkenden Busse, durchgeklopft von<br />
Schlaglochpisten, so wird auch <strong>der</strong> Geist von <strong>der</strong><br />
stereotypen Ansprache in eine Art Trance versetzt,<br />
die ihn zugänglich macht für bunte Batikdecken,<br />
geschnitzte Elefanten o<strong>der</strong> kreischend bunte T-Shirts.<br />
In Deutschland bin ich <strong>der</strong> Weihnachtstrance<br />
unversehrt entkommen. Hier erwartet mich das<br />
gleiche Spiel in einer sehr direkten Form <strong>und</strong> mit<br />
persönlicher, hartnäckiger Ansprache. Aber<br />
irgendwann erlahmt das Interesse an meiner latenten<br />
Kaufkraft, die sich, ganz indisch, von ihrer passivsten<br />
Seite zeigt.<br />
Momentan fühle ich mich für eine Reise durch<br />
Südindien komplett untauglich. <strong>Das</strong> ist <strong>der</strong> Nachteil,<br />
wenn man sich erstmal dem bequemen<br />
Urlauberleben hingegeben hat. Es ist <strong>der</strong> Cocooning-<br />
Reflex, <strong>der</strong> eintritt. Nach dem Motto zuhause ist es<br />
doch am schönsten, mag man das gemachte Nest<br />
seiner Anlage kaum noch verlassen.<br />
8
DER ABEND ALS DAS BÜFFET<br />
DEN KAMPF GEWANN.<br />
Man zeige mir einen Sterblichen, <strong>der</strong> langfristig den<br />
Verlockungen von Tiramisu, Mango Mousse, Tarte,<br />
Flan, Crêpe suzette, Fruit Ragout, Cheesecake,<br />
Caramelle Pudding, Mousse au Chocolat, Eiscreme,<br />
Bread and Butter Pudding, Semiolino Pudding,<br />
French Pastry, Kabinet Pudding, Rum Baba, Fruit<br />
Flambé, Jelly Crackle, Mocca Cream o<strong>der</strong> Gateaux<br />
wi<strong>der</strong>stehen kann. Ich kann es nicht. <strong>Das</strong> süße<br />
„Büffett“ hat heute abend gegen meinen Willen<br />
gesiegt.<br />
<strong>Das</strong> Salatbüffet ist natürlich auch erwähnenswert<br />
genauso <strong>der</strong> Merlin-Fisch vom Grill, die Krabben <strong>und</strong><br />
die verschiedenen Curries. Aber das sind alles keine<br />
Herausfor<strong>der</strong>ungen für mich. Die ich locker ignorieren<br />
kann.<br />
Die Lehre des Ayurveda sieht das gelassen. Sie<br />
weiss um die sinnliche Verführbarkeit des Menschen.<br />
Und empfiehlt nur dreierlei: Iss, was dein Körper dir<br />
sagt, lass 25% Raum <strong>und</strong> beginne die nächste<br />
Mahlzeit erst, wenn die vorangegangene verdaut ist.<br />
So gesehen habe ich nur gegen eine Regel<br />
verstoßen: statt 75% habe ich 125% zu mir<br />
genommen. Wenn ich das Frühstück morgen<br />
ausfallen lasse, geht die Rechnung ja wie<strong>der</strong> auf.<br />
IM FÜNF STERNE HIMMEL<br />
IST ES GAR NICHT SO SCHÖN.<br />
Kumaras Onkel ist gestorben. Ich frage ihn, ob er an<br />
Reinkarnation glaubt. Ja, als Buddhist glaubt er das<br />
natürlich. Ob sein Onkel im Himmel sei <strong>und</strong> wie es<br />
dort nach buddhistischer Anschauung aussieht, will<br />
ich wissen. Genaue Angaben kann o<strong>der</strong> will er an<br />
diesem Morgen nicht machen. "Je<strong>der</strong> erlebt den<br />
Himmel nach seinen Taten", sagt er. Welcher Westler<br />
könnte schon genaue Angaben über den christlichen<br />
Himmel machen? Auch <strong>der</strong> bleibt im diffusen, im<br />
interpretierbarem, im poetischen stecken.<br />
Konkret sind dagegen die Angaben für den "Himmel<br />
auf Erden", wie ihn die Waren- <strong>und</strong> Dienstleistungs-<br />
9
welt ausschreibt. Zum Beispiel im Hotelgewerbe. Dort<br />
wird <strong>der</strong> Ausstattungskomfort in himmlischen<br />
Kategorien ausgelobt. Die Anzahl <strong>der</strong> Sterne<br />
bezeichnet den Grad des Komforts.<br />
<strong>Das</strong> Fünf-Sterne-Hotel Taj Exotic besuche ich aus<br />
Forscher-Interesse. Aber es gefällt mir nicht. Zu steril,<br />
zu groß, zu unpersönlich. Wenn <strong>der</strong> 5 Sterne Himmel<br />
auch so ist, bevorzuge ich eine an<strong>der</strong>e Klasse. Für<br />
eine fachlich kompetente Antwort werde ich einen<br />
buddhistischen Mönch, einen Spezialisten, fragen<br />
müssen.<br />
SONNE SATT.<br />
Gunter behauptet, die menschliche Urrasse sei<br />
dunkelhäutig gewesen <strong>und</strong> wir würden uns wie<strong>der</strong><br />
dahin entwickeln. <strong>Das</strong>s wir Bleichgesichter die Sonne<br />
suchen, sei eine genetische Programmierung aus<br />
eben diesem Zusammenhang. Was ich bezweifle.<br />
Denn dunkelhäutige Menschen wollen in <strong>der</strong> Regel<br />
weißhäutiger sein. In Sonnenlän<strong>der</strong>n, die <strong>der</strong> dritten<br />
Welt zuzurechnen sind, ist weisse Hautfarbe ein<br />
Statussymbol.<br />
Aus einem Geo-Artikel geht hervor, dass im Jahr<br />
2023 <strong>der</strong> letzte blonde Mensch geboren wird. Und<br />
zwar in Finnland. Im Zuge <strong>der</strong> Globalisierung<br />
mischen sich alle Rassen kräftig durch <strong>und</strong> am Ende<br />
wird eine einzige nougatcremefarbige Mischrasse<br />
existieren. Ich vermute, mit <strong>der</strong> Kultur wird es nicht<br />
an<strong>der</strong>s aussehen. Wahrscheinlich erwartet uns eine<br />
internationale Pop-Fast-Food-Kultur.<br />
Der Segen <strong>der</strong> Sonne wird wie überall in<br />
Sonnenlän<strong>der</strong>n liegend empfangen. Über mir das<br />
Rascheln <strong>der</strong> Palmen, vor mir das Grollen des<br />
Meeres <strong>und</strong> hinter mir proben die Club-Animateure<br />
zu bekannten Broadway-Melodien die nächste<br />
Abendshow. Meine Gedanken folgen den<br />
Abenteuern des großen Entdeckungsreisenden<br />
Mungo Park ins innerste Afrika, zum Hofe des<br />
gefürchteten Mansong von Segou Korro. Die Hitze<br />
emailliert meine trägen Gedanken. Der Strand verflirrt<br />
vor Hitze in ein schwimmendes Nirgendwo. Ich<br />
schwitze <strong>und</strong> leide mit Mungo Parks extremen<br />
Abenteuern am Niger. Und freue mich, dass meine<br />
10
Rettung nur ca. 30 Meter entfernt ist. Dort hält die Bar<br />
zu je<strong>der</strong> Tages- <strong>und</strong> Nachtzeit Wasser, Fruchtsäfte<br />
<strong>und</strong> für manche Hartgesottene Bier <strong>und</strong> Cocktails<br />
bereit.<br />
WORKING IN A BOX.<br />
Mein bevorzugtes Internet-Café ist eine kleine Box<br />
am Straßenrand. Auf ca. 4 x 3 Metern Gr<strong>und</strong>fläche<br />
versammeln sich ein Computer, <strong>der</strong> einzige in<br />
Bentota mit USB-Anschluss, jeweils ein Scanner,<br />
Fax, Printer <strong>und</strong> zwei Telefone. Also eine komplette<br />
Kommunikationszentrale.<br />
<strong>Das</strong> zweite Geschäftsfeld dieses Unternehmens<br />
beschäftigt sich mit dem Kopieren von DVDs <strong>und</strong><br />
CD´s. Geöffnet hat man hier von 8 Uhr bis 24 Uhr an<br />
365 Tagen im Jahr. Mit einem Wort: immer.<br />
An einer Wand werden ca. 200 DVDs präsentiert, alle<br />
westlicher Machart von „Die hard“ bis „Die Another<br />
Day“, alle Matrix-Folgen <strong>und</strong> „Herr <strong>der</strong> Ringe“ als<br />
Komplettangebot <strong>und</strong> die ganzen Serien wie „Bad<br />
Boys 1 – 3“, „Terminator“, „Scream“. Wie als<br />
Kontrapunkt zu diesen tödlichen Vorbil<strong>der</strong>n stapeln<br />
sich in den Regalen an <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Wand<br />
Holzspielzeug - das dritte Geschäftsfeld. Dazwischen<br />
meditiert eine bunte Buddha-Figur, von einer<br />
vergilbten Plastiktüte vor den Abgasschwaden<br />
geschützt, die von <strong>der</strong> Straße hereinwabern.<br />
Für Indien ist dies eine typische Existenz, die eine<br />
ganze Sippe ernährt o<strong>der</strong> wenigstens zwei Familien.<br />
Ich sitze auf einem Kin<strong>der</strong>holzhocker <strong>und</strong> sende<br />
meine Nachrichten in mein globales Dorf. Während<br />
im Nachbarraum jemand auf einer Geige übt <strong>und</strong> ein<br />
an<strong>der</strong>er Weihnachtslie<strong>der</strong> auf <strong>der</strong> Blockflöte probt.<br />
Eine Collage <strong>der</strong> Realitäten.<br />
POSTE RESTANTE.<br />
Vor 20 Jahren auf meiner ersten Reise durch Indien<br />
<strong>und</strong> Asien habe ich mich noch weit weg gefühlt von<br />
zuhause. Weil die einzige Rückverbindung <strong>der</strong><br />
langsame postalische Weg war. <strong>Das</strong> emotionale<br />
Highlight in Dehli, Hong Kong o<strong>der</strong> Manila waren die<br />
Poste restante Schalter <strong>der</strong> Hauptpostämter. Dort<br />
11
holte ich meine postlagernden Briefe ab. Es folgte<br />
eine selige Lesest<strong>und</strong>e in einem Café o<strong>der</strong> einer<br />
klapperigen Teebude am lauten Straßenrand. Die<br />
Neuigkeiten von Zuhause, von <strong>der</strong> Familie <strong>und</strong><br />
Fre<strong>und</strong>en wurden dann genauestens <strong>und</strong> wie<strong>der</strong>holt<br />
studiert. Wenn <strong>der</strong> Schalterbeamte jedoch meinen<br />
Pass zurückgab <strong>und</strong> den Kopf schüttelte, weil keine<br />
Post auf mich wartete, war das enttäuschend. Ich bat<br />
dann, noch mal unter meinem Vornamen zu schauen.<br />
Was häufig doch noch zu Ergebnissen führte. Meine<br />
Schwester war damals nur einige Monate später auf<br />
<strong>der</strong> gleichen Route unterwegs <strong>und</strong> bekam in Hong<br />
Kong meine Briefe ausgehändigt, die ich verfehlt<br />
hatte. Entwe<strong>der</strong> war die Post zu lange unterwegs,<br />
o<strong>der</strong> ich von meinem Zeitplan abgewichen war.<br />
Jetzt brauche ich nur in eine Internet-Box wie diese<br />
zu gehen <strong>und</strong> kann mit meinem globalen Dorf<br />
kommunizieren. Manchmal sogar chatten, wenn trotz<br />
Zeitverschiebung zufällig beide Kommunikationsenden<br />
im Netz aktiv sind. O<strong>der</strong> ich rufe für ein paar<br />
Rupees einfach an. Und das geht ohne Operator <strong>und</strong><br />
die Übertragung ist so klar, als würde ich ein<br />
Ortsgespräch führen. So löst sich jede Entfernung<br />
auf. Alles ist überall <strong>und</strong> je<strong>der</strong>zeit. Irgendwie schade.<br />
Unromantisch.<br />
HARTES LEBEN UNTER PALMEN.<br />
Kumara verdient 150 RS am Tag. Da sind nicht mal<br />
1,50 Euro. Natürlich ohne Sozialversicherungen,<br />
Urlaub, Kündigungsschutz o<strong>der</strong> ähnlichem Luxus.<br />
Bezahlt wird nur die Zeit, die er arbeitet. Er wohnt 70<br />
Kilometer entfernt in <strong>der</strong> Nähe von Kalutara. <strong>Das</strong><br />
bedeutet täglich 2 St<strong>und</strong>en Busfahrt, zweimal<br />
umsteigen <strong>und</strong> 35 RS Kosten für eine Tour. Dafür<br />
arbeitet er jeden Tag von 8:00 bis 18:00 Uhr. Und hat<br />
immerhin eine 18monatige Ayurveda-Ausbildung<br />
absolviert. Spricht englisch, deutsch <strong>und</strong><br />
singalesisch.<br />
Mal zum Vergleich: Meine 12 Tage-Kur kostet<br />
70.000,-RS. Dafür müsste Kumara ca. 460 Tage<br />
arbeiten. Unvorstellbar.<br />
Sein Kollege Karun ist <strong>der</strong> Leiter des Ayurvedacenters<br />
<strong>und</strong> verdient 90,-Euro im Monat. Also 3,-_ pro<br />
12
Tag. Da seine Familie in <strong>der</strong> Nähe von Kandy lebt -<br />
das ist 6 Busst<strong>und</strong>en entfernt – hat er auf dem<br />
Hotelgelände für 50,-Euro eine Wohnung angemietet<br />
<strong>und</strong> fährt nur alle paar Wochen mal nach Hause.<br />
Bei 20% Arbeitslosigkeit hier auf <strong>der</strong> Insel ist je<strong>der</strong><br />
Job auch unter schwierigen Bedingungen eine<br />
Zumutbarkeit. Mir wird mal wie<strong>der</strong> bewußt, auf welch´<br />
hohem Niveau wir in Deutschland leiden. Wie ich<br />
gestern <strong>der</strong> Zeitung entnahm, sind 70% <strong>der</strong><br />
deutschen Arbeitnehmer unzufrieden mit ihrem Job.<br />
Bei voller sozialer Absicherung. Geregelten<br />
Arbeitszeiten. Sicheren Lohnzahlungen. Und voll<br />
zumutbaren Arbeitsbedingungen. Woran liegt das?<br />
Vielleicht muss Descartes Erkenntnis lauten: "Ich<br />
jammer, also bin ich" o<strong>der</strong> besser noch "Ich denke,<br />
also bin ich. Unzufrieden."<br />
Zuviel denken ist mit Sicherheit eine Quelle des<br />
Trübsinns. Weniger denken <strong>und</strong> mehr fühlen, führt<br />
das automatisch zu mehr Zufriedenheit? Auf Sri<br />
Lanka sieht man insgesamt mehr frohe Gesichter.<br />
Was sich hinter den Fassaden abspielt, bleibt dem<br />
Kurzbesucher unerschlossen.<br />
IM KRÄUTERBAD.<br />
Heute beginnt ein neuer Behandlungszyklus.<br />
Zusätzlich zu <strong>der</strong> Morgen-Behandlung liege ich<br />
nachmittags in einem Stein-Sakrophag. In einer<br />
warmen, braunen Kräuterbrühe. Die<br />
Nachmittagssonne raschelt durch die Palmenwedel,<br />
<strong>der</strong> Hotelwaran schlängelt sich durch die Aloe Vera<br />
<strong>und</strong> die Streifenhörnchen jagen die Palmenstämme<br />
rauf <strong>und</strong> runter. Ich tue rein gar nichts. Und das sehr<br />
ausführlich.<br />
13
Blick in die Hotelanlage, eine ehemalige <strong>Tod</strong>dy-Fabrik.<br />
DIE JAGDSAISON IST ERÖFFNET.<br />
Der „beach attendent“ ist ein drahtiges Bürschchen<br />
mit hervorstehenden Zähnen <strong>und</strong> einem Gesicht wie<br />
aus einer sternenlosen Nacht herausgeschnitzt. Der<br />
mich jeden Tag mit Handschlag begrüßt. Und auf<br />
mein "wie geht´s" antwortet er heute mit leicht<br />
leidendem Gesichtsausdruck "much work today".<br />
Denn es sind neue Urlauber eingetroffen <strong>und</strong> die sind<br />
mit Liegen zu versorgen. Und da er auch noch mit<br />
<strong>der</strong> Handtuchausgabe betraut ist, bedeutet das ein<br />
ansehnliches Arbeitspensum. Denn über jedes<br />
Beachtuch muss er einen Eintrag in sein<br />
"Handtuchausgabebuch" machen, den <strong>der</strong> Urlauber<br />
mit seiner Unterschrift quittiert. Ein etwas<br />
bürokratischer Vorgang, <strong>der</strong> ihn unter Stress setzt.<br />
Umso glücklicher ist er, dass er heute Unterstützung<br />
von einem weiteren beach-attendent hat, <strong>der</strong> ihm die<br />
Schreibarbeit abnimmt.<br />
So schiebt er mir meine Liege in den Schatten einer<br />
Palme. Und holt im zweiten Arbeitsgang eine<br />
Schaumstoffunterlage. Während ich zur<br />
14
Handtuchausgabe gehe <strong>und</strong> mir von seinem<br />
Assistenten ein frisches Beachtuch aushändigen<br />
lasse. Nun kann das nachmittägliche Schattenbad<br />
beginnen.<br />
Heute sind neue, unwissende Urlauber eingetroffen.<br />
Unter dem Sonnenschutz am Strand drängeln sich<br />
die Beachboys in ungewöhnlich großer Zahl. Alle, die<br />
ich jemals gesehen habe, sind heute anwesend. Kein<br />
bißchen lethargisch, son<strong>der</strong>n in einem Zustand<br />
freudiger Erregung <strong>und</strong> Regsamkeit. Mit Kennerblick<br />
filtern sie die neuen Gäste unter den Bestandsgästen<br />
heraus. Jede Bewegung wird registriert <strong>und</strong><br />
analysiert ob sie in ein Aufstehen von <strong>der</strong> Liege<br />
mündet <strong>und</strong> dann bestenfalls in einem Gang zum<br />
Strand gipfelt. Dann nämlich ist Jagdzeit. <strong>Das</strong><br />
Beutetier Urlauber verlässt das gesicherte Areal des<br />
Hotels <strong>und</strong> kommt auf die Lichtung, in den<br />
rechtsfreien Raum. Sofort reagiert die Schar <strong>der</strong><br />
Anbieter unter dem Sonnenschutz <strong>und</strong> nach einer mir<br />
nicht ersichtlichen Hierachie schlen<strong>der</strong>t ein Beachboy<br />
lässig auf den Urlauber zu, <strong>der</strong> aus <strong>der</strong> sicheren<br />
Herde ausgebrochen ist <strong>und</strong> spricht ihn an.<br />
Diese Erstansprache entscheidet alles. Genau wie<br />
bei einer Anzeige o<strong>der</strong> einem Mailing. Der<br />
Verbraucher entscheidet innerhalb von Sek<strong>und</strong>en:<br />
Topp o<strong>der</strong> Flopp. Im Vorteil sind mal wie<strong>der</strong>, die sich<br />
sprachlich auf die Zielgruppe einstellen. <strong>Das</strong> sage ich<br />
meinen Seminarteilnehmern auch immer: Vermeidet<br />
Fachsprache. Sprecht so wie Eure Zielgruppe. Habt<br />
ein konkretes Angebot parat <strong>und</strong> ein zweites (Cross<br />
Marketing) in <strong>der</strong> Hinterhand, falls das erste nicht<br />
gefragt ist. Von meiner Liege aus kann ich die<br />
Gr<strong>und</strong>prinzipien <strong>der</strong> Vermarktung studieren. Sie sind<br />
universell.<br />
Die Beachboys haben Künstlernamen angenommen.<br />
Sie heissen Harry, Eric, Leon o<strong>der</strong> Anton. <strong>Das</strong> ist<br />
leichter verständlich als zum Beispiel Nayanasantha,<br />
Karunathilikan o<strong>der</strong> Vishnudeva. <strong>Das</strong> kann <strong>und</strong> will<br />
sich kein Urlauber merken.<br />
15
DIE MARKQUISE® VON BENTOTA.<br />
Täglich tauchen neue Händler auf. Endlich auch ein<br />
Dufthändler. Seine Kernkompetenz ist ganz klar:<br />
Räucherstäbchen in allen Variationen. Ich<br />
interessiere mich für Sandalwood-Sticks, die er mir<br />
für 150 RS verkaufen will. Er positioniert sein<br />
Angebot über einen Preisnachlass. Er sagt, all die<br />
an<strong>der</strong>en Urlauber (die Dummen, meint er) hätten 200<br />
RS gezahlt, nur mir gibt er sie für 150 RS (dem<br />
Klugen). Ich solle bloß mit keinem drüber reden.<br />
Wahrscheinlich hat er sie den an<strong>der</strong>en für 100 RS<br />
verkauft. Ich mache ihm ein entsprechenden<br />
Preisvorschlag, auf den er sofort eingeht. Zu leicht<br />
durchschaubar.<br />
Der Muschelmann, <strong>der</strong> Sarongverkäufer, <strong>der</strong><br />
Schalhändler - sie alle präsentieren ein neues<br />
Angebot. Ohrreiniger <strong>und</strong> Masseure, Handleser,<br />
Kokosnuss-, Eisverkäufer <strong>und</strong> Zauberer, wie ich sie<br />
noch 1987 von meinem letzten Sri Lanka-Besuch<br />
erlebt habe, sind noch nicht aufgetaucht. Sind diese<br />
Berufsgruppen inzwischen ausgestorben? O<strong>der</strong><br />
wurden sie ersetzt durch lukrativere Angebote.<br />
Ein Händler präsentiert bunte NIKE-T-Shirts,<br />
gefälschte Markenware für ein Taschengeld.<br />
Rausgeschmuggelt aus <strong>der</strong> Free-Trade-Zone bei<br />
Colombo? Wo 30.000 Näherinnen für westliche<br />
Modelabels arbeiten. Nein, es sind sehr gute<br />
Fälschungen, beteuert er.<br />
MARQUISE: Neuwortschöpfung aus Marketing <strong>und</strong><br />
Akquise (lat.: dazugewinnen). Als Maßeinheit für das<br />
durch Marketing Dazugewonnene.<br />
JÜRGEN, WIE GEHT´S, NOCH EIN BIER?<br />
Frauen haben auf Sri Lanka nicht viel zu melden. <strong>Das</strong><br />
ist bekannt. „Ein Mädchen großzuziehen, ist etwa so,<br />
als würde man die Pflanzen im Garten des Nachbarn<br />
gießen.“ In konsequenter Umsetzung dieses<br />
indischen Sprichwortes beginnt in Indien die<br />
Geschlechterdiskriminierung bereits vor <strong>der</strong> Geburt.<br />
Weibliche Embryos, die durch Fruchtwasseruntersuchung<br />
früh erkannt werden, dürfen gar nicht<br />
16
erst das Licht <strong>der</strong> Welt sehen <strong>und</strong> werden<br />
abgetrieben. Was inzwischen zu einem deutlichen<br />
Männerüberschuss geführt hat. Laut Statistik<br />
kommen auf 1.000 Männer nur noch 927 Frauen.<br />
<strong>Das</strong> gleiche gilt auch in Indien. Wie ich in "The Times<br />
of India", vom 5.1.04, lese: "The girl child is seen as<br />
embarrassment or a curse. The district (north Andrah<br />
Pradesh) is however trying to clean up its image."<br />
Eine Plakat-Aktion mit dem Text "Conduct Of Sex<br />
Determination Test / Disclosure Of Sex Of The<br />
Foetus Is Prohibited. Disclosed Persons And<br />
Requested Persons. Both Are Punishable." weist<br />
darauf hin das es illegal ist, das Geschlecht vor <strong>der</strong><br />
Geburt festzustellen. Bloß halten wird sich kein Arzt<br />
dran. Die Einkommensquelle ist zu lukrativ.<br />
Erstaunlich wie sich diese männerfixierte Haltung in<br />
unserem internationalen Clubdorf wi<strong>der</strong>spiegelt.<br />
Annett <strong>und</strong> Susann erzählen heute, dass sie an <strong>der</strong><br />
Bar von den Kellnern ignoriert werden. Doch sobald<br />
ein Mann mit an ihrem Tisch sitzt, kommt <strong>der</strong> Kellner<br />
<strong>und</strong> fragt allerdings den einen Mann nach seinen<br />
Wünschen. Ohne die vier Frauen zu beachten. Nach<br />
indischer Auffassung haben sie vielleicht keine<br />
Wünsche. O<strong>der</strong> können kein Trinkgeld geben. O<strong>der</strong><br />
trinken nicht. O<strong>der</strong> dürfen nicht wissen, was sie<br />
wollen.<br />
Neugierig waren die Hotel-Angestellten allein über<br />
die Tatsache, dass Annett <strong>und</strong> Susann ohne<br />
männliche Begleitung reisen. <strong>Das</strong> kann wohl nur<br />
bedeuten, dass sie lesbisch sind. Was wohl über die<br />
vier allein reisenden Männer eines österreichischen<br />
Kegelclubs gedacht wird?<br />
UNTERWEGS ALS KARMA-RAUPE.<br />
Abends bin ich beim buddhistischen Mönch<br />
Reverend Nande auf dem kleinen Hügel an <strong>der</strong><br />
Mündung des Flusses, gleich neben unserem Hotel.<br />
200 Öllampchen beleuchten die sehr gepflegte<br />
Gartenanlage um einen kleinen Buddha-Schrein. Ich<br />
sitze dort mit Hans, einem ehemaligen Kapitän <strong>und</strong><br />
seiner Frau. Die auch in einem <strong>der</strong> Hotels in <strong>der</strong><br />
Nähe wohnen. Der Reverend führt uns durch eine<br />
kleine Meditation. Wir sollen auf den Atem achten.<br />
17
Und glücklich sein. Bei den vielen Mücken ist das<br />
wirklich eine Herausfor<strong>der</strong>ung. Ich bin nach kurzer<br />
Zeit ein Schlachtfeld, besser ein Schlachtfest für die<br />
Mücken.<br />
Hier kann ich meine Frage stellen. Was passiert<br />
zwischen zwei Inkarnationen? Gibt es dort eine Chillout-Zone<br />
zum Relaxen? „No time to relax.“ Es geht<br />
aus dem einen <strong>Leben</strong> raus <strong>und</strong> gleich mit dem<br />
nächsten weiter. Wie eine Raupe würde sich das<br />
Karma weiterbewegen, belehrt mich <strong>der</strong> Biku aus<br />
seinem buddhistischen Backgro<strong>und</strong>. Na gut, dann<br />
eben gleich ins nächste <strong>Leben</strong> inkarnieren. Aber bitte<br />
nicht als Frau in Indien.<br />
Die christliche Konzeption hält nichts von<br />
Reinkarnation. <strong>Das</strong> <strong>Leben</strong> ist einmalig <strong>und</strong> die<br />
Erlösung garantiert. Vorausgesetzt man gesteht<br />
seine Sünden schon zu Lebzeiten, dann ist das<br />
Paradies gebucht. <strong>Das</strong> erscheint sehr einfach <strong>und</strong><br />
bequem.<br />
Einige Tage später treffe ich auf dem buddhistischen<br />
Hügel Walter aus München, <strong>der</strong> seit 12 Jahren mit<br />
dem Buddhismus vertraut ist. <strong>Das</strong> Nirwana (wörtlich:<br />
Verwehen) <strong>und</strong> auch die Reinkarnation sind seiner<br />
Ansicht nach zu weltfremde Themen, über die man<br />
letztendlich nur spekulieren kann. Viel wichtiger<br />
dagegen ist die Kunst, im Moment zu sein <strong>und</strong> nicht<br />
abzuschweifen in seine Gedanken, Urteile <strong>und</strong><br />
Wünsche. Außerdem ist die Kontemplation über das<br />
Wesen des Leidens essentiell.<br />
Walter hat mit seinen Spenden diesen Ort mit<br />
gestaltet, <strong>der</strong> zum buddhistischen Kloster gehört, das<br />
auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite des Bentota-Flusses neben<br />
dem Hotel Lanka Princess liegt.<br />
WIE DAS LEBEN SO LEHRT.<br />
Heinz denkt ich sei Jan Kollau, irgendein Fussballer.<br />
Er liegt im Ayurvedacenter auf <strong>der</strong> Massagebank <strong>und</strong><br />
ich in <strong>der</strong> Dampfröhre. „Die könnte ich nicht ertragen,<br />
wegen meinem Herzen.“ Er hat einen<br />
Herzschrittmacher. Ich frage nach <strong>der</strong> Marke.<br />
Irgendein amerikanisches Fabrikat, ein Defilibrator.<br />
Hört sich nach Terminator an. Ich habe mal für eine<br />
18
an<strong>der</strong>e Herzschritter-Marke getextet, also kenne ich<br />
die Materie. Ob er nach seinem Herzschlag sein<br />
<strong>Leben</strong> geän<strong>der</strong>t hat, will ich wissen. Nein sagt er. <strong>Das</strong><br />
<strong>Leben</strong> hat ihn geän<strong>der</strong>t.<br />
Für Heinz war das <strong>Leben</strong> schon zu Ende. Aber daran<br />
kann er sich nicht erinnern. Eigentlich hat er seine<br />
Wie<strong>der</strong>geburt schon zu Lebzeiten gehabt. Zwischen<br />
seinen zwei <strong>Leben</strong> war er in <strong>der</strong> Intensivstation.<br />
Vielleicht ist Jan Kollau ja in <strong>der</strong> Zwischenzeit<br />
gestorben <strong>und</strong> hat sich in meiner Form inkarniert.<br />
Wer weiss das schon wieviel Identitäten eine<br />
Körperform beherbergt. Was sagt die Körperform<br />
über ihren Inhalt aus? Form <strong>und</strong> Inhalt – ein großes<br />
Thema. Anhand eines Beispiels wird die Frage<br />
deutlicher: Was hat die Flasche mit ihrem Inhalt<br />
gemeinsam? Nichts! Zwei völlig unidentische<br />
Realitäten, die jeweils eigenen Gesetzen unterworfen<br />
sind. Verhält es sich mit Körper <strong>und</strong> Geist ähnlich?<br />
Sind wir identisch mit unserem Körper? Eine zentrale<br />
Frage des Vedanta, <strong>der</strong> wir uns später wie<strong>der</strong> nähern<br />
werden.<br />
DREI AUF TOUR.<br />
600,-RS will <strong>der</strong> Tuk-Tuk-Fahrer für seine Tour zum<br />
Brief Garden, wo <strong>der</strong> skurrile <strong>Leben</strong>skünstler Bevis<br />
Bawa sich zu Beginn des letzten Jahrhun<strong>der</strong>ts einen<br />
herrlichen Lustgarten geschaffen hat.<br />
Nach Verhandlungen mit drei Anbietern kriegen wir<br />
die Tour für 400,-RS. Handeln ist Pflicht in diesem<br />
Land. Und mühsame Arbeit.<br />
Der Liter Petrol kostet 60 RS <strong>und</strong> reicht für 25<br />
Kilometer. Arbeitszeit hat fast keinen Wert. Die<br />
Neuanschaffung eines Tuk-Tuk vom indischen<br />
Hersteller bajaj beträgt umgerechnet 2.500,-Euro.<br />
Eine astronomische Summe für die herrschenden<br />
ökonomischen Verhältnisse.<br />
Mit Susann <strong>und</strong> Annett zwängen wir uns zu dritt in<br />
das dreirädrige Gefährt. <strong>Das</strong> Taxi saust los, quetscht<br />
sich in jede mögliche Lücke im dichten Abendverkehr<br />
auf <strong>der</strong> Küstenstrecke, jongliert sich um die<br />
Fahrradfahrer herum auf denen bis zu vier Personen<br />
19
alancieren, haarscharf am Nirvana vorbei <strong>und</strong> biegt<br />
dann landeinwärts ab. Schlagartig beginnt eine<br />
an<strong>der</strong>e Welt. Eine grüne, ruhige, entspannte. Durch<br />
die offenen Seiten des Wagens sehen wir Reisfel<strong>der</strong>,<br />
Bananenplantagen <strong>und</strong> ab <strong>und</strong> zu ein kleines<br />
Anwesen.<br />
Mr. Bawa ist 1992 gestorben. Sein Anwesen ist<br />
wirklich einen Besuch wert. Ein Garten voller<br />
lauschiger Plätzchen. Hier hat er sich mit seinen<br />
Lustknaben vergnügt, wie wir erfahren <strong>und</strong> uns selbst<br />
zusammenreimen. Der Duft <strong>der</strong> marlbororoten <strong>und</strong><br />
kodakgelben Blüten umgarnt unseren Geist mit<br />
erotischen Szenen aus einer vergangenen Epoche.<br />
KURZAUSFLUG IN MEINE REISEBIBLIOTHEK.<br />
Bücher sind hervorragende Reisebegleiter. Immer gut<br />
gelaunt. Immer zur Stelle <strong>und</strong> meistens unterhaltsam.<br />
Aus Michael Ondaatje „Anils Geist“ berge ich<br />
folgende Präziosen an Ideen <strong>und</strong> Formulierungen:<br />
„Man hatte ihr zwei völlig unpassende Namen<br />
gegeben, <strong>und</strong> schon sehr früh hatte sie sich Anil<br />
gewünscht, den unbenutzten zweiten Vornamen ihres<br />
Bru<strong>der</strong>s.“ Seite 73 „Sie stellte sich vor, er könne<br />
Sarath’ Sandalen auf <strong>und</strong> abgehen hören, das<br />
Kratzen seines Streicholzes, das Knistern des<br />
brennenden Tabaks, ...“ Seite 93. „Ich wollte das eine<br />
Gesetz finden, das alles <strong>Leben</strong> regiert. Und ich fand<br />
die Angst...“ Seite 144 „Wie Sarath gesagt hätte,<br />
hatte sie Venus im Kopf gehabt, als sie Jupiter im<br />
Kopf hätte haben sollen.“ Seite 153 „Amerikanische<br />
Filme, englische Bücher – wisst ihr noch, wie sie<br />
immer enden?“ hatte er gefragt. „Der Amerikaner<br />
o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Englän<strong>der</strong> besteigt ein Flugzeug <strong>und</strong> reist<br />
ab. Und das war´s. Die Kamera verschwindet mit<br />
ihm. (... ) <strong>Das</strong> genügt dem Westen an Wirklichkeit.<br />
Wahrscheinlich ist das die Geschichte <strong>der</strong> letzten<br />
zweihun<strong>der</strong>t Jahre politischen Denkens im Westen.<br />
Nach Hause fahren. Ein Buch schreiben. Sich wie<strong>der</strong><br />
in den Kreislauf einfügen.“ Seite 298 ff „Die<br />
<strong>Leben</strong>swirklichkeit wurde einem abstrakten<br />
Gedanken gegenübergestellt.“ (xx Seite)<br />
In <strong>der</strong> Hotelbibliothek stoße ich auf Robert Clark „<strong>Das</strong><br />
Verbrechen des Mr. White“, <strong>der</strong> mich mit folgenden<br />
F<strong>und</strong>stellen bereichert: „Sein Herz war ein Stein des<br />
20
Schreckens, den er schwer vor sich her trug; hier in<br />
diesem Korridor spürte er die Abwärtsbewegung <strong>der</strong><br />
Welt, hörte er ihren flackernden Atem <strong>und</strong> fühlte das<br />
Gewicht ihres unerbittlich herabsinkenden<br />
Schicksals.“ Seite 25 „Aber Wesleys Augen waren<br />
längst wie zwei schwarze Krähen aufgeflattert,<br />
blieben kurz in <strong>der</strong> Schwebe <strong>und</strong> ließen sich<br />
schließlich nie<strong>der</strong>, auf dem Boden an <strong>der</strong> Rückwand,<br />
auf den Schuhen.“ Seite 63 „Dann immer noch bevor<br />
ich es sah, hörte ich das Meer. Es klang ein wenig<br />
wie eine Lokomotive mit Wind vermischt - ...“ Seite<br />
164 „Sie wechselten sich dabei ab, sich gegenseitig<br />
zu verletzen, weil ihre Liebe so weit gediehen war,<br />
dass sie nicht mehr zu ertragen war, <strong>und</strong> nun<br />
enträtselten sie die Liebe gemeinsam, Faser für<br />
Faser.“ Seite 247 „White schien Maggies Gedanken<br />
verlassen zu haben, nur um seine Zelte in Wesleys<br />
Gedanken aufzuschlagen.“ Seite 282 „Die Rolladen<br />
waren noch heruntergelassen, <strong>und</strong> orangefarbenes<br />
Licht blutete durch seine Ritzen wie Rost, <strong>der</strong> sich<br />
auszubreiten beginnt.“ Seite 283 „Als sein<br />
Frühstückstablett kam, ließ er seine Stimme leise <strong>und</strong><br />
zaghaft wie eine verirrte Murmel durch den Schlitz<br />
am Fuß <strong>der</strong> Tür rollen <strong>und</strong> sagte: „Ich wüsste gern,<br />
welcher Tag heute wohl ist.“ Seite 293 „Sein Geist<br />
ebnete sich selbst ein, wie die Welt das, was einst<br />
seine Wohnstätte gewesen war, einebnete.“ Seite<br />
382<br />
In <strong>der</strong> hoteleigenen Strandbibliothek fällt mir Bret<br />
Eastons „American Psycho“ in die Hände. Soll das<br />
ein Buch sein? O<strong>der</strong> die Aufzählung von<br />
Markenamen: „ Zudem sind da vier Frauen am Tisch<br />
uns gegenüber – alle höchst attraktiv, blond,<br />
vollbusig: eine trägt ein Schürzenkleid aus<br />
doppelseitiger Wolle von Calvin Klein, eine an<strong>der</strong>e<br />
ein Strickkleid <strong>und</strong> eine mit Seidenfaille abgefütterte<br />
Jacke von Geoffry Beene, die nächste einen<br />
Faltenrock aus Tüll mit passendem besticktem<br />
Samtbustier von Christian Lacroix, glaube ich, dazu<br />
Stöckelschuhe von Sidonie Larizzi, <strong>und</strong> die letzte ein<br />
trägerloses Pailetten-Abendkleid unter einem<br />
körperbetonten Jackett aus Wollcrepe von Bill Blass.“<br />
Seite 63<br />
Geliehen von Franziska: „Als die Sonne sich in den<br />
weitgeöffneten Rachen des Ozeans senkte, ging <strong>der</strong><br />
21
Mond auf, gewaltig <strong>und</strong> wie handgemacht, das<br />
Spielzeug eines Riesen, aufgehängt am rostroten<br />
Abendhimmel.“ Seite 100 aus: „ <strong>Das</strong> Haus <strong>der</strong> blauen<br />
Mangos “ David Davidar.<br />
RUHE IM KASTEN.<br />
Mit Gunter, seinem Sohn Dorian <strong>und</strong> seiner erst vor<br />
kurzem in die Familie eingeheirateten Schwägerin<br />
machen wir einen Boots-Ausflug auf dem Madu<br />
Ganga. Schon nach wenigen Metern Flussfahrt<br />
umfängt uns palmolivgrüne Vegetation, so dicht <strong>und</strong><br />
<strong>und</strong>urchdringbar wie eine Wand. Durch dunkle<br />
Mangroventunnel finden wir einen Weg auf die<br />
riesige Seenplatte auf <strong>der</strong> kleine Inseln schweben wie<br />
Grünkohl im Swimmingpool. Auf einer davon führen<br />
vier Mönche <strong>und</strong> ein zahmes Reh ihr geruhsames<br />
<strong>Leben</strong>. Die Atmosphäre ist so ruhig <strong>und</strong> friedlich,<br />
dass mir keine Gedanken mehr durch die Synapsen<br />
eilen. Ruhe. Keine Wünsche, keine Ziele. Alles<br />
verweht ins Nichts. Wozu, wohin, weshalb, warum –<br />
alle W-Fragen haben sich selbst überholt.<br />
ERWECKUNG ZUM NICHTSTUN.<br />
Heute ist <strong>der</strong> erste Tag ganz ohne ayurvedische<br />
Anwendungen. Vor dem Frühstück überlege ich ob<br />
ich nach Galle im Süden <strong>der</strong> Insel fahren sollte. Um<br />
etwas mehr von Land <strong>und</strong> Leuten zu sehen, den Brief<br />
von Sonja bei Pushpa abgeben <strong>und</strong> mir noch weitere<br />
Ayurvedakliniken anschauen sollte. Mein<br />
Unternehmungsgeist wird dann allerdings ziemlich<br />
schnell besiegt von einem Geist, <strong>der</strong> sich schon seit<br />
Tagen auf Nichtstun spezialisiert hat. Ich verbringe<br />
den Tag liegend: im Wasser liegend, auf dem Bett,<br />
auf <strong>der</strong> Strandliege.<br />
TIME IS IN BETWEEN.<br />
Zeit ist ein interessantes Thema. Wir leben in einer<br />
Region mit vier Jahreszeiten. Die 365 Tage eines<br />
Jahres sind eine Art Ordnungskriterium für die<br />
Umdrehungen <strong>der</strong> Erde. Es werden also Drehungen<br />
gezählt. Eigendrehungen im Raum mit den<br />
Drehungen an<strong>der</strong>er Himmelskörper, wie Sonne <strong>und</strong><br />
Mond.<br />
22
<strong>Das</strong> riesige Planeten-Mobile am Himmel dreht sich in<br />
vollständiger Harmonie. Milliarden von Sonnen,<br />
Milliarden von Sonnensystemen. Alles dreht sich um<strong>und</strong><br />
gegeneinan<strong>der</strong>. In vollständiger Harmonie.<br />
Vielleicht hängen die Einzelteile unseres <strong>Leben</strong>s<br />
auch in Erfahrungskörpern, die zueinan<strong>der</strong> in<br />
gravitätischer Beziehung stehen. Und Zeit ist eine Art<br />
Bindungsenergie, die die Einzelteile zusammenhält.<br />
Die Bestandteile drehen sich <strong>und</strong> kombinieren die<br />
Prägungen, Vorlieben, Abneigungen in immer neuen<br />
Variationen. Permutationen <strong>der</strong> Ereignisse. Ein<br />
<strong>Leben</strong>sprozess ist dann am Ende, wenn die Anzahl<br />
möglicher Permutation durchlebt sind o<strong>der</strong> das<br />
Prinzip verstanden wurde.<br />
Irgendwie wie<strong>der</strong>holt sich doch alles. Wir betrachen<br />
es nur immer wie<strong>der</strong> neu. Von je<strong>der</strong> Seite. Immer<br />
wie<strong>der</strong>, bis sich alle Einzelteile zu einem Bild<br />
summieren.<br />
Der nachfolgende Text ist die zusammenfassende<br />
Reisebeschreibung einer Tour durch Indien, die ich<br />
im Jahr 1988 zusammen mit Sabine <strong>und</strong> Ole<br />
unternommen habe. Zur gleichen Jahreszeit wie jetzt.<br />
Also vor 15 Jahren.<br />
INDIEN RETOUR ODER WIE WIR FEUER FINGEN<br />
Unsere Fahrt durch Indien ist im Rückblick eine<br />
ReiSe mit sanftem S. Wir haben uns<br />
durchgeschlängelt in diesem fremden Land. <strong>Das</strong><br />
einem sofort unter die Haut fährt. Sanft <strong>und</strong><br />
elektrisierend. Ständige Reibung bringt stetige<br />
Häutung: Alte Haut löst sich, Verkrustungen fallen ab.<br />
Und etwas neues wird lebendig <strong>und</strong> wacht hitzig auf.<br />
PHÖNIX AUS ASCHE<br />
Erstes Ziel: ein Ashram. Auf freiem Feld in glühen<strong>der</strong><br />
Sonne. Der Mann: ein Avatar - ein Gott. Sein Name:<br />
Sai Baba. Wir betreten den Ort höchsten Friedens.<br />
Und wirklich - Erleichterung dringt in uns ein. Wir<br />
fühlen uns heimisch in Prashanti Nilayam.<br />
Der trennende Schleier - gewoben aus<br />
Wi<strong>der</strong>ständen, Vorsichten <strong>und</strong> Vorurteilen wird wie<br />
23
durch die Hitze eines geheimen, unsichtbaren Feuers<br />
angehoben. <strong>Das</strong> Angesicht Gottes ist so nah, doch<br />
jenseits unseres Verständnisses. "Wer mir nahe ist,<br />
ist nahe dem Feuer" sagt die Bibel <strong>und</strong> Sai Baba läßt<br />
mit einer Handbewegung Asche aus seiner Hand<br />
regnen.<br />
Als wir seinen Ashram am 10 Tag verlassen, grüßt er<br />
uns vom Rücksitz seines feuerroten Mercedes. Wir<br />
brennen.<br />
HEAVEN IS ON THE BACKSEAT OF MY CADILLAC<br />
Im Taxi nach Auroville. Bequemer Rücksitz.<br />
Schmiegsames Polster. Der Körper taut in den Geist.<br />
Bewegung kommt für einen Moment zum Stillstand.<br />
<strong>Das</strong> Feuer ist durchgesackt.<br />
Um 3 Uhr morgens erreichen wir das Hauptgate von<br />
Auroville. Vollmond. Der Himmel leuchtet.<br />
Rhythmisches Trommeln empfängt uns. Vollmond-<br />
Rituale, wie man uns am Frühstückstisch erklärt.<br />
Wir ruhen nur kurz in diesem himmlischen Garten.<br />
Ein fernes Summen: P-O-O-N-A dehnt sich ins Ohr.<br />
Wie ein warmer Hauch, von einem fernen Feuer<br />
sorgsam hinge-blasen.<br />
DER TOD EINES HANDLUNGSREISENDEN<br />
Osho´s Ashram. Durch die torlose Schranke führt uns<br />
<strong>der</strong> Weg in eine an<strong>der</strong>e Welt. Hier verdichtet sich<br />
alles auf dieser Reise bisher Gesehene. Ist<br />
professionell auf die Spitze getrieben. Die Flamme<br />
steht senkrecht still. Die Oberhaut verbrennt von<br />
innen. Und <strong>der</strong> Handelnde, <strong>der</strong> diese Reise <strong>und</strong> alle<br />
Reisen vorher in die Hand nahm, verlischt im Licht.<br />
Was ist innen, was bleibt außen, wer handelt? Die<br />
Grenzen weichen. Der Weg ist geebnet. Es darf<br />
passieren. Dieses Gewährenlassen ist ein Auflassen<br />
für die Erfahrung: "Was passiert, muß passieren."<br />
Am dritten Tag unseres Aufenthalts stirbt Osho. "He<br />
never was born. He never died. He only passed<br />
through" steht auf seinem Samadhi. Seine<br />
24
<strong>Leben</strong>sreise war ohne Anfang <strong>und</strong> ohne Ende. Er<br />
verläßt diese Erde durch die torlose Schranke.<br />
Und sein Körper brennt noch am gleichen Abend.<br />
<strong>Das</strong> Feuer nimmt sich Nahrung. Es bleibt Asche.<br />
Was stirbt in mir, ist die Vorstellung Handeln<strong>der</strong> zu<br />
sein. Die Reise ist zu Ende.<br />
GOOD BYE INDIEN - HELLO ......<br />
Bombay. Einen Tag vor unserem Abflug besuchen<br />
wir Ramesh Balsekar. Früher Bankdirektor - jetzt<br />
Heiliger. Seine Bilanz lautet: Es gibt nichts zu tun,<br />
außer es geschieht aus sich selbst heraus. Handlung<br />
geschieht unabhängig von <strong>der</strong> Vorstellung es gäbe<br />
einen Handelnden <strong>und</strong> dieser Handelnde sei man<br />
selbst.<br />
Eine ReiSe mit R<strong>und</strong>-S. Der Kreis schließt sich. Die<br />
Haut wurde uns über die Ohren gezogen, solange es<br />
uns noch gab. Good bye altes <strong>Leben</strong>. Was kommt<br />
jetzt?<br />
P.S. Willkommen, wer ein Löffelchen Asche will. <strong>Das</strong><br />
Feuer wird ihn leiten <strong>und</strong> heilen.<br />
AUSZUG AUS DEM PARADIES.<br />
Ich zitiere den obigen Text aus nostalgischen<br />
Gründen, aus Forscherdrang, aus biographischem<br />
Interesse. Auf <strong>der</strong> Suche nach Überschneidungen,<br />
nach Synchronizitäten, nach Analogien, nach<br />
Erkenntnis. Morgen werde ich dieses gastliche<br />
Urlaubsdorf verlassen mit dem Ziel: Indien,<br />
Bangalore, Puttaparthi, Sai Baba.<br />
Diese Zwischenwelt beherbergt eine Mischung aus<br />
allem, was schön ist in westlicher Anschauung von<br />
Urlaub. Eigentlich passt <strong>der</strong> englische Begriff<br />
vacation viel besser. Ist Urlaub nicht ein künstliches<br />
Vakuum, ein Zustand jenseits <strong>der</strong> Gegensätze? Ein<br />
Erlauben des Urzustandes, in dem die Welt als<br />
Einheit erlebt wurde. Paradiesisch, ganz <strong>und</strong> ohne<br />
Mangel.<br />
25
ON THE ROAD.<br />
Nur 50 Minuten Flugdauer, dann lande ich schon in<br />
Bangalore, Karnataka. Mit einem Taxi geht es nahtlos<br />
weiter. Für die 150 Straßenkilometer (5 Rupees pro<br />
Kilometer) in nördlicher Richtung nach Puttaparthi,<br />
B<strong>und</strong>esstaat Andhra Pradesh, braucht mein Fahrer<br />
Neelakanta inklusive kurzer Pause vier St<strong>und</strong>en.<br />
Ich fahre in einem alten Ambassador, meine indische<br />
Lieblingsautomarke. In <strong>der</strong> Form wie eine Schildkröte<br />
in high-heels, robust wie ein Jeep <strong>und</strong> langlebig wie<br />
ein Benz. Sechsspurige Stadtautobahnen leiten uns<br />
um Bangalore rum. Vor 15 Jahren war die<br />
Infrastruktur viel bescheidener. Inzwischen ist<br />
Bangalore die Boomtown <strong>der</strong> indischen<br />
Computerindustrie. Eine Fünf-Millionen Metropole mit<br />
allen westlichen Luxus-Errungenschaften<br />
ausgestattet. Die lasse ich schnell hinter mir, ohne<br />
sie mir anzuschauen.<br />
Die Strecke verläuft stur geradeaus durch eine felsige<br />
Landschaft. Die Sonne glüht. Wir biegen ab <strong>und</strong><br />
folgen einer gew<strong>und</strong>enen Landstraße durch staubige<br />
Dörfer, durch Ziegenherden, um heilige Kühe herum<br />
<strong>und</strong> an hungernden Eseln vorbei. Kläffende,<br />
ausgemergelte Dorfköter folgen dem Taxi. Hier hat<br />
sich nichts geän<strong>der</strong>t. Indien pur. Ich erinnere mich<br />
gut. Zum Sonnenuntergang erreichen wir Puttaparthi.<br />
Der Ort ist allerdings enorm gewachsen. Eigener<br />
Flughafen mit wöchentlichen Verbindungen nach<br />
Madras, Bombay <strong>und</strong> Frankfurt, Krankhäusern,<br />
Museum, Schulen, Universität, Sportarena <strong>und</strong><br />
großen Appartementanlagen. Auch <strong>der</strong> Ashram<br />
„Prasanthi Nilayam“ (<strong>der</strong> Ort höchsten Friedens)<br />
wurde weiter ausgebaut. Mit Supermärkten,<br />
Kantinen, Bank, Reisebüro, riesigen Schlafsälen für<br />
mehrere hun<strong>der</strong>t Menschen <strong>und</strong> neuen Appartements<br />
ist er eine autarke Siedlung.<br />
26
Außerhalb <strong>der</strong> Ashram-Anlage warten Bettler,<br />
Geldwechsler, Almosenjäger, Krüppel,<br />
Devotionalienhändler, Riksha-Fahrer,<br />
Blumengirlanden-Verkäufer, Obsthändler, Hotel-<br />
Agenten, Wasserverkäufer <strong>und</strong> eine Vielzahl an<strong>der</strong>er<br />
Anbieter auf K<strong>und</strong>schaft. Fast so als würden sie den<br />
Ashram belagern.<br />
Blumenverkäfuferinnen direkt vor dem<br />
Ashrameingang.<br />
27
Direkt am Ashram-Zaun reihen sich die Obstverkäufer.<br />
Devotionalien werden überall gehandelt.<br />
28
Vor zwei Jahren, zu Sai Babas 75igsten Geburtstag,<br />
wurden hier 5 Millionen Gäste aus aller Welt<br />
beherbergt. Ich schlafe in einem Hotel außerhalb des<br />
Ashrams. Wie üblich, ist alles etwas schmuddelig <strong>und</strong><br />
laut. Nach <strong>der</strong> perfekten Hotel-Anlage auf Sri Lanka<br />
muss ich mich erstmal auf den ortsüblichen Standard<br />
einstellen. Drei In<strong>der</strong> bringen mich auf mein Zimmer.<br />
Der eine trägt meinen Tagesrucksack, <strong>der</strong> zweite<br />
trägt mein Handgepäck <strong>und</strong> <strong>der</strong> dritte erklärt mir<br />
Wasserhahn <strong>und</strong> Stromanschlüsse. Und je<strong>der</strong> will ein<br />
Trinkgeld.<br />
Eine Mischung aus feinem Staub, heisser Sonne,<br />
rußigen Abgasen, Schweiss <strong>und</strong> Krach überzieht<br />
alles <strong>und</strong> jeden. In <strong>der</strong> Straße <strong>und</strong> in den Räumen.<br />
Der Kampf dagegen ist nur mit stoischer Ruhe zu<br />
gewinnen.<br />
WUNDER IM HANDUMDREHEN.<br />
Sai Baba ist ein indischer Heiliger, ein Guru, ein<br />
Avatar. Vor 18 Jahren habe ich zum ersten Mal von<br />
ihm gehört. Von seinen Wun<strong>der</strong>n. Er materialisiert<br />
Gegenstände aus dem Nichts <strong>und</strong> heilige Asche im<br />
Handumdrehen. Und das sagt er über sich selbst:<br />
„SA means Divine. AI or AYI means Mother and<br />
Father. I am the Sai Baba of Shirdi come again. This<br />
is a human Form worn by the ONE DIVINE<br />
PRINCIPLE that manifests Itself as all the God-Forms<br />
adored by man. All your prayers and offerings come<br />
to Me. I am the One God who answers the prayers<br />
and offerings come to Me. I am the One God who<br />
answers the prayers that rise in human hearts in all<br />
lands addressed to all Forms of the Deity. I am the<br />
charioteer guiding every being to the goal. I am Shiva<br />
Shakti. I am the embodiment of all Forms that men<br />
have imposed on Godhead in or<strong>der</strong> to cherish It in<br />
their hearts. I have no name. All names are mine. All<br />
places are mine. I shall respond to whatever Name<br />
you call Me by. I am the propeller in every heart. My<br />
WORD must prevail. Everything is My Leela. Every<br />
Leela of mine has significance. I am the Witness of<br />
time and space. My power is immeasurable. My Truth<br />
is inexplicable, unfathomable. The Sai Principle, the<br />
29
Sai Divinity can never be affected by any slan<strong>der</strong>. Its<br />
progress can never be halted.“ Seite 105 aus: „ Sai<br />
Gayathri (Totality of Freedom in Discipline and<br />
beyond ) Volume IV“ Devdas Baboo Menon<br />
Gott läßt ganze Planetensysteme entstehen <strong>und</strong><br />
vergehen. Da ist ein kleines Aschewun<strong>der</strong> nur eine<br />
Art Visitenkarte.<br />
Reinkarnation gehört zum Glaubenssystem des<br />
Ostens. Selbst Götter reinkarnieren sich. Die<br />
allerdings sehr bewußt, gezielt <strong>und</strong> nicht zufällig <strong>und</strong><br />
unwillkürlich, ohne Erinnerung an Herkunft <strong>und</strong><br />
Zusammenhänge, wie das Menschen tun.<br />
„Sri Sathya Sai Baba has revealed that he is not only<br />
the reincarnation of Lord Rama, Lord Krishna, Shiva<br />
and Parvati, combined, but he is all gods and<br />
goddesses rolled into one.“ Seite 95, aus: The Sai<br />
Trinity , Dr. Satya Pal Ruhela.<br />
Sai Baba - eine All-Inclusive-Lösung, <strong>der</strong> Gott <strong>der</strong><br />
Götter? Also eine ziemlich hohe Adresse. Hier auf<br />
Erden.<br />
Mitten in Indien, mitten auf dem Land begegne ich<br />
dem ....<br />
„(...) it was I who had sent Christ to the World (...)“<br />
Seite 87 ebda.<br />
....., <strong>der</strong> den Gottes Sohn geschickt hat. Was gibt es<br />
interessanteres?<br />
30
CHECK IN TO ANOTHER WORLD.<br />
Heute morgen hatte ich meinen ersten Darshan<br />
(Segnung durch einen Heiligen, hier durch Sai Baba)<br />
in <strong>der</strong> „Sai Kulwant“ Halle. Um 7 Uhr morgens ist<br />
Einlass. Schon seit 4 Uhr stehen die ersten in <strong>der</strong><br />
Schlange, um einen <strong>der</strong> vor<strong>der</strong>en Plätze zu ergattern.<br />
Die Halle füllt sich unter strengen<br />
Sicherheitsmaßnahmen mit 20.000 Menschen. <strong>Das</strong><br />
Tor zum Paradies bilden hier die auf Flughäfen<br />
üblichen Metalldetektoren, an dem je<strong>der</strong> einzelne<br />
gecheckt wird. Bis auf den letzten Platz füllt sich alles<br />
mit Menschen aus aller Welt, aus allen Bereichen des<br />
<strong>Leben</strong>s <strong>und</strong> jeden Alters. Auf den ersten Blick<br />
31
überwiegen ältere Jahrgänge. Beson<strong>der</strong>s unter den<br />
In<strong>der</strong>n. In <strong>der</strong> indischen <strong>Leben</strong>splanung gehört es<br />
dazu, seinen <strong>Leben</strong>sabend dem Göttlichen <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />
Selbsterkenntnis zu widmen.<br />
Ich schätze 95% <strong>der</strong> Besucher kommen aus Indien.<br />
Tamilen, Drawiden, Rajputen, Keraler - soweit ich die<br />
unterschiedlichen Volksgruppen erkennen kann.<br />
Angehörige <strong>der</strong> verschiedenen<br />
Glaubensgemeinschaften kann ich besser zuordnen.<br />
Da sind die reisenden Sadhus in ihren leuchtend<br />
orangen Roben, Rishis, Yogis - die Stirn dick mit<br />
Kumkum, Sandelholzpaste <strong>und</strong> Vibhuti bedeckt,<br />
Mönchsorden mit ihren Schülern, Parsen aus<br />
Bombay, Krishna-Jünger mit einer einzigen<br />
Haarlocke am Hinterkopf, Sikhs, die sich noch nie im<br />
<strong>Leben</strong> ihre Haare geschnitten haben, Jains, die das<br />
Sprichwort für Gewaltlosigkeit „keiner Fliege etwas zu<br />
Leide zu tun“ wörtlich nehmen <strong>und</strong> zum Teil noch<br />
nicht mal Pflanzen essen, weil beim Ernten Insekten<br />
verletzt werden könnten, verschleierte Muslim-<br />
Frauen.<br />
Ausgemergelte Bauern in zerrissenen Dothis,<br />
westlich gekleidete In<strong>der</strong> aus Großstädten wie<br />
Mumbau, Madras o<strong>der</strong> Kalkutta mit ihren verwöhnten<br />
Söhnen <strong>und</strong> Westler aus Europa, Amerika, Russland,<br />
Südamerika, Asiaten - Japaner mit M<strong>und</strong>schutz<br />
gegen den Staub, arabische Sheiks in weissen<br />
Djeballas, Rastafaris mit Dreadlocks, Tibeter - Alt-<br />
Hippies mit bunter Kin<strong>der</strong>schar, Gebrechliche <strong>und</strong><br />
Rollstuhlfahrer – die ganze Vielfalt an <strong>Leben</strong>sformen<br />
<strong>und</strong> <strong>Leben</strong>sstilen, Rassen <strong>und</strong> Glaubensrichtungen<br />
ist hier vereint. Getreu dem Konzept: Alle Religionen<br />
beten den gleichen Gott an. Alle Glaubensrichtungen<br />
sind auf ein geeintes Ziel ausgerichtet. Kein Gr<strong>und</strong><br />
für Glaubensstreitigkeiten.<br />
ECHTE UNGEBUNDENHEIT.<br />
Um 8 Uhr wird Sai Baba in einem mit Tulasi- <strong>und</strong><br />
Jasmin-Girlanden geschmückten Maruti Suzuki (alle<br />
seine Fahrzeuge sind rot, sein Mercedes, sein<br />
Cadilliac) langsam in die Halle gefahren. In diesem<br />
Moment werden alle Kristallleuchter angeschaltet <strong>und</strong><br />
die Pandits beginnen mit vedischen Gesängen, die<br />
von dutzenden Deckenlautsprechern übertragen<br />
32
werden. Mir wird heiss <strong>und</strong> die Tränen schiessen mir<br />
in die Augen. Ich bin tief berührt. Und freue mich über<br />
das Wie<strong>der</strong>sehen mit einem alten Fre<strong>und</strong>.<br />
Sai Baba ist mittlerweile 77 (geboren am 23.11.1926)<br />
<strong>und</strong> sichtbar gebrechlich. Er wird von einem Devotee<br />
gestützt. Wird er sein selbstprophezeites Alter<br />
erreichen?<br />
„The Baba has declared that he would live to the ripe<br />
age of 96 years, i.e. till 2022 A.D.“ Seite 88 a.a.O.<br />
Erst später erfahre ich, dass er vor kurzem einen<br />
Unfall mit Becken- <strong>und</strong> Hüftgelenkbruch hatte. Daher<br />
erklärt sich sein gebrechliches Aussehen.<br />
„Die Devotees (Anhänger) sorgen sich darüber, dass<br />
ein Bruch des Hüftknochens gewaltigen Schmerz<br />
verursachen könnte. Nicht nur die Hüfte, lasst jeden<br />
beliebigen Knochen in diesem Körper brechen, ich<br />
bin dennoch frei von Schmerz. Diejenigen, die sich<br />
ständig mit ihrem Körper verbinden, erfahren<br />
Schmerz. Da ich überhaupt nicht an meinen Körper<br />
geb<strong>und</strong>en bin, empfinde ich keinen Schmerz.“ Aus:<br />
Ansprache Sathya Sai Babas am 5.7.2003 zum<br />
Ärtzetag, Manuskript-Seite 3.<br />
Unvorstellbar. Mich plagen immer wie<strong>der</strong><br />
Rückenschmerzen. Und <strong>der</strong> Schmerz scheint mich<br />
erbarmungslos an meinen Körper zu binden. Von<br />
Ungeb<strong>und</strong>enheit keine Spur. Ich <strong>und</strong> mein Körper<br />
sind eins. Und er spricht in Schmerzen zu mir. Wie<br />
löse ich mich aus <strong>der</strong> Schmerz-Zange?<br />
EINE SEELE AUF WANDERSCHAFT.<br />
Beim Sterben löst man sich so nachhaltig von seinem<br />
Körper, dass <strong>der</strong> kein Interesse zeigt am<br />
Weiterleben. Wie ist das, wenn man "überhaupt nicht<br />
an seinen Körper geb<strong>und</strong>en" ist? Wie lebt <strong>der</strong> Körper<br />
<strong>und</strong> wo lebt das Ich-Empfinden? Da stellen sich doch<br />
jede Menge praktische Fragen. Wer ernährt den<br />
Körper, wenn <strong>der</strong> Eigentümer sich nicht mehr<br />
zuständig fühlt? Fühlt man den Körper? Ist mit dem<br />
"Sterben zu Lebzeiten" eine Loslösung vom Körper<br />
gemeint? Wie wird dann die Verbindung zum Körper<br />
aufrechterhalten? Welches Interesse bindet die Seele<br />
33
dann noch an den Körper? Welche Motivation regt zu<br />
Handlungen an?<br />
Der Kern vedischer Lehren konzentriert sich auf die<br />
Abkehr vom körperlich weltlichen <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />
Hinwendung zum ewig Göttlichen im<br />
Transzendentalen. Wenn man in die Lehre einsteigt,<br />
begegnet einem eine höchst anspruchsvolle <strong>und</strong><br />
detaillierte Philosophie, die sich auf uralte vedische<br />
Gesänge stützt. Eine Lehre, die jenseits religiöser<br />
Konfessionen angesiedelt ist <strong>und</strong> für sich ein<br />
Ursprungswissen beansprucht, das fähig ist jede Art<br />
von religiöser Anschauung zu integrieren. Egal, ob<br />
Islam, Christentum o<strong>der</strong> Hinduismus – alle Religionen<br />
finden ihren gemeinsamen Nenner in den Veden.<br />
Dies lehrt Sathya Sai Baba in einer<br />
panphilosophischen Anschauung, die komplex <strong>und</strong><br />
zugleich ganz simpel ist. Auf eine Aussage reduziert<br />
lautet sie: Liebe Gott, liebe die Menschheit.<br />
Nach eigener Aussage war Sai Baba bereits in einer<br />
an<strong>der</strong>en Inkarnation auf Erden <strong>und</strong> wird nach seinem<br />
<strong>Tod</strong> erneut inkarnieren. Die Umstände seiner<br />
nächsten Inkarnation, seine Eltern, <strong>der</strong> Geburtsort,<br />
sein Aussehen – alle Details wurden bereits<br />
kommuniziert.<br />
„(...) three incarnations of Sai Baba – Sri Shirdi Sai<br />
Baba, Sri Sathya Sai Baba and the future incarnation<br />
of Sri Prema Sai Baba. These three Sai Babas,<br />
working within a timespan of about 270 years, from<br />
the early nineteenth century to the early twentysecond<br />
century, will be fulfilling their unique great<br />
Avataric role of unifying, integrating, spiritualizing,<br />
enlightening, transforming and elevating man to the<br />
level of super-conscious man, to the level of Divinity<br />
or God (...)“ aus dem Vorwort Satya Pal Ruhela<br />
a.a.O.<br />
34
Eine volkstümliche Darstellung, die Sai Baba in seiner<br />
Inkarnationsreihe zeigt von Krishna, Shirdi Baba bis<br />
zur aktuellen Inkarnation Sai Baba.<br />
Die Seele wan<strong>der</strong>t auf dem Zeitstrahl immer weiter<br />
<strong>und</strong> bewohnt für die Dauer eines <strong>Leben</strong>s einen<br />
Körper. Der <strong>Tod</strong> ist also nur ein Umzug, ein Wechsel<br />
von einem Körper zum nächsten. Damit ist <strong>der</strong><br />
Körper wie so eine Puppe, ein Träger, ein Gefährt für<br />
die Seele.<br />
<strong>Das</strong> alles ist für den westlich sozialisierten Menschen<br />
schlicht unvorstellbar. Es beinhaltet eine solche Fülle<br />
gewöhnungsbedürftiger Gedankengänge, die man<br />
erst einmal durchlaufen muss. Wenn man nicht schon<br />
vorher an seinen Wi<strong>der</strong>ständen scheitert.<br />
35
GEHT DAS DENN MIT RECHTEN DINGEN ZU?<br />
Dabei hatte ich über diese Details noch gar nichts<br />
berichtet während meiner Tisch- <strong>und</strong> Bar-Gespräche<br />
im Club Bentota. Allein meine Absicht, einen<br />
indischen Ashram zu besuchen, ist bei meinen Mit-<br />
Urlaubern auf Unverständnis gestoßen. In einer<br />
Hotelanlage für Pauschalurlauber sind eben auch die<br />
Weltanschauungen pauschal. Die will man nicht in<br />
Frage stellen. Schon gar nicht im Urlaub.<br />
Eine Urlaubsanlage ist immer eine Verlängerung des<br />
westlichen <strong>Leben</strong>s, eine deutsche Exklave unter<br />
tropischer Sonne. Abgeson<strong>der</strong>t von <strong>der</strong> Kultur des<br />
Landes <strong>und</strong> gesichert vor fremden, bedrohlichen<br />
Weltanschauungen.<br />
Unser westliches <strong>Leben</strong> ist mit Dingen gefüllt. <strong>Das</strong><br />
indische <strong>Leben</strong> ist mit Nicht-Dingen gefüllt. Mit <strong>der</strong><br />
Abwesenheit von Dingen. Und diese Leere ist gefüllt<br />
mit 330.000 Göttern.<br />
„Für Außenstehende ist es nur sehr schwer<br />
nachvollziehbar, dass die Götter im Hinduismus,<br />
ebenso wie die Menschen, zahlreiche<br />
Reinkarnationen durchlaufen, die dann wie<strong>der</strong>um als<br />
eigenständige Gottheiten verehrt werden. Hinzu<br />
kommt, dass viele von ihnen heiraten <strong>und</strong> Kin<strong>der</strong><br />
bekommen, welche dann ebenfalls Aufnahme in den<br />
hinduistischen Pantheon finden.“ Seite 146 aus:<br />
„ Indien, <strong>der</strong> Süden. Reise Knowhow “, Martin <strong>und</strong><br />
Thomas Barkemeier.<br />
In Indien folgt das <strong>Leben</strong> strengen religiösen<br />
Vorschriften, Regeln <strong>und</strong> Riten. Und ist auf die<br />
Überwindung des Irdischen ausgerichtet. Die Götter<br />
geben dabei Orientierung <strong>und</strong> Unterstützung. Was ist<br />
dran? Kann ich mich damit anfre<strong>und</strong>en?<br />
Ich bin guter Dinge. Und die schlechten lösen sich<br />
auf zu Nicht-Dingen. Und machen Platz für die<br />
rechten Dinge.<br />
36
BEI GOTT ZUHAUSE.<br />
Ein Ashram ist das Gegen-Bild (besser: <strong>der</strong> Gegen-<br />
Stand) zu einer Hotelanlage. Nur mit<br />
entgegengesetzten Merkmalen: bescheidene Kantine<br />
statt umfangreiches Büffett, Darshan eines Heiligen<br />
statt Swimming-Pool, Schlafsaal statt<br />
Einzelbungalow, anstehen statt komfortable<br />
Tischbedienung.<br />
Dafür lebt in dieser Anlage Herr Gott:<br />
„Wenn dich jemand fragt, wo Gott ist, mache keine<br />
Ausflüchte mit Erklärungen an die du nicht glaubst,<br />
wie etwa: Er ist überall. Schicke ihn nach<br />
Puttaparthi.“ Sathya Sai Baba, aus: „Die Girlande aus<br />
108 Edelsteinen, Name 58 “<br />
Und Gott zeichnet sich aus durch Allwissenheit,<br />
Allmacht <strong>und</strong> Allgegenwärtigkeit:<br />
„Sai knows all about all, everywhere, at all times. You<br />
may pray to Jesus, Allah or to any other God of your<br />
choice, but remember, it is Me who punishes and<br />
rewards everyone according to his thoughts, words<br />
and deeds. I am God Almighty, omnipotent,<br />
omnipresent, omniscient, Lord of Lords and King of<br />
Kings. There is no other God in the universe except<br />
Me – the Lord. Sai has come to repair the Ancient<br />
Highway that leads man towards God. Seite XII aus:<br />
„ God lives in Prashanti Nilayam “<br />
Eigentlich ist klar, das dieser Umfang an Machtfülle<br />
nicht in einem menschlichen Körper zu erfüllen ist.<br />
Dafür braucht man einen ganz an<strong>der</strong>en Körper, einen<br />
göttlichen Körper. Und diesen göttlichen Sai Baba<br />
Körper beschreibt die In<strong>der</strong>in Vasantha Sai aus einer<br />
visionären Erfahrung:<br />
„Wherever I turned I fo<strong>und</strong> legs and hands of Swami<br />
(Sai Baba). I could not see fully because it expanded<br />
in all directions. I fo<strong>und</strong> Swamis eyes in all<br />
directions. All His eyes were looking towards all<br />
events in the world, created by Bhagavan. He hears<br />
all so<strong>und</strong>s in the unverse without changing anything.<br />
At all places His legs and hands are there. He has<br />
37
surro<strong>und</strong>ed all places. Swami told me: „Everything is<br />
expanding in all directions, in all places. I reside in<br />
your heart because it gives Me much pleasure. That<br />
is my lovable place. I am everywhere, (...) I am<br />
Sarvavyapi (all pervading). (...) I am at all places in<br />
the world.“ (...) I had another Vishwaroop darshan<br />
while I was in meditation. Swami gradually grew to<br />
very big height between earth and sky. He had very<br />
big mouth. Many people were crushed therein. It was<br />
a very fearful figure. But I worshipped Him without<br />
fear. Swami told me: „You see my figure. All the<br />
rivers in the universe are my nerves. All the rivers are<br />
running in Me and mountains and hills are on My<br />
head. Rishis are there on the one side. Yakshas are<br />
on the other side. There are 84 lakh (8.400.000)<br />
kinds of creatures. You see men, animals, birds, etc.<br />
My one eye represents sun, and the other eye moon.<br />
Agni (Fire) is there in My middle (third) eye. Both<br />
Devas and Rishis are praying Me. I am kaal (time). I<br />
am the creator and destroyer, but men think that they<br />
are doing everything and making others do all those<br />
things. I am responsible for the entire world. There is<br />
no beginning or end. I am bottomless time.“ Seite 16,<br />
aus: “ Reincarnation of Radha as Vasantha Sai .“<br />
Interview mit Dr. S.P. Rukela<br />
Gemessen an dieser umfassenden Form ist die<br />
Körperform des Menschen unerheblich. Es ist<br />
nachvollziehbar, dass die körperliche<br />
Wahrnehmungsperspektive die erweiterte Form<br />
blockiert. Der eigene Körper in Abgrenzung zu<br />
an<strong>der</strong>en Körpern gedacht, verhin<strong>der</strong>t die<br />
umfassen<strong>der</strong>e Wahrnehmung des allgegenwärtigen<br />
Brahman. Den kann man nicht mit seinen sterblichen<br />
Augen sehen.<br />
DAS WÜRFEL-KOAN.<br />
Als Einzelreisen<strong>der</strong> steht mir im Ashram nur <strong>der</strong><br />
Schlafsaal zur Verfügung. 20 Rupees (umgerechnet<br />
20 cents) die Nacht, sagt mir <strong>der</strong> In<strong>der</strong> im<br />
Registrierungs-Office. Während er weiterdreht an<br />
seinem „Rubrik´s Cube“.<br />
Für mich ist diese Szene ein gespielter Koan, <strong>der</strong><br />
mich auf den Tag genau 20 Jahre zurückversetzt in<br />
das Jahr 1983. Als ich von meiner ersten Indienreise<br />
38
zurückgekehrt bin. Eine traumatische Reise durchs<br />
heisse Rajasthan. Auf dem Höhepunkt jener Reise<br />
hatte ich einem Shiva-Yogi auf dem heiligen Berg<br />
Mount Abu genau so einen „Rubrik´s Cube“<br />
geschenkt. Als kleine Denksportaufgabe <strong>und</strong> Test,<br />
<strong>der</strong> mir zeigen sollte ob er erleuchtet ist. Nach meiner<br />
damaligen Vorstellung musste ein Erleuchteter so<br />
etwas im "Handumdrehen" lösen können. Konnte er<br />
nicht. Der Würfel war ihm genauso rätselhaft wie mir.<br />
Über die Würfel verknüpfen sich auch die Ereignisse.<br />
Ich achte auf Synchronizitäten, Wie<strong>der</strong>holungen, aus<br />
denen sich am Rand des <strong>Leben</strong>s <strong>und</strong> zwischendurch<br />
ein erweitertes Gesamtbild ergeben. Überhaupt<br />
denke ich, dass das wichtige im <strong>Leben</strong> in den<br />
Zwischenräumen, in den Lücken, in den<br />
Überlappungen zu finden ist. Und nicht im<br />
Offensichtlichen, in unseren Vorstellungen <strong>und</strong><br />
Bedürfnissen nach Sicherheit <strong>und</strong> Überschaubarkeit.<br />
Für einen Schlafsaal ohne jeden Komfort bin ich<br />
einfach zu bequem. Ich bleibe im KOTA SATYAM<br />
HOTEL gegenüber vom Main Gate, dem Ganesh<br />
Gate, dem einzigen Eingang zum Ashram. Mit Balkon<br />
<strong>und</strong> Blick auf die gesamte Ashramanlage. Und warte<br />
wie die Würfel als nächstes fallen.<br />
39
Hauptstraße vor dem Ashram mit Geschäften <strong>und</strong> dem<br />
fünfstöckigen Hotel Kota Satyam.<br />
Blick auf den Eingang in den Ashram. Vom Hotel Kota<br />
Satyam aus gesichtet.<br />
40
SICHER IM KASTEN.<br />
Mike ist in Indien mit dem Fahrrad unterwegs. <strong>Das</strong><br />
allerdings ist auf einer Zugfahrt abhanden<br />
gekommen. Verschluckt vom Chaos, <strong>der</strong> Bürokratie<br />
o<strong>der</strong> von seinem Karma. Er ist zum ersten Mal hier in<br />
Puttaparthi <strong>und</strong> ist auf Empfehlung einer<br />
Reisebekanntschaft gekommen. Er findet den<br />
Ashram ziemlich "strange" <strong>und</strong> zugleich interessant.<br />
Und verlängert seinen Aufenthalt von Tag zu Tag.<br />
"Keiner verlässt diesen Ort, ohne dass <strong>der</strong> Gastgeber<br />
es will," sage ich scherzhaft <strong>und</strong> denke dabei an<br />
einen Film, den ich mal vor vielen Jahren gesehen<br />
habe. Wo die Gäste das Haus nicht verlassen<br />
können. Weil ein Bann den Ausgang sperrt.<br />
Mike erzählt von einem Gespräch mit einem In<strong>der</strong>,<br />
den er fragte, ob er Kin<strong>der</strong> habe. „Yes, two sons“ war<br />
die stolze Antwort. Erst im weiteren Gespräch stellte<br />
sich heraus, dass er auch noch vier Töchter hat. In<br />
Indien zählen die Söhne. Töchter werden als Ballast<br />
angesehen. So mutmaße ich wenigstens. Und<br />
F<strong>und</strong>stellen in <strong>der</strong> Literatur geben mir recht:<br />
„In Chevathar wurde die Geburt eines Sohnes mit<br />
dem Kuruvai begrüßt, einem langgezogenen,<br />
wehklagenden Schrei, <strong>der</strong> sich den Kehlen von<br />
Tanten <strong>und</strong> Schwestern entrang. Er erinnert an einen<br />
Klagegesang, ist jedoch tatsächlich Ausdruck<br />
überwältigen<strong>der</strong> Freude. Gesegnet war die Mutter,<br />
die einen Sohn zur Welt brachte. Gesegnet war die<br />
Familie, in die ein Sohn hineingeboren wurde. Er<br />
würde die Familie vergrößern, den Haushalt um die<br />
Mitgift seiner zukünftigen Frau bereichern, das Glück<br />
<strong>und</strong> den Segen <strong>der</strong> Götter anziehen. Ein Mädchen<br />
an<strong>der</strong>erseits wurde mit nie<strong>der</strong>geschlagenen<br />
Gesichtern begrüßt. Ein Mädchen bedeutete nichts<br />
als Leid. Ein weiterer unproduktiver Esser, den man<br />
satt bekommen musste <strong>und</strong> <strong>der</strong> hohe Kosten für die<br />
Familie verursachen würde: die Mitgift, die Hochzeit,<br />
die endlosen For<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Schwiegereltern, die<br />
den Eltern des Mädchens einen Gefallen taten,<br />
indem sie sie von <strong>der</strong> Sorge um die Tochter<br />
befreiten.“ Seite 49 aus: „ <strong>Das</strong> Haus <strong>der</strong> blauen<br />
Mangos “ David Davidar.<br />
41
Die beiden Geschlechter sind unüberwindbare<br />
Kastengrenzen. Von Gleichstellung keine Spur.<br />
Darüberhinaus regelt das klassische indische<br />
Kastenwesen die gesellschaftliche Zugehörigkeit in<br />
vier unüberwindbare Hauptgruppen: die Brahmanen ,<br />
die Kshatriyas (Krieger <strong>und</strong> Adel), die Vaishyas<br />
(Bauern, Viehzüchter, Händler) <strong>und</strong> die Shudras<br />
(Handwerker, Tagelöhner). Darauf fußt ein<br />
ausdifferentiertes soziales System von mehr als<br />
3.000 Unterkasten.<br />
<strong>Das</strong> hat natürlich den Vorteil, dass je<strong>der</strong> eine formale<br />
Orientierung hat im <strong>Leben</strong>. Im Westen beobachtet<br />
man angesichts <strong>der</strong> unendlichen Möglichkeiten einer<br />
schrankenlosen Gesellschaft einen zunehmenden<br />
Gestaltungsdruck. Je<strong>der</strong> hat alle Möglichkeiten aus<br />
seinem <strong>Leben</strong> alles zu machen. Aber was?<br />
Grenzenlosigkeit braucht Orientierung.<br />
Von <strong>der</strong> philosophischen Ausrichtung geht es um die<br />
Überwindung des Körperlichen. <strong>Das</strong> stürzt den<br />
Westler zunächst in Ratlosigkeit. In unserer<br />
Anschauung ist doch alles auf den Körper fixiert.<br />
Schönheit, Jugend, Ges<strong>und</strong>heit, Erfolg, Image. Wie<br />
kann man das Körperdenken zu Lebzeiten<br />
überwinden? Was bleibt, wenn die Anhaftung an den<br />
Körper überw<strong>und</strong>en wird? Und vor allem, wenn <strong>der</strong><br />
Körper überw<strong>und</strong>en ist, was gibt dann noch Halt?<br />
Stehen wir dann ganz grenzenlos in einer<br />
gesellschaftlichen Grenzenlosigkeit?<br />
MEIN GOTT, ENORM IN FORM.<br />
Als mein damaliger Schwager 1987 von seiner<br />
Indientour, auf <strong>der</strong> er auch Puttaparthi besuchte,<br />
zurückkam, erzählte er, dass sich Sai Baba in alle<br />
Richtungen gleichzeitig zu bewegen scheint. Darüber<br />
hatte ich damals lange nachgedacht, wie das sein<br />
kann.<br />
Die Auflösung kam in einem Traum. Ich sah ein<br />
Wesen mit vier Löwenköpfen, die jeweils in eine<br />
Himmelsrichtung blickten. Dabei bewegte es sich in<br />
jede Richtung gleichzeitig. Ich habe es gesehen,<br />
42
ohne zu verstehen. So wie man komplizierte<br />
Tanzschritte auch nicht versteht. O<strong>der</strong> wer versteht<br />
schon den Moonwalk von Michael Jackson?<br />
In <strong>der</strong> Grenzenlosigkeit bewegt man sich in jede<br />
Richtung gleichzeitig. Ende <strong>der</strong> linearen<br />
Bewegungsmuster von A nach B.<br />
Aber bevor es soweit ist, müssen verbindliche Werte<br />
für Orientierung sorgen. Dafür setzt sich Sai Baba<br />
unübersehbar ein.<br />
HEARTLINES STATT HEADLINES.<br />
Am Straßenrand ist eine "Anzeigenkampagne" fest<br />
installiert. Verfasst in allen lebendigen Sprachen <strong>der</strong><br />
Welt. Zielgruppe: die Menschheit. Zielsetzung:<br />
Erleuchtung, Erkenntnis, Integration verschiedener<br />
Glaubensrichtungen.<br />
Einige Beispiele: „Love lives by giving and forgiving.<br />
Self lives by getting and forgetting.“ „Geld kommt <strong>und</strong><br />
geht. Moral kommt <strong>und</strong> wächst.“ „Every religion is a<br />
43
lamp that illuminites the path of truth.“ „Pleasure is an<br />
interval between two pains.“ „Serve whom you love,<br />
love whom you serve.“ „Desire plus life is man. Life<br />
minus desire is God.“ SAI BABA<br />
IN DER BIBLIOTHEK DES HERRN.<br />
„Devotion to the Lord is only a form of discipline to<br />
reach God. The seeker should not stop with the<br />
acquisition of devotion. He should pay attention not<br />
so much to the devotion or love that he has towards<br />
the Lord, as to the Love and Grace that the Lord<br />
bestows on him! Seite 10, aus: „ Attaining God here<br />
and now. Path of Bhakti. Expo<strong>und</strong>ed by Narada in<br />
Bhakti Sutras.“ P.P. Arya<br />
„The Lord rushes towards the Bhakta faster than the<br />
Bhakta rushes towards him. If you take one step<br />
towards Him, He takes a h<strong>und</strong>red steps towards you.“<br />
Seite 18, ebda<br />
„If the Bhakta has dedicated his all, body, mind and<br />
existence, to the Lord, He will Himself look after<br />
everything, for He will always be with Him. Un<strong>der</strong><br />
such conditions, there is no need for prayer even.<br />
But, one has to dedicate and surren<strong>der</strong> everything to<br />
the Lord.“ Seite 20 ebda.<br />
„This means that when one comes in contact with<br />
Bhagavans Feet, the sacred impulses from them flow<br />
to the devotee. „He hast assured that „The touch of<br />
the Divine liberates one from all Karmic bonds.“ Seite<br />
26 ebda.<br />
„Knowledge and devotion are like two wings on which<br />
the spiritual aspirant can fly to spiritual heights. If love<br />
is not combined with knowledge or intellect, the later<br />
becomes dry intellectuallism. Similarly if intellect is<br />
not applied along with love and devotion for God, the<br />
devotion may turn into blind emotion. Both intellect<br />
and emotion should go hand in hand in the seeking of<br />
the aspirant.“ Seite 80 ebda<br />
44
IN DR. RAO’S AYURVEDA-KLINIK.<br />
Dr. Rao ist 86 Jahre alt <strong>und</strong> so energetisch wie ein<br />
Dreißigjähriger. In seiner Klinik mache ich eine<br />
zehntägige "Ayurveda-Teststrecke" mit. Klassisch<br />
indisch. Nachts träume ich von riesigen Blutekeln, die<br />
bei bestimmten Krankheitsbil<strong>der</strong>n zum Reinigen des<br />
Blutes eingesetzt werden. Die kommen bei mir<br />
jedoch nur im Traum zum Einsatz. Noch reicht<br />
heisses Öl, das auf meinen Rücken gegossen wird<br />
<strong>und</strong> den Überschuss an Vata (Windelement)<br />
vertreiben soll, <strong>der</strong> für meine Rückenschmerzen<br />
verantwortlich ist. Ich bin für alles aufgeschlossen.<br />
Gangadhar massiert mich. Er ist Hindu <strong>und</strong> hält<br />
nichts von Reinkarnation. Am liebsten würde er als<br />
Sänger in Kinofilmen auftreten. Statt dessen arbeitet<br />
er 30 Tage im Monat für 2.000,- Rupees. <strong>Das</strong> sind<br />
umgerechnet etwa 35,- Euro.<br />
Während drei Monaten im Jahr ist nichts zu tun in <strong>der</strong><br />
Klinik. Da gibt es natürlich keinen Lohn. Den freien<br />
Tag, den er sich heute für eine fünfstündige Busreise<br />
nach Bangalore nimmt, um eine<br />
Familienangelegenheit zu regeln, wird vom Lohn<br />
abgezogen. Sein Kollege Samba vertritt ihn.<br />
Zusammen mit Adi <strong>und</strong> Nadras betreuen sie die<br />
männlichen Patienten. Für die Frauen sind 30<br />
In<strong>der</strong>innen im Einsatz. Denn Frauen sind hier in <strong>der</strong><br />
Mehrheit. Allerdings ausschließlich Westlerinnen <strong>und</strong><br />
die vornehmlich aus Deutschland.<br />
ZEIT IN HÜLLE UND FÜLLE.<br />
Tage sind Zeithüllen, die auszufüllen sind. Je<strong>der</strong> Tag<br />
aufs neue. Langsam kristallisiert sich meine<br />
Tagesroutine heraus. Und ich muss feststellen, dass<br />
ich hier "<strong>der</strong> Gleiche" bin wie in Hamburg. Ähnliche<br />
Gewohnheiten. Wie sollte es auch an<strong>der</strong>s sein. Man<br />
ist "<strong>der</strong> Gleiche" überall. Ist "das Überall" auch<br />
gleich?<br />
Ich wohne in einem sehr unruhigen Hotel Kota<br />
Sathyam direkt gegenüber vom Ashram.<br />
Wahrscheinlich sind alle indischen Hotels laut <strong>und</strong><br />
hellhörig. Um 4 Uhr beginnt <strong>der</strong> Tag mit<br />
45
Türenschlagen, lauten Gesprächen <strong>und</strong><br />
versehentlichem Türenklopfen.<br />
Gegen 5 Uhr springt am Ashramtor <strong>der</strong> Generator an.<br />
Dann sitzen die ersten hun<strong>der</strong>t Menschen bereits in<br />
Reih <strong>und</strong> Glied auf <strong>der</strong> Erde <strong>und</strong> warten auf den<br />
Darshan. Wer zuerst kommt, sitzt vorne <strong>und</strong> erhofft<br />
sich mehr Segen. Der Wettbewerb hört nie auf. Auch<br />
nicht im Angesicht des Göttlichen.<br />
Für mich ist das eindeutig zu früh. Zumal es mir auch<br />
egal ist, wo ich sitze. Hauptsache bequem. Denn ich<br />
bin noch immer mit meinem Körper verb<strong>und</strong>en <strong>und</strong><br />
<strong>der</strong> schmerzt beim längeren Sitzen. Am liebsten<br />
würde ich auf den seitlichen Steinbänken hocken.<br />
Aber die sind immer als erstes belegt. Von <strong>der</strong><br />
älteren Generation. Eher Rentersekte als<br />
Jugendsekte? Der Begriff Sekte greift nicht ganz, weil<br />
es keinerlei Zugehörigkeitsmuster gibt. <strong>Das</strong> ist das<br />
Angenehme <strong>und</strong> zugleich auch Mission: die<br />
Integration aller Glaubensrichtungen. Von <strong>der</strong><br />
Altersstruktur mutmaße ich zahlenmäßig einen<br />
deutlichen Überhang <strong>der</strong> älteren Generation. Dazu<br />
muss man sagen, dass es in Indien ganz normal ist,<br />
sein Rentenalter ausschließlich spirituellen Themen<br />
zu widmen.<br />
Um 7 Uhr beginnen die vedischen Gesänge <strong>und</strong> ich<br />
weiss, dass Sai Baba nun in die Halle gefahren<br />
kommt. Ich schnappe meine Sitzhilfe <strong>und</strong> gehe über<br />
die Straße in den Ashram. Der Vorteil meines<br />
Spätstarts: Ich brauche nicht anstehen. Der Darshan<br />
dauert bestenfalls 60 Minuten. So früh ist es teilweise<br />
noch kühl, <strong>und</strong> ich bin froh über meinen Pullover.<br />
Um 8 Uhr fahre ich dann zu Dr. Rao´s Klinik. Am<br />
liebsten mit <strong>der</strong> Riksha Nummer 10 mit Jairam, dem<br />
Bru<strong>der</strong> von Ganga. <strong>Das</strong> klappt selten. <strong>Das</strong><br />
verschriebene Standardprogramm mit Öl-Massage,<br />
heissem Ölbad, Massage mit Kräutersäckchen,<br />
Steam-Bath, wahlweise Öl in Nase <strong>und</strong> Ohren,<br />
inhalieren von Kräuterrauch, Sambrani (Headsteam)<br />
<strong>und</strong> zum Abschluss ein voller Schluck Draksharisht.<br />
Gegen 11 Uhr bin ich dann wie neugeboren <strong>und</strong><br />
fahre zurück ins Hotel um in einen ohnmächtigen<br />
Schlaf zu fallen.<br />
46
Zwölf Uhr, die Sonne glüht in Höchstform. Jetzt gehe<br />
ich meistens zum Mittagessen in die Kantine für<br />
Westler. <strong>Das</strong> ist dann gleichzeitig auch ein Treffpunkt<br />
von interessanten Leuten. Roberto, <strong>der</strong> Psychiater<br />
aus Brasilien, <strong>der</strong> Paulo Coehlo gut kennt <strong>und</strong><br />
morgen weiterfliegt nach Poona in den Osho-Ashram,<br />
Robert, <strong>der</strong> amerikanische Software-Spezialist, <strong>der</strong><br />
gerade mal wie<strong>der</strong> 8 Monate in Indien weilt, weil er es<br />
hier einfach schöner findet, Volker <strong>und</strong> Ulli, zwei<br />
Hamburger, Klaus, <strong>der</strong> Exlehrer aus Landau, <strong>der</strong> hier<br />
ein Appartement gemietet hat, Hans-Günther ein<br />
ehemaliger TM-Purusha aus Vlodrop, Carsten aus<br />
Köln auf <strong>der</strong> Suche nach einer Neuorientierung, <strong>der</strong><br />
mindestens bis Juni bleiben will <strong>und</strong> in Deutschland<br />
seinen Wohnsitz aufgelöst hat, Dimitri aus Hamburg,<br />
Mike aus England --- natürlich alles Männer, denn die<br />
Kantine getrennt nach Geschlecht.<br />
Jetzt ist es richtig heiss, <strong>und</strong> ich halte es eigentlich<br />
nur noch im Hotel gut aus. Bei einer Siesta mit Lesen<br />
<strong>und</strong> Schreiben. Um 16 Uhr ist dann wie<strong>der</strong><br />
Abenddarshan. Danach gehe ich meistens in die<br />
German Bakery, wo man auf dem Dach eines<br />
Hauses sitzt <strong>und</strong> einen perfekten Blick auf die Haupt-<br />
Straße hat. Wo ein stetiger Klangteppich aus<br />
Geklingel, Gehupe <strong>und</strong> Geschrei gewoben wird,<br />
<strong>dazwischen</strong> setzen die Trillerpfeifen <strong>der</strong> Polizisten<br />
markante Akzente, untermahlt wird das Ganze vom<br />
kehligen Dieseln <strong>der</strong> alten British Leyland o<strong>der</strong> TATA<br />
Busse. Zeitunglesen, Masalla-Tee trinken <strong>und</strong><br />
interessante Gespräche führen - mit Caroline, die<br />
Französisch-Dozentin aus Heidelberg <strong>und</strong> ihrer<br />
Fre<strong>und</strong>in Verena aus Südafrika, Jette aus Dänemark,<br />
die schon seit 84 immer wie<strong>der</strong> nach Puttaparthi<br />
kommt, eine Belgierin, die nicht zu bremsen ist <strong>und</strong><br />
ihre Visionen erzählt, die Geschwister Christine <strong>und</strong><br />
Heidrun aus Frankfurt, die auch zur Ayurvedakur hier<br />
sind.<br />
Gegen 18 Uhr setzt schon die Abendstimmung ein.<br />
Die Krähen kämpfen um die Schlafbäume <strong>und</strong> die<br />
Bettler um die letzten Almosen. Dünne Arme wie Äste<br />
strecken sich entgegen, verstümmelte Menschen mit<br />
Bein-Amputationen, Frauen mit ihren Kin<strong>der</strong>n im Arm<br />
--- das Elend in allen Facetten. Die Anweisung des<br />
Ashrams ist klar: kein Geld an die Bettler. Die<br />
werden, wie ich höre, von einer Armenküche<br />
47
versorgt. Manche Bettler haben sich interessante<br />
Techniken ausgedacht. Nach dem Motto, kein Geld<br />
son<strong>der</strong>n Milch für mein Kind. Wenn man mit ihnen in<br />
einen Laden geht <strong>und</strong> Milch kauft, bringen sie die<br />
Milch zurück sobald man außer Sichtweite ist <strong>und</strong><br />
kassieren die Hälfte des Wertes vom Händler.<br />
Um 19:30 habe ich noch einen ayurvedischen Termin<br />
<strong>und</strong> danach werden hier die Bürgersteige<br />
hochgeklappt. Nachtleben, wie wir es in Europa<br />
kennen, gibt es in ganz Indien nicht. Ich suche<br />
vielleicht noch einen E-Mail Shop auf <strong>und</strong> widme<br />
mich dann <strong>der</strong> Lektüre meiner an Umfang erheblich<br />
gewachsenen Bibliothek. Wie soll ich die bloß nach<br />
Deutschland kriegen?<br />
DRIVE-THROUGH-DARSHAN.<br />
Heute morgen kam Sai Baba in einem weißen Saab<br />
900S Cabriolet zum Darshan. Nicht dass das eine<br />
Rolle spielt. Schließlich gibt ja keine Automarke ihren<br />
Darshan, son<strong>der</strong>n Gott. Automarken geben in<br />
Zeitschriftenanzeigen ihren Darshan. Kleiner Scherz<br />
am Rande.<br />
Vorausgesetzt <strong>der</strong> Mensch ist offen für die Tiefe des<br />
Ereignisses, kann <strong>der</strong> Weg zur Verwirklichung<br />
abgekürzt werden zu Sek<strong>und</strong>en.<br />
„Swamy can give a life time´s impressions within one<br />
second. That is why it is said that one Darshan (...) is<br />
enough for realisation.“ Seite 86 aus: „ Our Sai<br />
Beyond Miracles .“ Jaishree D. Menon<br />
Für mich ist es nicht einsehbar, was hier passiert. Es<br />
ist sehr angenehm. Je mehr ich mich dafür öffne,<br />
desto mehr Energie erreicht mich. Auch ist <strong>der</strong><br />
Unterschied zwischen Ashram <strong>und</strong> äußerer Welt<br />
deutlich spürbar.<br />
„Since language is limited so many types of energy<br />
vibrations are given out at the time of Darshan in<br />
different coloured „Halos“ which cannot be<br />
explained. All the actions, hand motions done by Him<br />
are connected with these energy levels either to<br />
balance or to give or to take back from all the types of<br />
48
energy forms which are there for Darshan including<br />
human beings.“ Seite 75, ebda.<br />
Es ist magnetischer Strahl, <strong>der</strong> von seinem Körper<br />
ausgeht. Eine Wucht, die ich nur einen kurzen<br />
Moment ertragen kann. Kommt zuviel Energie in ein<br />
zu kleines Reservoir? Entwe<strong>der</strong> ich versuche mich<br />
vertieft zu öffnen o<strong>der</strong> ich schalte einen „Sehgang“<br />
runter – damit meine ich, dass ich meine<br />
Aufmerksamkeit etwas reduziere.<br />
Es ist nicht meine Art in Entzückung o<strong>der</strong><br />
Schwärmerei zu geraten. Ich forsche. Für mich sind<br />
dies kostbare Momente <strong>der</strong> Selbsterforschung, <strong>der</strong><br />
Erkenntnis von Zusammenhängen, <strong>der</strong> Chance, Gott<br />
zu erleben. Zu sehen, was Glauben ist.<br />
An manchen Tagen steigt er aus seinem Wagen nicht<br />
aus, son<strong>der</strong>n „dreht seine R<strong>und</strong>e“ <strong>und</strong> verlässt die<br />
Darshanhalle über eine <strong>der</strong> Zugangs-Rampen, die in<br />
den Ashram führen. Dann herrscht große Unruhe<br />
unter den Anwesenden. Hun<strong>der</strong>te Menschen rennen<br />
zum Tor um ihn zu sehen. Für Hindus ist <strong>der</strong> Darshan<br />
ein ganz zentrales Motiv in <strong>der</strong> Ausübung ihrer<br />
Religion.<br />
<strong>Das</strong> ganze Veranstaltung ist jedoch nicht als<br />
Anbetung gemeint. Sai Baba sagt dazu: „I never call<br />
upon people to worship Me, giving up the Forms they<br />
already revere. I have come to establish Dharma and<br />
so I do not and will not demand or require your<br />
homage. Give it to your Lord or Guru, whoever He is.<br />
I am the witness, come to set right the vision.<br />
(21.10.1961) Seite 42 aus: „ God lives in Prashanthi<br />
Nilayam .“ Compiled by Prof. Prem Luthra<br />
<strong>Das</strong> Fotografieren ist im Ashram verboten. Zwei<br />
Gelegenheiten zu denen Sai Baba den Ashram mit<br />
einem Fahrzeug verläßt, nutze ich für einige Fotos.<br />
49
Sai Baba bei einer Ausfahrt vom Hotel aus gesehen.<br />
FLIEGEN OHNE FLÜGEL.<br />
Glauben ist für mich keine große Herausfor<strong>der</strong>ung.<br />
Bevor ich etwas wissen kann, muss ich ja erstmal an<br />
die Möglichkeit glauben. Wissen kommt dann durch<br />
Erfahrung. Was den Glauben wie<strong>der</strong> stärkt. <strong>Das</strong> ist<br />
ein fruchtbarer Kreislauf. Natürlich bleibe ich den<br />
Resultaten meines Glaubens <strong>und</strong> Wissens<br />
gegenüber kritisch. Es hat sich gezeigt, dass sich zu<br />
je<strong>der</strong> Erkenntnis die verschiedensten Standpunkte<br />
einnehmen lassen, die wie<strong>der</strong>rum zu Erkenntnissen<br />
<strong>und</strong> Glauben führen. So dass ich immer nach einer<br />
abstrakten Form, nach einer Betrachtungsbasis<br />
strebe, die Einzelerkenntnisse zu einem ganzen Bild<br />
integrieren hilft. Diese Formen gibt es. Es sind<br />
Bewusstseinsformen, die neben wachen, träumen<br />
<strong>und</strong> schlafen auch noch bestehen.<br />
„Knowledge and devotion are like two wings on which<br />
the spiritual aspirant can fly to spiritual heights. If love<br />
is not combined with knowledge or intellect, the later<br />
becomes dry intellectuallism. Similarly if intellect is<br />
not applied along with love and devotion for God, the<br />
50
devotion may turn into blind emotion. Both intellect<br />
and emotion should go hand in hand in the seeking of<br />
the aspirant.“ Seite 80 aus: „ Attaining God here and<br />
now. Path of Bhakti. Expo<strong>und</strong>ed by Narada in Bhakti<br />
Sutras.“ P.P. Arya<br />
Im Traum bin ich in einer Packung Vibhuti<br />
eingepackt. In mir ist Vibhuti <strong>und</strong> um mich herum<br />
auch. Ich fliege durch den Raum. Es ist sehr<br />
angenehm. Sai Baba ist um mich herum.<br />
ASHES TO ASHES.<br />
Vibhuti ist heilige Asche. Und wird bei Sai Baba bei<br />
den verschiedensten Anlässen aus dem Nichts<br />
heraus materialisiert. Bei an<strong>der</strong>en Gelegenheiten<br />
sammelt sich Vibhuti auf Bil<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> religiösen<br />
Objekten.<br />
„The Vibhuti Abhisheka has a potent inner meaning<br />
which Swami wants you to grasp. The Vibhuti is the<br />
most precious object, in the truly spiritual sense. You<br />
knowthat Shiva burnt God of Desire or Kaama, called<br />
Manmatha (for he agitates the mind and confo<strong>und</strong>s<br />
the confusion already existing there) into a heap of<br />
ashes. Shiva adorned Himself with the ash, and thus<br />
He shone in His Glory as the Conqueror of Desire.<br />
When Kaama was destroyed, Prema (Love) reigned<br />
supreme. When there is no desire to warp the mind,<br />
Love could be true and full.“ Seite 88, aus: „ Attaining<br />
God here and now. Path of Bhakti. Expo<strong>und</strong>ed by<br />
Narada in Bhakti Sutras.“ P.P. Arya<br />
Shiva-Yogis reiben ihren ganzen Körper mit Asche<br />
ein, die das verbrannte Karma versinnbildlichen soll.<br />
Karma bindet den Aspiranten in die kausale Welt aus<br />
Ursache <strong>und</strong> Wirkung. Verbranntes Karma löst die<br />
Dualität auf <strong>und</strong> vernichtet kausale Bindungen<br />
zugunsten einer gleichzeitigen Gegenwärtigkeit.<br />
SEHNSUCHT NACH EUROPA.<br />
Heute morgen wache ich auf mit Heimweh. Mir reicht<br />
<strong>der</strong> Krach, <strong>der</strong> Dreck <strong>und</strong> auch mein Bedarf an<br />
Göttlichkeit ist gestillt. Fürs erste. Ich will zur Zeit von<br />
Indien nichts weiter sehen. Meine Reise nach Kerala<br />
habe ich schon vor einigen Tagen „gecancelt“.Ich<br />
51
fliege direkt von Bangalore über Colombo zurück<br />
nach Frankfurt. Keine weiteren Wünsche. Außer nach<br />
meiner vertrauten Umgebung. Und nach einem<br />
gemäßigteren Klima.<br />
Es ist schon erstaunlich, wie sehr meine<br />
Unternehmungslust geschrumpft ist. Diese Reise<br />
gehört eindeutig in die Kategorie Bleibeort.<strong>Das</strong> heißt,<br />
zu einem Ziel reisen <strong>und</strong> dort bleiben.<br />
Die H<strong>und</strong>e dösen zur Mittagszeit vor <strong>der</strong> Tür zum<br />
Internet-Provi<strong>der</strong>. Durch die Türritze verflüchtigt sich<br />
etwas Air-Condition nach draußen. Nichts rührt sich.<br />
Keine Unternehmungslust. Alles geht noch<br />
langsamer. Siesta-Time.<br />
Ich verflüchtige mich in die "German Bakery". Die<br />
wird von einem Deutschen namens Norman<br />
betrieben. Mit weiteren Nie<strong>der</strong>lassungen in Poona<br />
<strong>und</strong> an<strong>der</strong>en Orten in Indien. Es ist ein beliebter<br />
Treffpunkt für Westler. Hier gibt es leckeren Kuchen,<br />
Masalla-Tea, Milchkaffee <strong>und</strong> sogar Apple Crumble.<br />
Ein Ersatz für meine Lieblingslocation in Hamburg,<br />
das Café unter den Linden. Aber eben nur ein Ersatz<br />
<strong>und</strong> nicht das Original.<br />
Der Zeitpunkt wo aus Fernweh wie<strong>der</strong> Heimweh wird,<br />
ist erreicht. Morgen um 7:00 will ich mit einer Taxi<br />
nach Bangalore <strong>und</strong> dann mit dem Flieger über<br />
Colombo zurück nach Frankfurt fliegen.<br />
BRÜDER ZUR ASCHE.<br />
Wir sind um 7:10 verabredet. Ich stehe mit meinem<br />
Gepäck pünktlich vor dem Hotel <strong>und</strong> warte auf Ulli<br />
<strong>und</strong> Volker, die mich dort mit ihrem Taxi-Fahrer<br />
abholen wollen. Die Zeit vergeht, keiner kommt.<br />
Indische Unzuverlässigkeit? Es ist noch kühl. Die<br />
Zeitungsjungen bieten The Chronicle <strong>und</strong> The Hindu<br />
an. Der Hotel-Boy Raja holt mir einen Milchtee <strong>und</strong><br />
ich vertreibe mir die Zeit mit <strong>der</strong> Lektüre <strong>der</strong> Hindu.<br />
Auf Seite 3 in einer großen Eckfeld-Anzeige wird zur<br />
Geburtstagsfeier von Sai Bala Baba nach Hy<strong>der</strong>abad<br />
eingeladen. Der genauso aussieht wie <strong>der</strong> Sathya Sai<br />
Baba von Puttaparthi. Ist er das Look-alike, von dem<br />
Susan beim letzten Treffen gesprochen hat? Die<br />
52
gleiche Gar<strong>der</strong>obe, <strong>der</strong> gleiche Haarstil, das Gesicht<br />
etwas jünger, er feiert seinen 44igsten Geburtstag<br />
<strong>und</strong> sieht dabei fre<strong>und</strong>licher aus als sein "großer<br />
Bru<strong>der</strong>", wie er Sai Baba nennt. Konkurrenz unter<br />
Gurus. Jedes Angebot hat Nachahmer. Der "me-too-<br />
Effekt" macht auch vor Göttern nicht Halt.<br />
Inzwischen ist es 7:45, <strong>und</strong> ich werde nervös. Wo<br />
bleiben die beiden? Für ein Taxi für mich allein habe<br />
ich nicht mehr genug Rupees. Der Hotelboy wittert<br />
ein Geschäft <strong>und</strong> arrangiert schon mal einen<br />
Ersatzfahrer für 1.200,-RS. Ein kleines Vermögen.<br />
Der Bus würde für 100,-RS fahren. <strong>Das</strong> dauert aber<br />
zu lange. Und ist zu unsicher. Mein Flug geht um<br />
15:10 Uhr von Bangalore nach Colombo, Sri Lanka.<br />
Okay, bis 8 Uhr warte ich noch, dann muss ich wohl<br />
weitere Dollars wechseln. Um 8:10, also nach einer<br />
St<strong>und</strong>e Warterei, will ich zur Tat schreiten. Da<br />
kommen die beiden gerade locker durchs Haupttor<br />
des Ashrams marschiert. Ihr Taxifahrer hatte sie<br />
versetzt <strong>und</strong> war auch nach einigen Telefonaten nicht<br />
aufzutreiben.<br />
Los gehts im wartenden Ersatz-Taxi. Der Hotelboy<br />
freut sich über das Trinkgeld <strong>und</strong> ich mich darüber,<br />
dass ich nicht alleine fahren muss. Der Ambassador<br />
jagd über die Piste. In<strong>der</strong> fahren immer voll Stoff,<br />
auch wenn die Verehrs- <strong>und</strong> die Straßenverhältnisse<br />
etwas an<strong>der</strong>es näher legen. Vor 10 Jahren gab es<br />
auf dieser Strecke noch Räuberbanden zu Pferde,<br />
die Taxen nachts überfielen. Inzwischen gibt es nur<br />
noch die Bettler. Die sofort aus dem nichts<br />
erscheinen, sobald das Taxi länger als eine Minute<br />
stehenbleibt. Sei es zum Tanken o<strong>der</strong> zur Teepause.<br />
Um 11 Uhr sind wir in Whitefield kurz vor Bangalore,<br />
wo Volker bei befre<strong>und</strong>eten In<strong>der</strong>n etwas zu regeln<br />
hat. Währenddessen sitze ich im Taxi <strong>und</strong> meditiere<br />
so vor mich hin. Anschließend besuchen wir ein<br />
erstaunliches Pärchen, das einige Meter weiter<br />
wohnt.<br />
Dorairaj hat in seinen kleinen Klause einen Miniraum<br />
mit seinen Devotionalien ausgeschmückt. Bil<strong>der</strong> von<br />
Sai Baba, Jesus <strong>und</strong> verschiedensten indischen<br />
Heiligen. Darunter einige Yantras. <strong>Das</strong> erstaunliche:<br />
vier Bil<strong>der</strong>rahmen sind komplett von Vibhuti<br />
53
überzogen <strong>und</strong> eins von Kumkum. Er sagt, die<br />
Aschematerilisation begannen vor 11 Jahren.<br />
Anfangs hat er die Bil<strong>der</strong> immer noch "abgestaubt".<br />
Dann auf Anweisung von Sai Baba so gelassen. <strong>Das</strong><br />
überschüssige Vibhuti fällt nun einfach runter <strong>und</strong><br />
wird an die Besucher verteilt. Die aus aller Welt<br />
kommen, wie er mir durch sein Fotoalbum stolz<br />
belegt.<br />
Dorairaj ist 76 Jahre alt <strong>und</strong> seine Frau Sakuntala<br />
wohl ähnlich alt. Beide sind so humorvoll wie<br />
Teenager. Wir schäckern rum <strong>und</strong> freuen uns über<br />
das kleine Wun<strong>der</strong> <strong>der</strong> Materilisation. Es begeistert<br />
mich. Er gibt uns von dieser Asche mit hochpotenter<br />
Heilkraft kleine Kostproben mit auf den Weg.<br />
Im Hintergr<strong>und</strong> vier Bil<strong>der</strong>rahmen auf denen sich die<br />
Asche bildet <strong>und</strong> an <strong>der</strong> rechten Wand ein<br />
Bil<strong>der</strong>rahmen mit Kumkum.<br />
Und weiter gehts Richtung Airport. Volker erzählt von<br />
einem Tempel von Mysore, wo aus kleinen Bil<strong>der</strong>n<br />
Nektar tröpfelt. Ich erinnere mich an Rishis Besuch,<br />
<strong>der</strong> im Sommer einige Zeit auf meinem Balkon<br />
genächtigt hat. Und ebenfalls Unsterblichkeitsnektar<br />
54
dabei hatte, den wir uns tröpfchenweise einverleibt<br />
haben. Die Welt ist voller Wun<strong>der</strong>. Auch in Hamburg?<br />
55
INTRO 2:<br />
DER ANFANG VOM ENDE.<br />
Vor 20 Jahren war ich das erste mal in Indien. Eine<br />
abenteuerliche Reise. Insgesamt über 4 Monate.<br />
Jetzt rekapituliere ich einen Teil daraus. Um ein<br />
Thema aufzuarbeiten: <strong>Leben</strong>, <strong>Tod</strong> <strong>und</strong> die Angst<br />
<strong>dazwischen</strong>.<br />
56
“Es gibt einen Ausspruch <strong>der</strong> Jungianer, wonach<br />
neunzig Prozent des Schattens aus reinem Gold<br />
bestehen."<br />
aus: Gayle Delaney, „ Lebe Deine Träume “, Seite 29.<br />
57
REISE NACH DRÜBEN<br />
Hätte ich ahnen können, dass mich <strong>der</strong> <strong>Tod</strong> erwartet.<br />
Beziehungsweise <strong>der</strong> halbe? Es klingt dramatischer<br />
als es ist. Wer sich auf eine Reise begibt, muß sich<br />
bewußt sein, dass er was erlebt. Die Reise, von <strong>der</strong><br />
ich erzählen möchte, begann vor 20 Jahren <strong>und</strong> wird<br />
dieses Jahr enden. Ziemlich lange Reise, werden Sie<br />
denken. Ziemlich tiefe Reise würde ich erwi<strong>der</strong>n.<br />
Kann ich diese Reise überhaupt beenden?<br />
Wenigstens den Part, <strong>der</strong> mich belastet. Es befreit<br />
mich schon jetzt, zu rekapitulieren. Es ist ein<br />
kapitulieren vor <strong>der</strong> Erinnerung. Sie loslassen,<br />
integrieren <strong>und</strong> abschließend verstehen. Damit etwas<br />
neues passieren kann?<br />
Es ist 18. September 1983. Morgen soll unser Flieger<br />
gehen. Wir sind mit Martinas klapprigen Käfer nach<br />
Frankfurt gefahren. Und haben bei ihrer Fre<strong>und</strong>in<br />
Erika übernachtet. Ich breche mit gemischten<br />
Gefühlen auf. Ein Urlaubssemester. Ob ich dieses<br />
Studium jemals fertig kriege?<br />
Für Martina ist es ganz an<strong>der</strong>s. Sie hat erste<br />
Karriereschritte hinter sich <strong>und</strong> sucht den Ausstieg<br />
aus ihrem öden Beamtenjob beim Finanzamt. Sie<br />
sucht den Ausstieg <strong>und</strong> ich einen Einstieg. Ausstieg<br />
<strong>und</strong> Einstieg - damals zwei zentrale Themen.<br />
Umrahmt von einer lähmenden<br />
Orientierungslosigkeit. Eine adoleszente Dauerkrise.<br />
Kann eine Reise in den Orient zur Orientierung<br />
beitragen? O<strong>der</strong> bin ich auf <strong>der</strong> Flucht?<br />
Ich studiere Amerikanistik. Einer <strong>der</strong> letzten freien<br />
Studiengänge. Was zieht mich da in den Osten?<br />
Wäre eine Reise nach Amerika nicht angemessener?<br />
Eigentlich will ich nach Südamerika. Und Martina<br />
nach Australien. Indien ist also ein Kompromiss.<br />
Damals hatte ich im <strong>Leben</strong> kein Konzept <strong>und</strong> keine<br />
Kontrolle. Jetzt habe ich zuviel Konzept <strong>und</strong> zuviel<br />
Kontrolle. <strong>Das</strong> muß ins Gleichgewicht.<br />
Wir haben unser Flug-Ticket Frankfurt-Dehli-<br />
Hongkong-Frankfurt in Mühlheim im Hinterzimmer<br />
einer Im- <strong>und</strong> Exportfirma zum Super-Discount-Preis<br />
58
erworben. Ob das wohl gut geht? Vier Monate Zeit<br />
<strong>und</strong> vier tausend Mark in <strong>der</strong> Tasche. Nicht schlecht<br />
für eine Reise.<br />
Jetzt wo ich es erzähle, ist es ja wie eine Reise in <strong>der</strong><br />
Zeit, zurück an den Anfang. Ich bin aufgeregt.<br />
Beinahe schmerzhaft aufgeregt. <strong>Das</strong> Herz tut weh.<br />
Aber das ist gerechtfertigt. Es geht um <strong>Leben</strong> <strong>und</strong><br />
<strong>Tod</strong>.<br />
Unsere kleinen Rucksäcke, gekauft für 25,-DM bei<br />
<strong>Aldi</strong>, haben wir mit dem nötigsten gepackt. Was<br />
braucht man schon groß, wenn man unterwegs ist in<br />
Indien. Die gehen als Handgepäck durch. Wir steigen<br />
früh morgens in den Flieger <strong>und</strong> landen in Dehli um<br />
Mitternacht Ortszeit.<br />
LANDUNG MITTEN IM FEUER<br />
Lange Warteschlangen vor <strong>der</strong> Immigration. Ein<br />
kurzer Blick des Zollbeamten <strong>und</strong> zack bumm <strong>der</strong><br />
Einreise-Stempel. Welcome to India.<br />
Mit dem Bus geht´s vierspurig in die Innenstadt.<br />
Grizzeliges Licht. Ganz unwirklich. Eine an<strong>der</strong>e<br />
Luxzahl. Wie in einem Film. Grünstichig. Ex oriente<br />
Lux? <strong>Das</strong> Licht kommt aus dem Osten.<br />
Auf <strong>der</strong> Straße <strong>und</strong> den Bürgersteigen liegen<br />
dutzende Menschen. Schlafend. Gehüllt in weiße<br />
Tücher. Wir erreichen das Zentrum von Dehli. Als wir<br />
aus dem Bus steigen, umr<strong>und</strong>et uns ein Schwarm<br />
Motorrikshas. Warum schlafen die nicht?<br />
Es ist weit nach Mitternacht <strong>und</strong> immer noch bruttig<br />
heiß. Schließlich finden wir ein Hotel. Eins dieser<br />
Billig-Absteigen. Und liegen auf diesen für Indien<br />
typischen durchschwitzten dünnen Foams. Über mir<br />
dreht ein Fan geduldig seine R<strong>und</strong>en. Dreh, dreh,<br />
dreh. Ich liege wie eine matte Fliege auf dem<br />
Rücken. <strong>Das</strong> ist nicht mein Klima. Hitze kombiniert<br />
mit hoher Luftfeuchtigkeit. Langsam zieht sich ein<br />
dünner Schweißfilm lückenlos über meine Haut. Ich<br />
gare im eigenen Saft. Kein Schlaf in Sicht.<br />
Am nächsten Morgen beschließen wir, diese<br />
Klimazone zu verlassen. Und Richtung Westen zu<br />
59
eisen. In die Wüste. Mit dem Pink City Express in<br />
das sonnendurchglühte <strong>und</strong> ausgedörrte Rajasthan.<br />
Wir sagen uns: "wenn schon heiß, dann wenigstens<br />
trockenheiß." Selbst schuld. Was da auf uns<br />
zukommt, ist die glühende Hitze <strong>der</strong> Wüste. Ich<br />
kenne die Sahara. Aber die Wüste Thar ist um<br />
Hitzgrade "tougher".<br />
Über Jaipur, Bikaner, Jaisalmer, Raniwaran geht es<br />
tiefer nach Rajasthan. <strong>Das</strong> Klima ist für unsere<br />
europäische Konstitution unerträglich. Ein<br />
überdimensionaler Fön auf höchster Heizstufe<br />
durchbläst das Land. Mir gefällt das nicht. Martina<br />
auch nicht. Was sollen wir tun?<br />
Auf unserer Karte entdecken wir einen Berg mit Top<br />
Hill Location: Mount Abu. <strong>Das</strong> ist vielleicht ein<br />
cleveres Ziel. Raus aus <strong>der</strong> Hitze <strong>der</strong> Ebene. Rauf<br />
auf die Höhe. In die Berge. Wir fahren mit einem Taxi<br />
die Serpentinen hinauf auf 1.200 Meter Höhe <strong>und</strong><br />
erreichen das klimatisch angenehmere Mount Abu.<br />
Und steigen für 20 Rupien ab im "Darshan Hotel".<br />
Darshan -- aus heutiger Sicht natürlich ein<br />
interessante Rückbindung an die aktuelle Reise.<br />
Auch <strong>der</strong> Preis - 20 RS für eine Nacht. Es gibt<br />
Konstanten im <strong>Leben</strong>.<br />
AUF DIE SPITZE DER PYRAMIDE<br />
Wir erk<strong>und</strong>en den Ort. Die Bergspitze ist ein Kegel<br />
mit einem See in <strong>der</strong> Mitte. Eigentlich eine<br />
abgebrochene Spitze. Wahrscheinlich vulkanische<br />
Vergangenheit. Unter uns die heißdurchglühte<br />
Ebene, von <strong>der</strong> wir gerade aufgestiegen sind in die<br />
kühl erfrischenden Höhen. Auch in die kühlen Höhen<br />
des Geistes. Wie sich bald herausstellt. Eine kühle<br />
Insel mitten in <strong>der</strong> heißgefluteten Ebene.<br />
Um die Spitze des Berges herum reihen sich Yogi-<br />
Höhlen <strong>und</strong> Ashrams. Hier wimmelt es von Sadhus<br />
<strong>und</strong> Yogis, Pilgern <strong>und</strong> Touristen. Dies ist ein heiliger<br />
Berg <strong>und</strong> damit natürlich auch ein Pilgerziel. Die<br />
Brahma Kumaris Sekte betreibt hier ihr World-<br />
Headquarter. Die Jains haben hier einen<br />
Haupttempel. Und dann die ganzen "Freelancer"<br />
60
drumherum - die Yogis, ohne feste Bindung, außer zu<br />
sich selbst.<br />
DER WÜRFEL IST GEFALLEN<br />
Auf einem kleinen handgemalten Schild ist <strong>der</strong> Weg<br />
zur Elephant Cave ausgewiesen. Wir klettern die<br />
Stufen hoch. Vor dem Eingang zu einer Höhle sitzt<br />
ein Yogi. Ein sehr agiler, schmächtiger Typ, <strong>der</strong><br />
englisch spricht <strong>und</strong> sich locker mit uns unterhält.<br />
Eine sehr idyllische Behausung. Überall diese<br />
indischen Heiligenbil<strong>der</strong>.<br />
Ich habe einen dieser bunten Puzzle-Würfel, einen<br />
"Rubrik´s Cube", dabei. Und denke, wenn das ein<br />
Yogi ist, dann hat er den Dreh raus. Weit gefehlt.<br />
Auch am nächsten Tag ist noch keine Lösung in<br />
Sicht.<br />
Wir sitzen wie<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Höhle <strong>und</strong> unterhalten uns.<br />
Dabei erzählen wir von unserem Wunsch bei den<br />
Brahma Kumaris einen Yoga-Kurs zu belegen. "Die<br />
arbeiten mit Hypnose", entgegnet er. "Von mir könnt<br />
Ihr auch was lernen." Wir überlegen kurz, "ja, warum<br />
nicht."<br />
Und entscheiden uns für einen fünftägigen Yoga-<br />
Kurs. Dafür beziehen wir das Hotel "Lake View"<br />
direkt am See, um näher an <strong>der</strong> Elephant Cave zu<br />
sein. Denn jeden Morgen um 9:00 soll es losgehen<br />
mit den Übungen.<br />
AM DREH- UND ANGELPUNKT<br />
Am nächsten Morgen beginnt <strong>der</strong> Kurs mit Aura<br />
sehen, Yoga- <strong>und</strong> Pranayama-Übungen. Wir stehen<br />
auf dem felsigen Dach seiner Höhle <strong>und</strong> schauen in<br />
die Sonne. Während er uns einen energetischen<br />
Punkt in Höhe <strong>der</strong> beginnenden Halswirbelsäule<br />
zeigt. Wir sollen gegen die Sonne gucken <strong>und</strong> diesen<br />
Punkt drücken, dann würde sich die Aura vor<br />
unserem Auge abbilden. Ich sehe nichts.<br />
Doch drei Tage später wird genau dieser Punkt Dreh<strong>und</strong><br />
Angelpunkt, wie auch alle an<strong>der</strong>en Übungen,<br />
Belehrungen sich wie ein Kaleidoskop<br />
61
zusammenfügen. Aber eins nach dem an<strong>der</strong>en,<br />
bevor sich alles in eins dreht.<br />
Immer nach Sonnenuntergang gehen wir wie<strong>der</strong> zur<br />
Elephant Cave. Lockere R<strong>und</strong>e <strong>und</strong> lockere<br />
Gespräche - alles wichtige geschieht ganz nebenbei.<br />
Anwesend sind auch noch an<strong>der</strong>e Europäer. Ein<br />
Ungar <strong>und</strong> ein Münchener. Der Ungar ist irgendwie<br />
von <strong>der</strong> Rolle. Angeblich hat er in seiner Heimat ein<br />
Kind gezeugt <strong>und</strong> reist nun ziellos <strong>und</strong> schlechten<br />
Gewissens durch die Welt. Der Yogi sagt ihm auf<br />
dem Kopf zu, dass er nicht <strong>der</strong> Vater ist. <strong>Das</strong> trifft ihn<br />
<strong>und</strong> erleichtert ihn. Von da an ist er voller Dankbarkeit<br />
sein "disciple" <strong>und</strong> weicht nicht mehr von seiner<br />
Seite. Der Yogi behandelt ihn jedoch wie den letzten<br />
Idioten. Er aber rennt ihm hinterher <strong>und</strong> zieht<br />
schließlich in die Höhle. Ich wun<strong>der</strong>e mich.<br />
Mich überrascht <strong>der</strong> Yogi auch mit allerlei Magie.<br />
Zum Beispiel nennt er mir meine vollständige<br />
Adresse in Berlin. Wie ist das möglich? Später lese<br />
ich bei Paul Brunton über die Zauberkräfte <strong>der</strong><br />
indischen Yogis, die Dinge materialisieren können<br />
<strong>und</strong> allerlei Tricks beherrschen, die für uns naive<br />
Westler unerklärlich sind: Atem anhalten für St<strong>und</strong>en,<br />
Körpertemperatur erheblich senken, unsichtbar<br />
werden, Körper duplizieren. Unser Yogi behauptet, er<br />
könne über Wasser gehen, sich ohne Betäubung<br />
Zähne ziehen lassen o<strong>der</strong> Autos über seinen Körper<br />
rollen lassen, Blumen materialisieren o<strong>der</strong> sich in die<br />
Erde einbuddeln lassen <strong>und</strong> monatelang dort atemlos<br />
verharren <strong>und</strong> seinen Körper komplett regenerieren.<br />
Interessant. <strong>Das</strong> wollte ich doch schon immer mal<br />
erleben.<br />
BALLA BALLA BUM BUM<br />
Als Shiva-Anhänger hängen <strong>der</strong> Yogi <strong>und</strong> seine<br />
Kumpel täglich am Shillum <strong>und</strong> quarzen. Zusätzlich<br />
verarbeitet er in einem Presstein die Blätter von<br />
irgendwelchen Zauberpflanzen zu einer grünen<br />
Paste, die er dann zu Tischtennisball großen Klößen<br />
formt. Und sich in großen Mengen einverleibt.<br />
Danach ruft er laut Bum Shiva o<strong>der</strong> ähnliches <strong>und</strong> die<br />
Wirkung beginnt sich zu entfalten. Er wird dann<br />
geistig sehr klar <strong>und</strong> kann komplexeste<br />
philosophische Zusammenhänge nachvollziehbar<br />
62
erläutern. Doch "Rubrik´s Cube" kriegt er auch dann<br />
nicht geknackt.<br />
Bizarre Freaks kommen <strong>und</strong> gehen. Ein dicker Sadhu<br />
spielt sich als Bodyguard auf <strong>und</strong> hält pathetische<br />
Vorträge über Gott <strong>und</strong> Moral. Er ist mir<br />
unsympathisch. Der Yogi macht unberührt vom<br />
Trubel in seiner Höhle einfach seinen rituellen<br />
Tagesablauf <strong>und</strong> belehrt uns ganz nebenbei über<br />
Jnana, Mythos <strong>und</strong> Yoga-Asanas.<br />
BOTSCHAFT VON GANESH<br />
Indische Hotels sind schon sehr speziell. Immer ein<br />
bißchen schmuddelig. Gelinde gesagt. Der<br />
hygienische Standard ist einfach nicht so hoch.<br />
Während ich schlafe, springt mir in dieser Nacht eine<br />
Ratte mitten ins Gesicht. Ich bin sofort hellwach.<br />
Ratten haben in Indien eine beson<strong>der</strong>e Bedeutung.<br />
Und wenn ich beson<strong>der</strong>s schreibe, dann meine ich<br />
eine religiöse Bedeutung. Wie fast alles hier mit<br />
Religiosität aufgeladen ist. Dafür sind die In<strong>der</strong><br />
empfänglich. Und ich neuerdings auch.<br />
In Bikaner haben wir den Rattentempel besucht, den<br />
einzigen Ort <strong>der</strong> Welt, wo die Ratte als das heilige<br />
Transporttier von Gott Ganesh verehrt wird. Wie soll<br />
dieser dicke Elephanten-Gott auf einer zierlichen<br />
Ratte reiten können? <strong>Das</strong> ist bizarr <strong>und</strong> genau das ist<br />
Indien, wie ich es liebe. Diese ausufernde Phantasie<br />
<strong>und</strong> das Denken in unmöglichen Möglichkeiten.<br />
Dagegen kommt einem <strong>der</strong> westliche Verstand recht<br />
dumpf <strong>und</strong> eindimensional vor.<br />
Ich kann nach dem "Rattenkuss" nicht mehr schlafen.<br />
Martina auch nicht. Wir rücken das Bett von <strong>der</strong><br />
Wand ab. Damit diese Tiere nicht mehr den Weg ins<br />
Bett finden.<br />
Martina will fahren. Überhaupt raus aus dem Hotel<br />
<strong>und</strong> weg von Mount Abu <strong>und</strong> dem Yogi. „Der ist nur<br />
klar, wenn er auf Droge ist <strong>und</strong> konzentriert sich<br />
ohnehin ganz auf dich.“ <strong>Das</strong> stimmt. Ich lerne verbal<br />
<strong>und</strong> non-verbal - die ganze Zeit. Ich bin äußerst<br />
empfänglich für seine Erläuterungen. Komplexeste<br />
63
Inhalte werden einfach "überspielt". Von Sen<strong>der</strong> auf<br />
Empfänger. Von Lehrer auf Schüler.<br />
Am nächsten Morgen sagen wir ihm unsere Pläne.<br />
<strong>Das</strong>s wir unseren geplanten Aufenthalt verkürzen <strong>und</strong><br />
zwei Tage früher abreisen. "Wir sind mit dem Yoga-<br />
Kurs noch nicht fertig," sagt er, "aber macht nichts.<br />
Wir werden beschleunigen." <strong>Das</strong> tun wir allerdings.<br />
BUM BUM´S ZAUBERTRANK<br />
In <strong>der</strong> nächsten Nacht teilen sich Martina <strong>und</strong> ich eine<br />
seiner grünen Pflanzen-Kugeln. Die er im Wasserglas<br />
auflöst. Wir trinken den Mix. Schmeckt unspektakulär.<br />
Während wir uns eine Portion teilen, nimmt er locker<br />
15 Kugeln in <strong>der</strong> Größe von Tischtennisbällen. „Ich<br />
habe es mit meinem Guru abgesprochen,“ erläutert<br />
er. Irgendein Shankara, <strong>der</strong> schon uralt ist <strong>und</strong> zu<br />
dem er eine transzendentale Standleitung pflegt, "Ihr<br />
könnt das gefahrlos einnehmen."<br />
„Aber geht zurück ins Hotel, bevor die Wirkung<br />
einsetzt.“ Wir gehen den Weg am See zurück ins<br />
Hotel. Kaum liegen wir im Bett setzt die Wirkung ein.<br />
Bei mir mit zügelloser Heiterkeit, Lachen <strong>und</strong><br />
Herumtollen. Mein Geist wird frei <strong>und</strong> gelöst.<br />
Während Martina müde wird <strong>und</strong> in einen<br />
besinnungslosen Schlaf fällt.<br />
Bei mir nimmt die Wirkung zu. Mein Körper beginnt<br />
alle gelernten Yogaübungen automatisch <strong>und</strong> völlig<br />
mühelos auszuführen, die wir in den letzten Tagen<br />
gelernt haben. Es ist absolut faszinierend. Ich schaue<br />
dem Vorgang zu, ohne das ich eigene<br />
Anstrengungen unternehmen müßte. Ich fühle mich<br />
sehr heiter <strong>und</strong> gelöst. Mein Atem beginnt ganz<br />
harmonisch zu fließen. So als würde ich von außen<br />
beatmet werden. Ich fühle mich als Geschöpf Gottes.<br />
Ich bin eine Hülle. Atem fließt in mich. O<strong>der</strong> bin ich<br />
<strong>der</strong> Atem <strong>und</strong> <strong>der</strong> Körper ist ein Hohlraum, in dem<br />
Atem wohnt? Der Atman wohnt. Atem <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />
Sanskrit-Begriff Atman für das transzendentale Selbst<br />
sind nicht von ungefähr sehr ähnlich.<br />
Als würden Perlen auf einer Kette aufgereiht, rutscht<br />
alles an seinen Bestimmungsort. Disharmonien<br />
werden gestimmt. Mein Steißbein, das durch einen<br />
64
Unfall gestaucht ist, begradigt sich. Der Körper wird<br />
perfekt. Alle körperlichen Verkrampfungen lösen sich<br />
komplett auf. Ich fühle mich erlöst.<br />
AUF DER BRÜCKE IN DIE ANDERE WELT<br />
Meine Erfahrung intensiviert sich immer weiter. Ich<br />
bin zu einer Brücke durchgebogen. Eine dieser<br />
Hatha-Yoga-Übungen, die man aber auch vom ganz<br />
normalen Sportunterricht kennt. Mein Schädeldach<br />
<strong>und</strong> meine Fußhacken berühren das Bett. Mein<br />
Körper wird geschüttelt, als würde Starkstrom<br />
hindurchfließen. Brennen jetzt alle Sicherungen<br />
durch? <strong>Das</strong> Bett vibriert unter meinen schüttelnden<br />
Bewegungen. Martina wird wach <strong>und</strong> versucht mich<br />
zu beruhigen. Aber mir geht es gut. Ich bin fasziniert<br />
von dem, was passiert. Und will weiter. Mein Körper<br />
biegt sich in diese Welt <strong>und</strong> mein Ich biegt sich in<br />
eine neue, unbekannte Welt o<strong>der</strong> Dimension.<br />
Dort höre ich sakrale Gesänge. Als wenn alle Sadhus<br />
von Mount Abu singen. Ich denke noch, "warum sind<br />
die denn noch wach?" Ich habe eine Brücke in eine<br />
an<strong>der</strong>e Welt geschlagen. Auf <strong>der</strong> einen Seite bin ich<br />
in meiner bekannten Welt <strong>und</strong> auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite<br />
bin ich in einer geistigen fremden neuen Welt. Wie ist<br />
das möglich? Mein Geist ist glasklar. Nur das<br />
Verständnis hinkt hinterher. Kommt nicht über die<br />
Brücke. Löst sich nicht von dieser Welt. Noch nicht.<br />
DIE TRENNUNGSPHASE:<br />
DAS BRECHEN DER SIEGEL<br />
Nun beginnt eine weitere Phase. Ich löse mich vom<br />
Körper. Meine Ich-Identität, meine Seele schält sich<br />
aus <strong>der</strong> Fassung des Körpers raus. Starke Energien<br />
fließen von den Füssen durch den ganzen Körper. Es<br />
beginnt an den Füssen <strong>und</strong> wan<strong>der</strong>t Stufe um Stufe<br />
hoch zum Kopf. Im Nachhinein weiß ich natürlich<br />
einiges über K<strong>und</strong>alini-Kräfte. Zu diesem Zeitpunkt ist<br />
mir das allerdings völlig unbekannt.<br />
Ein energetisches Zentrum im Körper öffnet sich. Es<br />
ist als wenn ein Siegel zerbricht. Später erfahre ich<br />
aus <strong>der</strong> einschlägigen Literatur etwas über die<br />
sogenannten Chakren als Knotenpunkte, die den<br />
Energieleib mit dem physischen Körper verbinden.<br />
65
Jedes Öffnen erlebe ich wie das Öffnen von hohen<br />
Flügeltüren. Als würde ein König durch seine<br />
Gemächer schreiten. An je<strong>der</strong> Tür steht ein Wächter,<br />
<strong>der</strong> mit dem Paradestock auf den Boden stößt <strong>und</strong><br />
ruft „Der König kommt“. Raja-Yoga, königliches<br />
Yoga? Offensichtlich habe ich einen Code getroffen,<br />
eine bestimmte Frequenzhöhe erreicht, eine<br />
Funktions-Plattform von Erfahrung betreten, die<br />
jenseits meiner bisher geschulten Wahrnehmung<br />
liegt. Türen zu einer geheimen archaischen Welt<br />
öffnen sich. Unheimlich. Und schön.<br />
DIE PRÜFUNGSPHASE:<br />
DIE FRAGEN DER INNEREN STIMME<br />
Jedes Chakra symbolisiert eine Tugend, die durch<br />
eine innere Frage getestet wird: „Bist Du bereit, für<br />
das <strong>und</strong> das (...)“ Alles, was gefragt wird, hat mir <strong>der</strong><br />
Yogi vorher in philosophischen Diskursen vermittelt.<br />
Ich brauche nicht zu überlegen. Auf unerklärliche<br />
Weise ist mir alles vertraut.<br />
Wenn mein Wesen mit Ja reagiert, geht <strong>der</strong> Prozeß<br />
weiter. Und wan<strong>der</strong>t Chakra um Chakra die<br />
Wirbelsäule empor. Es ist faszinierend, erleichternd<br />
<strong>und</strong> völlig natürlich. Jedes Chakra öffnet sich mit<br />
einem leisen Knacken. Es ist wie das Aufziehen<br />
eines Reißverschlusses.<br />
DIE GEBURTSPHASE:<br />
DAS RÄTSEL DER SPHINX<br />
Die Gesänge werden noch intensiver. Und füllen<br />
meinen Wahrnehmungsraum ganz aus. Meine<br />
Identität löst sich auf in Klang. So wie ich das schon<br />
auf Bil<strong>der</strong>n von Salvador Dali gesehen habe.<br />
Während dieses Vorgangs ist meine Wahrnehmung<br />
stabil auf den Yogi in seiner Höhle ausgerichtet. Wie<br />
eine innere Standleitung. Von wem geht diese<br />
Ausrichtung aus? Von mir? O<strong>der</strong> von ihm? Ich kann<br />
es nicht entscheiden.<br />
Ich hebe mich aus meiner "Körperhöhle" heraus. Und<br />
fühle mich in die Elephant Cave gezogen. Ich sehe,<br />
fühle <strong>und</strong> höre in die innere Welt, die außerhalb<br />
66
meines Körpers liegt. Alle Sinne sind jetzt in die<br />
innere Welt gerichtet. Wie Antennen. Die Welt des<br />
Körpers ist jetzt die äußere Welt <strong>und</strong> verlöscht.<br />
Ich habe meinen Körper fast ganz verlassen. Habe<br />
mich herausgebogen. Die körperidentifizierte Version<br />
meines <strong>Leben</strong>s verliert ihre Dominanz zugunsten<br />
einer an<strong>der</strong>en Dimension. Einer bisher komplett<br />
unbekannten Dimension. Eine an<strong>der</strong>e Stufe von<br />
Materie. Etwas feiner. Wie eine identische Innenform.<br />
Die Identität mit meinem Körper ist fast aufgehoben.<br />
In Vergessenheit versunken wie in einen Traum. Nur<br />
noch mein Ich-Gefühl, ein Sinn für ein Ich, ein Punkt<br />
im Verstand gegründet, erinnert mich daran. Ich bin<br />
nicht mein Körper! Eine sensationelle Entdeckung.<br />
Der Körper bin nicht ich. <strong>Das</strong> ist etwas Kreiertes. Ich<br />
bin <strong>der</strong> Bewohner <strong>und</strong> kann gehen. Als <strong>der</strong><br />
Abnabelungsprozeß die Kehle erreicht, dämmern<br />
Ängste. Sterbe ich? Werde ich geboren? Der<br />
Verstand schaltet sich ein <strong>und</strong> beginnt abzuwägen,<br />
zu projizieren. Hingabe versus Aufgabe. Soll ich ganz<br />
loslassen? Meine Schutzhülle verlassen? Mich<br />
ungeschützt einer unbekannten Dimension<br />
anvertrauen. Es ist mir ein Rätsel, das ich in diesem<br />
Moment nicht lösen kann. In den letzten 20 Jahren<br />
bin ich zahllose Lösungsprozesse durchlaufen.<br />
unterschiedlicher Intensität. Manche kann ich<br />
zulassen, an<strong>der</strong>e nicht.<br />
KANN EIN KEHLKOPF DENKEN?<br />
Ich „hänge“ an <strong>der</strong> Spitze meines Kehl-Kopfes fest.<br />
Auch ein Kopf, <strong>der</strong> denken kann. Im Nachinein<br />
betrachtet, ist es genau <strong>der</strong> Punkt, <strong>der</strong> mir Tage<br />
zuvor vom Yogi gezeigt wurde, <strong>der</strong> Haken, an dem<br />
jetzt alles hängt. Der einzige Verknüpfungspunkt, <strong>der</strong><br />
noch Kontakt hält mit meinem physischen Körper.<br />
Nun beginnt ein inneres Zwiegespräch, ein Hin <strong>und</strong><br />
Her von Ja <strong>und</strong> Nein. Darüber geht die Energie<br />
verloren. Der Prozeß ist gestoppt. Der Biss in <strong>der</strong><br />
Kehle stecken geblieben. Adams Apfelbiss steckt im<br />
Hals. Ein Konflikt von Unschuld <strong>und</strong> Schuld. Als wenn<br />
ich in seiner Schuld stehen würde. Und die abdienen<br />
muss. Meine Freiheit verliere. Und eine Abhängigkeit<br />
gewinne, eine Geb<strong>und</strong>enheit in einer an<strong>der</strong>en Welt.<br />
67
Ich kann das Rätsel des <strong>Leben</strong>s nicht lösen. Mich<br />
nicht von den Begrenzungen meiner gelernten<br />
Denkmuster lösen.<br />
Als ich merke, daß ich ohne Hingabe <strong>und</strong> Vertrauen<br />
nicht weiterkomme, will ich mir den letzten Schritt<br />
erkaufen. Ein Trick des Verstandes. Ich verspreche<br />
ihm innerlich, in seiner Höhle ein Bad zu installieren.<br />
Darauf schallendes, höhnisches, fast dämonisches<br />
Lachen.<br />
DER WÜRFEL<br />
<strong>Das</strong> englische Wort für Würfel ist "dice" <strong>und</strong><br />
gleichzeitig <strong>der</strong> Plural von "to die" (Seite 211, aus:<br />
Klein´s Comprehensive Etymological Dictionary of the<br />
English Language .) Und ist ebenso mit "date" `point<br />
of time´ verwandt. Wenn man so will, läßt sich dieser<br />
Rubrik´s Cube zu einer Metapher aufladen, die an<br />
je<strong>der</strong> Seite ihre Bedeutungen hat. Die sich mischen<br />
<strong>und</strong> ordnen. Aber wird die Ordnung des Anfangs<br />
jemals wie<strong>der</strong> erreicht?<br />
DIE ANKUNFT DES SCHATTENMANNES<br />
Ich versuche immer wie<strong>der</strong> aus eigener Kraft, den<br />
letzten Schritt zu unternehmen. Aber die<br />
unterstützende Wirkung <strong>der</strong> Droge verklingt. Die<br />
Eindrücke verhallen. Der Morgen dämmert. Es<br />
regnet. Tropischer Dauerregen.<br />
Ich höre eine Person kommen. Die direkt vor<br />
unserem Zimmer auf <strong>der</strong> Veranda Platz nimmt <strong>und</strong><br />
wartet. Die Jalousinen sind runtergelassen, <strong>und</strong> ich<br />
kann nicht sehen, wer direkt vor unserem Fenster<br />
sitzt.<br />
Ich kann vor Angst kaum atmen. Eine unbestimmte<br />
Bedrohung liegt in <strong>der</strong> Luft genauer gesagt in meiner<br />
Phantasie. Ich kann es rational nicht definieren, auch<br />
jetzt nicht. Es ist eine Mischung aus Angst davor<br />
„geholt zu werden“, vor einer fremden, bedrohlichen<br />
Macht, <strong>der</strong>en Opfer ich bin.<br />
Nach jungianischer Psychologie erwartet die<br />
Adepten, die in das Unbewußte eindringen <strong>der</strong> Hüter<br />
<strong>der</strong> Schwelle. Er ist die Personifikation <strong>der</strong> eigenen<br />
68
Schattenanteile. <strong>Das</strong> klassische Bild aus den Mythen<br />
ist die Sphinx - übersetzt die Würgerin. Ödipus mußte<br />
ihr "Halslöserätsel" lösen. Bevor er in die Stadt<br />
einzieht. Er mußte sich selbst aus <strong>der</strong> Schlinge <strong>der</strong><br />
Angst befreien. "Was hat am morgen vier Beine, am<br />
Mittag zwei <strong>und</strong> am abend drei?" In den<br />
unterschiedlichen Stadien des <strong>Leben</strong>s bleibt <strong>der</strong><br />
Mensch ein Mensch. Der Körper wandelt sich.<br />
Ich behaupte, er hatte keine Angst. Die hatte er<br />
schon vorher besiegt. Er wußte die Antwort auf die<br />
Frage nach dem Menschen sofort.<br />
DER MORGEN DANACH<br />
Am nächsten Morgen ist alles an<strong>der</strong>s. Bin ich an<strong>der</strong>s.<br />
Meine Welt ist an<strong>der</strong>s. Bereichert um eine völlig neue<br />
Dimension des <strong>Leben</strong>s. Die ich vorher nicht mal<br />
erahnt habe.<br />
Ich habe meine Unschuld verloren. Im Hinblick auf<br />
eine doch recht naive Sichtweise. Zu denken ich sei<br />
mein Körper ist jetzt ein völlig absur<strong>der</strong> Gedanke. Ich<br />
lebe in meinem Körper. Offensichtlich in einer Art<br />
Schutzhöhle, die mich abschirmt von weiteren<br />
Dimensionen des <strong>Das</strong>eins. Ich kann jetzt<br />
unterscheiden in existenziellen Kategorieren - <strong>Leben</strong>,<br />
<strong>Tod</strong>, Geist, Materie, Macht, Ohnmacht etc. Die<br />
Dualität ist mir existenziell bewußt geworden. Und<br />
damit bin ich raus aus dem Garten <strong>der</strong> Naivität.<br />
Wir wollen abreisen. Es regnet, <strong>und</strong> ich sehe von <strong>der</strong><br />
Veranda des Hotels den Felsen <strong>der</strong> Elephant Cave,<br />
<strong>der</strong> jetzt wirklich wie ein Elephantenkopf inmitten des<br />
Grüns herausglänzt im tropischen Dauerregen. Auch<br />
ein Topos aus dem Mythos: Wenn <strong>der</strong> Dämon, die<br />
Personifikation <strong>der</strong> Angst, besiegt ist, fängt es an zu<br />
regnen.<br />
Ich will noch mal zum Yogi gehen bevor unser Bus<br />
fährt. Wir leihen uns vom Hotel einen Regenschirm<br />
<strong>und</strong> gehen zur Elephant Cave.<br />
Ich schil<strong>der</strong>e ihm die Erfahrungen <strong>der</strong> letzten Nacht.<br />
Und konfrontiere ihn mit meiner Angst vor<br />
Manipulation. Er hört ungerührt zu. Und reagiert<br />
nicht. Kein Kommentar. Einige Jugendliche aus dem<br />
69
Dorf, die ihn gerade besuchen <strong>und</strong> offensichtlich<br />
auch vom "Apfel <strong>der</strong> Erkenntnis" genascht haben,<br />
fanden die Erfahrung interessant. Vielleicht reicht das<br />
ja als Kommentar.<br />
Zum Abschied bekommen Martina <strong>und</strong> ich je<strong>der</strong> ein<br />
Mantra "Om clim" gesagt, das wir vertraulich halten<br />
sollen <strong>und</strong> einen Talismann, <strong>der</strong> mit beson<strong>der</strong>en<br />
Kräutern gefüllt ist, die bei Vollmond gepflückt<br />
wurden. <strong>Das</strong> kostet uns 200,-DM. Wir fühlen uns<br />
geprellt. Zweihun<strong>der</strong>t Mark haben in Indien die<br />
Kaufkraft von 3.000,-DM. Aber damit ist mein<br />
Schuldgefühl getilgt. Fürs erste. Wir reisen ab.<br />
BLEIERNE ZEIT<br />
In den folgenden Tagen fühle ich mich unendlich<br />
schwer, erschöpft <strong>und</strong> müde. Mein Körper ist wie<br />
Blei. Dazu die Hitze. Der Körper for<strong>der</strong>t<br />
Aufmerksamkeit. Meine Kraft wird dominiert von den<br />
körperlichen Anfor<strong>der</strong>ungen.<br />
Wir durchreisen Städte, die ich allesamt schrecklich<br />
finde. Udaipur, Chittorgarh, Kota - heiß, staubig, laut,<br />
arm. <strong>Das</strong> Essen ist mies. Ich vertrage es nicht. Wir<br />
ernähren uns von Obst <strong>und</strong> Reis. Meine Restkraft<br />
schmilzt dahin.<br />
Am liebsten würde ich nach Goa fahren an den<br />
Strand. Zum Erholen. Martina besteht auf Agra.<br />
Okay, also drei Tage Agra. Dann zurück nach Dehli,<br />
wo wir eine Zugfahrt nach Goa buchen wollen. In<br />
Dehli werden wir jedoch beide krank. Und sitzen 10<br />
Tage fest. Beziehungsweise liegen fest.<br />
Wir vertragen das Essen <strong>der</strong> Garküchen <strong>und</strong><br />
Restaurants nicht. Ein In<strong>der</strong> kocht für uns weißen<br />
Reis. Was an<strong>der</strong>es vertragen wir nicht. Wir haben<br />
beide hohes Fieber <strong>und</strong> Durchfall. Ein indischer Arzt<br />
verschreibt uns Pillen, die wir einzeln in einem<br />
kleinen Kiosk kaufen, wo Medikamente wie bunte<br />
Bonbons gehandelt werden. Es sind schwere<br />
Geschütze soweit ich mich erinnere. Die jedoch<br />
nichts ausrichten.<br />
Erst <strong>der</strong> Schweizer Botschaftsarzt, <strong>der</strong> deutsch<br />
spricht, diagnostiziert eine simple Dehydration. Wir<br />
70
haben zuwenig Flüssigkeit aufgenommen. Ein paar<br />
Portionen Elektrolyte <strong>und</strong> unser Ges<strong>und</strong>heitszustand<br />
verbessert sich zusehens.<br />
Dann fliegen wir nach Colva, Goa. Endlich Strand,<br />
Sonne, Meer <strong>und</strong> gutes Essen. Aber jetzt geht es erst<br />
richtig los.<br />
LAST EXIT GOA<br />
Wir ereichen Goa per Flugzeug. Endlich Strand,<br />
Palmen <strong>und</strong> <strong>der</strong> salzige Ozean. Erholung pur.<br />
Frischer Fisch. Kokosnussmilch, Mangos <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e<br />
tropische Früchte.<br />
Martina kauft am Strand ein Stück Haschharz. Ich<br />
nehme vom ersten Joint nur einen einzigen Zug <strong>und</strong><br />
schon steht die innere Standleitung nach Mount Abu.<br />
Ich bilde mir ein, innere Stimmen zu hören, die mich<br />
fragen, warum ich meine Yoga-Übungen nicht weiter<br />
praktiziere.<br />
Zunächst sage ich Martina nichts davon. Denn ich<br />
glaube, ich sei kurz vor <strong>der</strong> Erleuchtung. Kriege<br />
Christusvisionen, denke ich sei die Reinkarnation<br />
Shivas. An Schlaf ist nicht mehr zu denken. Mein<br />
Geist arbeitet non-stop. Mein Zustand wird<br />
unerträglich.<br />
Wir ziehen um von Colva nach Benaulim ins L´amour<br />
beach. Martina will alleine weiterreisen. Ohne ihre<br />
Credit-Card bin ich jedoch blank. <strong>Das</strong> bringt sie dann<br />
doch nicht übers Herz.<br />
Mir geht es immer schlechter. Angstzustände,<br />
Seelenverlust, Verfolgungswahn. Komplette<br />
Schlaflosigkeit. Jeden Tag, jede Nacht. R<strong>und</strong> um die<br />
Uhr.<br />
MAGISCHE TAGESSCHAU<br />
Eines morgens gehe ich vor unsere Strandhütte <strong>und</strong><br />
sehe auf einen Blick was <strong>der</strong> Tag bringen wird. Vor<br />
offenen Augen eine Art Zukunftsschau in einem Bild<br />
eingefroren - zusammen mit einer geistigen<br />
Bildunterschrift - die sich in Realzeit in Zeitlupe<br />
ausgestaltet. Ein geistiger Teleprompter. Ein<br />
71
Startbild, das den gesamten Film eingefroren<br />
zusammenhält. Dann löst sich die Stopptaste <strong>und</strong> die<br />
Tagesschau beginnt. <strong>Das</strong> Startbild entlässt alle Bil<strong>der</strong><br />
in linearer Reihenfolge. Wie auf einem Rollbild<br />
entfalten sich die Bil<strong>der</strong>. Ein Trailer für den Tag. Eine<br />
Mini-Zukunftsschau.<br />
Es beginnt im Strandcafé wo ich Charley aus<br />
Göttingen treffe. Ihm ist das Geld ausgegangen <strong>und</strong><br />
bis zur nächsten telegrafischen Anweisung aus<br />
Deutschland muss er sich irgendwie durchschlagen.<br />
Er verkauft sein "Glasperlenspiel" von Hermann<br />
Hesse.<br />
Ich beginne sofort zu lesen. Der Inhalt scheint meine<br />
inneren Erzählstränge zu verknüpfen. Immer mehr<br />
Kreise des Verstehens schließen sich. Plötzlich<br />
fließen die Zeilen in meinen Blick hinein.<br />
Als wenn das Buch beginnt, mich zu lesen. Ich<br />
brauche nur noch auf die Seite zu schauen <strong>und</strong> die<br />
Buchstaben <strong>und</strong> Zeilen fließen automatisch in mein<br />
Bewußtsein. <strong>Das</strong> also ist schnelllesen. Wun<strong>der</strong>bar<br />
einfach <strong>und</strong> wirklich atemberaubend zackig.<br />
Am Ende sehe ich das Buch als eine einzige<br />
zusammenhängende Struktur, wie eine gewobene<br />
Textilie. Allerdings von nicht sehr hoher Qualität. Es<br />
wirkt eher wie ein Geschirrtuch.<br />
<strong>Das</strong> Wort Texten entstammt ja dem lateinischen<br />
texere, was soviel wie weben heißt. Nach dieser<br />
Erfahrung ist das ein völlig verständlicher<br />
Hintergr<strong>und</strong>. Wahrscheinlich sind alle Texte in ihrer<br />
Tiefenstruktur ein Gewebe. Lei<strong>der</strong> blieb diese<br />
Fähigkeit des Hochgeschwindigkeitslesens nicht<br />
erhalten. Es gibt auch einen klaren Nachteil. Die<br />
linearen Inhalte kann man nicht speichern, son<strong>der</strong>n<br />
nur einen ganzheitlichen Gefühlseindruck.<br />
SPALTHOLZ<br />
Am Strand treffe ich Marc Keller, einen Werbetexter<br />
aus Amerika. Er hat über die amerikanische<br />
Werbeszene ein Buch geschrieben <strong>und</strong> ist dann<br />
ausgestiegen.<br />
72
Ich erzähle ihm von meinen Erfahrungen. Und er<br />
warnt mich, dass ich die Einflüsse dringend abbauen<br />
muß. "Sieh zu, dass du da runter kommst. Wenn<br />
nicht, kenne ich einige Leute, die die Tore <strong>der</strong><br />
Wahrnehmung wie<strong>der</strong> schließen können."<br />
Meine Verbindung zwischen Körper <strong>und</strong> Geist klafft<br />
auseinan<strong>der</strong> wie ein gespaltenes Stück Holz. Die<br />
Tore meiner Wahrnehmung stehen offen wie ein<br />
Scheunentor. Wie kann ich das selbst wie<strong>der</strong><br />
schließen? Wie kann ich mich stabilisieren? Wie<br />
kriege ich meine altes <strong>Leben</strong> zurück?<br />
Ich mache Dauerlauf am Strand, um mein<br />
Körpergefühl zu retten. Ohne Ergebnis. Ich schaue<br />
aufs Meer. Dabei werde ich selbst zum Wellengang.<br />
Am liebsten würde ich mich dem Kommen <strong>und</strong><br />
Gehen hingeben. Ein letzter Zipfel hält mich bei<br />
Verstand <strong>und</strong> am Strand.<br />
Zwei Nächte verbringe ich beim Ex-Werbetexter Marc<br />
<strong>und</strong> erzähle alles im Detail.<br />
Ganz klar: Ich bin in einer Psychose gelandet. Am<br />
Ende verdächtige ich ihn sogar als Agent des Yogis,<br />
<strong>der</strong> irgendeinen Einfluß auf mich ausüben will. "Töte<br />
Buddha, wenn du ihn siehst", erinnere ich einen Satz<br />
aus den buddhistischen Schriften. "Töte den Teufel,<br />
wenn du ihn siehst", würde ich jetzt ergänzen.<br />
AUF DER NACHTSEITE DES LEBENS<br />
Es ist mitten in <strong>der</strong> Nacht. Es regnet. So wie vor<br />
Wochen in Mount Abu. <strong>Das</strong> Gefühl von ungewollter<br />
Verb<strong>und</strong>enheit mit einem an<strong>der</strong>en Bewußtsein ist<br />
immer präsent. Ich wehre mich. Und genau dieser<br />
Wi<strong>der</strong>stand bildet die Verbindung. <strong>Das</strong> aber vermag<br />
ich in diesem Moment nicht zu erkennen. Ich kämpfe<br />
mit den Geistern, die ich nicht rief.<br />
In dieser Nacht zerschneide ich den Talisman, den<br />
<strong>der</strong> Yogi mir gegeben hat. Ich will damit die<br />
symbolische Verbindung lösen. Dabei merke ich,<br />
dass diese Verbindung ambivalent ist. Ein Teil in mir<br />
will sie, <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e sträubt sich dagegen. Ein<br />
typisches "double-bind".<br />
73
Angeblich sollen im Talisman wertvolle Kräuter sein,<br />
die bei Vollmond gepflückt wurden. Es ist aber nur<br />
ein Stück Papier. Ich verbrenne alles <strong>und</strong> vergrabe<br />
die Reste am Strand.<br />
Während ich eine Nacht bei Marc bin <strong>und</strong> non-stopp<br />
erzähle, klaut jemand aus unserer Hütte unsere<br />
Kamera.<br />
Wir ziehen am nächsten Morgen vom "L´amour<br />
beach resort" in Benaulim nach Trinity Hall (7.11.83).<br />
Dort steigert sich meine Hysterie, Angst <strong>und</strong> Wahn in<br />
ungeahnte Höhen. Ich kann we<strong>der</strong> essen noch<br />
schlafen. Beson<strong>der</strong>s Geräuschwahrnehmungen<br />
empfinde ich beängstigend <strong>und</strong> körperlich intensiv.<br />
Ich schaffe es nur mit äußerste Anstrengung Körper<br />
<strong>und</strong> Seele zusammenzuhalten.<br />
Wenn die Sonne im Meer versinkt <strong>und</strong> <strong>der</strong> Abend<br />
dämmert, schaltet mein Nervensystem, meine<br />
Sinneswahrnehmung um. Analog dämmert nun die<br />
an<strong>der</strong>e Seite meines Bewußtseins. Die unbewußte<br />
Seite. Die Nachtseite.<br />
ICH BIN AUSSER MIR<br />
Rückblickend weiß ich, dass ich in einem an<strong>der</strong>en<br />
Bewußtseinszustand war. Der jedoch so fremd ist,<br />
dass sich mein Verstand dagegen wehrt. Und alles<br />
dafür tut, die altbekannte Wahrnehmung aufrecht zu<br />
erhalten: hier ich, dort das an<strong>der</strong>e <strong>und</strong> <strong>der</strong> Raum<br />
<strong>dazwischen</strong>.<br />
Ich fühlte mich ungewollt eins mit dem, was mich<br />
umgibt. <strong>Das</strong> bedroht meine gewohnte Identität.<br />
Vorher war mein Ich <strong>und</strong> das Nicht-ich war alles<br />
an<strong>der</strong>e. Nun saugt mich alles an<strong>der</strong>e in eine<br />
Einheitswahrnehmung, die die bekannte Ich-Identität<br />
in Frage stellt. Ach was, viel schlimmer, sie bedroht<br />
mich. Wenn das Ich alles ist, stirbt das bekannte<br />
Einzel-ich zu einer Einheit. Wer bin ich, wenn ich<br />
alles bin? Wer ist Ich, wenn Ich das All ist? Wo ist<br />
Ich, wenn alles eins ist?<br />
Alle Sinneseindrücke sind überwältigend. Die<br />
Geräusche des Dschungels, das Rauschen des<br />
74
Meeres, die Gerüche <strong>der</strong> Pflanzen, die Stimmen <strong>der</strong><br />
Menschen. Alles ist auf maximales Volume gedreht.<br />
Meine Sinne haben sich aus <strong>der</strong> Diktatur meiner<br />
Voreingenommenheiten befreit. So sehe ich es aus<br />
heutigem Verständnis.<br />
Am intensivsten wirken religiöse Darstellungen,<br />
Tempel, Götterfiguren. Schreine. Selbst wenn ich sie<br />
nicht sehe, spüre ich ihre Anwesenheit, die meine<br />
Wahrnehmung anzieht wie ein Magnet die<br />
Eisenspäne.<br />
Der Radius meiner Wahrnehmungsfähigkeit ist enorm<br />
ausgedehnt. Weit über die Begrenzungen meines<br />
Körpers hinaus. Für mich ist es aber so, als könnte<br />
ich mich nicht im Körper halten. Die Identifikation mit<br />
dem Körper strebt gegen Null <strong>und</strong> die Ich-Identität<br />
strebt gegen all das an<strong>der</strong>e. Aber das kann ich nicht<br />
verstehen. Und mein Körper auch nicht. Er reagiert<br />
mit <strong>Tod</strong>esangst, den er ins Ich reflektiert.<br />
Ein sehr sehr beunruhigendes Gefühl. Mir ist, als<br />
wäre es stürmisch <strong>und</strong> ich muß mich an einem Baum<br />
festhalten, um nicht weggefegt zu werden. Ich kann<br />
meine Situation nicht verstehen. Mir fehlt das Wissen,<br />
das ich heute habe. Ist Wissen im Bewußtsein<br />
strukturiert?<br />
Ich weiß mir nicht zu helfen. Wir suchen einen Arzt<br />
auf, <strong>der</strong> mir Valium o<strong>der</strong> starke Schlaftabletten<br />
verschreiben soll. Wir finden schließlich einen<br />
Landarzt, <strong>der</strong> seine bescheidene Praxis unter Palmen<br />
betreibt. Ich erkläre ihm vage meine Situation <strong>und</strong><br />
meine Wünsche.<br />
Der denkt wahrscheinlich: "Wie<strong>der</strong> so ein<br />
durchgeknallter Westler". Die Tabletten, die ich<br />
erhalte, än<strong>der</strong>n nichts. Als würden sie auf einer<br />
heißen Herdplatte wirkungslos verdampfen. Mein<br />
Zustand än<strong>der</strong>t sich nicht. Ich kann mich nicht<br />
kontrollieren.<br />
75
UND STERBE VOR ANGST<br />
Wir haben ein kleines Zimmer im ersten Stock eines<br />
öffentlichen Gebäudes bezogen. Es ist riesig mit<br />
Supermarkt, Turnhalle <strong>und</strong> Geschäften. Und nachts<br />
ist es menschenleer. Um uns die Geräusche des<br />
Dschungels.<br />
Direkt neben dem Gebäude liegt ein Friedhof.<br />
Dutzende H<strong>und</strong>e jaulen <strong>und</strong> kläffen die ganze Nacht.<br />
Und ich zittere vor Angst. Vor dem Bösen. Zu allem<br />
Übel habe ich vor einigen Tagen ein Buch gelesen,<br />
das meine Phantasie negativ anpeitscht: Footprints of<br />
the Devil. Dabei hatte ich es zur Stabilisierung<br />
gedacht - eine kuriose Wahl.<br />
Ich hatte eigentlich ein an<strong>der</strong>es Buch mit heiligen<br />
religiösen Texten in <strong>der</strong> Hand <strong>und</strong> eine innere<br />
Stimme drängte mich - "ja, ja, kaufe es". Aber diese<br />
inneren Stimmen fand ich viel unheimlicher <strong>und</strong> habe<br />
statt dessen das an<strong>der</strong>e schwarze "schweigende<br />
Buch" gewählt.<br />
Ich mache kein Auge zu. Vor Angst. Morgens ist<br />
meine Kehle wie zugeschnürt. Ich brauche eine<br />
St<strong>und</strong>e um ein Frühstücksei zu essen. Die Sonne, die<br />
Gerüche, die durchwachten Nächte haben mich völlig<br />
aufgeweicht. Werde ich verrückt? Ich brauche Jahre,<br />
um alles zu integrieren <strong>und</strong> mir zu erklären. Es dauert<br />
ein Jahr, bis sich eine körperlich, geistige Stabilität<br />
wie<strong>der</strong> einstellt.<br />
Ich sehne mich nach vertrauter Umgebung. Nach<br />
westlicher Welt. Hier auf dem indischen Subkontinent<br />
herrscht ein an<strong>der</strong>er Geist, wirken an<strong>der</strong>e<br />
Naturgesetze. Auch hier im christlichen Goa. Mir ist<br />
unheimlich. Ich fürchte mich. Um meine Seele.<br />
<strong>Tod</strong>esangst ist nichts dagegen. Ich hatte schon<br />
immer eine komplexere <strong>Tod</strong>esvorstellung. Als<br />
Schüler hatte ich das Tibetanische Totenbuch<br />
gelesen. Soweit ich zurückdenken kann, war <strong>der</strong> <strong>Tod</strong><br />
für mich schon immer die Bezeichnung für einen<br />
Wendepunkt von einer Darstellungsform in eine<br />
an<strong>der</strong>e. Ich habe keine Angst, mein <strong>Leben</strong> zu<br />
verlieren. Ich zitterte um die Freiheit meiner Seele.<br />
Der Körper kann ruhig sterben, die Seele stirbt<br />
76
sowieso nicht. Aber die Freiheit <strong>der</strong> Seele? Ich weiß<br />
nicht. Ich fürchte mich.<br />
Unser Vermieter in Trinity Hall ist ein katholischer<br />
Priester, <strong>der</strong> uns vor unserer Abreise segnet. Dazu<br />
kleidet er sich im vollen Ornat. Ihm hatte ich mich<br />
kurz anvertraut. "Die Yogis wissen mehr," sagt er nur.<br />
Und überläßt es mir, meine Schlüsse zu ziehen.<br />
Klar, denke ich, die christliche Kirche weiß eigentlich<br />
gar nichts. Versucht sie sich ihre Unschuld zu<br />
erhalten? O<strong>der</strong> ist sie ignorant? O<strong>der</strong><br />
machtversessen <strong>und</strong> unterdrückt geistiges Wissen?<br />
Wissen, das in die Selbstbestimmung führt, Freiheit<br />
<strong>und</strong> Unabhängigkeit ermöglicht. Soviel ich weiß, sind<br />
die Bibliotheken des Vatikans voll mit Literatur, die an<br />
Erkenntnistiefe den Schriften des Ostens nicht<br />
nachstehen.<br />
Die religiösen Vorstellungen hier im Westen sind<br />
doch im allgemeinen sehr naiv <strong>und</strong> oberflächlich. Und<br />
wenig ausgeprägt. Vielleicht ist dies auch die Folge<br />
einer gewissen Bequemlichkeit, die die<br />
Verantwortung gerne an einen Gott abgibt. <strong>Das</strong><br />
christliche Motto "Herr, dein Wille geschehe"<br />
impliziert ja auch eine gewisse fatalistische Haltung.<br />
Eigene Anstrengung zur Glaubensvertiefung wird<br />
nicht angeregt. Eher abgewiegelt. Sehr geschickt von<br />
<strong>der</strong> Kirche erdacht. Ich bin kein Kirchenfre<strong>und</strong>.<br />
HONGKONG RESCUE<br />
Ich will hier weg. Unser Ticket ist nach Hongkong<br />
durchgebucht. Aber zur Zeit geht kein Flug. Wir<br />
stehen auf <strong>der</strong> Warteliste <strong>und</strong> fragen täglich nach<br />
Möglichkeiten. Am 62. Reisetag kriegen wir endlich<br />
einen Flug nach Hongkong. Endlich wie<strong>der</strong> eine<br />
<strong>Leben</strong>sweise, die mit <strong>der</strong> westlichen konform ist.<br />
Bekannte Markenwelten geben mir ein Gefühl von<br />
Heimat.<br />
<strong>Das</strong>s Markenwelten Heimatgefühle wecken, zeigt ja<br />
auch wie sehr ich in Konsumwelten geb<strong>und</strong>en bin<br />
<strong>und</strong> wie wenig in religiösen Welten. Ich denke, hier in<br />
Hongkong kriege ich mein altes <strong>Leben</strong> zurück.<br />
Zwischen McDonalds <strong>und</strong> Pizza Hut, zwischen Sony<br />
<strong>und</strong> Nike. Die selbstverordnete Umfeldtherapie bringt<br />
77
zunächst wenig. Denn die Angst bleibt <strong>und</strong> die<br />
Energiezustände ebenso.<br />
<strong>Das</strong> wohl außergewöhnlichste passiert mir vor<br />
Shakey´s Pizzeria. Wir gehen über einen öffentlichen<br />
Platz. Zur Mittagszeit. Plötzlich ist mein Körper<br />
lichtdurchflutet <strong>und</strong> ganz transparent. Ich kann nach<br />
innen <strong>und</strong> nach außen in jede Richtung gleichzeitig<br />
blicken. Als würde ich von außen auf mich <strong>und</strong> von<br />
innen aus mir heraus schauen. Ich bin komplett<br />
transzendiert. Kein Körpergefühl. Ich sehe mich von<br />
außen <strong>und</strong> kann zugleich r<strong>und</strong>um wahrnehmen.<br />
Allumfassendes dezentrales <strong>und</strong> vor allem<br />
körperloses Wahrnehmen.<br />
Etwa 200 Meter entfernt auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite des<br />
Platzes steht <strong>der</strong> Yogi <strong>und</strong> schaut mich an. Er sieht<br />
aus wie ein Obdachloser, in Lumpen gekleidet. Eine<br />
Illusion? Martina sieht ihn aber auch. Ich sehe <strong>und</strong><br />
will nicht wahr haben, was ich sehe. Einfach<br />
weitergehen, denke ich.<br />
Pizza Quattro Staggioni <strong>und</strong> Bier erscheinen mir die<br />
gesün<strong>der</strong>e Alternative. Dieser Seite gebe ich den<br />
Vorrang gegenüber <strong>der</strong> spirituellen Sogkraft.<br />
Zwischen diesen Polen werde ich noch Jahre hin <strong>und</strong><br />
herkämpfen. Ein Befreiungskampf. Freiheit von<br />
beiden Seiten. Erst das ist echte Unabhängigkeit. Die<br />
Freiheit von religiösen Welten <strong>und</strong> die Freiheit von<br />
Markenwelten.<br />
WEITER NACH CHINA<br />
Nach eine Woche im Konsumwun<strong>der</strong>land Hongkong<br />
verlassen wir die Stadt mit Ziel China. Damals<br />
brauchte man noch für jeden Ort ein geson<strong>der</strong>tes<br />
Visum. Die Stimmung än<strong>der</strong>t sich etwas. Hier gibt es<br />
keinen religiösen Geist, <strong>der</strong> lebendig ist. Mir gefällt es<br />
hier nicht. Eine dumpfe Atmosphäre. Glotzende<br />
Augen. Wir reisen die Küste entlang bis auf die Insel<br />
Hainan. Im Golf von Tonking. Eigentlich dürften wir<br />
hier nicht sein. Dafür reichen unsere Visa nicht. Aber<br />
es hin<strong>der</strong>t uns keiner. Am Strand von Hainan schlägt<br />
direkt neben uns eine Kugel in den Sand ein. Ein<br />
Irrläufer vom Truppenübungsplatz gleich nebenan ?<br />
O<strong>der</strong> ein Warnschuss des Schicksals?<br />
78
Wir buchen eine Schiffspassage durch das<br />
Südchinesische Meer zurück nach Hong Kong. Zwei<br />
Tage schlechte See, mieses Essen, miese<br />
Stimmung. Ein einziges Aushalten. Von Hongkong<br />
weiter auf die Philippinen. Die wie ein weiterer<br />
amerikanischer B<strong>und</strong>esstaat wirken. Aber erholsame<br />
Tage bieten.<br />
Nach 103 Reisetagen fliegen wir von Metro Manila<br />
zurück nach Frankfurt. Endlich wie<strong>der</strong> auf heimischen<br />
Boden. Aber <strong>der</strong> wankt.<br />
ZURÜCK IM WESTEN<br />
Ich bin zwar wie<strong>der</strong> im Westen, aber mein Wesen<br />
bleibt im Osten. Dadurch öffnet sich ein an<strong>der</strong>er<br />
Zustand. Eine an<strong>der</strong>e bisher verdeckte Landkarte.<br />
Eine psychische Landkarte in <strong>der</strong> ich mich unsicher<br />
bewege. Die neu ist, die sich fast aufdrängt <strong>und</strong><br />
bereist werden will.<br />
Wenn die Sicherheit verloren geht, weiß man: Es gibt<br />
keine Hilfe. Außer in dir selbst. Aber wie kannst du dir<br />
trauen? Ein langer, langer Weg. Eine an<strong>der</strong>e Art <strong>der</strong><br />
Reise. Zu sich selbst.<br />
OUT OF BODY<br />
Sobald ich mich entspanne, falle ich unfreiwillig in<br />
eine Trance. Mein Körper erstarrt zur<br />
Bewegungslosigkeit. Ich kann nichts bewegen. Von<br />
den Füssen steigt Energie auf mit <strong>der</strong> Intensität eines<br />
Sandstrahlgebläses. Sie fegt durch den gesamten<br />
Körper. Alles ist Energie. Keine Form mehr, son<strong>der</strong>n<br />
nur Energie. Ich wun<strong>der</strong>e mich anfangs, dass <strong>der</strong><br />
Körper bei dieser Intensität nicht zerstört wird. O<strong>der</strong><br />
sich auflöst in einen Sandsturm.<br />
Nur mit äußerster Anstrengung meines Willens bringe<br />
ich etwas Bewegung in meinen Körper. <strong>Das</strong> bewirkt<br />
ein Umschalten <strong>der</strong> Wahrnehmung zurück zur Form.<br />
79
OUT OF ORDER<br />
Meine bisher vertraute Identität ist nur noch ein vager<br />
Ort. Ich lasse alles los. Will alles loslassen. Will mein<br />
altes <strong>Leben</strong> nicht mehr. Und verabschiede mich<br />
rigoros von jedem <strong>und</strong> allem: Martina, Wohnung,<br />
Studentenjob, Uni, Fre<strong>und</strong>en, Gewohnheiten <strong>und</strong><br />
schließlich auch von den Ersparnissen. Nichts bleibt<br />
haften. Alles löst sich auf.<br />
Ich habe ständig unfreiwilige außerkörperlicher<br />
Erfahrungen. Hun<strong>der</strong>te im Laufe <strong>der</strong> Zeit. Am Anfang<br />
dokumentiere <strong>und</strong> erforsche ich die verschiedenen<br />
Ebenen.<br />
Die magere Literatur, die zu diesem Zeitpunkt<br />
verfügbar ist, kann ich nicht lesen. Denn was dort<br />
beschrieben ist, beginnt sich sofort zu manifestieren.<br />
Als wenn das Bewußtsein das Beschriebene sofort<br />
nachbildet.<br />
JA ODER NEIN<br />
Eines Tages spüre ich in meinem Zimmer die<br />
Anwesenheit eines an<strong>der</strong>en Bewußtseins. Im<br />
Moment, in dem ich es bemerke, verstärkt sich die<br />
Präsenz. Verdichtet sich durch meine Ahnung zur<br />
Form. Wie aus dem Nichts ziehen sich an einen<br />
Punkt im Raum Formpartikel zu einem Körper<br />
zusammen. Der Yogi erscheint in vager Form.<br />
Der ganze Raum ist von einem JA erfüllt. Fast ist kein<br />
Platz mehr für ein zweites. Dem setze ich mit meiner<br />
ganzen Kraft ein NEIN entgegen. <strong>Das</strong> Ja will sich zur<br />
Form verdichten. Es ist faszinierend. Der Kern <strong>der</strong><br />
Erscheinung zieht aus <strong>der</strong> Umgebung Materie an. Als<br />
würde die Umgebung formgebene Partikel spenden.<br />
<strong>Das</strong> Umfeld assistiert dem zukommenden Neuen für<br />
seine Absicht. O<strong>der</strong> ist die Materie vom Geist gar<br />
nicht verschieden? Und alles ist ein gemeinsamer<br />
Geist, nur unterschieden durch unterschiedlich starke<br />
Absichten.<br />
<strong>Das</strong> entscheidet die Anschauung. Es gibt<br />
unterschiedliche Frequenzen. So wie beim Radio.<br />
Verschiebt man den Fokussierungspunkt auf <strong>der</strong><br />
80
Skala, dann empfängt man eine an<strong>der</strong>e Realität. So<br />
auch im <strong>Leben</strong>. Vielleicht ist mein<br />
Fokussierungspunkt "verrutscht".<br />
Carlos Castaneda spricht vom Montagepunkt, <strong>der</strong><br />
uns mit einer bestimmten Ebene von Realität<br />
verbindet. Verschiebt man ihn, schaltet man direkt<br />
um in eine an<strong>der</strong>e Realität. Zum Test, ob seine<br />
Schüler das Verschieben beherrschen, läßt er sie von<br />
einer 200 m hohen Klippe springen. Während des<br />
Stürzens müssen sie eine an<strong>der</strong>e Realität herstellen.<br />
Durch Verschieben des Montagepunktes. Nur für<br />
Fortgeschrittene empfehlenswert.<br />
Mein Nein nimmt zu <strong>und</strong> zugleich <strong>der</strong> Druck des Jas<br />
auf <strong>der</strong> Gegenseite. An einem Punkt sind Ja <strong>und</strong><br />
Nein gleichstark <strong>und</strong> ich <strong>und</strong> er unmittelbar nah. Fast<br />
aus einem gemacht. Nur durch Wille geschieden. An<br />
diesem Kummulationspunkt verpufft die<br />
Wahrnehmung.<br />
UNTERWEGS IN SPIRITLAND<br />
In den folgenden Monaten bin ich bei den<br />
verschiedensten spirituellen Traditionen auf <strong>der</strong><br />
Suche nach einer für mich geeigneten Methode, die<br />
innere Landkarte zu bereisen <strong>und</strong> zu stabilisieren.<br />
Auch auf <strong>der</strong> Suche das Geschehene zu verstehen.<br />
Erfahrung allein hilft mir nicht. Verständnis muss<br />
hinzukommen. Ohne Verstehen taugt Erfahrung zu<br />
gar nichts. Aber das Verstehen muss objektiv sein.<br />
Subjektive Persönlichkeitserkenntnis interessiert mich<br />
nicht. Therapeutische Ansätze finde ich flach. Und<br />
das sich Hineinsteigern in ekstatische Zustände o<strong>der</strong><br />
religiöse Verzückung o<strong>der</strong> Schwärmerei sind mir ein<br />
Greuel.<br />
Ich suche nach einer verlässlichen Methode<br />
systematischer Selbsterforschung. Ich habe zwei<br />
Kriterien angelegt: eine weltanschaulich neutrale<br />
Methode, ohne Gurufixierung <strong>und</strong> ohne<br />
Gruppenorientierung.<br />
Ich bin in allen Traditionen unterwegs, die <strong>der</strong><br />
Berliner Eso-Markt an spirituellen Eitelkeiten zu<br />
bieten hat: bei indianischen Schamanen,<br />
81
tibetanischen Tulkus, indischen Gurus,<br />
Erweckungschristen, Astralreisenden,<br />
Handauflegern, Astrologen, Auralesern, Tantrikern -<br />
ich lasse nichts aus. Und reise 288 Tage durch den<br />
Dschungel <strong>der</strong> Welterleuchtungslehren.<br />
Schließlich lande ich bei einer sehr nüchternen<br />
Methode, die ich immer noch ausübe: die<br />
Transzendentale Meditation.<br />
Mit diesem Vehikel reise ich vier Jahre durch<br />
unendliche innere Welten. Chakra, K<strong>und</strong>alini, Veden,<br />
Sidhis, Nirvana, Gurus <strong>und</strong> allerlei Hokos-pokus.<br />
Reisen im äußeren brauche ich nicht. Ich entspanne<br />
<strong>und</strong> reise in die entlegensten Winkel des Geistes.<br />
Als ich am an<strong>der</strong>en Ende rauskomme, sitze ich auf<br />
<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite <strong>der</strong> Weltanschauung. In einer<br />
kleinen düsteren Werbeagentur in Goslar am<br />
Harzrand.<br />
IN DER ZWISCHENWELT<br />
Ein gutes Beispiel für self-fullfilling prophecy. Ich<br />
dachte immer, bis 30 bin ich Student, Rumtreiber <strong>und</strong><br />
Globetrotter. Und brauche mir keine Gedanken über<br />
die Wahl eines Berufes zu machen.<br />
Einen Tag nach meinem 30igsten Geburtstag habe<br />
ich meinen ersten Arbeitstag als Werbetexter <strong>und</strong><br />
sitze in einem düsteren, nikotingeschwängerten<br />
Raum mit Grastapete <strong>und</strong> erotischen Bil<strong>der</strong>n an den<br />
Wänden. Vor mir sitzt Alexan<strong>der</strong> Sowa. Klein, dicke<br />
Brille. Los geht´s in eine an<strong>der</strong>e Richtung.<br />
IN DER WELT DER DINGE<br />
Die Dinge sind die Schatten unserer Gedanken. Und<br />
unsere Gedanken sind die Schatten <strong>der</strong> Dinge. Wir<br />
sehen die Dinge, die zu unseren Gedanken passen.<br />
So wie <strong>der</strong> Schatten zur Sache passt. Etwas verzerrt<br />
<strong>und</strong> <strong>und</strong>eutlich zwar. Aber untrennbar verb<strong>und</strong>en.<br />
Haben wollen ist ein natürlicher Impuls des<br />
Begreifens. Er hilft uns, über die Dinge besser an die<br />
Gedanken zu erinnern.<br />
82
Werbung macht aus Haben wollen, besitzen wollen.<br />
Und aus simplen Dingen begehrliche Produkte. Und<br />
aus dem natürlichen Impuls des Dienen wollens eine<br />
Dienstleistung.<br />
Von Produkten geht eine verstärkte Sogkraft aus, die<br />
aktiv nach unseren Gedanken greift. Aus Begreifen<br />
wollen ist besitzen wollen geworden.<br />
Werbung ist eine Art Licht. <strong>Das</strong> die Dinge bestrahlt.<br />
Die Dinge werfen ihren Schatten in unsere<br />
Gedankenwelt. Und ein Wie<strong>der</strong>erkennungseffekt löst<br />
den Besitzen-wollen-Impuls aus. Ja, ich will haben!<br />
Religion ist ein an<strong>der</strong>es Licht. Ideen werfen ihre<br />
Schatten in unseren Geist. Und lösen den Seinwollen-Impuls<br />
aus. Ja, ich will sein!<br />
Beides ist Illusion. Weil das Ich, <strong>der</strong> Bezugspunkt <strong>der</strong><br />
Wahrnehmung Illusion ist. Die Warenwelt versklavt<br />
<strong>und</strong> die sogenannte "wahre Welt" genauso.<br />
SPEEDKING RÜCKWÄRTS<br />
Wir leben das <strong>Leben</strong> vorwärts <strong>und</strong> verstehen es<br />
rückwärts hat einmal ein kluger Mann behauptet.<br />
Was passiert wenn wir es rückwärts leben?<br />
<strong>Das</strong> vergangene <strong>Leben</strong> ist unmittelbar Wirkung <strong>der</strong><br />
Gegenwart. Wir erleben die Vergangenheit im Jetzt<br />
<strong>und</strong> gestalten daraus die Vergangenheit des Morgen.<br />
Auf einer meiner schamanistischen Reisen ging es<br />
darum in vergangene <strong>Leben</strong> zu reisen. Was zuerst<br />
gar nicht klappte <strong>und</strong> dann aber extrem gut klappte.<br />
Zuerst sah ich meine <strong>Leben</strong> in linearer Folge. Dann<br />
sah ich sie alle gleichzeitig. Immer mehr gleichzeitig.<br />
Tausende.<br />
Lei<strong>der</strong> erreiche ich nicht den uranfänglichen Anfang.<br />
Wenn es den überhaupt gibt. Mein ich ist eine Röhre,<br />
wie ein Kaleidoskop. Wenn sich das Bewußtsein<br />
verlangsamt, erelbt man die Teile in linearer Folge.<br />
Beschluenigt das Bewußtsein, sieht man die Teile<br />
gleichzeitig <strong>und</strong> hintereinan<strong>der</strong>. Tunnelblick seit<br />
Äonen. Vielleicht löst sich <strong>der</strong> Tunnelblick am Ende.<br />
Kann die Ursache die Wirkung überholen <strong>und</strong> die<br />
83
Wirkung aufsaugen. Bis pure Ursächlichkeit<br />
dominiert? Was kommt dann?<br />
Wir sehen alles was sichtbar ist <strong>und</strong> zusätzlich die<br />
Details <strong>und</strong> Ausschnitte. Dann verschwimmt das<br />
Ganze. Es ist immer <strong>der</strong> Wechsel vom Ganzen aufs<br />
Teil <strong>und</strong> zurück nach innen, voraus nach außen. Ein<br />
beständiges Auskleiden des Bewußtseinsraumes mit<br />
Eindrücken. Fokussierungspunkte können wir nach<br />
freier Entscheidung wählen.<br />
84
INTRO 3:<br />
DAS REISEN IN DIE ZWISCHENWELT.<br />
In <strong>der</strong> wahren Welt liegt die Warenwelt. Im dritten <strong>und</strong><br />
letzten Teil meiner Betrachtungen wird um die Welt <strong>der</strong><br />
Werbung kreisen. Alles zusammen erscheint zum<br />
Jahresende 2004 in Buchform.<br />
Copyright by<br />
<strong>Andreas</strong> Don<strong>der</strong> unterwegs<br />
ZIELE WEGE RESULTATE<br />
Rothenbaumchaussee 27<br />
20148 HAMBURG<br />
FON: 040/4107506<br />
FAX: 040/4504368<br />
MOB: 0179/9266388<br />
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ONLINE: http://www.Don<strong>der</strong>-unterwegs.de/<br />
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