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Das Leben, der Tod und dazwischen der Aldi - Andreas Donder ...

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<strong>Das</strong> <strong>Leben</strong>, <strong>der</strong> <strong>Tod</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>dazwischen</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Aldi</strong>-Markt.<br />

Unterwegs<br />

in Sri Lanka, Indien <strong>und</strong> <strong>der</strong> Warenwelt<br />

Reisebeschreibungen<br />

ANDREAS DONDER<br />

Hamburg<br />

Stand: 26.1.04<br />

1


"Die Vögel im Flug, so behauptet <strong>der</strong> Architekt<br />

Vincenzo Volentieri, leben nicht zwischen den Orten,<br />

sie haben ihren Ort bei sich. Wir fragen uns nie, wo<br />

sie leben: sie sind am Himmel zu Hause, im Flug. Ihr<br />

<strong>Das</strong>ein in dieser Welt ist das Fliegen." Geoff Dyer<br />

2


INTRO 1:<br />

DAS REISEN ZUM ENDE VOM ANFANG.<br />

Wenn ich meine Reisen anschaue, erkenne ich<br />

rückblickend vier verschiedene Typen: Reisen zu<br />

einem Bleibe-Ort, <strong>der</strong> klassische Urlaub. Reisen zu<br />

einem geographischen Ziel. Reisen, die das<br />

"Unterwegs-sein" zum Ziel haben. Innere Reisen mit<br />

Erkenntniszielen. Und Kombinationen daraus.<br />

Mein erster Reisezyklus hatte das "Unterwegs-sein"<br />

zum Ziel. Inspiriert durch Kerouac <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e<br />

Beatniks vagab<strong>und</strong>ierte ich zwischen 1979-1983<br />

durch Europa, USA, Südamerika <strong>und</strong> Asien. Mit<br />

knapper Reisekasse auf Tramp-Tour. In kürzeren <strong>und</strong><br />

längeren Etappen mit insgesamt mehr als 830<br />

Reisetagen <strong>und</strong> einer Strecke von gefühlten 250.000<br />

Kilometern.<br />

Auf diesen Reisen wollte ich mich selbst überholen.<br />

Mein begrenztes Ich entgrenzen. Durch pausenloses<br />

Untwegs-sein mich selbst transzendieren. Ende 1983<br />

erreichte ich den traumatischen Höhepunkt dieser<br />

Zielsetzung. Der sich allerdings zum höchst<br />

konstruktiven <strong>Leben</strong>swendepunkt entfaltete, von dem<br />

aus ich zum nächsten Reisezyklus aufbrach. Dem<br />

inneren Reisen.<br />

Von 1984-1987 reiste ich ausschließlich zu inneren<br />

Zielen. Während dieser Periode habe ich meine<br />

Höhle auf dem Matterhorn nicht verlassen. Und bin<br />

auf den Pfaden des Geistes in mehr als 4.000<br />

Meditationen ins Nirvana, ins Atman <strong>und</strong> Brahman<br />

gereist. Sehr exotische, esoterische Ziele. Und ein<br />

Reisen in Lichtgeschwindigkeit. Mühelos <strong>und</strong> dabei<br />

höchst abenteuerlich.<br />

Von 1988 bis 1992 gab es eine Mischphase, mit<br />

langen Aufenthaltsreisen in Asien, die Erkenntnisse<br />

zum Ziel hatten.<br />

Ab 1990 entdeckte ich die sogenannten Pilgerreisen,<br />

in denen ich geographische Ziele mit<br />

Erkenntniszielen mischte. Zum Beispiel eine<br />

Pilgerschaft nach Santiago de Compostella im Jahr<br />

3


1992 <strong>und</strong> eine Durchquerung Deutschlands in Nord-<br />

Süd-Richtung.<br />

Mit dieser nun vorliegenden Reise wollte ich einen<br />

inneren Anschluss an den 1983 beendeten Zyklus<br />

finden. Jedoch in einer integrierten <strong>und</strong><br />

weiterentwickelten äußeren Form. Und mit einem<br />

anspruchsvollen inneren Ziel im Sinn: Erlösung von<br />

einer Angst.<br />

<strong>Das</strong> alles war nicht einfach zu planen. Zuerst als<br />

Containerschiffsreise geplant, dann als Ayurveda-<br />

Urlaub umgesetzt. <strong>Das</strong> waren planerische Umwege.<br />

Habe ich meine Ziele erreicht? Keine Ahnung.<br />

Erkenntnisziele müssen erarbeitet werden.<br />

Erkenntnisziele sind das Ergebnis von Denken. Klar,<br />

können Erfahrungen auch Erkenntnisse sein. Doch<br />

meine ich, dass Erfahrungen erst durch Denken zur<br />

Erkenntnis werden. Vorher sind sie Gefühle, die von<br />

Beschreibungen ummantelt werden. <strong>Das</strong> gezielte<br />

abstrahierende Denken befreit Beschreibungen von<br />

Gefühlen <strong>und</strong> Bewertungen.<br />

Ziele, Wege, Resultate. Unter diesem Dreisatz<br />

betrachte ich die nachfolgende Reise nach Indien<br />

<strong>und</strong> Sri Lanka.<br />

Der zweite Teil dieses Manuskriptes rekapituliert<br />

meine erste Indienreise vor 20 Jahren <strong>und</strong><br />

beantwortet dabei überraschen<strong>der</strong>weise existentielle<br />

Fragen, die im ersten Text hier <strong>und</strong> da in den Raum<br />

gestellt werden.<br />

Der dritte Teil ist in Vorbereitung.<br />

Gute Reise.<br />

4


NUR DIE DURCHGEGARTEN<br />

KOMMEN IN DEN GARTEN.<br />

Da weiss eine Hand was die an<strong>der</strong>e tut, wenn mich<br />

Kumara <strong>und</strong> Karun simultan mit Kräuteröl massieren.<br />

Ayurveda ist die Wissenschaft vom <strong>Leben</strong>. Und<br />

beginnt im Club Bentota auf Sri Lanka mit intensiven<br />

Öl-Massagen. Und gipfelt in einem Stirnguss mit<br />

heissem Öl. Die unklaren Gedanken werden aus<br />

meiner Denkerstirn förmlich herausgespült. Sogar<br />

meine schon chronisch zu nennenden<br />

Rückenschmerzen lösen sich hier in Wohlgefallen<br />

auf. Mit heissen Kräutersäckchen werden<br />

Nervenbündel kurz betupft <strong>und</strong> glattgestrichen.<br />

Danach geht es in die Dampfröhre. Nur <strong>der</strong> Kopf<br />

guckt raus. Ich liege auf einem Holzgitter <strong>und</strong> unter<br />

mir brodelt ein Zaubertrank aus Heilkräutern. Nach<br />

20 Minuten bin ich durchgegart. Dann schaffe ich es<br />

gerade noch auf eine gemütliche Liege im Garten<br />

unter Palmen <strong>und</strong> versacke in selige Träume. Bis<br />

mich eine <strong>der</strong> bezaubernden Ayurveda<br />

Spezialistinnen weckt mit den Worten „Your<br />

medicine, Sir. Aber langsam trinken.“<br />

Man spricht also deutsch --- denn 90% <strong>der</strong> Klientel<br />

stammen aus dem Land <strong>der</strong> Teutonen. Und einige<br />

<strong>der</strong> Ayurveda-Practioner haben in Deutschland<br />

gearbeitet. Also: alles wie zuhause, nur schöner.<br />

Alles in Öl könnte man glauben. Wäre da nicht das<br />

üppige Büffet, das in mir den täglichen Kampf auslöst<br />

zwischen Sinnengenuss <strong>und</strong> den guten<br />

Ges<strong>und</strong>heitsempfehlungen des Ayurveda: kein<br />

Fleisch, keine Süssigkeiten, nicht überessen.<br />

Für die Ayurvedagäste gibt es zwei, drei immer<br />

gleiche Spezialgerichte, die in leckerer Konkurrenz<br />

stehen zu 30 an<strong>der</strong>en herausragenden<br />

Gaumenfreuden, denen auch ein „Durchgegarter“<br />

kaum wi<strong>der</strong>stehen mag.<br />

5


WO DAS GELD ZUM FENSTER<br />

RAUSGESCHMISSEN WIRD. FÜR<br />

EINEN HIMMLISCHEN ZWECK.<br />

Ich besuche Gunter, <strong>der</strong> mit seiner singalesischen<br />

Frau in Kalutara wohnt. Zumindest zeitweise, wenn<br />

die Familie nicht gerade im deutschen Weinheim<br />

weilt. Gunter habe ich im Flugzeug kennengelernt<br />

<strong>und</strong> er hat mich eingeladen. Die Gelegenheit nehme<br />

ich wahr. Er zeigt mir die Dagoba von Kalutara, die in<br />

<strong>der</strong> Tempelanlage Gangatilaka Vihara direkt am<br />

Fluss liegt. Die Anlage wird von <strong>der</strong><br />

Hauptverkehrsstraße durchtrennt. Die gläubigen<br />

Buddhisten werfen ihren Obolus in Form von Münzen<br />

<strong>und</strong> Scheinen im Vorbeifahren aus zum Fenster <strong>der</strong><br />

Busse <strong>und</strong> Autos auf die Straße. Die bereitstehende<br />

Tempelpolizei sammelt das Geld in die fest<br />

installierten Boxen am Straßenrand. Ehrerbietung im<br />

Vorbeifahren. Erkauft man sich so einen gemütlichen<br />

Platz im Himmel?<br />

Der Weg dorthin scheint die Strasse hier auf Erden<br />

zu sein. In nur drei Tagen Aufenthalt habe ich zwei<br />

schwere Unfälle erlebt. Einen davon hautnah. Der<br />

LKW mit einem Container beladen wäre glatt in<br />

unseren British Leyland Bus gekracht. Wäre <strong>der</strong><br />

Fahrer nicht ausgewichen <strong>und</strong> hätte eine Palme als<br />

Bremshilfe gewählt, wäre unser vollbesetzter Local<br />

Bus sicherlich zusammengefaltet worden wie ein<br />

leere Coladose.<br />

In dem Maße wie die Technik versagt, wird hier auf<br />

die Tube gedrückt. Wie um sich zu beweisen, dass<br />

alles bestens funktioniert. Aber das tut es mit<br />

Sicherheit! Nicht. Improvisation statt Perfektion.<br />

Mit unserem Tuk-Tuk, einer dreirädrigen<br />

Motorradrikshaw, rollen wir weiter nach Richmond<br />

Castle. Ein adeliges Anwesen, das ein singalesischer<br />

Kautschuk-Baron zur Jahrhun<strong>der</strong>twende gebaut hat.<br />

Mit parkähnlichem Garten, eigenem Theater <strong>und</strong><br />

klassischen Säulen --- alles im englischen <strong>und</strong><br />

griechischen Stil gestaltet. Heute wird es als Schule<br />

genutzt für 100 Schüler <strong>der</strong> Umgebung. Gemäß dem<br />

Wunsch des Erblassers, dem <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>wunsch nicht<br />

erfüllt wurde.<br />

6


DIE TUK-TUK-AKQUISE.<br />

Die Gäste <strong>der</strong> Club Bentota Anlage ruhen sicher<br />

hinter einem niedrigen Gatter auf ihren<br />

Sonnenbänken. Die Neuankömmlinge ganz weiss,<br />

die Drei-Tägigen sonnenverbrannt ganz rot <strong>und</strong> die<br />

Ein-Wöchigen makellos braun. Vor dem Gatter lagern<br />

die Beachboys, die ihre „Zielherde“ mit Kennerblick<br />

taxieren. Neuankömmlinge werden mit<br />

zuvorkommen<strong>der</strong> Höflichkeit begrüßt. So wie man<br />

alte Fre<strong>und</strong>e begrüßt. Die Beachboys sagen einfach,<br />

man würde sich schon aus einem an<strong>der</strong>en Urlaub<br />

kennen. Und da die meisten Club-Besucher schon<br />

einmal hier waren, stimmt das manchmal sogar. In<br />

meinem Fall jedoch nicht. Ich war vor 16 Jahren in<br />

Hikkaduwa, was etwas südlicher liegt.<br />

Der mit einem Rhesus-Äffchen auf <strong>der</strong> Schulter lädt<br />

ein zum Spiel mit dem Tier, ein an<strong>der</strong>er lockt mit<br />

Batikstoffen, die nächste mit T-Shirts, ein<br />

Zigarettenverkäufer mit unverzollten Marlboros, ein<br />

Zeitungsverkäufer mit <strong>der</strong> aktuellen Springerpresse<br />

(wahrscheinlich aus den Urlaubsfliegern<br />

"organisiert"), ein an<strong>der</strong>er Typ präsentiert seine<br />

Phyton im handzahmen Opiumrausch, ein Tamile mit<br />

handgeschnitzten Booten <strong>und</strong> Marionetten. Mit<br />

an<strong>der</strong>en Worten: ein ganzer „Kiosk auf Beinen“. Doch<br />

die Mehrzahl hat sich auf das lukrativste Segment<br />

spezialisiert: Ausflüge in die Umgebung zur<br />

Schildkrötenfarm o<strong>der</strong> nach Kandy <strong>und</strong> Adam´s<br />

Peak.<br />

Die Geschickteren verwickeln die Urlauber in Small-<br />

Talk, natürlich auf deutsch <strong>und</strong> kommen dann<br />

zielsicher zum geschäftlichen Part: dem Angebot.<br />

Versprochen wird viel. Erfahrene Ausflügler belehren<br />

mich mit ihrem Erfahrungswissen: fahre mit Eric <strong>und</strong><br />

nicht mit Rambo Tours, schau dir vor <strong>der</strong> Abfahrt den<br />

Zustand <strong>der</strong> Reifen an, lass dir das Reserverad<br />

zeigen, bestimme selbst die Ziele <strong>und</strong> die Stoppovers,<br />

bestehe auf die Abmachungen <strong>und</strong> meide die<br />

Hotel-Arrangements.<br />

Nach fünf Urlaubstagen steht mir inzwischen <strong>der</strong> Sinn<br />

nach Faulheit. Mich lockt we<strong>der</strong> <strong>der</strong> Kräutergarten,<br />

noch <strong>der</strong> Dschungelwasserfall o<strong>der</strong> die<br />

7


Elefantenschule o<strong>der</strong> Schildkrötenfarm, auch nicht<br />

<strong>der</strong> botanische Garten o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Fischmarkt in<br />

Beruwela. Ich will mein Buch („Wassermusik“ über<br />

die Entdeckung des Niger) weiterlesen <strong>und</strong> zwischen<br />

Massage, Strand <strong>und</strong> Büffet hin <strong>und</strong> her pendeln.<br />

Meine kleinen Ausflüge in den Ort zum Internet-Café<br />

sind anstrengend genug. Keinen Schritt bin ich allein.<br />

So anhänglich wie sich Wespen an ein<br />

Honigbrötchen heften, kleben Schlepper <strong>und</strong> Tuk-<br />

Tuk-Fahrer an meinen Fersen <strong>und</strong> bearbeiten mich<br />

mit ihren Anliegen. Versuchen meine Vorlieben<br />

rauszufinden. Sind es Edelsteine, Massage,<br />

Ausflüge, Massanzüge, Ölbil<strong>der</strong> o<strong>der</strong> Le<strong>der</strong>waren. ich<br />

will in Ruhe gelassen werden. Dieses Begehren<br />

scheint zur Zeit nicht erfüllbar.<br />

Ich nenne das die Tuk-Tuk Verkaufsmethode. Nach<br />

dem Motto „stete Ansprache weicht die Abwehr<br />

langsam auf“. So wie Tuk-Tuk-fahren mürbe macht,<br />

die Sinne schwinden lässt während man im engen<br />

Sitzgefährt über dampfend heissen Asphalt tuckert,<br />

eingehüllt in dicken Dieselwolken <strong>der</strong> archaisch<br />

wirkenden Busse, durchgeklopft von<br />

Schlaglochpisten, so wird auch <strong>der</strong> Geist von <strong>der</strong><br />

stereotypen Ansprache in eine Art Trance versetzt,<br />

die ihn zugänglich macht für bunte Batikdecken,<br />

geschnitzte Elefanten o<strong>der</strong> kreischend bunte T-Shirts.<br />

In Deutschland bin ich <strong>der</strong> Weihnachtstrance<br />

unversehrt entkommen. Hier erwartet mich das<br />

gleiche Spiel in einer sehr direkten Form <strong>und</strong> mit<br />

persönlicher, hartnäckiger Ansprache. Aber<br />

irgendwann erlahmt das Interesse an meiner latenten<br />

Kaufkraft, die sich, ganz indisch, von ihrer passivsten<br />

Seite zeigt.<br />

Momentan fühle ich mich für eine Reise durch<br />

Südindien komplett untauglich. <strong>Das</strong> ist <strong>der</strong> Nachteil,<br />

wenn man sich erstmal dem bequemen<br />

Urlauberleben hingegeben hat. Es ist <strong>der</strong> Cocooning-<br />

Reflex, <strong>der</strong> eintritt. Nach dem Motto zuhause ist es<br />

doch am schönsten, mag man das gemachte Nest<br />

seiner Anlage kaum noch verlassen.<br />

8


DER ABEND ALS DAS BÜFFET<br />

DEN KAMPF GEWANN.<br />

Man zeige mir einen Sterblichen, <strong>der</strong> langfristig den<br />

Verlockungen von Tiramisu, Mango Mousse, Tarte,<br />

Flan, Crêpe suzette, Fruit Ragout, Cheesecake,<br />

Caramelle Pudding, Mousse au Chocolat, Eiscreme,<br />

Bread and Butter Pudding, Semiolino Pudding,<br />

French Pastry, Kabinet Pudding, Rum Baba, Fruit<br />

Flambé, Jelly Crackle, Mocca Cream o<strong>der</strong> Gateaux<br />

wi<strong>der</strong>stehen kann. Ich kann es nicht. <strong>Das</strong> süße<br />

„Büffett“ hat heute abend gegen meinen Willen<br />

gesiegt.<br />

<strong>Das</strong> Salatbüffet ist natürlich auch erwähnenswert<br />

genauso <strong>der</strong> Merlin-Fisch vom Grill, die Krabben <strong>und</strong><br />

die verschiedenen Curries. Aber das sind alles keine<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen für mich. Die ich locker ignorieren<br />

kann.<br />

Die Lehre des Ayurveda sieht das gelassen. Sie<br />

weiss um die sinnliche Verführbarkeit des Menschen.<br />

Und empfiehlt nur dreierlei: Iss, was dein Körper dir<br />

sagt, lass 25% Raum <strong>und</strong> beginne die nächste<br />

Mahlzeit erst, wenn die vorangegangene verdaut ist.<br />

So gesehen habe ich nur gegen eine Regel<br />

verstoßen: statt 75% habe ich 125% zu mir<br />

genommen. Wenn ich das Frühstück morgen<br />

ausfallen lasse, geht die Rechnung ja wie<strong>der</strong> auf.<br />

IM FÜNF STERNE HIMMEL<br />

IST ES GAR NICHT SO SCHÖN.<br />

Kumaras Onkel ist gestorben. Ich frage ihn, ob er an<br />

Reinkarnation glaubt. Ja, als Buddhist glaubt er das<br />

natürlich. Ob sein Onkel im Himmel sei <strong>und</strong> wie es<br />

dort nach buddhistischer Anschauung aussieht, will<br />

ich wissen. Genaue Angaben kann o<strong>der</strong> will er an<br />

diesem Morgen nicht machen. "Je<strong>der</strong> erlebt den<br />

Himmel nach seinen Taten", sagt er. Welcher Westler<br />

könnte schon genaue Angaben über den christlichen<br />

Himmel machen? Auch <strong>der</strong> bleibt im diffusen, im<br />

interpretierbarem, im poetischen stecken.<br />

Konkret sind dagegen die Angaben für den "Himmel<br />

auf Erden", wie ihn die Waren- <strong>und</strong> Dienstleistungs-<br />

9


welt ausschreibt. Zum Beispiel im Hotelgewerbe. Dort<br />

wird <strong>der</strong> Ausstattungskomfort in himmlischen<br />

Kategorien ausgelobt. Die Anzahl <strong>der</strong> Sterne<br />

bezeichnet den Grad des Komforts.<br />

<strong>Das</strong> Fünf-Sterne-Hotel Taj Exotic besuche ich aus<br />

Forscher-Interesse. Aber es gefällt mir nicht. Zu steril,<br />

zu groß, zu unpersönlich. Wenn <strong>der</strong> 5 Sterne Himmel<br />

auch so ist, bevorzuge ich eine an<strong>der</strong>e Klasse. Für<br />

eine fachlich kompetente Antwort werde ich einen<br />

buddhistischen Mönch, einen Spezialisten, fragen<br />

müssen.<br />

SONNE SATT.<br />

Gunter behauptet, die menschliche Urrasse sei<br />

dunkelhäutig gewesen <strong>und</strong> wir würden uns wie<strong>der</strong><br />

dahin entwickeln. <strong>Das</strong>s wir Bleichgesichter die Sonne<br />

suchen, sei eine genetische Programmierung aus<br />

eben diesem Zusammenhang. Was ich bezweifle.<br />

Denn dunkelhäutige Menschen wollen in <strong>der</strong> Regel<br />

weißhäutiger sein. In Sonnenlän<strong>der</strong>n, die <strong>der</strong> dritten<br />

Welt zuzurechnen sind, ist weisse Hautfarbe ein<br />

Statussymbol.<br />

Aus einem Geo-Artikel geht hervor, dass im Jahr<br />

2023 <strong>der</strong> letzte blonde Mensch geboren wird. Und<br />

zwar in Finnland. Im Zuge <strong>der</strong> Globalisierung<br />

mischen sich alle Rassen kräftig durch <strong>und</strong> am Ende<br />

wird eine einzige nougatcremefarbige Mischrasse<br />

existieren. Ich vermute, mit <strong>der</strong> Kultur wird es nicht<br />

an<strong>der</strong>s aussehen. Wahrscheinlich erwartet uns eine<br />

internationale Pop-Fast-Food-Kultur.<br />

Der Segen <strong>der</strong> Sonne wird wie überall in<br />

Sonnenlän<strong>der</strong>n liegend empfangen. Über mir das<br />

Rascheln <strong>der</strong> Palmen, vor mir das Grollen des<br />

Meeres <strong>und</strong> hinter mir proben die Club-Animateure<br />

zu bekannten Broadway-Melodien die nächste<br />

Abendshow. Meine Gedanken folgen den<br />

Abenteuern des großen Entdeckungsreisenden<br />

Mungo Park ins innerste Afrika, zum Hofe des<br />

gefürchteten Mansong von Segou Korro. Die Hitze<br />

emailliert meine trägen Gedanken. Der Strand verflirrt<br />

vor Hitze in ein schwimmendes Nirgendwo. Ich<br />

schwitze <strong>und</strong> leide mit Mungo Parks extremen<br />

Abenteuern am Niger. Und freue mich, dass meine<br />

10


Rettung nur ca. 30 Meter entfernt ist. Dort hält die Bar<br />

zu je<strong>der</strong> Tages- <strong>und</strong> Nachtzeit Wasser, Fruchtsäfte<br />

<strong>und</strong> für manche Hartgesottene Bier <strong>und</strong> Cocktails<br />

bereit.<br />

WORKING IN A BOX.<br />

Mein bevorzugtes Internet-Café ist eine kleine Box<br />

am Straßenrand. Auf ca. 4 x 3 Metern Gr<strong>und</strong>fläche<br />

versammeln sich ein Computer, <strong>der</strong> einzige in<br />

Bentota mit USB-Anschluss, jeweils ein Scanner,<br />

Fax, Printer <strong>und</strong> zwei Telefone. Also eine komplette<br />

Kommunikationszentrale.<br />

<strong>Das</strong> zweite Geschäftsfeld dieses Unternehmens<br />

beschäftigt sich mit dem Kopieren von DVDs <strong>und</strong><br />

CD´s. Geöffnet hat man hier von 8 Uhr bis 24 Uhr an<br />

365 Tagen im Jahr. Mit einem Wort: immer.<br />

An einer Wand werden ca. 200 DVDs präsentiert, alle<br />

westlicher Machart von „Die hard“ bis „Die Another<br />

Day“, alle Matrix-Folgen <strong>und</strong> „Herr <strong>der</strong> Ringe“ als<br />

Komplettangebot <strong>und</strong> die ganzen Serien wie „Bad<br />

Boys 1 – 3“, „Terminator“, „Scream“. Wie als<br />

Kontrapunkt zu diesen tödlichen Vorbil<strong>der</strong>n stapeln<br />

sich in den Regalen an <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Wand<br />

Holzspielzeug - das dritte Geschäftsfeld. Dazwischen<br />

meditiert eine bunte Buddha-Figur, von einer<br />

vergilbten Plastiktüte vor den Abgasschwaden<br />

geschützt, die von <strong>der</strong> Straße hereinwabern.<br />

Für Indien ist dies eine typische Existenz, die eine<br />

ganze Sippe ernährt o<strong>der</strong> wenigstens zwei Familien.<br />

Ich sitze auf einem Kin<strong>der</strong>holzhocker <strong>und</strong> sende<br />

meine Nachrichten in mein globales Dorf. Während<br />

im Nachbarraum jemand auf einer Geige übt <strong>und</strong> ein<br />

an<strong>der</strong>er Weihnachtslie<strong>der</strong> auf <strong>der</strong> Blockflöte probt.<br />

Eine Collage <strong>der</strong> Realitäten.<br />

POSTE RESTANTE.<br />

Vor 20 Jahren auf meiner ersten Reise durch Indien<br />

<strong>und</strong> Asien habe ich mich noch weit weg gefühlt von<br />

zuhause. Weil die einzige Rückverbindung <strong>der</strong><br />

langsame postalische Weg war. <strong>Das</strong> emotionale<br />

Highlight in Dehli, Hong Kong o<strong>der</strong> Manila waren die<br />

Poste restante Schalter <strong>der</strong> Hauptpostämter. Dort<br />

11


holte ich meine postlagernden Briefe ab. Es folgte<br />

eine selige Lesest<strong>und</strong>e in einem Café o<strong>der</strong> einer<br />

klapperigen Teebude am lauten Straßenrand. Die<br />

Neuigkeiten von Zuhause, von <strong>der</strong> Familie <strong>und</strong><br />

Fre<strong>und</strong>en wurden dann genauestens <strong>und</strong> wie<strong>der</strong>holt<br />

studiert. Wenn <strong>der</strong> Schalterbeamte jedoch meinen<br />

Pass zurückgab <strong>und</strong> den Kopf schüttelte, weil keine<br />

Post auf mich wartete, war das enttäuschend. Ich bat<br />

dann, noch mal unter meinem Vornamen zu schauen.<br />

Was häufig doch noch zu Ergebnissen führte. Meine<br />

Schwester war damals nur einige Monate später auf<br />

<strong>der</strong> gleichen Route unterwegs <strong>und</strong> bekam in Hong<br />

Kong meine Briefe ausgehändigt, die ich verfehlt<br />

hatte. Entwe<strong>der</strong> war die Post zu lange unterwegs,<br />

o<strong>der</strong> ich von meinem Zeitplan abgewichen war.<br />

Jetzt brauche ich nur in eine Internet-Box wie diese<br />

zu gehen <strong>und</strong> kann mit meinem globalen Dorf<br />

kommunizieren. Manchmal sogar chatten, wenn trotz<br />

Zeitverschiebung zufällig beide Kommunikationsenden<br />

im Netz aktiv sind. O<strong>der</strong> ich rufe für ein paar<br />

Rupees einfach an. Und das geht ohne Operator <strong>und</strong><br />

die Übertragung ist so klar, als würde ich ein<br />

Ortsgespräch führen. So löst sich jede Entfernung<br />

auf. Alles ist überall <strong>und</strong> je<strong>der</strong>zeit. Irgendwie schade.<br />

Unromantisch.<br />

HARTES LEBEN UNTER PALMEN.<br />

Kumara verdient 150 RS am Tag. Da sind nicht mal<br />

1,50 Euro. Natürlich ohne Sozialversicherungen,<br />

Urlaub, Kündigungsschutz o<strong>der</strong> ähnlichem Luxus.<br />

Bezahlt wird nur die Zeit, die er arbeitet. Er wohnt 70<br />

Kilometer entfernt in <strong>der</strong> Nähe von Kalutara. <strong>Das</strong><br />

bedeutet täglich 2 St<strong>und</strong>en Busfahrt, zweimal<br />

umsteigen <strong>und</strong> 35 RS Kosten für eine Tour. Dafür<br />

arbeitet er jeden Tag von 8:00 bis 18:00 Uhr. Und hat<br />

immerhin eine 18monatige Ayurveda-Ausbildung<br />

absolviert. Spricht englisch, deutsch <strong>und</strong><br />

singalesisch.<br />

Mal zum Vergleich: Meine 12 Tage-Kur kostet<br />

70.000,-RS. Dafür müsste Kumara ca. 460 Tage<br />

arbeiten. Unvorstellbar.<br />

Sein Kollege Karun ist <strong>der</strong> Leiter des Ayurvedacenters<br />

<strong>und</strong> verdient 90,-Euro im Monat. Also 3,-_ pro<br />

12


Tag. Da seine Familie in <strong>der</strong> Nähe von Kandy lebt -<br />

das ist 6 Busst<strong>und</strong>en entfernt – hat er auf dem<br />

Hotelgelände für 50,-Euro eine Wohnung angemietet<br />

<strong>und</strong> fährt nur alle paar Wochen mal nach Hause.<br />

Bei 20% Arbeitslosigkeit hier auf <strong>der</strong> Insel ist je<strong>der</strong><br />

Job auch unter schwierigen Bedingungen eine<br />

Zumutbarkeit. Mir wird mal wie<strong>der</strong> bewußt, auf welch´<br />

hohem Niveau wir in Deutschland leiden. Wie ich<br />

gestern <strong>der</strong> Zeitung entnahm, sind 70% <strong>der</strong><br />

deutschen Arbeitnehmer unzufrieden mit ihrem Job.<br />

Bei voller sozialer Absicherung. Geregelten<br />

Arbeitszeiten. Sicheren Lohnzahlungen. Und voll<br />

zumutbaren Arbeitsbedingungen. Woran liegt das?<br />

Vielleicht muss Descartes Erkenntnis lauten: "Ich<br />

jammer, also bin ich" o<strong>der</strong> besser noch "Ich denke,<br />

also bin ich. Unzufrieden."<br />

Zuviel denken ist mit Sicherheit eine Quelle des<br />

Trübsinns. Weniger denken <strong>und</strong> mehr fühlen, führt<br />

das automatisch zu mehr Zufriedenheit? Auf Sri<br />

Lanka sieht man insgesamt mehr frohe Gesichter.<br />

Was sich hinter den Fassaden abspielt, bleibt dem<br />

Kurzbesucher unerschlossen.<br />

IM KRÄUTERBAD.<br />

Heute beginnt ein neuer Behandlungszyklus.<br />

Zusätzlich zu <strong>der</strong> Morgen-Behandlung liege ich<br />

nachmittags in einem Stein-Sakrophag. In einer<br />

warmen, braunen Kräuterbrühe. Die<br />

Nachmittagssonne raschelt durch die Palmenwedel,<br />

<strong>der</strong> Hotelwaran schlängelt sich durch die Aloe Vera<br />

<strong>und</strong> die Streifenhörnchen jagen die Palmenstämme<br />

rauf <strong>und</strong> runter. Ich tue rein gar nichts. Und das sehr<br />

ausführlich.<br />

13


Blick in die Hotelanlage, eine ehemalige <strong>Tod</strong>dy-Fabrik.<br />

DIE JAGDSAISON IST ERÖFFNET.<br />

Der „beach attendent“ ist ein drahtiges Bürschchen<br />

mit hervorstehenden Zähnen <strong>und</strong> einem Gesicht wie<br />

aus einer sternenlosen Nacht herausgeschnitzt. Der<br />

mich jeden Tag mit Handschlag begrüßt. Und auf<br />

mein "wie geht´s" antwortet er heute mit leicht<br />

leidendem Gesichtsausdruck "much work today".<br />

Denn es sind neue Urlauber eingetroffen <strong>und</strong> die sind<br />

mit Liegen zu versorgen. Und da er auch noch mit<br />

<strong>der</strong> Handtuchausgabe betraut ist, bedeutet das ein<br />

ansehnliches Arbeitspensum. Denn über jedes<br />

Beachtuch muss er einen Eintrag in sein<br />

"Handtuchausgabebuch" machen, den <strong>der</strong> Urlauber<br />

mit seiner Unterschrift quittiert. Ein etwas<br />

bürokratischer Vorgang, <strong>der</strong> ihn unter Stress setzt.<br />

Umso glücklicher ist er, dass er heute Unterstützung<br />

von einem weiteren beach-attendent hat, <strong>der</strong> ihm die<br />

Schreibarbeit abnimmt.<br />

So schiebt er mir meine Liege in den Schatten einer<br />

Palme. Und holt im zweiten Arbeitsgang eine<br />

Schaumstoffunterlage. Während ich zur<br />

14


Handtuchausgabe gehe <strong>und</strong> mir von seinem<br />

Assistenten ein frisches Beachtuch aushändigen<br />

lasse. Nun kann das nachmittägliche Schattenbad<br />

beginnen.<br />

Heute sind neue, unwissende Urlauber eingetroffen.<br />

Unter dem Sonnenschutz am Strand drängeln sich<br />

die Beachboys in ungewöhnlich großer Zahl. Alle, die<br />

ich jemals gesehen habe, sind heute anwesend. Kein<br />

bißchen lethargisch, son<strong>der</strong>n in einem Zustand<br />

freudiger Erregung <strong>und</strong> Regsamkeit. Mit Kennerblick<br />

filtern sie die neuen Gäste unter den Bestandsgästen<br />

heraus. Jede Bewegung wird registriert <strong>und</strong><br />

analysiert ob sie in ein Aufstehen von <strong>der</strong> Liege<br />

mündet <strong>und</strong> dann bestenfalls in einem Gang zum<br />

Strand gipfelt. Dann nämlich ist Jagdzeit. <strong>Das</strong><br />

Beutetier Urlauber verlässt das gesicherte Areal des<br />

Hotels <strong>und</strong> kommt auf die Lichtung, in den<br />

rechtsfreien Raum. Sofort reagiert die Schar <strong>der</strong><br />

Anbieter unter dem Sonnenschutz <strong>und</strong> nach einer mir<br />

nicht ersichtlichen Hierachie schlen<strong>der</strong>t ein Beachboy<br />

lässig auf den Urlauber zu, <strong>der</strong> aus <strong>der</strong> sicheren<br />

Herde ausgebrochen ist <strong>und</strong> spricht ihn an.<br />

Diese Erstansprache entscheidet alles. Genau wie<br />

bei einer Anzeige o<strong>der</strong> einem Mailing. Der<br />

Verbraucher entscheidet innerhalb von Sek<strong>und</strong>en:<br />

Topp o<strong>der</strong> Flopp. Im Vorteil sind mal wie<strong>der</strong>, die sich<br />

sprachlich auf die Zielgruppe einstellen. <strong>Das</strong> sage ich<br />

meinen Seminarteilnehmern auch immer: Vermeidet<br />

Fachsprache. Sprecht so wie Eure Zielgruppe. Habt<br />

ein konkretes Angebot parat <strong>und</strong> ein zweites (Cross<br />

Marketing) in <strong>der</strong> Hinterhand, falls das erste nicht<br />

gefragt ist. Von meiner Liege aus kann ich die<br />

Gr<strong>und</strong>prinzipien <strong>der</strong> Vermarktung studieren. Sie sind<br />

universell.<br />

Die Beachboys haben Künstlernamen angenommen.<br />

Sie heissen Harry, Eric, Leon o<strong>der</strong> Anton. <strong>Das</strong> ist<br />

leichter verständlich als zum Beispiel Nayanasantha,<br />

Karunathilikan o<strong>der</strong> Vishnudeva. <strong>Das</strong> kann <strong>und</strong> will<br />

sich kein Urlauber merken.<br />

15


DIE MARKQUISE® VON BENTOTA.<br />

Täglich tauchen neue Händler auf. Endlich auch ein<br />

Dufthändler. Seine Kernkompetenz ist ganz klar:<br />

Räucherstäbchen in allen Variationen. Ich<br />

interessiere mich für Sandalwood-Sticks, die er mir<br />

für 150 RS verkaufen will. Er positioniert sein<br />

Angebot über einen Preisnachlass. Er sagt, all die<br />

an<strong>der</strong>en Urlauber (die Dummen, meint er) hätten 200<br />

RS gezahlt, nur mir gibt er sie für 150 RS (dem<br />

Klugen). Ich solle bloß mit keinem drüber reden.<br />

Wahrscheinlich hat er sie den an<strong>der</strong>en für 100 RS<br />

verkauft. Ich mache ihm ein entsprechenden<br />

Preisvorschlag, auf den er sofort eingeht. Zu leicht<br />

durchschaubar.<br />

Der Muschelmann, <strong>der</strong> Sarongverkäufer, <strong>der</strong><br />

Schalhändler - sie alle präsentieren ein neues<br />

Angebot. Ohrreiniger <strong>und</strong> Masseure, Handleser,<br />

Kokosnuss-, Eisverkäufer <strong>und</strong> Zauberer, wie ich sie<br />

noch 1987 von meinem letzten Sri Lanka-Besuch<br />

erlebt habe, sind noch nicht aufgetaucht. Sind diese<br />

Berufsgruppen inzwischen ausgestorben? O<strong>der</strong><br />

wurden sie ersetzt durch lukrativere Angebote.<br />

Ein Händler präsentiert bunte NIKE-T-Shirts,<br />

gefälschte Markenware für ein Taschengeld.<br />

Rausgeschmuggelt aus <strong>der</strong> Free-Trade-Zone bei<br />

Colombo? Wo 30.000 Näherinnen für westliche<br />

Modelabels arbeiten. Nein, es sind sehr gute<br />

Fälschungen, beteuert er.<br />

MARQUISE: Neuwortschöpfung aus Marketing <strong>und</strong><br />

Akquise (lat.: dazugewinnen). Als Maßeinheit für das<br />

durch Marketing Dazugewonnene.<br />

JÜRGEN, WIE GEHT´S, NOCH EIN BIER?<br />

Frauen haben auf Sri Lanka nicht viel zu melden. <strong>Das</strong><br />

ist bekannt. „Ein Mädchen großzuziehen, ist etwa so,<br />

als würde man die Pflanzen im Garten des Nachbarn<br />

gießen.“ In konsequenter Umsetzung dieses<br />

indischen Sprichwortes beginnt in Indien die<br />

Geschlechterdiskriminierung bereits vor <strong>der</strong> Geburt.<br />

Weibliche Embryos, die durch Fruchtwasseruntersuchung<br />

früh erkannt werden, dürfen gar nicht<br />

16


erst das Licht <strong>der</strong> Welt sehen <strong>und</strong> werden<br />

abgetrieben. Was inzwischen zu einem deutlichen<br />

Männerüberschuss geführt hat. Laut Statistik<br />

kommen auf 1.000 Männer nur noch 927 Frauen.<br />

<strong>Das</strong> gleiche gilt auch in Indien. Wie ich in "The Times<br />

of India", vom 5.1.04, lese: "The girl child is seen as<br />

embarrassment or a curse. The district (north Andrah<br />

Pradesh) is however trying to clean up its image."<br />

Eine Plakat-Aktion mit dem Text "Conduct Of Sex<br />

Determination Test / Disclosure Of Sex Of The<br />

Foetus Is Prohibited. Disclosed Persons And<br />

Requested Persons. Both Are Punishable." weist<br />

darauf hin das es illegal ist, das Geschlecht vor <strong>der</strong><br />

Geburt festzustellen. Bloß halten wird sich kein Arzt<br />

dran. Die Einkommensquelle ist zu lukrativ.<br />

Erstaunlich wie sich diese männerfixierte Haltung in<br />

unserem internationalen Clubdorf wi<strong>der</strong>spiegelt.<br />

Annett <strong>und</strong> Susann erzählen heute, dass sie an <strong>der</strong><br />

Bar von den Kellnern ignoriert werden. Doch sobald<br />

ein Mann mit an ihrem Tisch sitzt, kommt <strong>der</strong> Kellner<br />

<strong>und</strong> fragt allerdings den einen Mann nach seinen<br />

Wünschen. Ohne die vier Frauen zu beachten. Nach<br />

indischer Auffassung haben sie vielleicht keine<br />

Wünsche. O<strong>der</strong> können kein Trinkgeld geben. O<strong>der</strong><br />

trinken nicht. O<strong>der</strong> dürfen nicht wissen, was sie<br />

wollen.<br />

Neugierig waren die Hotel-Angestellten allein über<br />

die Tatsache, dass Annett <strong>und</strong> Susann ohne<br />

männliche Begleitung reisen. <strong>Das</strong> kann wohl nur<br />

bedeuten, dass sie lesbisch sind. Was wohl über die<br />

vier allein reisenden Männer eines österreichischen<br />

Kegelclubs gedacht wird?<br />

UNTERWEGS ALS KARMA-RAUPE.<br />

Abends bin ich beim buddhistischen Mönch<br />

Reverend Nande auf dem kleinen Hügel an <strong>der</strong><br />

Mündung des Flusses, gleich neben unserem Hotel.<br />

200 Öllampchen beleuchten die sehr gepflegte<br />

Gartenanlage um einen kleinen Buddha-Schrein. Ich<br />

sitze dort mit Hans, einem ehemaligen Kapitän <strong>und</strong><br />

seiner Frau. Die auch in einem <strong>der</strong> Hotels in <strong>der</strong><br />

Nähe wohnen. Der Reverend führt uns durch eine<br />

kleine Meditation. Wir sollen auf den Atem achten.<br />

17


Und glücklich sein. Bei den vielen Mücken ist das<br />

wirklich eine Herausfor<strong>der</strong>ung. Ich bin nach kurzer<br />

Zeit ein Schlachtfeld, besser ein Schlachtfest für die<br />

Mücken.<br />

Hier kann ich meine Frage stellen. Was passiert<br />

zwischen zwei Inkarnationen? Gibt es dort eine Chillout-Zone<br />

zum Relaxen? „No time to relax.“ Es geht<br />

aus dem einen <strong>Leben</strong> raus <strong>und</strong> gleich mit dem<br />

nächsten weiter. Wie eine Raupe würde sich das<br />

Karma weiterbewegen, belehrt mich <strong>der</strong> Biku aus<br />

seinem buddhistischen Backgro<strong>und</strong>. Na gut, dann<br />

eben gleich ins nächste <strong>Leben</strong> inkarnieren. Aber bitte<br />

nicht als Frau in Indien.<br />

Die christliche Konzeption hält nichts von<br />

Reinkarnation. <strong>Das</strong> <strong>Leben</strong> ist einmalig <strong>und</strong> die<br />

Erlösung garantiert. Vorausgesetzt man gesteht<br />

seine Sünden schon zu Lebzeiten, dann ist das<br />

Paradies gebucht. <strong>Das</strong> erscheint sehr einfach <strong>und</strong><br />

bequem.<br />

Einige Tage später treffe ich auf dem buddhistischen<br />

Hügel Walter aus München, <strong>der</strong> seit 12 Jahren mit<br />

dem Buddhismus vertraut ist. <strong>Das</strong> Nirwana (wörtlich:<br />

Verwehen) <strong>und</strong> auch die Reinkarnation sind seiner<br />

Ansicht nach zu weltfremde Themen, über die man<br />

letztendlich nur spekulieren kann. Viel wichtiger<br />

dagegen ist die Kunst, im Moment zu sein <strong>und</strong> nicht<br />

abzuschweifen in seine Gedanken, Urteile <strong>und</strong><br />

Wünsche. Außerdem ist die Kontemplation über das<br />

Wesen des Leidens essentiell.<br />

Walter hat mit seinen Spenden diesen Ort mit<br />

gestaltet, <strong>der</strong> zum buddhistischen Kloster gehört, das<br />

auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite des Bentota-Flusses neben<br />

dem Hotel Lanka Princess liegt.<br />

WIE DAS LEBEN SO LEHRT.<br />

Heinz denkt ich sei Jan Kollau, irgendein Fussballer.<br />

Er liegt im Ayurvedacenter auf <strong>der</strong> Massagebank <strong>und</strong><br />

ich in <strong>der</strong> Dampfröhre. „Die könnte ich nicht ertragen,<br />

wegen meinem Herzen.“ Er hat einen<br />

Herzschrittmacher. Ich frage nach <strong>der</strong> Marke.<br />

Irgendein amerikanisches Fabrikat, ein Defilibrator.<br />

Hört sich nach Terminator an. Ich habe mal für eine<br />

18


an<strong>der</strong>e Herzschritter-Marke getextet, also kenne ich<br />

die Materie. Ob er nach seinem Herzschlag sein<br />

<strong>Leben</strong> geän<strong>der</strong>t hat, will ich wissen. Nein sagt er. <strong>Das</strong><br />

<strong>Leben</strong> hat ihn geän<strong>der</strong>t.<br />

Für Heinz war das <strong>Leben</strong> schon zu Ende. Aber daran<br />

kann er sich nicht erinnern. Eigentlich hat er seine<br />

Wie<strong>der</strong>geburt schon zu Lebzeiten gehabt. Zwischen<br />

seinen zwei <strong>Leben</strong> war er in <strong>der</strong> Intensivstation.<br />

Vielleicht ist Jan Kollau ja in <strong>der</strong> Zwischenzeit<br />

gestorben <strong>und</strong> hat sich in meiner Form inkarniert.<br />

Wer weiss das schon wieviel Identitäten eine<br />

Körperform beherbergt. Was sagt die Körperform<br />

über ihren Inhalt aus? Form <strong>und</strong> Inhalt – ein großes<br />

Thema. Anhand eines Beispiels wird die Frage<br />

deutlicher: Was hat die Flasche mit ihrem Inhalt<br />

gemeinsam? Nichts! Zwei völlig unidentische<br />

Realitäten, die jeweils eigenen Gesetzen unterworfen<br />

sind. Verhält es sich mit Körper <strong>und</strong> Geist ähnlich?<br />

Sind wir identisch mit unserem Körper? Eine zentrale<br />

Frage des Vedanta, <strong>der</strong> wir uns später wie<strong>der</strong> nähern<br />

werden.<br />

DREI AUF TOUR.<br />

600,-RS will <strong>der</strong> Tuk-Tuk-Fahrer für seine Tour zum<br />

Brief Garden, wo <strong>der</strong> skurrile <strong>Leben</strong>skünstler Bevis<br />

Bawa sich zu Beginn des letzten Jahrhun<strong>der</strong>ts einen<br />

herrlichen Lustgarten geschaffen hat.<br />

Nach Verhandlungen mit drei Anbietern kriegen wir<br />

die Tour für 400,-RS. Handeln ist Pflicht in diesem<br />

Land. Und mühsame Arbeit.<br />

Der Liter Petrol kostet 60 RS <strong>und</strong> reicht für 25<br />

Kilometer. Arbeitszeit hat fast keinen Wert. Die<br />

Neuanschaffung eines Tuk-Tuk vom indischen<br />

Hersteller bajaj beträgt umgerechnet 2.500,-Euro.<br />

Eine astronomische Summe für die herrschenden<br />

ökonomischen Verhältnisse.<br />

Mit Susann <strong>und</strong> Annett zwängen wir uns zu dritt in<br />

das dreirädrige Gefährt. <strong>Das</strong> Taxi saust los, quetscht<br />

sich in jede mögliche Lücke im dichten Abendverkehr<br />

auf <strong>der</strong> Küstenstrecke, jongliert sich um die<br />

Fahrradfahrer herum auf denen bis zu vier Personen<br />

19


alancieren, haarscharf am Nirvana vorbei <strong>und</strong> biegt<br />

dann landeinwärts ab. Schlagartig beginnt eine<br />

an<strong>der</strong>e Welt. Eine grüne, ruhige, entspannte. Durch<br />

die offenen Seiten des Wagens sehen wir Reisfel<strong>der</strong>,<br />

Bananenplantagen <strong>und</strong> ab <strong>und</strong> zu ein kleines<br />

Anwesen.<br />

Mr. Bawa ist 1992 gestorben. Sein Anwesen ist<br />

wirklich einen Besuch wert. Ein Garten voller<br />

lauschiger Plätzchen. Hier hat er sich mit seinen<br />

Lustknaben vergnügt, wie wir erfahren <strong>und</strong> uns selbst<br />

zusammenreimen. Der Duft <strong>der</strong> marlbororoten <strong>und</strong><br />

kodakgelben Blüten umgarnt unseren Geist mit<br />

erotischen Szenen aus einer vergangenen Epoche.<br />

KURZAUSFLUG IN MEINE REISEBIBLIOTHEK.<br />

Bücher sind hervorragende Reisebegleiter. Immer gut<br />

gelaunt. Immer zur Stelle <strong>und</strong> meistens unterhaltsam.<br />

Aus Michael Ondaatje „Anils Geist“ berge ich<br />

folgende Präziosen an Ideen <strong>und</strong> Formulierungen:<br />

„Man hatte ihr zwei völlig unpassende Namen<br />

gegeben, <strong>und</strong> schon sehr früh hatte sie sich Anil<br />

gewünscht, den unbenutzten zweiten Vornamen ihres<br />

Bru<strong>der</strong>s.“ Seite 73 „Sie stellte sich vor, er könne<br />

Sarath’ Sandalen auf <strong>und</strong> abgehen hören, das<br />

Kratzen seines Streicholzes, das Knistern des<br />

brennenden Tabaks, ...“ Seite 93. „Ich wollte das eine<br />

Gesetz finden, das alles <strong>Leben</strong> regiert. Und ich fand<br />

die Angst...“ Seite 144 „Wie Sarath gesagt hätte,<br />

hatte sie Venus im Kopf gehabt, als sie Jupiter im<br />

Kopf hätte haben sollen.“ Seite 153 „Amerikanische<br />

Filme, englische Bücher – wisst ihr noch, wie sie<br />

immer enden?“ hatte er gefragt. „Der Amerikaner<br />

o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Englän<strong>der</strong> besteigt ein Flugzeug <strong>und</strong> reist<br />

ab. Und das war´s. Die Kamera verschwindet mit<br />

ihm. (... ) <strong>Das</strong> genügt dem Westen an Wirklichkeit.<br />

Wahrscheinlich ist das die Geschichte <strong>der</strong> letzten<br />

zweihun<strong>der</strong>t Jahre politischen Denkens im Westen.<br />

Nach Hause fahren. Ein Buch schreiben. Sich wie<strong>der</strong><br />

in den Kreislauf einfügen.“ Seite 298 ff „Die<br />

<strong>Leben</strong>swirklichkeit wurde einem abstrakten<br />

Gedanken gegenübergestellt.“ (xx Seite)<br />

In <strong>der</strong> Hotelbibliothek stoße ich auf Robert Clark „<strong>Das</strong><br />

Verbrechen des Mr. White“, <strong>der</strong> mich mit folgenden<br />

F<strong>und</strong>stellen bereichert: „Sein Herz war ein Stein des<br />

20


Schreckens, den er schwer vor sich her trug; hier in<br />

diesem Korridor spürte er die Abwärtsbewegung <strong>der</strong><br />

Welt, hörte er ihren flackernden Atem <strong>und</strong> fühlte das<br />

Gewicht ihres unerbittlich herabsinkenden<br />

Schicksals.“ Seite 25 „Aber Wesleys Augen waren<br />

längst wie zwei schwarze Krähen aufgeflattert,<br />

blieben kurz in <strong>der</strong> Schwebe <strong>und</strong> ließen sich<br />

schließlich nie<strong>der</strong>, auf dem Boden an <strong>der</strong> Rückwand,<br />

auf den Schuhen.“ Seite 63 „Dann immer noch bevor<br />

ich es sah, hörte ich das Meer. Es klang ein wenig<br />

wie eine Lokomotive mit Wind vermischt - ...“ Seite<br />

164 „Sie wechselten sich dabei ab, sich gegenseitig<br />

zu verletzen, weil ihre Liebe so weit gediehen war,<br />

dass sie nicht mehr zu ertragen war, <strong>und</strong> nun<br />

enträtselten sie die Liebe gemeinsam, Faser für<br />

Faser.“ Seite 247 „White schien Maggies Gedanken<br />

verlassen zu haben, nur um seine Zelte in Wesleys<br />

Gedanken aufzuschlagen.“ Seite 282 „Die Rolladen<br />

waren noch heruntergelassen, <strong>und</strong> orangefarbenes<br />

Licht blutete durch seine Ritzen wie Rost, <strong>der</strong> sich<br />

auszubreiten beginnt.“ Seite 283 „Als sein<br />

Frühstückstablett kam, ließ er seine Stimme leise <strong>und</strong><br />

zaghaft wie eine verirrte Murmel durch den Schlitz<br />

am Fuß <strong>der</strong> Tür rollen <strong>und</strong> sagte: „Ich wüsste gern,<br />

welcher Tag heute wohl ist.“ Seite 293 „Sein Geist<br />

ebnete sich selbst ein, wie die Welt das, was einst<br />

seine Wohnstätte gewesen war, einebnete.“ Seite<br />

382<br />

In <strong>der</strong> hoteleigenen Strandbibliothek fällt mir Bret<br />

Eastons „American Psycho“ in die Hände. Soll das<br />

ein Buch sein? O<strong>der</strong> die Aufzählung von<br />

Markenamen: „ Zudem sind da vier Frauen am Tisch<br />

uns gegenüber – alle höchst attraktiv, blond,<br />

vollbusig: eine trägt ein Schürzenkleid aus<br />

doppelseitiger Wolle von Calvin Klein, eine an<strong>der</strong>e<br />

ein Strickkleid <strong>und</strong> eine mit Seidenfaille abgefütterte<br />

Jacke von Geoffry Beene, die nächste einen<br />

Faltenrock aus Tüll mit passendem besticktem<br />

Samtbustier von Christian Lacroix, glaube ich, dazu<br />

Stöckelschuhe von Sidonie Larizzi, <strong>und</strong> die letzte ein<br />

trägerloses Pailetten-Abendkleid unter einem<br />

körperbetonten Jackett aus Wollcrepe von Bill Blass.“<br />

Seite 63<br />

Geliehen von Franziska: „Als die Sonne sich in den<br />

weitgeöffneten Rachen des Ozeans senkte, ging <strong>der</strong><br />

21


Mond auf, gewaltig <strong>und</strong> wie handgemacht, das<br />

Spielzeug eines Riesen, aufgehängt am rostroten<br />

Abendhimmel.“ Seite 100 aus: „ <strong>Das</strong> Haus <strong>der</strong> blauen<br />

Mangos “ David Davidar.<br />

RUHE IM KASTEN.<br />

Mit Gunter, seinem Sohn Dorian <strong>und</strong> seiner erst vor<br />

kurzem in die Familie eingeheirateten Schwägerin<br />

machen wir einen Boots-Ausflug auf dem Madu<br />

Ganga. Schon nach wenigen Metern Flussfahrt<br />

umfängt uns palmolivgrüne Vegetation, so dicht <strong>und</strong><br />

<strong>und</strong>urchdringbar wie eine Wand. Durch dunkle<br />

Mangroventunnel finden wir einen Weg auf die<br />

riesige Seenplatte auf <strong>der</strong> kleine Inseln schweben wie<br />

Grünkohl im Swimmingpool. Auf einer davon führen<br />

vier Mönche <strong>und</strong> ein zahmes Reh ihr geruhsames<br />

<strong>Leben</strong>. Die Atmosphäre ist so ruhig <strong>und</strong> friedlich,<br />

dass mir keine Gedanken mehr durch die Synapsen<br />

eilen. Ruhe. Keine Wünsche, keine Ziele. Alles<br />

verweht ins Nichts. Wozu, wohin, weshalb, warum –<br />

alle W-Fragen haben sich selbst überholt.<br />

ERWECKUNG ZUM NICHTSTUN.<br />

Heute ist <strong>der</strong> erste Tag ganz ohne ayurvedische<br />

Anwendungen. Vor dem Frühstück überlege ich ob<br />

ich nach Galle im Süden <strong>der</strong> Insel fahren sollte. Um<br />

etwas mehr von Land <strong>und</strong> Leuten zu sehen, den Brief<br />

von Sonja bei Pushpa abgeben <strong>und</strong> mir noch weitere<br />

Ayurvedakliniken anschauen sollte. Mein<br />

Unternehmungsgeist wird dann allerdings ziemlich<br />

schnell besiegt von einem Geist, <strong>der</strong> sich schon seit<br />

Tagen auf Nichtstun spezialisiert hat. Ich verbringe<br />

den Tag liegend: im Wasser liegend, auf dem Bett,<br />

auf <strong>der</strong> Strandliege.<br />

TIME IS IN BETWEEN.<br />

Zeit ist ein interessantes Thema. Wir leben in einer<br />

Region mit vier Jahreszeiten. Die 365 Tage eines<br />

Jahres sind eine Art Ordnungskriterium für die<br />

Umdrehungen <strong>der</strong> Erde. Es werden also Drehungen<br />

gezählt. Eigendrehungen im Raum mit den<br />

Drehungen an<strong>der</strong>er Himmelskörper, wie Sonne <strong>und</strong><br />

Mond.<br />

22


<strong>Das</strong> riesige Planeten-Mobile am Himmel dreht sich in<br />

vollständiger Harmonie. Milliarden von Sonnen,<br />

Milliarden von Sonnensystemen. Alles dreht sich um<strong>und</strong><br />

gegeneinan<strong>der</strong>. In vollständiger Harmonie.<br />

Vielleicht hängen die Einzelteile unseres <strong>Leben</strong>s<br />

auch in Erfahrungskörpern, die zueinan<strong>der</strong> in<br />

gravitätischer Beziehung stehen. Und Zeit ist eine Art<br />

Bindungsenergie, die die Einzelteile zusammenhält.<br />

Die Bestandteile drehen sich <strong>und</strong> kombinieren die<br />

Prägungen, Vorlieben, Abneigungen in immer neuen<br />

Variationen. Permutationen <strong>der</strong> Ereignisse. Ein<br />

<strong>Leben</strong>sprozess ist dann am Ende, wenn die Anzahl<br />

möglicher Permutation durchlebt sind o<strong>der</strong> das<br />

Prinzip verstanden wurde.<br />

Irgendwie wie<strong>der</strong>holt sich doch alles. Wir betrachen<br />

es nur immer wie<strong>der</strong> neu. Von je<strong>der</strong> Seite. Immer<br />

wie<strong>der</strong>, bis sich alle Einzelteile zu einem Bild<br />

summieren.<br />

Der nachfolgende Text ist die zusammenfassende<br />

Reisebeschreibung einer Tour durch Indien, die ich<br />

im Jahr 1988 zusammen mit Sabine <strong>und</strong> Ole<br />

unternommen habe. Zur gleichen Jahreszeit wie jetzt.<br />

Also vor 15 Jahren.<br />

INDIEN RETOUR ODER WIE WIR FEUER FINGEN<br />

Unsere Fahrt durch Indien ist im Rückblick eine<br />

ReiSe mit sanftem S. Wir haben uns<br />

durchgeschlängelt in diesem fremden Land. <strong>Das</strong><br />

einem sofort unter die Haut fährt. Sanft <strong>und</strong><br />

elektrisierend. Ständige Reibung bringt stetige<br />

Häutung: Alte Haut löst sich, Verkrustungen fallen ab.<br />

Und etwas neues wird lebendig <strong>und</strong> wacht hitzig auf.<br />

PHÖNIX AUS ASCHE<br />

Erstes Ziel: ein Ashram. Auf freiem Feld in glühen<strong>der</strong><br />

Sonne. Der Mann: ein Avatar - ein Gott. Sein Name:<br />

Sai Baba. Wir betreten den Ort höchsten Friedens.<br />

Und wirklich - Erleichterung dringt in uns ein. Wir<br />

fühlen uns heimisch in Prashanti Nilayam.<br />

Der trennende Schleier - gewoben aus<br />

Wi<strong>der</strong>ständen, Vorsichten <strong>und</strong> Vorurteilen wird wie<br />

23


durch die Hitze eines geheimen, unsichtbaren Feuers<br />

angehoben. <strong>Das</strong> Angesicht Gottes ist so nah, doch<br />

jenseits unseres Verständnisses. "Wer mir nahe ist,<br />

ist nahe dem Feuer" sagt die Bibel <strong>und</strong> Sai Baba läßt<br />

mit einer Handbewegung Asche aus seiner Hand<br />

regnen.<br />

Als wir seinen Ashram am 10 Tag verlassen, grüßt er<br />

uns vom Rücksitz seines feuerroten Mercedes. Wir<br />

brennen.<br />

HEAVEN IS ON THE BACKSEAT OF MY CADILLAC<br />

Im Taxi nach Auroville. Bequemer Rücksitz.<br />

Schmiegsames Polster. Der Körper taut in den Geist.<br />

Bewegung kommt für einen Moment zum Stillstand.<br />

<strong>Das</strong> Feuer ist durchgesackt.<br />

Um 3 Uhr morgens erreichen wir das Hauptgate von<br />

Auroville. Vollmond. Der Himmel leuchtet.<br />

Rhythmisches Trommeln empfängt uns. Vollmond-<br />

Rituale, wie man uns am Frühstückstisch erklärt.<br />

Wir ruhen nur kurz in diesem himmlischen Garten.<br />

Ein fernes Summen: P-O-O-N-A dehnt sich ins Ohr.<br />

Wie ein warmer Hauch, von einem fernen Feuer<br />

sorgsam hinge-blasen.<br />

DER TOD EINES HANDLUNGSREISENDEN<br />

Osho´s Ashram. Durch die torlose Schranke führt uns<br />

<strong>der</strong> Weg in eine an<strong>der</strong>e Welt. Hier verdichtet sich<br />

alles auf dieser Reise bisher Gesehene. Ist<br />

professionell auf die Spitze getrieben. Die Flamme<br />

steht senkrecht still. Die Oberhaut verbrennt von<br />

innen. Und <strong>der</strong> Handelnde, <strong>der</strong> diese Reise <strong>und</strong> alle<br />

Reisen vorher in die Hand nahm, verlischt im Licht.<br />

Was ist innen, was bleibt außen, wer handelt? Die<br />

Grenzen weichen. Der Weg ist geebnet. Es darf<br />

passieren. Dieses Gewährenlassen ist ein Auflassen<br />

für die Erfahrung: "Was passiert, muß passieren."<br />

Am dritten Tag unseres Aufenthalts stirbt Osho. "He<br />

never was born. He never died. He only passed<br />

through" steht auf seinem Samadhi. Seine<br />

24


<strong>Leben</strong>sreise war ohne Anfang <strong>und</strong> ohne Ende. Er<br />

verläßt diese Erde durch die torlose Schranke.<br />

Und sein Körper brennt noch am gleichen Abend.<br />

<strong>Das</strong> Feuer nimmt sich Nahrung. Es bleibt Asche.<br />

Was stirbt in mir, ist die Vorstellung Handeln<strong>der</strong> zu<br />

sein. Die Reise ist zu Ende.<br />

GOOD BYE INDIEN - HELLO ......<br />

Bombay. Einen Tag vor unserem Abflug besuchen<br />

wir Ramesh Balsekar. Früher Bankdirektor - jetzt<br />

Heiliger. Seine Bilanz lautet: Es gibt nichts zu tun,<br />

außer es geschieht aus sich selbst heraus. Handlung<br />

geschieht unabhängig von <strong>der</strong> Vorstellung es gäbe<br />

einen Handelnden <strong>und</strong> dieser Handelnde sei man<br />

selbst.<br />

Eine ReiSe mit R<strong>und</strong>-S. Der Kreis schließt sich. Die<br />

Haut wurde uns über die Ohren gezogen, solange es<br />

uns noch gab. Good bye altes <strong>Leben</strong>. Was kommt<br />

jetzt?<br />

P.S. Willkommen, wer ein Löffelchen Asche will. <strong>Das</strong><br />

Feuer wird ihn leiten <strong>und</strong> heilen.<br />

AUSZUG AUS DEM PARADIES.<br />

Ich zitiere den obigen Text aus nostalgischen<br />

Gründen, aus Forscherdrang, aus biographischem<br />

Interesse. Auf <strong>der</strong> Suche nach Überschneidungen,<br />

nach Synchronizitäten, nach Analogien, nach<br />

Erkenntnis. Morgen werde ich dieses gastliche<br />

Urlaubsdorf verlassen mit dem Ziel: Indien,<br />

Bangalore, Puttaparthi, Sai Baba.<br />

Diese Zwischenwelt beherbergt eine Mischung aus<br />

allem, was schön ist in westlicher Anschauung von<br />

Urlaub. Eigentlich passt <strong>der</strong> englische Begriff<br />

vacation viel besser. Ist Urlaub nicht ein künstliches<br />

Vakuum, ein Zustand jenseits <strong>der</strong> Gegensätze? Ein<br />

Erlauben des Urzustandes, in dem die Welt als<br />

Einheit erlebt wurde. Paradiesisch, ganz <strong>und</strong> ohne<br />

Mangel.<br />

25


ON THE ROAD.<br />

Nur 50 Minuten Flugdauer, dann lande ich schon in<br />

Bangalore, Karnataka. Mit einem Taxi geht es nahtlos<br />

weiter. Für die 150 Straßenkilometer (5 Rupees pro<br />

Kilometer) in nördlicher Richtung nach Puttaparthi,<br />

B<strong>und</strong>esstaat Andhra Pradesh, braucht mein Fahrer<br />

Neelakanta inklusive kurzer Pause vier St<strong>und</strong>en.<br />

Ich fahre in einem alten Ambassador, meine indische<br />

Lieblingsautomarke. In <strong>der</strong> Form wie eine Schildkröte<br />

in high-heels, robust wie ein Jeep <strong>und</strong> langlebig wie<br />

ein Benz. Sechsspurige Stadtautobahnen leiten uns<br />

um Bangalore rum. Vor 15 Jahren war die<br />

Infrastruktur viel bescheidener. Inzwischen ist<br />

Bangalore die Boomtown <strong>der</strong> indischen<br />

Computerindustrie. Eine Fünf-Millionen Metropole mit<br />

allen westlichen Luxus-Errungenschaften<br />

ausgestattet. Die lasse ich schnell hinter mir, ohne<br />

sie mir anzuschauen.<br />

Die Strecke verläuft stur geradeaus durch eine felsige<br />

Landschaft. Die Sonne glüht. Wir biegen ab <strong>und</strong><br />

folgen einer gew<strong>und</strong>enen Landstraße durch staubige<br />

Dörfer, durch Ziegenherden, um heilige Kühe herum<br />

<strong>und</strong> an hungernden Eseln vorbei. Kläffende,<br />

ausgemergelte Dorfköter folgen dem Taxi. Hier hat<br />

sich nichts geän<strong>der</strong>t. Indien pur. Ich erinnere mich<br />

gut. Zum Sonnenuntergang erreichen wir Puttaparthi.<br />

Der Ort ist allerdings enorm gewachsen. Eigener<br />

Flughafen mit wöchentlichen Verbindungen nach<br />

Madras, Bombay <strong>und</strong> Frankfurt, Krankhäusern,<br />

Museum, Schulen, Universität, Sportarena <strong>und</strong><br />

großen Appartementanlagen. Auch <strong>der</strong> Ashram<br />

„Prasanthi Nilayam“ (<strong>der</strong> Ort höchsten Friedens)<br />

wurde weiter ausgebaut. Mit Supermärkten,<br />

Kantinen, Bank, Reisebüro, riesigen Schlafsälen für<br />

mehrere hun<strong>der</strong>t Menschen <strong>und</strong> neuen Appartements<br />

ist er eine autarke Siedlung.<br />

26


Außerhalb <strong>der</strong> Ashram-Anlage warten Bettler,<br />

Geldwechsler, Almosenjäger, Krüppel,<br />

Devotionalienhändler, Riksha-Fahrer,<br />

Blumengirlanden-Verkäufer, Obsthändler, Hotel-<br />

Agenten, Wasserverkäufer <strong>und</strong> eine Vielzahl an<strong>der</strong>er<br />

Anbieter auf K<strong>und</strong>schaft. Fast so als würden sie den<br />

Ashram belagern.<br />

Blumenverkäfuferinnen direkt vor dem<br />

Ashrameingang.<br />

27


Direkt am Ashram-Zaun reihen sich die Obstverkäufer.<br />

Devotionalien werden überall gehandelt.<br />

28


Vor zwei Jahren, zu Sai Babas 75igsten Geburtstag,<br />

wurden hier 5 Millionen Gäste aus aller Welt<br />

beherbergt. Ich schlafe in einem Hotel außerhalb des<br />

Ashrams. Wie üblich, ist alles etwas schmuddelig <strong>und</strong><br />

laut. Nach <strong>der</strong> perfekten Hotel-Anlage auf Sri Lanka<br />

muss ich mich erstmal auf den ortsüblichen Standard<br />

einstellen. Drei In<strong>der</strong> bringen mich auf mein Zimmer.<br />

Der eine trägt meinen Tagesrucksack, <strong>der</strong> zweite<br />

trägt mein Handgepäck <strong>und</strong> <strong>der</strong> dritte erklärt mir<br />

Wasserhahn <strong>und</strong> Stromanschlüsse. Und je<strong>der</strong> will ein<br />

Trinkgeld.<br />

Eine Mischung aus feinem Staub, heisser Sonne,<br />

rußigen Abgasen, Schweiss <strong>und</strong> Krach überzieht<br />

alles <strong>und</strong> jeden. In <strong>der</strong> Straße <strong>und</strong> in den Räumen.<br />

Der Kampf dagegen ist nur mit stoischer Ruhe zu<br />

gewinnen.<br />

WUNDER IM HANDUMDREHEN.<br />

Sai Baba ist ein indischer Heiliger, ein Guru, ein<br />

Avatar. Vor 18 Jahren habe ich zum ersten Mal von<br />

ihm gehört. Von seinen Wun<strong>der</strong>n. Er materialisiert<br />

Gegenstände aus dem Nichts <strong>und</strong> heilige Asche im<br />

Handumdrehen. Und das sagt er über sich selbst:<br />

„SA means Divine. AI or AYI means Mother and<br />

Father. I am the Sai Baba of Shirdi come again. This<br />

is a human Form worn by the ONE DIVINE<br />

PRINCIPLE that manifests Itself as all the God-Forms<br />

adored by man. All your prayers and offerings come<br />

to Me. I am the One God who answers the prayers<br />

and offerings come to Me. I am the One God who<br />

answers the prayers that rise in human hearts in all<br />

lands addressed to all Forms of the Deity. I am the<br />

charioteer guiding every being to the goal. I am Shiva<br />

Shakti. I am the embodiment of all Forms that men<br />

have imposed on Godhead in or<strong>der</strong> to cherish It in<br />

their hearts. I have no name. All names are mine. All<br />

places are mine. I shall respond to whatever Name<br />

you call Me by. I am the propeller in every heart. My<br />

WORD must prevail. Everything is My Leela. Every<br />

Leela of mine has significance. I am the Witness of<br />

time and space. My power is immeasurable. My Truth<br />

is inexplicable, unfathomable. The Sai Principle, the<br />

29


Sai Divinity can never be affected by any slan<strong>der</strong>. Its<br />

progress can never be halted.“ Seite 105 aus: „ Sai<br />

Gayathri (Totality of Freedom in Discipline and<br />

beyond ) Volume IV“ Devdas Baboo Menon<br />

Gott läßt ganze Planetensysteme entstehen <strong>und</strong><br />

vergehen. Da ist ein kleines Aschewun<strong>der</strong> nur eine<br />

Art Visitenkarte.<br />

Reinkarnation gehört zum Glaubenssystem des<br />

Ostens. Selbst Götter reinkarnieren sich. Die<br />

allerdings sehr bewußt, gezielt <strong>und</strong> nicht zufällig <strong>und</strong><br />

unwillkürlich, ohne Erinnerung an Herkunft <strong>und</strong><br />

Zusammenhänge, wie das Menschen tun.<br />

„Sri Sathya Sai Baba has revealed that he is not only<br />

the reincarnation of Lord Rama, Lord Krishna, Shiva<br />

and Parvati, combined, but he is all gods and<br />

goddesses rolled into one.“ Seite 95, aus: The Sai<br />

Trinity , Dr. Satya Pal Ruhela.<br />

Sai Baba - eine All-Inclusive-Lösung, <strong>der</strong> Gott <strong>der</strong><br />

Götter? Also eine ziemlich hohe Adresse. Hier auf<br />

Erden.<br />

Mitten in Indien, mitten auf dem Land begegne ich<br />

dem ....<br />

„(...) it was I who had sent Christ to the World (...)“<br />

Seite 87 ebda.<br />

....., <strong>der</strong> den Gottes Sohn geschickt hat. Was gibt es<br />

interessanteres?<br />

30


CHECK IN TO ANOTHER WORLD.<br />

Heute morgen hatte ich meinen ersten Darshan<br />

(Segnung durch einen Heiligen, hier durch Sai Baba)<br />

in <strong>der</strong> „Sai Kulwant“ Halle. Um 7 Uhr morgens ist<br />

Einlass. Schon seit 4 Uhr stehen die ersten in <strong>der</strong><br />

Schlange, um einen <strong>der</strong> vor<strong>der</strong>en Plätze zu ergattern.<br />

Die Halle füllt sich unter strengen<br />

Sicherheitsmaßnahmen mit 20.000 Menschen. <strong>Das</strong><br />

Tor zum Paradies bilden hier die auf Flughäfen<br />

üblichen Metalldetektoren, an dem je<strong>der</strong> einzelne<br />

gecheckt wird. Bis auf den letzten Platz füllt sich alles<br />

mit Menschen aus aller Welt, aus allen Bereichen des<br />

<strong>Leben</strong>s <strong>und</strong> jeden Alters. Auf den ersten Blick<br />

31


überwiegen ältere Jahrgänge. Beson<strong>der</strong>s unter den<br />

In<strong>der</strong>n. In <strong>der</strong> indischen <strong>Leben</strong>splanung gehört es<br />

dazu, seinen <strong>Leben</strong>sabend dem Göttlichen <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

Selbsterkenntnis zu widmen.<br />

Ich schätze 95% <strong>der</strong> Besucher kommen aus Indien.<br />

Tamilen, Drawiden, Rajputen, Keraler - soweit ich die<br />

unterschiedlichen Volksgruppen erkennen kann.<br />

Angehörige <strong>der</strong> verschiedenen<br />

Glaubensgemeinschaften kann ich besser zuordnen.<br />

Da sind die reisenden Sadhus in ihren leuchtend<br />

orangen Roben, Rishis, Yogis - die Stirn dick mit<br />

Kumkum, Sandelholzpaste <strong>und</strong> Vibhuti bedeckt,<br />

Mönchsorden mit ihren Schülern, Parsen aus<br />

Bombay, Krishna-Jünger mit einer einzigen<br />

Haarlocke am Hinterkopf, Sikhs, die sich noch nie im<br />

<strong>Leben</strong> ihre Haare geschnitten haben, Jains, die das<br />

Sprichwort für Gewaltlosigkeit „keiner Fliege etwas zu<br />

Leide zu tun“ wörtlich nehmen <strong>und</strong> zum Teil noch<br />

nicht mal Pflanzen essen, weil beim Ernten Insekten<br />

verletzt werden könnten, verschleierte Muslim-<br />

Frauen.<br />

Ausgemergelte Bauern in zerrissenen Dothis,<br />

westlich gekleidete In<strong>der</strong> aus Großstädten wie<br />

Mumbau, Madras o<strong>der</strong> Kalkutta mit ihren verwöhnten<br />

Söhnen <strong>und</strong> Westler aus Europa, Amerika, Russland,<br />

Südamerika, Asiaten - Japaner mit M<strong>und</strong>schutz<br />

gegen den Staub, arabische Sheiks in weissen<br />

Djeballas, Rastafaris mit Dreadlocks, Tibeter - Alt-<br />

Hippies mit bunter Kin<strong>der</strong>schar, Gebrechliche <strong>und</strong><br />

Rollstuhlfahrer – die ganze Vielfalt an <strong>Leben</strong>sformen<br />

<strong>und</strong> <strong>Leben</strong>sstilen, Rassen <strong>und</strong> Glaubensrichtungen<br />

ist hier vereint. Getreu dem Konzept: Alle Religionen<br />

beten den gleichen Gott an. Alle Glaubensrichtungen<br />

sind auf ein geeintes Ziel ausgerichtet. Kein Gr<strong>und</strong><br />

für Glaubensstreitigkeiten.<br />

ECHTE UNGEBUNDENHEIT.<br />

Um 8 Uhr wird Sai Baba in einem mit Tulasi- <strong>und</strong><br />

Jasmin-Girlanden geschmückten Maruti Suzuki (alle<br />

seine Fahrzeuge sind rot, sein Mercedes, sein<br />

Cadilliac) langsam in die Halle gefahren. In diesem<br />

Moment werden alle Kristallleuchter angeschaltet <strong>und</strong><br />

die Pandits beginnen mit vedischen Gesängen, die<br />

von dutzenden Deckenlautsprechern übertragen<br />

32


werden. Mir wird heiss <strong>und</strong> die Tränen schiessen mir<br />

in die Augen. Ich bin tief berührt. Und freue mich über<br />

das Wie<strong>der</strong>sehen mit einem alten Fre<strong>und</strong>.<br />

Sai Baba ist mittlerweile 77 (geboren am 23.11.1926)<br />

<strong>und</strong> sichtbar gebrechlich. Er wird von einem Devotee<br />

gestützt. Wird er sein selbstprophezeites Alter<br />

erreichen?<br />

„The Baba has declared that he would live to the ripe<br />

age of 96 years, i.e. till 2022 A.D.“ Seite 88 a.a.O.<br />

Erst später erfahre ich, dass er vor kurzem einen<br />

Unfall mit Becken- <strong>und</strong> Hüftgelenkbruch hatte. Daher<br />

erklärt sich sein gebrechliches Aussehen.<br />

„Die Devotees (Anhänger) sorgen sich darüber, dass<br />

ein Bruch des Hüftknochens gewaltigen Schmerz<br />

verursachen könnte. Nicht nur die Hüfte, lasst jeden<br />

beliebigen Knochen in diesem Körper brechen, ich<br />

bin dennoch frei von Schmerz. Diejenigen, die sich<br />

ständig mit ihrem Körper verbinden, erfahren<br />

Schmerz. Da ich überhaupt nicht an meinen Körper<br />

geb<strong>und</strong>en bin, empfinde ich keinen Schmerz.“ Aus:<br />

Ansprache Sathya Sai Babas am 5.7.2003 zum<br />

Ärtzetag, Manuskript-Seite 3.<br />

Unvorstellbar. Mich plagen immer wie<strong>der</strong><br />

Rückenschmerzen. Und <strong>der</strong> Schmerz scheint mich<br />

erbarmungslos an meinen Körper zu binden. Von<br />

Ungeb<strong>und</strong>enheit keine Spur. Ich <strong>und</strong> mein Körper<br />

sind eins. Und er spricht in Schmerzen zu mir. Wie<br />

löse ich mich aus <strong>der</strong> Schmerz-Zange?<br />

EINE SEELE AUF WANDERSCHAFT.<br />

Beim Sterben löst man sich so nachhaltig von seinem<br />

Körper, dass <strong>der</strong> kein Interesse zeigt am<br />

Weiterleben. Wie ist das, wenn man "überhaupt nicht<br />

an seinen Körper geb<strong>und</strong>en" ist? Wie lebt <strong>der</strong> Körper<br />

<strong>und</strong> wo lebt das Ich-Empfinden? Da stellen sich doch<br />

jede Menge praktische Fragen. Wer ernährt den<br />

Körper, wenn <strong>der</strong> Eigentümer sich nicht mehr<br />

zuständig fühlt? Fühlt man den Körper? Ist mit dem<br />

"Sterben zu Lebzeiten" eine Loslösung vom Körper<br />

gemeint? Wie wird dann die Verbindung zum Körper<br />

aufrechterhalten? Welches Interesse bindet die Seele<br />

33


dann noch an den Körper? Welche Motivation regt zu<br />

Handlungen an?<br />

Der Kern vedischer Lehren konzentriert sich auf die<br />

Abkehr vom körperlich weltlichen <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

Hinwendung zum ewig Göttlichen im<br />

Transzendentalen. Wenn man in die Lehre einsteigt,<br />

begegnet einem eine höchst anspruchsvolle <strong>und</strong><br />

detaillierte Philosophie, die sich auf uralte vedische<br />

Gesänge stützt. Eine Lehre, die jenseits religiöser<br />

Konfessionen angesiedelt ist <strong>und</strong> für sich ein<br />

Ursprungswissen beansprucht, das fähig ist jede Art<br />

von religiöser Anschauung zu integrieren. Egal, ob<br />

Islam, Christentum o<strong>der</strong> Hinduismus – alle Religionen<br />

finden ihren gemeinsamen Nenner in den Veden.<br />

Dies lehrt Sathya Sai Baba in einer<br />

panphilosophischen Anschauung, die komplex <strong>und</strong><br />

zugleich ganz simpel ist. Auf eine Aussage reduziert<br />

lautet sie: Liebe Gott, liebe die Menschheit.<br />

Nach eigener Aussage war Sai Baba bereits in einer<br />

an<strong>der</strong>en Inkarnation auf Erden <strong>und</strong> wird nach seinem<br />

<strong>Tod</strong> erneut inkarnieren. Die Umstände seiner<br />

nächsten Inkarnation, seine Eltern, <strong>der</strong> Geburtsort,<br />

sein Aussehen – alle Details wurden bereits<br />

kommuniziert.<br />

„(...) three incarnations of Sai Baba – Sri Shirdi Sai<br />

Baba, Sri Sathya Sai Baba and the future incarnation<br />

of Sri Prema Sai Baba. These three Sai Babas,<br />

working within a timespan of about 270 years, from<br />

the early nineteenth century to the early twentysecond<br />

century, will be fulfilling their unique great<br />

Avataric role of unifying, integrating, spiritualizing,<br />

enlightening, transforming and elevating man to the<br />

level of super-conscious man, to the level of Divinity<br />

or God (...)“ aus dem Vorwort Satya Pal Ruhela<br />

a.a.O.<br />

34


Eine volkstümliche Darstellung, die Sai Baba in seiner<br />

Inkarnationsreihe zeigt von Krishna, Shirdi Baba bis<br />

zur aktuellen Inkarnation Sai Baba.<br />

Die Seele wan<strong>der</strong>t auf dem Zeitstrahl immer weiter<br />

<strong>und</strong> bewohnt für die Dauer eines <strong>Leben</strong>s einen<br />

Körper. Der <strong>Tod</strong> ist also nur ein Umzug, ein Wechsel<br />

von einem Körper zum nächsten. Damit ist <strong>der</strong><br />

Körper wie so eine Puppe, ein Träger, ein Gefährt für<br />

die Seele.<br />

<strong>Das</strong> alles ist für den westlich sozialisierten Menschen<br />

schlicht unvorstellbar. Es beinhaltet eine solche Fülle<br />

gewöhnungsbedürftiger Gedankengänge, die man<br />

erst einmal durchlaufen muss. Wenn man nicht schon<br />

vorher an seinen Wi<strong>der</strong>ständen scheitert.<br />

35


GEHT DAS DENN MIT RECHTEN DINGEN ZU?<br />

Dabei hatte ich über diese Details noch gar nichts<br />

berichtet während meiner Tisch- <strong>und</strong> Bar-Gespräche<br />

im Club Bentota. Allein meine Absicht, einen<br />

indischen Ashram zu besuchen, ist bei meinen Mit-<br />

Urlaubern auf Unverständnis gestoßen. In einer<br />

Hotelanlage für Pauschalurlauber sind eben auch die<br />

Weltanschauungen pauschal. Die will man nicht in<br />

Frage stellen. Schon gar nicht im Urlaub.<br />

Eine Urlaubsanlage ist immer eine Verlängerung des<br />

westlichen <strong>Leben</strong>s, eine deutsche Exklave unter<br />

tropischer Sonne. Abgeson<strong>der</strong>t von <strong>der</strong> Kultur des<br />

Landes <strong>und</strong> gesichert vor fremden, bedrohlichen<br />

Weltanschauungen.<br />

Unser westliches <strong>Leben</strong> ist mit Dingen gefüllt. <strong>Das</strong><br />

indische <strong>Leben</strong> ist mit Nicht-Dingen gefüllt. Mit <strong>der</strong><br />

Abwesenheit von Dingen. Und diese Leere ist gefüllt<br />

mit 330.000 Göttern.<br />

„Für Außenstehende ist es nur sehr schwer<br />

nachvollziehbar, dass die Götter im Hinduismus,<br />

ebenso wie die Menschen, zahlreiche<br />

Reinkarnationen durchlaufen, die dann wie<strong>der</strong>um als<br />

eigenständige Gottheiten verehrt werden. Hinzu<br />

kommt, dass viele von ihnen heiraten <strong>und</strong> Kin<strong>der</strong><br />

bekommen, welche dann ebenfalls Aufnahme in den<br />

hinduistischen Pantheon finden.“ Seite 146 aus:<br />

„ Indien, <strong>der</strong> Süden. Reise Knowhow “, Martin <strong>und</strong><br />

Thomas Barkemeier.<br />

In Indien folgt das <strong>Leben</strong> strengen religiösen<br />

Vorschriften, Regeln <strong>und</strong> Riten. Und ist auf die<br />

Überwindung des Irdischen ausgerichtet. Die Götter<br />

geben dabei Orientierung <strong>und</strong> Unterstützung. Was ist<br />

dran? Kann ich mich damit anfre<strong>und</strong>en?<br />

Ich bin guter Dinge. Und die schlechten lösen sich<br />

auf zu Nicht-Dingen. Und machen Platz für die<br />

rechten Dinge.<br />

36


BEI GOTT ZUHAUSE.<br />

Ein Ashram ist das Gegen-Bild (besser: <strong>der</strong> Gegen-<br />

Stand) zu einer Hotelanlage. Nur mit<br />

entgegengesetzten Merkmalen: bescheidene Kantine<br />

statt umfangreiches Büffett, Darshan eines Heiligen<br />

statt Swimming-Pool, Schlafsaal statt<br />

Einzelbungalow, anstehen statt komfortable<br />

Tischbedienung.<br />

Dafür lebt in dieser Anlage Herr Gott:<br />

„Wenn dich jemand fragt, wo Gott ist, mache keine<br />

Ausflüchte mit Erklärungen an die du nicht glaubst,<br />

wie etwa: Er ist überall. Schicke ihn nach<br />

Puttaparthi.“ Sathya Sai Baba, aus: „Die Girlande aus<br />

108 Edelsteinen, Name 58 “<br />

Und Gott zeichnet sich aus durch Allwissenheit,<br />

Allmacht <strong>und</strong> Allgegenwärtigkeit:<br />

„Sai knows all about all, everywhere, at all times. You<br />

may pray to Jesus, Allah or to any other God of your<br />

choice, but remember, it is Me who punishes and<br />

rewards everyone according to his thoughts, words<br />

and deeds. I am God Almighty, omnipotent,<br />

omnipresent, omniscient, Lord of Lords and King of<br />

Kings. There is no other God in the universe except<br />

Me – the Lord. Sai has come to repair the Ancient<br />

Highway that leads man towards God. Seite XII aus:<br />

„ God lives in Prashanti Nilayam “<br />

Eigentlich ist klar, das dieser Umfang an Machtfülle<br />

nicht in einem menschlichen Körper zu erfüllen ist.<br />

Dafür braucht man einen ganz an<strong>der</strong>en Körper, einen<br />

göttlichen Körper. Und diesen göttlichen Sai Baba<br />

Körper beschreibt die In<strong>der</strong>in Vasantha Sai aus einer<br />

visionären Erfahrung:<br />

„Wherever I turned I fo<strong>und</strong> legs and hands of Swami<br />

(Sai Baba). I could not see fully because it expanded<br />

in all directions. I fo<strong>und</strong> Swamis eyes in all<br />

directions. All His eyes were looking towards all<br />

events in the world, created by Bhagavan. He hears<br />

all so<strong>und</strong>s in the unverse without changing anything.<br />

At all places His legs and hands are there. He has<br />

37


surro<strong>und</strong>ed all places. Swami told me: „Everything is<br />

expanding in all directions, in all places. I reside in<br />

your heart because it gives Me much pleasure. That<br />

is my lovable place. I am everywhere, (...) I am<br />

Sarvavyapi (all pervading). (...) I am at all places in<br />

the world.“ (...) I had another Vishwaroop darshan<br />

while I was in meditation. Swami gradually grew to<br />

very big height between earth and sky. He had very<br />

big mouth. Many people were crushed therein. It was<br />

a very fearful figure. But I worshipped Him without<br />

fear. Swami told me: „You see my figure. All the<br />

rivers in the universe are my nerves. All the rivers are<br />

running in Me and mountains and hills are on My<br />

head. Rishis are there on the one side. Yakshas are<br />

on the other side. There are 84 lakh (8.400.000)<br />

kinds of creatures. You see men, animals, birds, etc.<br />

My one eye represents sun, and the other eye moon.<br />

Agni (Fire) is there in My middle (third) eye. Both<br />

Devas and Rishis are praying Me. I am kaal (time). I<br />

am the creator and destroyer, but men think that they<br />

are doing everything and making others do all those<br />

things. I am responsible for the entire world. There is<br />

no beginning or end. I am bottomless time.“ Seite 16,<br />

aus: “ Reincarnation of Radha as Vasantha Sai .“<br />

Interview mit Dr. S.P. Rukela<br />

Gemessen an dieser umfassenden Form ist die<br />

Körperform des Menschen unerheblich. Es ist<br />

nachvollziehbar, dass die körperliche<br />

Wahrnehmungsperspektive die erweiterte Form<br />

blockiert. Der eigene Körper in Abgrenzung zu<br />

an<strong>der</strong>en Körpern gedacht, verhin<strong>der</strong>t die<br />

umfassen<strong>der</strong>e Wahrnehmung des allgegenwärtigen<br />

Brahman. Den kann man nicht mit seinen sterblichen<br />

Augen sehen.<br />

DAS WÜRFEL-KOAN.<br />

Als Einzelreisen<strong>der</strong> steht mir im Ashram nur <strong>der</strong><br />

Schlafsaal zur Verfügung. 20 Rupees (umgerechnet<br />

20 cents) die Nacht, sagt mir <strong>der</strong> In<strong>der</strong> im<br />

Registrierungs-Office. Während er weiterdreht an<br />

seinem „Rubrik´s Cube“.<br />

Für mich ist diese Szene ein gespielter Koan, <strong>der</strong><br />

mich auf den Tag genau 20 Jahre zurückversetzt in<br />

das Jahr 1983. Als ich von meiner ersten Indienreise<br />

38


zurückgekehrt bin. Eine traumatische Reise durchs<br />

heisse Rajasthan. Auf dem Höhepunkt jener Reise<br />

hatte ich einem Shiva-Yogi auf dem heiligen Berg<br />

Mount Abu genau so einen „Rubrik´s Cube“<br />

geschenkt. Als kleine Denksportaufgabe <strong>und</strong> Test,<br />

<strong>der</strong> mir zeigen sollte ob er erleuchtet ist. Nach meiner<br />

damaligen Vorstellung musste ein Erleuchteter so<br />

etwas im "Handumdrehen" lösen können. Konnte er<br />

nicht. Der Würfel war ihm genauso rätselhaft wie mir.<br />

Über die Würfel verknüpfen sich auch die Ereignisse.<br />

Ich achte auf Synchronizitäten, Wie<strong>der</strong>holungen, aus<br />

denen sich am Rand des <strong>Leben</strong>s <strong>und</strong> zwischendurch<br />

ein erweitertes Gesamtbild ergeben. Überhaupt<br />

denke ich, dass das wichtige im <strong>Leben</strong> in den<br />

Zwischenräumen, in den Lücken, in den<br />

Überlappungen zu finden ist. Und nicht im<br />

Offensichtlichen, in unseren Vorstellungen <strong>und</strong><br />

Bedürfnissen nach Sicherheit <strong>und</strong> Überschaubarkeit.<br />

Für einen Schlafsaal ohne jeden Komfort bin ich<br />

einfach zu bequem. Ich bleibe im KOTA SATYAM<br />

HOTEL gegenüber vom Main Gate, dem Ganesh<br />

Gate, dem einzigen Eingang zum Ashram. Mit Balkon<br />

<strong>und</strong> Blick auf die gesamte Ashramanlage. Und warte<br />

wie die Würfel als nächstes fallen.<br />

39


Hauptstraße vor dem Ashram mit Geschäften <strong>und</strong> dem<br />

fünfstöckigen Hotel Kota Satyam.<br />

Blick auf den Eingang in den Ashram. Vom Hotel Kota<br />

Satyam aus gesichtet.<br />

40


SICHER IM KASTEN.<br />

Mike ist in Indien mit dem Fahrrad unterwegs. <strong>Das</strong><br />

allerdings ist auf einer Zugfahrt abhanden<br />

gekommen. Verschluckt vom Chaos, <strong>der</strong> Bürokratie<br />

o<strong>der</strong> von seinem Karma. Er ist zum ersten Mal hier in<br />

Puttaparthi <strong>und</strong> ist auf Empfehlung einer<br />

Reisebekanntschaft gekommen. Er findet den<br />

Ashram ziemlich "strange" <strong>und</strong> zugleich interessant.<br />

Und verlängert seinen Aufenthalt von Tag zu Tag.<br />

"Keiner verlässt diesen Ort, ohne dass <strong>der</strong> Gastgeber<br />

es will," sage ich scherzhaft <strong>und</strong> denke dabei an<br />

einen Film, den ich mal vor vielen Jahren gesehen<br />

habe. Wo die Gäste das Haus nicht verlassen<br />

können. Weil ein Bann den Ausgang sperrt.<br />

Mike erzählt von einem Gespräch mit einem In<strong>der</strong>,<br />

den er fragte, ob er Kin<strong>der</strong> habe. „Yes, two sons“ war<br />

die stolze Antwort. Erst im weiteren Gespräch stellte<br />

sich heraus, dass er auch noch vier Töchter hat. In<br />

Indien zählen die Söhne. Töchter werden als Ballast<br />

angesehen. So mutmaße ich wenigstens. Und<br />

F<strong>und</strong>stellen in <strong>der</strong> Literatur geben mir recht:<br />

„In Chevathar wurde die Geburt eines Sohnes mit<br />

dem Kuruvai begrüßt, einem langgezogenen,<br />

wehklagenden Schrei, <strong>der</strong> sich den Kehlen von<br />

Tanten <strong>und</strong> Schwestern entrang. Er erinnert an einen<br />

Klagegesang, ist jedoch tatsächlich Ausdruck<br />

überwältigen<strong>der</strong> Freude. Gesegnet war die Mutter,<br />

die einen Sohn zur Welt brachte. Gesegnet war die<br />

Familie, in die ein Sohn hineingeboren wurde. Er<br />

würde die Familie vergrößern, den Haushalt um die<br />

Mitgift seiner zukünftigen Frau bereichern, das Glück<br />

<strong>und</strong> den Segen <strong>der</strong> Götter anziehen. Ein Mädchen<br />

an<strong>der</strong>erseits wurde mit nie<strong>der</strong>geschlagenen<br />

Gesichtern begrüßt. Ein Mädchen bedeutete nichts<br />

als Leid. Ein weiterer unproduktiver Esser, den man<br />

satt bekommen musste <strong>und</strong> <strong>der</strong> hohe Kosten für die<br />

Familie verursachen würde: die Mitgift, die Hochzeit,<br />

die endlosen For<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Schwiegereltern, die<br />

den Eltern des Mädchens einen Gefallen taten,<br />

indem sie sie von <strong>der</strong> Sorge um die Tochter<br />

befreiten.“ Seite 49 aus: „ <strong>Das</strong> Haus <strong>der</strong> blauen<br />

Mangos “ David Davidar.<br />

41


Die beiden Geschlechter sind unüberwindbare<br />

Kastengrenzen. Von Gleichstellung keine Spur.<br />

Darüberhinaus regelt das klassische indische<br />

Kastenwesen die gesellschaftliche Zugehörigkeit in<br />

vier unüberwindbare Hauptgruppen: die Brahmanen ,<br />

die Kshatriyas (Krieger <strong>und</strong> Adel), die Vaishyas<br />

(Bauern, Viehzüchter, Händler) <strong>und</strong> die Shudras<br />

(Handwerker, Tagelöhner). Darauf fußt ein<br />

ausdifferentiertes soziales System von mehr als<br />

3.000 Unterkasten.<br />

<strong>Das</strong> hat natürlich den Vorteil, dass je<strong>der</strong> eine formale<br />

Orientierung hat im <strong>Leben</strong>. Im Westen beobachtet<br />

man angesichts <strong>der</strong> unendlichen Möglichkeiten einer<br />

schrankenlosen Gesellschaft einen zunehmenden<br />

Gestaltungsdruck. Je<strong>der</strong> hat alle Möglichkeiten aus<br />

seinem <strong>Leben</strong> alles zu machen. Aber was?<br />

Grenzenlosigkeit braucht Orientierung.<br />

Von <strong>der</strong> philosophischen Ausrichtung geht es um die<br />

Überwindung des Körperlichen. <strong>Das</strong> stürzt den<br />

Westler zunächst in Ratlosigkeit. In unserer<br />

Anschauung ist doch alles auf den Körper fixiert.<br />

Schönheit, Jugend, Ges<strong>und</strong>heit, Erfolg, Image. Wie<br />

kann man das Körperdenken zu Lebzeiten<br />

überwinden? Was bleibt, wenn die Anhaftung an den<br />

Körper überw<strong>und</strong>en wird? Und vor allem, wenn <strong>der</strong><br />

Körper überw<strong>und</strong>en ist, was gibt dann noch Halt?<br />

Stehen wir dann ganz grenzenlos in einer<br />

gesellschaftlichen Grenzenlosigkeit?<br />

MEIN GOTT, ENORM IN FORM.<br />

Als mein damaliger Schwager 1987 von seiner<br />

Indientour, auf <strong>der</strong> er auch Puttaparthi besuchte,<br />

zurückkam, erzählte er, dass sich Sai Baba in alle<br />

Richtungen gleichzeitig zu bewegen scheint. Darüber<br />

hatte ich damals lange nachgedacht, wie das sein<br />

kann.<br />

Die Auflösung kam in einem Traum. Ich sah ein<br />

Wesen mit vier Löwenköpfen, die jeweils in eine<br />

Himmelsrichtung blickten. Dabei bewegte es sich in<br />

jede Richtung gleichzeitig. Ich habe es gesehen,<br />

42


ohne zu verstehen. So wie man komplizierte<br />

Tanzschritte auch nicht versteht. O<strong>der</strong> wer versteht<br />

schon den Moonwalk von Michael Jackson?<br />

In <strong>der</strong> Grenzenlosigkeit bewegt man sich in jede<br />

Richtung gleichzeitig. Ende <strong>der</strong> linearen<br />

Bewegungsmuster von A nach B.<br />

Aber bevor es soweit ist, müssen verbindliche Werte<br />

für Orientierung sorgen. Dafür setzt sich Sai Baba<br />

unübersehbar ein.<br />

HEARTLINES STATT HEADLINES.<br />

Am Straßenrand ist eine "Anzeigenkampagne" fest<br />

installiert. Verfasst in allen lebendigen Sprachen <strong>der</strong><br />

Welt. Zielgruppe: die Menschheit. Zielsetzung:<br />

Erleuchtung, Erkenntnis, Integration verschiedener<br />

Glaubensrichtungen.<br />

Einige Beispiele: „Love lives by giving and forgiving.<br />

Self lives by getting and forgetting.“ „Geld kommt <strong>und</strong><br />

geht. Moral kommt <strong>und</strong> wächst.“ „Every religion is a<br />

43


lamp that illuminites the path of truth.“ „Pleasure is an<br />

interval between two pains.“ „Serve whom you love,<br />

love whom you serve.“ „Desire plus life is man. Life<br />

minus desire is God.“ SAI BABA<br />

IN DER BIBLIOTHEK DES HERRN.<br />

„Devotion to the Lord is only a form of discipline to<br />

reach God. The seeker should not stop with the<br />

acquisition of devotion. He should pay attention not<br />

so much to the devotion or love that he has towards<br />

the Lord, as to the Love and Grace that the Lord<br />

bestows on him! Seite 10, aus: „ Attaining God here<br />

and now. Path of Bhakti. Expo<strong>und</strong>ed by Narada in<br />

Bhakti Sutras.“ P.P. Arya<br />

„The Lord rushes towards the Bhakta faster than the<br />

Bhakta rushes towards him. If you take one step<br />

towards Him, He takes a h<strong>und</strong>red steps towards you.“<br />

Seite 18, ebda<br />

„If the Bhakta has dedicated his all, body, mind and<br />

existence, to the Lord, He will Himself look after<br />

everything, for He will always be with Him. Un<strong>der</strong><br />

such conditions, there is no need for prayer even.<br />

But, one has to dedicate and surren<strong>der</strong> everything to<br />

the Lord.“ Seite 20 ebda.<br />

„This means that when one comes in contact with<br />

Bhagavans Feet, the sacred impulses from them flow<br />

to the devotee. „He hast assured that „The touch of<br />

the Divine liberates one from all Karmic bonds.“ Seite<br />

26 ebda.<br />

„Knowledge and devotion are like two wings on which<br />

the spiritual aspirant can fly to spiritual heights. If love<br />

is not combined with knowledge or intellect, the later<br />

becomes dry intellectuallism. Similarly if intellect is<br />

not applied along with love and devotion for God, the<br />

devotion may turn into blind emotion. Both intellect<br />

and emotion should go hand in hand in the seeking of<br />

the aspirant.“ Seite 80 ebda<br />

44


IN DR. RAO’S AYURVEDA-KLINIK.<br />

Dr. Rao ist 86 Jahre alt <strong>und</strong> so energetisch wie ein<br />

Dreißigjähriger. In seiner Klinik mache ich eine<br />

zehntägige "Ayurveda-Teststrecke" mit. Klassisch<br />

indisch. Nachts träume ich von riesigen Blutekeln, die<br />

bei bestimmten Krankheitsbil<strong>der</strong>n zum Reinigen des<br />

Blutes eingesetzt werden. Die kommen bei mir<br />

jedoch nur im Traum zum Einsatz. Noch reicht<br />

heisses Öl, das auf meinen Rücken gegossen wird<br />

<strong>und</strong> den Überschuss an Vata (Windelement)<br />

vertreiben soll, <strong>der</strong> für meine Rückenschmerzen<br />

verantwortlich ist. Ich bin für alles aufgeschlossen.<br />

Gangadhar massiert mich. Er ist Hindu <strong>und</strong> hält<br />

nichts von Reinkarnation. Am liebsten würde er als<br />

Sänger in Kinofilmen auftreten. Statt dessen arbeitet<br />

er 30 Tage im Monat für 2.000,- Rupees. <strong>Das</strong> sind<br />

umgerechnet etwa 35,- Euro.<br />

Während drei Monaten im Jahr ist nichts zu tun in <strong>der</strong><br />

Klinik. Da gibt es natürlich keinen Lohn. Den freien<br />

Tag, den er sich heute für eine fünfstündige Busreise<br />

nach Bangalore nimmt, um eine<br />

Familienangelegenheit zu regeln, wird vom Lohn<br />

abgezogen. Sein Kollege Samba vertritt ihn.<br />

Zusammen mit Adi <strong>und</strong> Nadras betreuen sie die<br />

männlichen Patienten. Für die Frauen sind 30<br />

In<strong>der</strong>innen im Einsatz. Denn Frauen sind hier in <strong>der</strong><br />

Mehrheit. Allerdings ausschließlich Westlerinnen <strong>und</strong><br />

die vornehmlich aus Deutschland.<br />

ZEIT IN HÜLLE UND FÜLLE.<br />

Tage sind Zeithüllen, die auszufüllen sind. Je<strong>der</strong> Tag<br />

aufs neue. Langsam kristallisiert sich meine<br />

Tagesroutine heraus. Und ich muss feststellen, dass<br />

ich hier "<strong>der</strong> Gleiche" bin wie in Hamburg. Ähnliche<br />

Gewohnheiten. Wie sollte es auch an<strong>der</strong>s sein. Man<br />

ist "<strong>der</strong> Gleiche" überall. Ist "das Überall" auch<br />

gleich?<br />

Ich wohne in einem sehr unruhigen Hotel Kota<br />

Sathyam direkt gegenüber vom Ashram.<br />

Wahrscheinlich sind alle indischen Hotels laut <strong>und</strong><br />

hellhörig. Um 4 Uhr beginnt <strong>der</strong> Tag mit<br />

45


Türenschlagen, lauten Gesprächen <strong>und</strong><br />

versehentlichem Türenklopfen.<br />

Gegen 5 Uhr springt am Ashramtor <strong>der</strong> Generator an.<br />

Dann sitzen die ersten hun<strong>der</strong>t Menschen bereits in<br />

Reih <strong>und</strong> Glied auf <strong>der</strong> Erde <strong>und</strong> warten auf den<br />

Darshan. Wer zuerst kommt, sitzt vorne <strong>und</strong> erhofft<br />

sich mehr Segen. Der Wettbewerb hört nie auf. Auch<br />

nicht im Angesicht des Göttlichen.<br />

Für mich ist das eindeutig zu früh. Zumal es mir auch<br />

egal ist, wo ich sitze. Hauptsache bequem. Denn ich<br />

bin noch immer mit meinem Körper verb<strong>und</strong>en <strong>und</strong><br />

<strong>der</strong> schmerzt beim längeren Sitzen. Am liebsten<br />

würde ich auf den seitlichen Steinbänken hocken.<br />

Aber die sind immer als erstes belegt. Von <strong>der</strong><br />

älteren Generation. Eher Rentersekte als<br />

Jugendsekte? Der Begriff Sekte greift nicht ganz, weil<br />

es keinerlei Zugehörigkeitsmuster gibt. <strong>Das</strong> ist das<br />

Angenehme <strong>und</strong> zugleich auch Mission: die<br />

Integration aller Glaubensrichtungen. Von <strong>der</strong><br />

Altersstruktur mutmaße ich zahlenmäßig einen<br />

deutlichen Überhang <strong>der</strong> älteren Generation. Dazu<br />

muss man sagen, dass es in Indien ganz normal ist,<br />

sein Rentenalter ausschließlich spirituellen Themen<br />

zu widmen.<br />

Um 7 Uhr beginnen die vedischen Gesänge <strong>und</strong> ich<br />

weiss, dass Sai Baba nun in die Halle gefahren<br />

kommt. Ich schnappe meine Sitzhilfe <strong>und</strong> gehe über<br />

die Straße in den Ashram. Der Vorteil meines<br />

Spätstarts: Ich brauche nicht anstehen. Der Darshan<br />

dauert bestenfalls 60 Minuten. So früh ist es teilweise<br />

noch kühl, <strong>und</strong> ich bin froh über meinen Pullover.<br />

Um 8 Uhr fahre ich dann zu Dr. Rao´s Klinik. Am<br />

liebsten mit <strong>der</strong> Riksha Nummer 10 mit Jairam, dem<br />

Bru<strong>der</strong> von Ganga. <strong>Das</strong> klappt selten. <strong>Das</strong><br />

verschriebene Standardprogramm mit Öl-Massage,<br />

heissem Ölbad, Massage mit Kräutersäckchen,<br />

Steam-Bath, wahlweise Öl in Nase <strong>und</strong> Ohren,<br />

inhalieren von Kräuterrauch, Sambrani (Headsteam)<br />

<strong>und</strong> zum Abschluss ein voller Schluck Draksharisht.<br />

Gegen 11 Uhr bin ich dann wie neugeboren <strong>und</strong><br />

fahre zurück ins Hotel um in einen ohnmächtigen<br />

Schlaf zu fallen.<br />

46


Zwölf Uhr, die Sonne glüht in Höchstform. Jetzt gehe<br />

ich meistens zum Mittagessen in die Kantine für<br />

Westler. <strong>Das</strong> ist dann gleichzeitig auch ein Treffpunkt<br />

von interessanten Leuten. Roberto, <strong>der</strong> Psychiater<br />

aus Brasilien, <strong>der</strong> Paulo Coehlo gut kennt <strong>und</strong><br />

morgen weiterfliegt nach Poona in den Osho-Ashram,<br />

Robert, <strong>der</strong> amerikanische Software-Spezialist, <strong>der</strong><br />

gerade mal wie<strong>der</strong> 8 Monate in Indien weilt, weil er es<br />

hier einfach schöner findet, Volker <strong>und</strong> Ulli, zwei<br />

Hamburger, Klaus, <strong>der</strong> Exlehrer aus Landau, <strong>der</strong> hier<br />

ein Appartement gemietet hat, Hans-Günther ein<br />

ehemaliger TM-Purusha aus Vlodrop, Carsten aus<br />

Köln auf <strong>der</strong> Suche nach einer Neuorientierung, <strong>der</strong><br />

mindestens bis Juni bleiben will <strong>und</strong> in Deutschland<br />

seinen Wohnsitz aufgelöst hat, Dimitri aus Hamburg,<br />

Mike aus England --- natürlich alles Männer, denn die<br />

Kantine getrennt nach Geschlecht.<br />

Jetzt ist es richtig heiss, <strong>und</strong> ich halte es eigentlich<br />

nur noch im Hotel gut aus. Bei einer Siesta mit Lesen<br />

<strong>und</strong> Schreiben. Um 16 Uhr ist dann wie<strong>der</strong><br />

Abenddarshan. Danach gehe ich meistens in die<br />

German Bakery, wo man auf dem Dach eines<br />

Hauses sitzt <strong>und</strong> einen perfekten Blick auf die Haupt-<br />

Straße hat. Wo ein stetiger Klangteppich aus<br />

Geklingel, Gehupe <strong>und</strong> Geschrei gewoben wird,<br />

<strong>dazwischen</strong> setzen die Trillerpfeifen <strong>der</strong> Polizisten<br />

markante Akzente, untermahlt wird das Ganze vom<br />

kehligen Dieseln <strong>der</strong> alten British Leyland o<strong>der</strong> TATA<br />

Busse. Zeitunglesen, Masalla-Tee trinken <strong>und</strong><br />

interessante Gespräche führen - mit Caroline, die<br />

Französisch-Dozentin aus Heidelberg <strong>und</strong> ihrer<br />

Fre<strong>und</strong>in Verena aus Südafrika, Jette aus Dänemark,<br />

die schon seit 84 immer wie<strong>der</strong> nach Puttaparthi<br />

kommt, eine Belgierin, die nicht zu bremsen ist <strong>und</strong><br />

ihre Visionen erzählt, die Geschwister Christine <strong>und</strong><br />

Heidrun aus Frankfurt, die auch zur Ayurvedakur hier<br />

sind.<br />

Gegen 18 Uhr setzt schon die Abendstimmung ein.<br />

Die Krähen kämpfen um die Schlafbäume <strong>und</strong> die<br />

Bettler um die letzten Almosen. Dünne Arme wie Äste<br />

strecken sich entgegen, verstümmelte Menschen mit<br />

Bein-Amputationen, Frauen mit ihren Kin<strong>der</strong>n im Arm<br />

--- das Elend in allen Facetten. Die Anweisung des<br />

Ashrams ist klar: kein Geld an die Bettler. Die<br />

werden, wie ich höre, von einer Armenküche<br />

47


versorgt. Manche Bettler haben sich interessante<br />

Techniken ausgedacht. Nach dem Motto, kein Geld<br />

son<strong>der</strong>n Milch für mein Kind. Wenn man mit ihnen in<br />

einen Laden geht <strong>und</strong> Milch kauft, bringen sie die<br />

Milch zurück sobald man außer Sichtweite ist <strong>und</strong><br />

kassieren die Hälfte des Wertes vom Händler.<br />

Um 19:30 habe ich noch einen ayurvedischen Termin<br />

<strong>und</strong> danach werden hier die Bürgersteige<br />

hochgeklappt. Nachtleben, wie wir es in Europa<br />

kennen, gibt es in ganz Indien nicht. Ich suche<br />

vielleicht noch einen E-Mail Shop auf <strong>und</strong> widme<br />

mich dann <strong>der</strong> Lektüre meiner an Umfang erheblich<br />

gewachsenen Bibliothek. Wie soll ich die bloß nach<br />

Deutschland kriegen?<br />

DRIVE-THROUGH-DARSHAN.<br />

Heute morgen kam Sai Baba in einem weißen Saab<br />

900S Cabriolet zum Darshan. Nicht dass das eine<br />

Rolle spielt. Schließlich gibt ja keine Automarke ihren<br />

Darshan, son<strong>der</strong>n Gott. Automarken geben in<br />

Zeitschriftenanzeigen ihren Darshan. Kleiner Scherz<br />

am Rande.<br />

Vorausgesetzt <strong>der</strong> Mensch ist offen für die Tiefe des<br />

Ereignisses, kann <strong>der</strong> Weg zur Verwirklichung<br />

abgekürzt werden zu Sek<strong>und</strong>en.<br />

„Swamy can give a life time´s impressions within one<br />

second. That is why it is said that one Darshan (...) is<br />

enough for realisation.“ Seite 86 aus: „ Our Sai<br />

Beyond Miracles .“ Jaishree D. Menon<br />

Für mich ist es nicht einsehbar, was hier passiert. Es<br />

ist sehr angenehm. Je mehr ich mich dafür öffne,<br />

desto mehr Energie erreicht mich. Auch ist <strong>der</strong><br />

Unterschied zwischen Ashram <strong>und</strong> äußerer Welt<br />

deutlich spürbar.<br />

„Since language is limited so many types of energy<br />

vibrations are given out at the time of Darshan in<br />

different coloured „Halos“ which cannot be<br />

explained. All the actions, hand motions done by Him<br />

are connected with these energy levels either to<br />

balance or to give or to take back from all the types of<br />

48


energy forms which are there for Darshan including<br />

human beings.“ Seite 75, ebda.<br />

Es ist magnetischer Strahl, <strong>der</strong> von seinem Körper<br />

ausgeht. Eine Wucht, die ich nur einen kurzen<br />

Moment ertragen kann. Kommt zuviel Energie in ein<br />

zu kleines Reservoir? Entwe<strong>der</strong> ich versuche mich<br />

vertieft zu öffnen o<strong>der</strong> ich schalte einen „Sehgang“<br />

runter – damit meine ich, dass ich meine<br />

Aufmerksamkeit etwas reduziere.<br />

Es ist nicht meine Art in Entzückung o<strong>der</strong><br />

Schwärmerei zu geraten. Ich forsche. Für mich sind<br />

dies kostbare Momente <strong>der</strong> Selbsterforschung, <strong>der</strong><br />

Erkenntnis von Zusammenhängen, <strong>der</strong> Chance, Gott<br />

zu erleben. Zu sehen, was Glauben ist.<br />

An manchen Tagen steigt er aus seinem Wagen nicht<br />

aus, son<strong>der</strong>n „dreht seine R<strong>und</strong>e“ <strong>und</strong> verlässt die<br />

Darshanhalle über eine <strong>der</strong> Zugangs-Rampen, die in<br />

den Ashram führen. Dann herrscht große Unruhe<br />

unter den Anwesenden. Hun<strong>der</strong>te Menschen rennen<br />

zum Tor um ihn zu sehen. Für Hindus ist <strong>der</strong> Darshan<br />

ein ganz zentrales Motiv in <strong>der</strong> Ausübung ihrer<br />

Religion.<br />

<strong>Das</strong> ganze Veranstaltung ist jedoch nicht als<br />

Anbetung gemeint. Sai Baba sagt dazu: „I never call<br />

upon people to worship Me, giving up the Forms they<br />

already revere. I have come to establish Dharma and<br />

so I do not and will not demand or require your<br />

homage. Give it to your Lord or Guru, whoever He is.<br />

I am the witness, come to set right the vision.<br />

(21.10.1961) Seite 42 aus: „ God lives in Prashanthi<br />

Nilayam .“ Compiled by Prof. Prem Luthra<br />

<strong>Das</strong> Fotografieren ist im Ashram verboten. Zwei<br />

Gelegenheiten zu denen Sai Baba den Ashram mit<br />

einem Fahrzeug verläßt, nutze ich für einige Fotos.<br />

49


Sai Baba bei einer Ausfahrt vom Hotel aus gesehen.<br />

FLIEGEN OHNE FLÜGEL.<br />

Glauben ist für mich keine große Herausfor<strong>der</strong>ung.<br />

Bevor ich etwas wissen kann, muss ich ja erstmal an<br />

die Möglichkeit glauben. Wissen kommt dann durch<br />

Erfahrung. Was den Glauben wie<strong>der</strong> stärkt. <strong>Das</strong> ist<br />

ein fruchtbarer Kreislauf. Natürlich bleibe ich den<br />

Resultaten meines Glaubens <strong>und</strong> Wissens<br />

gegenüber kritisch. Es hat sich gezeigt, dass sich zu<br />

je<strong>der</strong> Erkenntnis die verschiedensten Standpunkte<br />

einnehmen lassen, die wie<strong>der</strong>rum zu Erkenntnissen<br />

<strong>und</strong> Glauben führen. So dass ich immer nach einer<br />

abstrakten Form, nach einer Betrachtungsbasis<br />

strebe, die Einzelerkenntnisse zu einem ganzen Bild<br />

integrieren hilft. Diese Formen gibt es. Es sind<br />

Bewusstseinsformen, die neben wachen, träumen<br />

<strong>und</strong> schlafen auch noch bestehen.<br />

„Knowledge and devotion are like two wings on which<br />

the spiritual aspirant can fly to spiritual heights. If love<br />

is not combined with knowledge or intellect, the later<br />

becomes dry intellectuallism. Similarly if intellect is<br />

not applied along with love and devotion for God, the<br />

50


devotion may turn into blind emotion. Both intellect<br />

and emotion should go hand in hand in the seeking of<br />

the aspirant.“ Seite 80 aus: „ Attaining God here and<br />

now. Path of Bhakti. Expo<strong>und</strong>ed by Narada in Bhakti<br />

Sutras.“ P.P. Arya<br />

Im Traum bin ich in einer Packung Vibhuti<br />

eingepackt. In mir ist Vibhuti <strong>und</strong> um mich herum<br />

auch. Ich fliege durch den Raum. Es ist sehr<br />

angenehm. Sai Baba ist um mich herum.<br />

ASHES TO ASHES.<br />

Vibhuti ist heilige Asche. Und wird bei Sai Baba bei<br />

den verschiedensten Anlässen aus dem Nichts<br />

heraus materialisiert. Bei an<strong>der</strong>en Gelegenheiten<br />

sammelt sich Vibhuti auf Bil<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> religiösen<br />

Objekten.<br />

„The Vibhuti Abhisheka has a potent inner meaning<br />

which Swami wants you to grasp. The Vibhuti is the<br />

most precious object, in the truly spiritual sense. You<br />

knowthat Shiva burnt God of Desire or Kaama, called<br />

Manmatha (for he agitates the mind and confo<strong>und</strong>s<br />

the confusion already existing there) into a heap of<br />

ashes. Shiva adorned Himself with the ash, and thus<br />

He shone in His Glory as the Conqueror of Desire.<br />

When Kaama was destroyed, Prema (Love) reigned<br />

supreme. When there is no desire to warp the mind,<br />

Love could be true and full.“ Seite 88, aus: „ Attaining<br />

God here and now. Path of Bhakti. Expo<strong>und</strong>ed by<br />

Narada in Bhakti Sutras.“ P.P. Arya<br />

Shiva-Yogis reiben ihren ganzen Körper mit Asche<br />

ein, die das verbrannte Karma versinnbildlichen soll.<br />

Karma bindet den Aspiranten in die kausale Welt aus<br />

Ursache <strong>und</strong> Wirkung. Verbranntes Karma löst die<br />

Dualität auf <strong>und</strong> vernichtet kausale Bindungen<br />

zugunsten einer gleichzeitigen Gegenwärtigkeit.<br />

SEHNSUCHT NACH EUROPA.<br />

Heute morgen wache ich auf mit Heimweh. Mir reicht<br />

<strong>der</strong> Krach, <strong>der</strong> Dreck <strong>und</strong> auch mein Bedarf an<br />

Göttlichkeit ist gestillt. Fürs erste. Ich will zur Zeit von<br />

Indien nichts weiter sehen. Meine Reise nach Kerala<br />

habe ich schon vor einigen Tagen „gecancelt“.Ich<br />

51


fliege direkt von Bangalore über Colombo zurück<br />

nach Frankfurt. Keine weiteren Wünsche. Außer nach<br />

meiner vertrauten Umgebung. Und nach einem<br />

gemäßigteren Klima.<br />

Es ist schon erstaunlich, wie sehr meine<br />

Unternehmungslust geschrumpft ist. Diese Reise<br />

gehört eindeutig in die Kategorie Bleibeort.<strong>Das</strong> heißt,<br />

zu einem Ziel reisen <strong>und</strong> dort bleiben.<br />

Die H<strong>und</strong>e dösen zur Mittagszeit vor <strong>der</strong> Tür zum<br />

Internet-Provi<strong>der</strong>. Durch die Türritze verflüchtigt sich<br />

etwas Air-Condition nach draußen. Nichts rührt sich.<br />

Keine Unternehmungslust. Alles geht noch<br />

langsamer. Siesta-Time.<br />

Ich verflüchtige mich in die "German Bakery". Die<br />

wird von einem Deutschen namens Norman<br />

betrieben. Mit weiteren Nie<strong>der</strong>lassungen in Poona<br />

<strong>und</strong> an<strong>der</strong>en Orten in Indien. Es ist ein beliebter<br />

Treffpunkt für Westler. Hier gibt es leckeren Kuchen,<br />

Masalla-Tea, Milchkaffee <strong>und</strong> sogar Apple Crumble.<br />

Ein Ersatz für meine Lieblingslocation in Hamburg,<br />

das Café unter den Linden. Aber eben nur ein Ersatz<br />

<strong>und</strong> nicht das Original.<br />

Der Zeitpunkt wo aus Fernweh wie<strong>der</strong> Heimweh wird,<br />

ist erreicht. Morgen um 7:00 will ich mit einer Taxi<br />

nach Bangalore <strong>und</strong> dann mit dem Flieger über<br />

Colombo zurück nach Frankfurt fliegen.<br />

BRÜDER ZUR ASCHE.<br />

Wir sind um 7:10 verabredet. Ich stehe mit meinem<br />

Gepäck pünktlich vor dem Hotel <strong>und</strong> warte auf Ulli<br />

<strong>und</strong> Volker, die mich dort mit ihrem Taxi-Fahrer<br />

abholen wollen. Die Zeit vergeht, keiner kommt.<br />

Indische Unzuverlässigkeit? Es ist noch kühl. Die<br />

Zeitungsjungen bieten The Chronicle <strong>und</strong> The Hindu<br />

an. Der Hotel-Boy Raja holt mir einen Milchtee <strong>und</strong><br />

ich vertreibe mir die Zeit mit <strong>der</strong> Lektüre <strong>der</strong> Hindu.<br />

Auf Seite 3 in einer großen Eckfeld-Anzeige wird zur<br />

Geburtstagsfeier von Sai Bala Baba nach Hy<strong>der</strong>abad<br />

eingeladen. Der genauso aussieht wie <strong>der</strong> Sathya Sai<br />

Baba von Puttaparthi. Ist er das Look-alike, von dem<br />

Susan beim letzten Treffen gesprochen hat? Die<br />

52


gleiche Gar<strong>der</strong>obe, <strong>der</strong> gleiche Haarstil, das Gesicht<br />

etwas jünger, er feiert seinen 44igsten Geburtstag<br />

<strong>und</strong> sieht dabei fre<strong>und</strong>licher aus als sein "großer<br />

Bru<strong>der</strong>", wie er Sai Baba nennt. Konkurrenz unter<br />

Gurus. Jedes Angebot hat Nachahmer. Der "me-too-<br />

Effekt" macht auch vor Göttern nicht Halt.<br />

Inzwischen ist es 7:45, <strong>und</strong> ich werde nervös. Wo<br />

bleiben die beiden? Für ein Taxi für mich allein habe<br />

ich nicht mehr genug Rupees. Der Hotelboy wittert<br />

ein Geschäft <strong>und</strong> arrangiert schon mal einen<br />

Ersatzfahrer für 1.200,-RS. Ein kleines Vermögen.<br />

Der Bus würde für 100,-RS fahren. <strong>Das</strong> dauert aber<br />

zu lange. Und ist zu unsicher. Mein Flug geht um<br />

15:10 Uhr von Bangalore nach Colombo, Sri Lanka.<br />

Okay, bis 8 Uhr warte ich noch, dann muss ich wohl<br />

weitere Dollars wechseln. Um 8:10, also nach einer<br />

St<strong>und</strong>e Warterei, will ich zur Tat schreiten. Da<br />

kommen die beiden gerade locker durchs Haupttor<br />

des Ashrams marschiert. Ihr Taxifahrer hatte sie<br />

versetzt <strong>und</strong> war auch nach einigen Telefonaten nicht<br />

aufzutreiben.<br />

Los gehts im wartenden Ersatz-Taxi. Der Hotelboy<br />

freut sich über das Trinkgeld <strong>und</strong> ich mich darüber,<br />

dass ich nicht alleine fahren muss. Der Ambassador<br />

jagd über die Piste. In<strong>der</strong> fahren immer voll Stoff,<br />

auch wenn die Verehrs- <strong>und</strong> die Straßenverhältnisse<br />

etwas an<strong>der</strong>es näher legen. Vor 10 Jahren gab es<br />

auf dieser Strecke noch Räuberbanden zu Pferde,<br />

die Taxen nachts überfielen. Inzwischen gibt es nur<br />

noch die Bettler. Die sofort aus dem nichts<br />

erscheinen, sobald das Taxi länger als eine Minute<br />

stehenbleibt. Sei es zum Tanken o<strong>der</strong> zur Teepause.<br />

Um 11 Uhr sind wir in Whitefield kurz vor Bangalore,<br />

wo Volker bei befre<strong>und</strong>eten In<strong>der</strong>n etwas zu regeln<br />

hat. Währenddessen sitze ich im Taxi <strong>und</strong> meditiere<br />

so vor mich hin. Anschließend besuchen wir ein<br />

erstaunliches Pärchen, das einige Meter weiter<br />

wohnt.<br />

Dorairaj hat in seinen kleinen Klause einen Miniraum<br />

mit seinen Devotionalien ausgeschmückt. Bil<strong>der</strong> von<br />

Sai Baba, Jesus <strong>und</strong> verschiedensten indischen<br />

Heiligen. Darunter einige Yantras. <strong>Das</strong> erstaunliche:<br />

vier Bil<strong>der</strong>rahmen sind komplett von Vibhuti<br />

53


überzogen <strong>und</strong> eins von Kumkum. Er sagt, die<br />

Aschematerilisation begannen vor 11 Jahren.<br />

Anfangs hat er die Bil<strong>der</strong> immer noch "abgestaubt".<br />

Dann auf Anweisung von Sai Baba so gelassen. <strong>Das</strong><br />

überschüssige Vibhuti fällt nun einfach runter <strong>und</strong><br />

wird an die Besucher verteilt. Die aus aller Welt<br />

kommen, wie er mir durch sein Fotoalbum stolz<br />

belegt.<br />

Dorairaj ist 76 Jahre alt <strong>und</strong> seine Frau Sakuntala<br />

wohl ähnlich alt. Beide sind so humorvoll wie<br />

Teenager. Wir schäckern rum <strong>und</strong> freuen uns über<br />

das kleine Wun<strong>der</strong> <strong>der</strong> Materilisation. Es begeistert<br />

mich. Er gibt uns von dieser Asche mit hochpotenter<br />

Heilkraft kleine Kostproben mit auf den Weg.<br />

Im Hintergr<strong>und</strong> vier Bil<strong>der</strong>rahmen auf denen sich die<br />

Asche bildet <strong>und</strong> an <strong>der</strong> rechten Wand ein<br />

Bil<strong>der</strong>rahmen mit Kumkum.<br />

Und weiter gehts Richtung Airport. Volker erzählt von<br />

einem Tempel von Mysore, wo aus kleinen Bil<strong>der</strong>n<br />

Nektar tröpfelt. Ich erinnere mich an Rishis Besuch,<br />

<strong>der</strong> im Sommer einige Zeit auf meinem Balkon<br />

genächtigt hat. Und ebenfalls Unsterblichkeitsnektar<br />

54


dabei hatte, den wir uns tröpfchenweise einverleibt<br />

haben. Die Welt ist voller Wun<strong>der</strong>. Auch in Hamburg?<br />

55


INTRO 2:<br />

DER ANFANG VOM ENDE.<br />

Vor 20 Jahren war ich das erste mal in Indien. Eine<br />

abenteuerliche Reise. Insgesamt über 4 Monate.<br />

Jetzt rekapituliere ich einen Teil daraus. Um ein<br />

Thema aufzuarbeiten: <strong>Leben</strong>, <strong>Tod</strong> <strong>und</strong> die Angst<br />

<strong>dazwischen</strong>.<br />

56


“Es gibt einen Ausspruch <strong>der</strong> Jungianer, wonach<br />

neunzig Prozent des Schattens aus reinem Gold<br />

bestehen."<br />

aus: Gayle Delaney, „ Lebe Deine Träume “, Seite 29.<br />

57


REISE NACH DRÜBEN<br />

Hätte ich ahnen können, dass mich <strong>der</strong> <strong>Tod</strong> erwartet.<br />

Beziehungsweise <strong>der</strong> halbe? Es klingt dramatischer<br />

als es ist. Wer sich auf eine Reise begibt, muß sich<br />

bewußt sein, dass er was erlebt. Die Reise, von <strong>der</strong><br />

ich erzählen möchte, begann vor 20 Jahren <strong>und</strong> wird<br />

dieses Jahr enden. Ziemlich lange Reise, werden Sie<br />

denken. Ziemlich tiefe Reise würde ich erwi<strong>der</strong>n.<br />

Kann ich diese Reise überhaupt beenden?<br />

Wenigstens den Part, <strong>der</strong> mich belastet. Es befreit<br />

mich schon jetzt, zu rekapitulieren. Es ist ein<br />

kapitulieren vor <strong>der</strong> Erinnerung. Sie loslassen,<br />

integrieren <strong>und</strong> abschließend verstehen. Damit etwas<br />

neues passieren kann?<br />

Es ist 18. September 1983. Morgen soll unser Flieger<br />

gehen. Wir sind mit Martinas klapprigen Käfer nach<br />

Frankfurt gefahren. Und haben bei ihrer Fre<strong>und</strong>in<br />

Erika übernachtet. Ich breche mit gemischten<br />

Gefühlen auf. Ein Urlaubssemester. Ob ich dieses<br />

Studium jemals fertig kriege?<br />

Für Martina ist es ganz an<strong>der</strong>s. Sie hat erste<br />

Karriereschritte hinter sich <strong>und</strong> sucht den Ausstieg<br />

aus ihrem öden Beamtenjob beim Finanzamt. Sie<br />

sucht den Ausstieg <strong>und</strong> ich einen Einstieg. Ausstieg<br />

<strong>und</strong> Einstieg - damals zwei zentrale Themen.<br />

Umrahmt von einer lähmenden<br />

Orientierungslosigkeit. Eine adoleszente Dauerkrise.<br />

Kann eine Reise in den Orient zur Orientierung<br />

beitragen? O<strong>der</strong> bin ich auf <strong>der</strong> Flucht?<br />

Ich studiere Amerikanistik. Einer <strong>der</strong> letzten freien<br />

Studiengänge. Was zieht mich da in den Osten?<br />

Wäre eine Reise nach Amerika nicht angemessener?<br />

Eigentlich will ich nach Südamerika. Und Martina<br />

nach Australien. Indien ist also ein Kompromiss.<br />

Damals hatte ich im <strong>Leben</strong> kein Konzept <strong>und</strong> keine<br />

Kontrolle. Jetzt habe ich zuviel Konzept <strong>und</strong> zuviel<br />

Kontrolle. <strong>Das</strong> muß ins Gleichgewicht.<br />

Wir haben unser Flug-Ticket Frankfurt-Dehli-<br />

Hongkong-Frankfurt in Mühlheim im Hinterzimmer<br />

einer Im- <strong>und</strong> Exportfirma zum Super-Discount-Preis<br />

58


erworben. Ob das wohl gut geht? Vier Monate Zeit<br />

<strong>und</strong> vier tausend Mark in <strong>der</strong> Tasche. Nicht schlecht<br />

für eine Reise.<br />

Jetzt wo ich es erzähle, ist es ja wie eine Reise in <strong>der</strong><br />

Zeit, zurück an den Anfang. Ich bin aufgeregt.<br />

Beinahe schmerzhaft aufgeregt. <strong>Das</strong> Herz tut weh.<br />

Aber das ist gerechtfertigt. Es geht um <strong>Leben</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Tod</strong>.<br />

Unsere kleinen Rucksäcke, gekauft für 25,-DM bei<br />

<strong>Aldi</strong>, haben wir mit dem nötigsten gepackt. Was<br />

braucht man schon groß, wenn man unterwegs ist in<br />

Indien. Die gehen als Handgepäck durch. Wir steigen<br />

früh morgens in den Flieger <strong>und</strong> landen in Dehli um<br />

Mitternacht Ortszeit.<br />

LANDUNG MITTEN IM FEUER<br />

Lange Warteschlangen vor <strong>der</strong> Immigration. Ein<br />

kurzer Blick des Zollbeamten <strong>und</strong> zack bumm <strong>der</strong><br />

Einreise-Stempel. Welcome to India.<br />

Mit dem Bus geht´s vierspurig in die Innenstadt.<br />

Grizzeliges Licht. Ganz unwirklich. Eine an<strong>der</strong>e<br />

Luxzahl. Wie in einem Film. Grünstichig. Ex oriente<br />

Lux? <strong>Das</strong> Licht kommt aus dem Osten.<br />

Auf <strong>der</strong> Straße <strong>und</strong> den Bürgersteigen liegen<br />

dutzende Menschen. Schlafend. Gehüllt in weiße<br />

Tücher. Wir erreichen das Zentrum von Dehli. Als wir<br />

aus dem Bus steigen, umr<strong>und</strong>et uns ein Schwarm<br />

Motorrikshas. Warum schlafen die nicht?<br />

Es ist weit nach Mitternacht <strong>und</strong> immer noch bruttig<br />

heiß. Schließlich finden wir ein Hotel. Eins dieser<br />

Billig-Absteigen. Und liegen auf diesen für Indien<br />

typischen durchschwitzten dünnen Foams. Über mir<br />

dreht ein Fan geduldig seine R<strong>und</strong>en. Dreh, dreh,<br />

dreh. Ich liege wie eine matte Fliege auf dem<br />

Rücken. <strong>Das</strong> ist nicht mein Klima. Hitze kombiniert<br />

mit hoher Luftfeuchtigkeit. Langsam zieht sich ein<br />

dünner Schweißfilm lückenlos über meine Haut. Ich<br />

gare im eigenen Saft. Kein Schlaf in Sicht.<br />

Am nächsten Morgen beschließen wir, diese<br />

Klimazone zu verlassen. Und Richtung Westen zu<br />

59


eisen. In die Wüste. Mit dem Pink City Express in<br />

das sonnendurchglühte <strong>und</strong> ausgedörrte Rajasthan.<br />

Wir sagen uns: "wenn schon heiß, dann wenigstens<br />

trockenheiß." Selbst schuld. Was da auf uns<br />

zukommt, ist die glühende Hitze <strong>der</strong> Wüste. Ich<br />

kenne die Sahara. Aber die Wüste Thar ist um<br />

Hitzgrade "tougher".<br />

Über Jaipur, Bikaner, Jaisalmer, Raniwaran geht es<br />

tiefer nach Rajasthan. <strong>Das</strong> Klima ist für unsere<br />

europäische Konstitution unerträglich. Ein<br />

überdimensionaler Fön auf höchster Heizstufe<br />

durchbläst das Land. Mir gefällt das nicht. Martina<br />

auch nicht. Was sollen wir tun?<br />

Auf unserer Karte entdecken wir einen Berg mit Top<br />

Hill Location: Mount Abu. <strong>Das</strong> ist vielleicht ein<br />

cleveres Ziel. Raus aus <strong>der</strong> Hitze <strong>der</strong> Ebene. Rauf<br />

auf die Höhe. In die Berge. Wir fahren mit einem Taxi<br />

die Serpentinen hinauf auf 1.200 Meter Höhe <strong>und</strong><br />

erreichen das klimatisch angenehmere Mount Abu.<br />

Und steigen für 20 Rupien ab im "Darshan Hotel".<br />

Darshan -- aus heutiger Sicht natürlich ein<br />

interessante Rückbindung an die aktuelle Reise.<br />

Auch <strong>der</strong> Preis - 20 RS für eine Nacht. Es gibt<br />

Konstanten im <strong>Leben</strong>.<br />

AUF DIE SPITZE DER PYRAMIDE<br />

Wir erk<strong>und</strong>en den Ort. Die Bergspitze ist ein Kegel<br />

mit einem See in <strong>der</strong> Mitte. Eigentlich eine<br />

abgebrochene Spitze. Wahrscheinlich vulkanische<br />

Vergangenheit. Unter uns die heißdurchglühte<br />

Ebene, von <strong>der</strong> wir gerade aufgestiegen sind in die<br />

kühl erfrischenden Höhen. Auch in die kühlen Höhen<br />

des Geistes. Wie sich bald herausstellt. Eine kühle<br />

Insel mitten in <strong>der</strong> heißgefluteten Ebene.<br />

Um die Spitze des Berges herum reihen sich Yogi-<br />

Höhlen <strong>und</strong> Ashrams. Hier wimmelt es von Sadhus<br />

<strong>und</strong> Yogis, Pilgern <strong>und</strong> Touristen. Dies ist ein heiliger<br />

Berg <strong>und</strong> damit natürlich auch ein Pilgerziel. Die<br />

Brahma Kumaris Sekte betreibt hier ihr World-<br />

Headquarter. Die Jains haben hier einen<br />

Haupttempel. Und dann die ganzen "Freelancer"<br />

60


drumherum - die Yogis, ohne feste Bindung, außer zu<br />

sich selbst.<br />

DER WÜRFEL IST GEFALLEN<br />

Auf einem kleinen handgemalten Schild ist <strong>der</strong> Weg<br />

zur Elephant Cave ausgewiesen. Wir klettern die<br />

Stufen hoch. Vor dem Eingang zu einer Höhle sitzt<br />

ein Yogi. Ein sehr agiler, schmächtiger Typ, <strong>der</strong><br />

englisch spricht <strong>und</strong> sich locker mit uns unterhält.<br />

Eine sehr idyllische Behausung. Überall diese<br />

indischen Heiligenbil<strong>der</strong>.<br />

Ich habe einen dieser bunten Puzzle-Würfel, einen<br />

"Rubrik´s Cube", dabei. Und denke, wenn das ein<br />

Yogi ist, dann hat er den Dreh raus. Weit gefehlt.<br />

Auch am nächsten Tag ist noch keine Lösung in<br />

Sicht.<br />

Wir sitzen wie<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Höhle <strong>und</strong> unterhalten uns.<br />

Dabei erzählen wir von unserem Wunsch bei den<br />

Brahma Kumaris einen Yoga-Kurs zu belegen. "Die<br />

arbeiten mit Hypnose", entgegnet er. "Von mir könnt<br />

Ihr auch was lernen." Wir überlegen kurz, "ja, warum<br />

nicht."<br />

Und entscheiden uns für einen fünftägigen Yoga-<br />

Kurs. Dafür beziehen wir das Hotel "Lake View"<br />

direkt am See, um näher an <strong>der</strong> Elephant Cave zu<br />

sein. Denn jeden Morgen um 9:00 soll es losgehen<br />

mit den Übungen.<br />

AM DREH- UND ANGELPUNKT<br />

Am nächsten Morgen beginnt <strong>der</strong> Kurs mit Aura<br />

sehen, Yoga- <strong>und</strong> Pranayama-Übungen. Wir stehen<br />

auf dem felsigen Dach seiner Höhle <strong>und</strong> schauen in<br />

die Sonne. Während er uns einen energetischen<br />

Punkt in Höhe <strong>der</strong> beginnenden Halswirbelsäule<br />

zeigt. Wir sollen gegen die Sonne gucken <strong>und</strong> diesen<br />

Punkt drücken, dann würde sich die Aura vor<br />

unserem Auge abbilden. Ich sehe nichts.<br />

Doch drei Tage später wird genau dieser Punkt Dreh<strong>und</strong><br />

Angelpunkt, wie auch alle an<strong>der</strong>en Übungen,<br />

Belehrungen sich wie ein Kaleidoskop<br />

61


zusammenfügen. Aber eins nach dem an<strong>der</strong>en,<br />

bevor sich alles in eins dreht.<br />

Immer nach Sonnenuntergang gehen wir wie<strong>der</strong> zur<br />

Elephant Cave. Lockere R<strong>und</strong>e <strong>und</strong> lockere<br />

Gespräche - alles wichtige geschieht ganz nebenbei.<br />

Anwesend sind auch noch an<strong>der</strong>e Europäer. Ein<br />

Ungar <strong>und</strong> ein Münchener. Der Ungar ist irgendwie<br />

von <strong>der</strong> Rolle. Angeblich hat er in seiner Heimat ein<br />

Kind gezeugt <strong>und</strong> reist nun ziellos <strong>und</strong> schlechten<br />

Gewissens durch die Welt. Der Yogi sagt ihm auf<br />

dem Kopf zu, dass er nicht <strong>der</strong> Vater ist. <strong>Das</strong> trifft ihn<br />

<strong>und</strong> erleichtert ihn. Von da an ist er voller Dankbarkeit<br />

sein "disciple" <strong>und</strong> weicht nicht mehr von seiner<br />

Seite. Der Yogi behandelt ihn jedoch wie den letzten<br />

Idioten. Er aber rennt ihm hinterher <strong>und</strong> zieht<br />

schließlich in die Höhle. Ich wun<strong>der</strong>e mich.<br />

Mich überrascht <strong>der</strong> Yogi auch mit allerlei Magie.<br />

Zum Beispiel nennt er mir meine vollständige<br />

Adresse in Berlin. Wie ist das möglich? Später lese<br />

ich bei Paul Brunton über die Zauberkräfte <strong>der</strong><br />

indischen Yogis, die Dinge materialisieren können<br />

<strong>und</strong> allerlei Tricks beherrschen, die für uns naive<br />

Westler unerklärlich sind: Atem anhalten für St<strong>und</strong>en,<br />

Körpertemperatur erheblich senken, unsichtbar<br />

werden, Körper duplizieren. Unser Yogi behauptet, er<br />

könne über Wasser gehen, sich ohne Betäubung<br />

Zähne ziehen lassen o<strong>der</strong> Autos über seinen Körper<br />

rollen lassen, Blumen materialisieren o<strong>der</strong> sich in die<br />

Erde einbuddeln lassen <strong>und</strong> monatelang dort atemlos<br />

verharren <strong>und</strong> seinen Körper komplett regenerieren.<br />

Interessant. <strong>Das</strong> wollte ich doch schon immer mal<br />

erleben.<br />

BALLA BALLA BUM BUM<br />

Als Shiva-Anhänger hängen <strong>der</strong> Yogi <strong>und</strong> seine<br />

Kumpel täglich am Shillum <strong>und</strong> quarzen. Zusätzlich<br />

verarbeitet er in einem Presstein die Blätter von<br />

irgendwelchen Zauberpflanzen zu einer grünen<br />

Paste, die er dann zu Tischtennisball großen Klößen<br />

formt. Und sich in großen Mengen einverleibt.<br />

Danach ruft er laut Bum Shiva o<strong>der</strong> ähnliches <strong>und</strong> die<br />

Wirkung beginnt sich zu entfalten. Er wird dann<br />

geistig sehr klar <strong>und</strong> kann komplexeste<br />

philosophische Zusammenhänge nachvollziehbar<br />

62


erläutern. Doch "Rubrik´s Cube" kriegt er auch dann<br />

nicht geknackt.<br />

Bizarre Freaks kommen <strong>und</strong> gehen. Ein dicker Sadhu<br />

spielt sich als Bodyguard auf <strong>und</strong> hält pathetische<br />

Vorträge über Gott <strong>und</strong> Moral. Er ist mir<br />

unsympathisch. Der Yogi macht unberührt vom<br />

Trubel in seiner Höhle einfach seinen rituellen<br />

Tagesablauf <strong>und</strong> belehrt uns ganz nebenbei über<br />

Jnana, Mythos <strong>und</strong> Yoga-Asanas.<br />

BOTSCHAFT VON GANESH<br />

Indische Hotels sind schon sehr speziell. Immer ein<br />

bißchen schmuddelig. Gelinde gesagt. Der<br />

hygienische Standard ist einfach nicht so hoch.<br />

Während ich schlafe, springt mir in dieser Nacht eine<br />

Ratte mitten ins Gesicht. Ich bin sofort hellwach.<br />

Ratten haben in Indien eine beson<strong>der</strong>e Bedeutung.<br />

Und wenn ich beson<strong>der</strong>s schreibe, dann meine ich<br />

eine religiöse Bedeutung. Wie fast alles hier mit<br />

Religiosität aufgeladen ist. Dafür sind die In<strong>der</strong><br />

empfänglich. Und ich neuerdings auch.<br />

In Bikaner haben wir den Rattentempel besucht, den<br />

einzigen Ort <strong>der</strong> Welt, wo die Ratte als das heilige<br />

Transporttier von Gott Ganesh verehrt wird. Wie soll<br />

dieser dicke Elephanten-Gott auf einer zierlichen<br />

Ratte reiten können? <strong>Das</strong> ist bizarr <strong>und</strong> genau das ist<br />

Indien, wie ich es liebe. Diese ausufernde Phantasie<br />

<strong>und</strong> das Denken in unmöglichen Möglichkeiten.<br />

Dagegen kommt einem <strong>der</strong> westliche Verstand recht<br />

dumpf <strong>und</strong> eindimensional vor.<br />

Ich kann nach dem "Rattenkuss" nicht mehr schlafen.<br />

Martina auch nicht. Wir rücken das Bett von <strong>der</strong><br />

Wand ab. Damit diese Tiere nicht mehr den Weg ins<br />

Bett finden.<br />

Martina will fahren. Überhaupt raus aus dem Hotel<br />

<strong>und</strong> weg von Mount Abu <strong>und</strong> dem Yogi. „Der ist nur<br />

klar, wenn er auf Droge ist <strong>und</strong> konzentriert sich<br />

ohnehin ganz auf dich.“ <strong>Das</strong> stimmt. Ich lerne verbal<br />

<strong>und</strong> non-verbal - die ganze Zeit. Ich bin äußerst<br />

empfänglich für seine Erläuterungen. Komplexeste<br />

63


Inhalte werden einfach "überspielt". Von Sen<strong>der</strong> auf<br />

Empfänger. Von Lehrer auf Schüler.<br />

Am nächsten Morgen sagen wir ihm unsere Pläne.<br />

<strong>Das</strong>s wir unseren geplanten Aufenthalt verkürzen <strong>und</strong><br />

zwei Tage früher abreisen. "Wir sind mit dem Yoga-<br />

Kurs noch nicht fertig," sagt er, "aber macht nichts.<br />

Wir werden beschleunigen." <strong>Das</strong> tun wir allerdings.<br />

BUM BUM´S ZAUBERTRANK<br />

In <strong>der</strong> nächsten Nacht teilen sich Martina <strong>und</strong> ich eine<br />

seiner grünen Pflanzen-Kugeln. Die er im Wasserglas<br />

auflöst. Wir trinken den Mix. Schmeckt unspektakulär.<br />

Während wir uns eine Portion teilen, nimmt er locker<br />

15 Kugeln in <strong>der</strong> Größe von Tischtennisbällen. „Ich<br />

habe es mit meinem Guru abgesprochen,“ erläutert<br />

er. Irgendein Shankara, <strong>der</strong> schon uralt ist <strong>und</strong> zu<br />

dem er eine transzendentale Standleitung pflegt, "Ihr<br />

könnt das gefahrlos einnehmen."<br />

„Aber geht zurück ins Hotel, bevor die Wirkung<br />

einsetzt.“ Wir gehen den Weg am See zurück ins<br />

Hotel. Kaum liegen wir im Bett setzt die Wirkung ein.<br />

Bei mir mit zügelloser Heiterkeit, Lachen <strong>und</strong><br />

Herumtollen. Mein Geist wird frei <strong>und</strong> gelöst.<br />

Während Martina müde wird <strong>und</strong> in einen<br />

besinnungslosen Schlaf fällt.<br />

Bei mir nimmt die Wirkung zu. Mein Körper beginnt<br />

alle gelernten Yogaübungen automatisch <strong>und</strong> völlig<br />

mühelos auszuführen, die wir in den letzten Tagen<br />

gelernt haben. Es ist absolut faszinierend. Ich schaue<br />

dem Vorgang zu, ohne das ich eigene<br />

Anstrengungen unternehmen müßte. Ich fühle mich<br />

sehr heiter <strong>und</strong> gelöst. Mein Atem beginnt ganz<br />

harmonisch zu fließen. So als würde ich von außen<br />

beatmet werden. Ich fühle mich als Geschöpf Gottes.<br />

Ich bin eine Hülle. Atem fließt in mich. O<strong>der</strong> bin ich<br />

<strong>der</strong> Atem <strong>und</strong> <strong>der</strong> Körper ist ein Hohlraum, in dem<br />

Atem wohnt? Der Atman wohnt. Atem <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

Sanskrit-Begriff Atman für das transzendentale Selbst<br />

sind nicht von ungefähr sehr ähnlich.<br />

Als würden Perlen auf einer Kette aufgereiht, rutscht<br />

alles an seinen Bestimmungsort. Disharmonien<br />

werden gestimmt. Mein Steißbein, das durch einen<br />

64


Unfall gestaucht ist, begradigt sich. Der Körper wird<br />

perfekt. Alle körperlichen Verkrampfungen lösen sich<br />

komplett auf. Ich fühle mich erlöst.<br />

AUF DER BRÜCKE IN DIE ANDERE WELT<br />

Meine Erfahrung intensiviert sich immer weiter. Ich<br />

bin zu einer Brücke durchgebogen. Eine dieser<br />

Hatha-Yoga-Übungen, die man aber auch vom ganz<br />

normalen Sportunterricht kennt. Mein Schädeldach<br />

<strong>und</strong> meine Fußhacken berühren das Bett. Mein<br />

Körper wird geschüttelt, als würde Starkstrom<br />

hindurchfließen. Brennen jetzt alle Sicherungen<br />

durch? <strong>Das</strong> Bett vibriert unter meinen schüttelnden<br />

Bewegungen. Martina wird wach <strong>und</strong> versucht mich<br />

zu beruhigen. Aber mir geht es gut. Ich bin fasziniert<br />

von dem, was passiert. Und will weiter. Mein Körper<br />

biegt sich in diese Welt <strong>und</strong> mein Ich biegt sich in<br />

eine neue, unbekannte Welt o<strong>der</strong> Dimension.<br />

Dort höre ich sakrale Gesänge. Als wenn alle Sadhus<br />

von Mount Abu singen. Ich denke noch, "warum sind<br />

die denn noch wach?" Ich habe eine Brücke in eine<br />

an<strong>der</strong>e Welt geschlagen. Auf <strong>der</strong> einen Seite bin ich<br />

in meiner bekannten Welt <strong>und</strong> auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite<br />

bin ich in einer geistigen fremden neuen Welt. Wie ist<br />

das möglich? Mein Geist ist glasklar. Nur das<br />

Verständnis hinkt hinterher. Kommt nicht über die<br />

Brücke. Löst sich nicht von dieser Welt. Noch nicht.<br />

DIE TRENNUNGSPHASE:<br />

DAS BRECHEN DER SIEGEL<br />

Nun beginnt eine weitere Phase. Ich löse mich vom<br />

Körper. Meine Ich-Identität, meine Seele schält sich<br />

aus <strong>der</strong> Fassung des Körpers raus. Starke Energien<br />

fließen von den Füssen durch den ganzen Körper. Es<br />

beginnt an den Füssen <strong>und</strong> wan<strong>der</strong>t Stufe um Stufe<br />

hoch zum Kopf. Im Nachhinein weiß ich natürlich<br />

einiges über K<strong>und</strong>alini-Kräfte. Zu diesem Zeitpunkt ist<br />

mir das allerdings völlig unbekannt.<br />

Ein energetisches Zentrum im Körper öffnet sich. Es<br />

ist als wenn ein Siegel zerbricht. Später erfahre ich<br />

aus <strong>der</strong> einschlägigen Literatur etwas über die<br />

sogenannten Chakren als Knotenpunkte, die den<br />

Energieleib mit dem physischen Körper verbinden.<br />

65


Jedes Öffnen erlebe ich wie das Öffnen von hohen<br />

Flügeltüren. Als würde ein König durch seine<br />

Gemächer schreiten. An je<strong>der</strong> Tür steht ein Wächter,<br />

<strong>der</strong> mit dem Paradestock auf den Boden stößt <strong>und</strong><br />

ruft „Der König kommt“. Raja-Yoga, königliches<br />

Yoga? Offensichtlich habe ich einen Code getroffen,<br />

eine bestimmte Frequenzhöhe erreicht, eine<br />

Funktions-Plattform von Erfahrung betreten, die<br />

jenseits meiner bisher geschulten Wahrnehmung<br />

liegt. Türen zu einer geheimen archaischen Welt<br />

öffnen sich. Unheimlich. Und schön.<br />

DIE PRÜFUNGSPHASE:<br />

DIE FRAGEN DER INNEREN STIMME<br />

Jedes Chakra symbolisiert eine Tugend, die durch<br />

eine innere Frage getestet wird: „Bist Du bereit, für<br />

das <strong>und</strong> das (...)“ Alles, was gefragt wird, hat mir <strong>der</strong><br />

Yogi vorher in philosophischen Diskursen vermittelt.<br />

Ich brauche nicht zu überlegen. Auf unerklärliche<br />

Weise ist mir alles vertraut.<br />

Wenn mein Wesen mit Ja reagiert, geht <strong>der</strong> Prozeß<br />

weiter. Und wan<strong>der</strong>t Chakra um Chakra die<br />

Wirbelsäule empor. Es ist faszinierend, erleichternd<br />

<strong>und</strong> völlig natürlich. Jedes Chakra öffnet sich mit<br />

einem leisen Knacken. Es ist wie das Aufziehen<br />

eines Reißverschlusses.<br />

DIE GEBURTSPHASE:<br />

DAS RÄTSEL DER SPHINX<br />

Die Gesänge werden noch intensiver. Und füllen<br />

meinen Wahrnehmungsraum ganz aus. Meine<br />

Identität löst sich auf in Klang. So wie ich das schon<br />

auf Bil<strong>der</strong>n von Salvador Dali gesehen habe.<br />

Während dieses Vorgangs ist meine Wahrnehmung<br />

stabil auf den Yogi in seiner Höhle ausgerichtet. Wie<br />

eine innere Standleitung. Von wem geht diese<br />

Ausrichtung aus? Von mir? O<strong>der</strong> von ihm? Ich kann<br />

es nicht entscheiden.<br />

Ich hebe mich aus meiner "Körperhöhle" heraus. Und<br />

fühle mich in die Elephant Cave gezogen. Ich sehe,<br />

fühle <strong>und</strong> höre in die innere Welt, die außerhalb<br />

66


meines Körpers liegt. Alle Sinne sind jetzt in die<br />

innere Welt gerichtet. Wie Antennen. Die Welt des<br />

Körpers ist jetzt die äußere Welt <strong>und</strong> verlöscht.<br />

Ich habe meinen Körper fast ganz verlassen. Habe<br />

mich herausgebogen. Die körperidentifizierte Version<br />

meines <strong>Leben</strong>s verliert ihre Dominanz zugunsten<br />

einer an<strong>der</strong>en Dimension. Einer bisher komplett<br />

unbekannten Dimension. Eine an<strong>der</strong>e Stufe von<br />

Materie. Etwas feiner. Wie eine identische Innenform.<br />

Die Identität mit meinem Körper ist fast aufgehoben.<br />

In Vergessenheit versunken wie in einen Traum. Nur<br />

noch mein Ich-Gefühl, ein Sinn für ein Ich, ein Punkt<br />

im Verstand gegründet, erinnert mich daran. Ich bin<br />

nicht mein Körper! Eine sensationelle Entdeckung.<br />

Der Körper bin nicht ich. <strong>Das</strong> ist etwas Kreiertes. Ich<br />

bin <strong>der</strong> Bewohner <strong>und</strong> kann gehen. Als <strong>der</strong><br />

Abnabelungsprozeß die Kehle erreicht, dämmern<br />

Ängste. Sterbe ich? Werde ich geboren? Der<br />

Verstand schaltet sich ein <strong>und</strong> beginnt abzuwägen,<br />

zu projizieren. Hingabe versus Aufgabe. Soll ich ganz<br />

loslassen? Meine Schutzhülle verlassen? Mich<br />

ungeschützt einer unbekannten Dimension<br />

anvertrauen. Es ist mir ein Rätsel, das ich in diesem<br />

Moment nicht lösen kann. In den letzten 20 Jahren<br />

bin ich zahllose Lösungsprozesse durchlaufen.<br />

unterschiedlicher Intensität. Manche kann ich<br />

zulassen, an<strong>der</strong>e nicht.<br />

KANN EIN KEHLKOPF DENKEN?<br />

Ich „hänge“ an <strong>der</strong> Spitze meines Kehl-Kopfes fest.<br />

Auch ein Kopf, <strong>der</strong> denken kann. Im Nachinein<br />

betrachtet, ist es genau <strong>der</strong> Punkt, <strong>der</strong> mir Tage<br />

zuvor vom Yogi gezeigt wurde, <strong>der</strong> Haken, an dem<br />

jetzt alles hängt. Der einzige Verknüpfungspunkt, <strong>der</strong><br />

noch Kontakt hält mit meinem physischen Körper.<br />

Nun beginnt ein inneres Zwiegespräch, ein Hin <strong>und</strong><br />

Her von Ja <strong>und</strong> Nein. Darüber geht die Energie<br />

verloren. Der Prozeß ist gestoppt. Der Biss in <strong>der</strong><br />

Kehle stecken geblieben. Adams Apfelbiss steckt im<br />

Hals. Ein Konflikt von Unschuld <strong>und</strong> Schuld. Als wenn<br />

ich in seiner Schuld stehen würde. Und die abdienen<br />

muss. Meine Freiheit verliere. Und eine Abhängigkeit<br />

gewinne, eine Geb<strong>und</strong>enheit in einer an<strong>der</strong>en Welt.<br />

67


Ich kann das Rätsel des <strong>Leben</strong>s nicht lösen. Mich<br />

nicht von den Begrenzungen meiner gelernten<br />

Denkmuster lösen.<br />

Als ich merke, daß ich ohne Hingabe <strong>und</strong> Vertrauen<br />

nicht weiterkomme, will ich mir den letzten Schritt<br />

erkaufen. Ein Trick des Verstandes. Ich verspreche<br />

ihm innerlich, in seiner Höhle ein Bad zu installieren.<br />

Darauf schallendes, höhnisches, fast dämonisches<br />

Lachen.<br />

DER WÜRFEL<br />

<strong>Das</strong> englische Wort für Würfel ist "dice" <strong>und</strong><br />

gleichzeitig <strong>der</strong> Plural von "to die" (Seite 211, aus:<br />

Klein´s Comprehensive Etymological Dictionary of the<br />

English Language .) Und ist ebenso mit "date" `point<br />

of time´ verwandt. Wenn man so will, läßt sich dieser<br />

Rubrik´s Cube zu einer Metapher aufladen, die an<br />

je<strong>der</strong> Seite ihre Bedeutungen hat. Die sich mischen<br />

<strong>und</strong> ordnen. Aber wird die Ordnung des Anfangs<br />

jemals wie<strong>der</strong> erreicht?<br />

DIE ANKUNFT DES SCHATTENMANNES<br />

Ich versuche immer wie<strong>der</strong> aus eigener Kraft, den<br />

letzten Schritt zu unternehmen. Aber die<br />

unterstützende Wirkung <strong>der</strong> Droge verklingt. Die<br />

Eindrücke verhallen. Der Morgen dämmert. Es<br />

regnet. Tropischer Dauerregen.<br />

Ich höre eine Person kommen. Die direkt vor<br />

unserem Zimmer auf <strong>der</strong> Veranda Platz nimmt <strong>und</strong><br />

wartet. Die Jalousinen sind runtergelassen, <strong>und</strong> ich<br />

kann nicht sehen, wer direkt vor unserem Fenster<br />

sitzt.<br />

Ich kann vor Angst kaum atmen. Eine unbestimmte<br />

Bedrohung liegt in <strong>der</strong> Luft genauer gesagt in meiner<br />

Phantasie. Ich kann es rational nicht definieren, auch<br />

jetzt nicht. Es ist eine Mischung aus Angst davor<br />

„geholt zu werden“, vor einer fremden, bedrohlichen<br />

Macht, <strong>der</strong>en Opfer ich bin.<br />

Nach jungianischer Psychologie erwartet die<br />

Adepten, die in das Unbewußte eindringen <strong>der</strong> Hüter<br />

<strong>der</strong> Schwelle. Er ist die Personifikation <strong>der</strong> eigenen<br />

68


Schattenanteile. <strong>Das</strong> klassische Bild aus den Mythen<br />

ist die Sphinx - übersetzt die Würgerin. Ödipus mußte<br />

ihr "Halslöserätsel" lösen. Bevor er in die Stadt<br />

einzieht. Er mußte sich selbst aus <strong>der</strong> Schlinge <strong>der</strong><br />

Angst befreien. "Was hat am morgen vier Beine, am<br />

Mittag zwei <strong>und</strong> am abend drei?" In den<br />

unterschiedlichen Stadien des <strong>Leben</strong>s bleibt <strong>der</strong><br />

Mensch ein Mensch. Der Körper wandelt sich.<br />

Ich behaupte, er hatte keine Angst. Die hatte er<br />

schon vorher besiegt. Er wußte die Antwort auf die<br />

Frage nach dem Menschen sofort.<br />

DER MORGEN DANACH<br />

Am nächsten Morgen ist alles an<strong>der</strong>s. Bin ich an<strong>der</strong>s.<br />

Meine Welt ist an<strong>der</strong>s. Bereichert um eine völlig neue<br />

Dimension des <strong>Leben</strong>s. Die ich vorher nicht mal<br />

erahnt habe.<br />

Ich habe meine Unschuld verloren. Im Hinblick auf<br />

eine doch recht naive Sichtweise. Zu denken ich sei<br />

mein Körper ist jetzt ein völlig absur<strong>der</strong> Gedanke. Ich<br />

lebe in meinem Körper. Offensichtlich in einer Art<br />

Schutzhöhle, die mich abschirmt von weiteren<br />

Dimensionen des <strong>Das</strong>eins. Ich kann jetzt<br />

unterscheiden in existenziellen Kategorieren - <strong>Leben</strong>,<br />

<strong>Tod</strong>, Geist, Materie, Macht, Ohnmacht etc. Die<br />

Dualität ist mir existenziell bewußt geworden. Und<br />

damit bin ich raus aus dem Garten <strong>der</strong> Naivität.<br />

Wir wollen abreisen. Es regnet, <strong>und</strong> ich sehe von <strong>der</strong><br />

Veranda des Hotels den Felsen <strong>der</strong> Elephant Cave,<br />

<strong>der</strong> jetzt wirklich wie ein Elephantenkopf inmitten des<br />

Grüns herausglänzt im tropischen Dauerregen. Auch<br />

ein Topos aus dem Mythos: Wenn <strong>der</strong> Dämon, die<br />

Personifikation <strong>der</strong> Angst, besiegt ist, fängt es an zu<br />

regnen.<br />

Ich will noch mal zum Yogi gehen bevor unser Bus<br />

fährt. Wir leihen uns vom Hotel einen Regenschirm<br />

<strong>und</strong> gehen zur Elephant Cave.<br />

Ich schil<strong>der</strong>e ihm die Erfahrungen <strong>der</strong> letzten Nacht.<br />

Und konfrontiere ihn mit meiner Angst vor<br />

Manipulation. Er hört ungerührt zu. Und reagiert<br />

nicht. Kein Kommentar. Einige Jugendliche aus dem<br />

69


Dorf, die ihn gerade besuchen <strong>und</strong> offensichtlich<br />

auch vom "Apfel <strong>der</strong> Erkenntnis" genascht haben,<br />

fanden die Erfahrung interessant. Vielleicht reicht das<br />

ja als Kommentar.<br />

Zum Abschied bekommen Martina <strong>und</strong> ich je<strong>der</strong> ein<br />

Mantra "Om clim" gesagt, das wir vertraulich halten<br />

sollen <strong>und</strong> einen Talismann, <strong>der</strong> mit beson<strong>der</strong>en<br />

Kräutern gefüllt ist, die bei Vollmond gepflückt<br />

wurden. <strong>Das</strong> kostet uns 200,-DM. Wir fühlen uns<br />

geprellt. Zweihun<strong>der</strong>t Mark haben in Indien die<br />

Kaufkraft von 3.000,-DM. Aber damit ist mein<br />

Schuldgefühl getilgt. Fürs erste. Wir reisen ab.<br />

BLEIERNE ZEIT<br />

In den folgenden Tagen fühle ich mich unendlich<br />

schwer, erschöpft <strong>und</strong> müde. Mein Körper ist wie<br />

Blei. Dazu die Hitze. Der Körper for<strong>der</strong>t<br />

Aufmerksamkeit. Meine Kraft wird dominiert von den<br />

körperlichen Anfor<strong>der</strong>ungen.<br />

Wir durchreisen Städte, die ich allesamt schrecklich<br />

finde. Udaipur, Chittorgarh, Kota - heiß, staubig, laut,<br />

arm. <strong>Das</strong> Essen ist mies. Ich vertrage es nicht. Wir<br />

ernähren uns von Obst <strong>und</strong> Reis. Meine Restkraft<br />

schmilzt dahin.<br />

Am liebsten würde ich nach Goa fahren an den<br />

Strand. Zum Erholen. Martina besteht auf Agra.<br />

Okay, also drei Tage Agra. Dann zurück nach Dehli,<br />

wo wir eine Zugfahrt nach Goa buchen wollen. In<br />

Dehli werden wir jedoch beide krank. Und sitzen 10<br />

Tage fest. Beziehungsweise liegen fest.<br />

Wir vertragen das Essen <strong>der</strong> Garküchen <strong>und</strong><br />

Restaurants nicht. Ein In<strong>der</strong> kocht für uns weißen<br />

Reis. Was an<strong>der</strong>es vertragen wir nicht. Wir haben<br />

beide hohes Fieber <strong>und</strong> Durchfall. Ein indischer Arzt<br />

verschreibt uns Pillen, die wir einzeln in einem<br />

kleinen Kiosk kaufen, wo Medikamente wie bunte<br />

Bonbons gehandelt werden. Es sind schwere<br />

Geschütze soweit ich mich erinnere. Die jedoch<br />

nichts ausrichten.<br />

Erst <strong>der</strong> Schweizer Botschaftsarzt, <strong>der</strong> deutsch<br />

spricht, diagnostiziert eine simple Dehydration. Wir<br />

70


haben zuwenig Flüssigkeit aufgenommen. Ein paar<br />

Portionen Elektrolyte <strong>und</strong> unser Ges<strong>und</strong>heitszustand<br />

verbessert sich zusehens.<br />

Dann fliegen wir nach Colva, Goa. Endlich Strand,<br />

Sonne, Meer <strong>und</strong> gutes Essen. Aber jetzt geht es erst<br />

richtig los.<br />

LAST EXIT GOA<br />

Wir ereichen Goa per Flugzeug. Endlich Strand,<br />

Palmen <strong>und</strong> <strong>der</strong> salzige Ozean. Erholung pur.<br />

Frischer Fisch. Kokosnussmilch, Mangos <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e<br />

tropische Früchte.<br />

Martina kauft am Strand ein Stück Haschharz. Ich<br />

nehme vom ersten Joint nur einen einzigen Zug <strong>und</strong><br />

schon steht die innere Standleitung nach Mount Abu.<br />

Ich bilde mir ein, innere Stimmen zu hören, die mich<br />

fragen, warum ich meine Yoga-Übungen nicht weiter<br />

praktiziere.<br />

Zunächst sage ich Martina nichts davon. Denn ich<br />

glaube, ich sei kurz vor <strong>der</strong> Erleuchtung. Kriege<br />

Christusvisionen, denke ich sei die Reinkarnation<br />

Shivas. An Schlaf ist nicht mehr zu denken. Mein<br />

Geist arbeitet non-stop. Mein Zustand wird<br />

unerträglich.<br />

Wir ziehen um von Colva nach Benaulim ins L´amour<br />

beach. Martina will alleine weiterreisen. Ohne ihre<br />

Credit-Card bin ich jedoch blank. <strong>Das</strong> bringt sie dann<br />

doch nicht übers Herz.<br />

Mir geht es immer schlechter. Angstzustände,<br />

Seelenverlust, Verfolgungswahn. Komplette<br />

Schlaflosigkeit. Jeden Tag, jede Nacht. R<strong>und</strong> um die<br />

Uhr.<br />

MAGISCHE TAGESSCHAU<br />

Eines morgens gehe ich vor unsere Strandhütte <strong>und</strong><br />

sehe auf einen Blick was <strong>der</strong> Tag bringen wird. Vor<br />

offenen Augen eine Art Zukunftsschau in einem Bild<br />

eingefroren - zusammen mit einer geistigen<br />

Bildunterschrift - die sich in Realzeit in Zeitlupe<br />

ausgestaltet. Ein geistiger Teleprompter. Ein<br />

71


Startbild, das den gesamten Film eingefroren<br />

zusammenhält. Dann löst sich die Stopptaste <strong>und</strong> die<br />

Tagesschau beginnt. <strong>Das</strong> Startbild entlässt alle Bil<strong>der</strong><br />

in linearer Reihenfolge. Wie auf einem Rollbild<br />

entfalten sich die Bil<strong>der</strong>. Ein Trailer für den Tag. Eine<br />

Mini-Zukunftsschau.<br />

Es beginnt im Strandcafé wo ich Charley aus<br />

Göttingen treffe. Ihm ist das Geld ausgegangen <strong>und</strong><br />

bis zur nächsten telegrafischen Anweisung aus<br />

Deutschland muss er sich irgendwie durchschlagen.<br />

Er verkauft sein "Glasperlenspiel" von Hermann<br />

Hesse.<br />

Ich beginne sofort zu lesen. Der Inhalt scheint meine<br />

inneren Erzählstränge zu verknüpfen. Immer mehr<br />

Kreise des Verstehens schließen sich. Plötzlich<br />

fließen die Zeilen in meinen Blick hinein.<br />

Als wenn das Buch beginnt, mich zu lesen. Ich<br />

brauche nur noch auf die Seite zu schauen <strong>und</strong> die<br />

Buchstaben <strong>und</strong> Zeilen fließen automatisch in mein<br />

Bewußtsein. <strong>Das</strong> also ist schnelllesen. Wun<strong>der</strong>bar<br />

einfach <strong>und</strong> wirklich atemberaubend zackig.<br />

Am Ende sehe ich das Buch als eine einzige<br />

zusammenhängende Struktur, wie eine gewobene<br />

Textilie. Allerdings von nicht sehr hoher Qualität. Es<br />

wirkt eher wie ein Geschirrtuch.<br />

<strong>Das</strong> Wort Texten entstammt ja dem lateinischen<br />

texere, was soviel wie weben heißt. Nach dieser<br />

Erfahrung ist das ein völlig verständlicher<br />

Hintergr<strong>und</strong>. Wahrscheinlich sind alle Texte in ihrer<br />

Tiefenstruktur ein Gewebe. Lei<strong>der</strong> blieb diese<br />

Fähigkeit des Hochgeschwindigkeitslesens nicht<br />

erhalten. Es gibt auch einen klaren Nachteil. Die<br />

linearen Inhalte kann man nicht speichern, son<strong>der</strong>n<br />

nur einen ganzheitlichen Gefühlseindruck.<br />

SPALTHOLZ<br />

Am Strand treffe ich Marc Keller, einen Werbetexter<br />

aus Amerika. Er hat über die amerikanische<br />

Werbeszene ein Buch geschrieben <strong>und</strong> ist dann<br />

ausgestiegen.<br />

72


Ich erzähle ihm von meinen Erfahrungen. Und er<br />

warnt mich, dass ich die Einflüsse dringend abbauen<br />

muß. "Sieh zu, dass du da runter kommst. Wenn<br />

nicht, kenne ich einige Leute, die die Tore <strong>der</strong><br />

Wahrnehmung wie<strong>der</strong> schließen können."<br />

Meine Verbindung zwischen Körper <strong>und</strong> Geist klafft<br />

auseinan<strong>der</strong> wie ein gespaltenes Stück Holz. Die<br />

Tore meiner Wahrnehmung stehen offen wie ein<br />

Scheunentor. Wie kann ich das selbst wie<strong>der</strong><br />

schließen? Wie kann ich mich stabilisieren? Wie<br />

kriege ich meine altes <strong>Leben</strong> zurück?<br />

Ich mache Dauerlauf am Strand, um mein<br />

Körpergefühl zu retten. Ohne Ergebnis. Ich schaue<br />

aufs Meer. Dabei werde ich selbst zum Wellengang.<br />

Am liebsten würde ich mich dem Kommen <strong>und</strong><br />

Gehen hingeben. Ein letzter Zipfel hält mich bei<br />

Verstand <strong>und</strong> am Strand.<br />

Zwei Nächte verbringe ich beim Ex-Werbetexter Marc<br />

<strong>und</strong> erzähle alles im Detail.<br />

Ganz klar: Ich bin in einer Psychose gelandet. Am<br />

Ende verdächtige ich ihn sogar als Agent des Yogis,<br />

<strong>der</strong> irgendeinen Einfluß auf mich ausüben will. "Töte<br />

Buddha, wenn du ihn siehst", erinnere ich einen Satz<br />

aus den buddhistischen Schriften. "Töte den Teufel,<br />

wenn du ihn siehst", würde ich jetzt ergänzen.<br />

AUF DER NACHTSEITE DES LEBENS<br />

Es ist mitten in <strong>der</strong> Nacht. Es regnet. So wie vor<br />

Wochen in Mount Abu. <strong>Das</strong> Gefühl von ungewollter<br />

Verb<strong>und</strong>enheit mit einem an<strong>der</strong>en Bewußtsein ist<br />

immer präsent. Ich wehre mich. Und genau dieser<br />

Wi<strong>der</strong>stand bildet die Verbindung. <strong>Das</strong> aber vermag<br />

ich in diesem Moment nicht zu erkennen. Ich kämpfe<br />

mit den Geistern, die ich nicht rief.<br />

In dieser Nacht zerschneide ich den Talisman, den<br />

<strong>der</strong> Yogi mir gegeben hat. Ich will damit die<br />

symbolische Verbindung lösen. Dabei merke ich,<br />

dass diese Verbindung ambivalent ist. Ein Teil in mir<br />

will sie, <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e sträubt sich dagegen. Ein<br />

typisches "double-bind".<br />

73


Angeblich sollen im Talisman wertvolle Kräuter sein,<br />

die bei Vollmond gepflückt wurden. Es ist aber nur<br />

ein Stück Papier. Ich verbrenne alles <strong>und</strong> vergrabe<br />

die Reste am Strand.<br />

Während ich eine Nacht bei Marc bin <strong>und</strong> non-stopp<br />

erzähle, klaut jemand aus unserer Hütte unsere<br />

Kamera.<br />

Wir ziehen am nächsten Morgen vom "L´amour<br />

beach resort" in Benaulim nach Trinity Hall (7.11.83).<br />

Dort steigert sich meine Hysterie, Angst <strong>und</strong> Wahn in<br />

ungeahnte Höhen. Ich kann we<strong>der</strong> essen noch<br />

schlafen. Beson<strong>der</strong>s Geräuschwahrnehmungen<br />

empfinde ich beängstigend <strong>und</strong> körperlich intensiv.<br />

Ich schaffe es nur mit äußerste Anstrengung Körper<br />

<strong>und</strong> Seele zusammenzuhalten.<br />

Wenn die Sonne im Meer versinkt <strong>und</strong> <strong>der</strong> Abend<br />

dämmert, schaltet mein Nervensystem, meine<br />

Sinneswahrnehmung um. Analog dämmert nun die<br />

an<strong>der</strong>e Seite meines Bewußtseins. Die unbewußte<br />

Seite. Die Nachtseite.<br />

ICH BIN AUSSER MIR<br />

Rückblickend weiß ich, dass ich in einem an<strong>der</strong>en<br />

Bewußtseinszustand war. Der jedoch so fremd ist,<br />

dass sich mein Verstand dagegen wehrt. Und alles<br />

dafür tut, die altbekannte Wahrnehmung aufrecht zu<br />

erhalten: hier ich, dort das an<strong>der</strong>e <strong>und</strong> <strong>der</strong> Raum<br />

<strong>dazwischen</strong>.<br />

Ich fühlte mich ungewollt eins mit dem, was mich<br />

umgibt. <strong>Das</strong> bedroht meine gewohnte Identität.<br />

Vorher war mein Ich <strong>und</strong> das Nicht-ich war alles<br />

an<strong>der</strong>e. Nun saugt mich alles an<strong>der</strong>e in eine<br />

Einheitswahrnehmung, die die bekannte Ich-Identität<br />

in Frage stellt. Ach was, viel schlimmer, sie bedroht<br />

mich. Wenn das Ich alles ist, stirbt das bekannte<br />

Einzel-ich zu einer Einheit. Wer bin ich, wenn ich<br />

alles bin? Wer ist Ich, wenn Ich das All ist? Wo ist<br />

Ich, wenn alles eins ist?<br />

Alle Sinneseindrücke sind überwältigend. Die<br />

Geräusche des Dschungels, das Rauschen des<br />

74


Meeres, die Gerüche <strong>der</strong> Pflanzen, die Stimmen <strong>der</strong><br />

Menschen. Alles ist auf maximales Volume gedreht.<br />

Meine Sinne haben sich aus <strong>der</strong> Diktatur meiner<br />

Voreingenommenheiten befreit. So sehe ich es aus<br />

heutigem Verständnis.<br />

Am intensivsten wirken religiöse Darstellungen,<br />

Tempel, Götterfiguren. Schreine. Selbst wenn ich sie<br />

nicht sehe, spüre ich ihre Anwesenheit, die meine<br />

Wahrnehmung anzieht wie ein Magnet die<br />

Eisenspäne.<br />

Der Radius meiner Wahrnehmungsfähigkeit ist enorm<br />

ausgedehnt. Weit über die Begrenzungen meines<br />

Körpers hinaus. Für mich ist es aber so, als könnte<br />

ich mich nicht im Körper halten. Die Identifikation mit<br />

dem Körper strebt gegen Null <strong>und</strong> die Ich-Identität<br />

strebt gegen all das an<strong>der</strong>e. Aber das kann ich nicht<br />

verstehen. Und mein Körper auch nicht. Er reagiert<br />

mit <strong>Tod</strong>esangst, den er ins Ich reflektiert.<br />

Ein sehr sehr beunruhigendes Gefühl. Mir ist, als<br />

wäre es stürmisch <strong>und</strong> ich muß mich an einem Baum<br />

festhalten, um nicht weggefegt zu werden. Ich kann<br />

meine Situation nicht verstehen. Mir fehlt das Wissen,<br />

das ich heute habe. Ist Wissen im Bewußtsein<br />

strukturiert?<br />

Ich weiß mir nicht zu helfen. Wir suchen einen Arzt<br />

auf, <strong>der</strong> mir Valium o<strong>der</strong> starke Schlaftabletten<br />

verschreiben soll. Wir finden schließlich einen<br />

Landarzt, <strong>der</strong> seine bescheidene Praxis unter Palmen<br />

betreibt. Ich erkläre ihm vage meine Situation <strong>und</strong><br />

meine Wünsche.<br />

Der denkt wahrscheinlich: "Wie<strong>der</strong> so ein<br />

durchgeknallter Westler". Die Tabletten, die ich<br />

erhalte, än<strong>der</strong>n nichts. Als würden sie auf einer<br />

heißen Herdplatte wirkungslos verdampfen. Mein<br />

Zustand än<strong>der</strong>t sich nicht. Ich kann mich nicht<br />

kontrollieren.<br />

75


UND STERBE VOR ANGST<br />

Wir haben ein kleines Zimmer im ersten Stock eines<br />

öffentlichen Gebäudes bezogen. Es ist riesig mit<br />

Supermarkt, Turnhalle <strong>und</strong> Geschäften. Und nachts<br />

ist es menschenleer. Um uns die Geräusche des<br />

Dschungels.<br />

Direkt neben dem Gebäude liegt ein Friedhof.<br />

Dutzende H<strong>und</strong>e jaulen <strong>und</strong> kläffen die ganze Nacht.<br />

Und ich zittere vor Angst. Vor dem Bösen. Zu allem<br />

Übel habe ich vor einigen Tagen ein Buch gelesen,<br />

das meine Phantasie negativ anpeitscht: Footprints of<br />

the Devil. Dabei hatte ich es zur Stabilisierung<br />

gedacht - eine kuriose Wahl.<br />

Ich hatte eigentlich ein an<strong>der</strong>es Buch mit heiligen<br />

religiösen Texten in <strong>der</strong> Hand <strong>und</strong> eine innere<br />

Stimme drängte mich - "ja, ja, kaufe es". Aber diese<br />

inneren Stimmen fand ich viel unheimlicher <strong>und</strong> habe<br />

statt dessen das an<strong>der</strong>e schwarze "schweigende<br />

Buch" gewählt.<br />

Ich mache kein Auge zu. Vor Angst. Morgens ist<br />

meine Kehle wie zugeschnürt. Ich brauche eine<br />

St<strong>und</strong>e um ein Frühstücksei zu essen. Die Sonne, die<br />

Gerüche, die durchwachten Nächte haben mich völlig<br />

aufgeweicht. Werde ich verrückt? Ich brauche Jahre,<br />

um alles zu integrieren <strong>und</strong> mir zu erklären. Es dauert<br />

ein Jahr, bis sich eine körperlich, geistige Stabilität<br />

wie<strong>der</strong> einstellt.<br />

Ich sehne mich nach vertrauter Umgebung. Nach<br />

westlicher Welt. Hier auf dem indischen Subkontinent<br />

herrscht ein an<strong>der</strong>er Geist, wirken an<strong>der</strong>e<br />

Naturgesetze. Auch hier im christlichen Goa. Mir ist<br />

unheimlich. Ich fürchte mich. Um meine Seele.<br />

<strong>Tod</strong>esangst ist nichts dagegen. Ich hatte schon<br />

immer eine komplexere <strong>Tod</strong>esvorstellung. Als<br />

Schüler hatte ich das Tibetanische Totenbuch<br />

gelesen. Soweit ich zurückdenken kann, war <strong>der</strong> <strong>Tod</strong><br />

für mich schon immer die Bezeichnung für einen<br />

Wendepunkt von einer Darstellungsform in eine<br />

an<strong>der</strong>e. Ich habe keine Angst, mein <strong>Leben</strong> zu<br />

verlieren. Ich zitterte um die Freiheit meiner Seele.<br />

Der Körper kann ruhig sterben, die Seele stirbt<br />

76


sowieso nicht. Aber die Freiheit <strong>der</strong> Seele? Ich weiß<br />

nicht. Ich fürchte mich.<br />

Unser Vermieter in Trinity Hall ist ein katholischer<br />

Priester, <strong>der</strong> uns vor unserer Abreise segnet. Dazu<br />

kleidet er sich im vollen Ornat. Ihm hatte ich mich<br />

kurz anvertraut. "Die Yogis wissen mehr," sagt er nur.<br />

Und überläßt es mir, meine Schlüsse zu ziehen.<br />

Klar, denke ich, die christliche Kirche weiß eigentlich<br />

gar nichts. Versucht sie sich ihre Unschuld zu<br />

erhalten? O<strong>der</strong> ist sie ignorant? O<strong>der</strong><br />

machtversessen <strong>und</strong> unterdrückt geistiges Wissen?<br />

Wissen, das in die Selbstbestimmung führt, Freiheit<br />

<strong>und</strong> Unabhängigkeit ermöglicht. Soviel ich weiß, sind<br />

die Bibliotheken des Vatikans voll mit Literatur, die an<br />

Erkenntnistiefe den Schriften des Ostens nicht<br />

nachstehen.<br />

Die religiösen Vorstellungen hier im Westen sind<br />

doch im allgemeinen sehr naiv <strong>und</strong> oberflächlich. Und<br />

wenig ausgeprägt. Vielleicht ist dies auch die Folge<br />

einer gewissen Bequemlichkeit, die die<br />

Verantwortung gerne an einen Gott abgibt. <strong>Das</strong><br />

christliche Motto "Herr, dein Wille geschehe"<br />

impliziert ja auch eine gewisse fatalistische Haltung.<br />

Eigene Anstrengung zur Glaubensvertiefung wird<br />

nicht angeregt. Eher abgewiegelt. Sehr geschickt von<br />

<strong>der</strong> Kirche erdacht. Ich bin kein Kirchenfre<strong>und</strong>.<br />

HONGKONG RESCUE<br />

Ich will hier weg. Unser Ticket ist nach Hongkong<br />

durchgebucht. Aber zur Zeit geht kein Flug. Wir<br />

stehen auf <strong>der</strong> Warteliste <strong>und</strong> fragen täglich nach<br />

Möglichkeiten. Am 62. Reisetag kriegen wir endlich<br />

einen Flug nach Hongkong. Endlich wie<strong>der</strong> eine<br />

<strong>Leben</strong>sweise, die mit <strong>der</strong> westlichen konform ist.<br />

Bekannte Markenwelten geben mir ein Gefühl von<br />

Heimat.<br />

<strong>Das</strong>s Markenwelten Heimatgefühle wecken, zeigt ja<br />

auch wie sehr ich in Konsumwelten geb<strong>und</strong>en bin<br />

<strong>und</strong> wie wenig in religiösen Welten. Ich denke, hier in<br />

Hongkong kriege ich mein altes <strong>Leben</strong> zurück.<br />

Zwischen McDonalds <strong>und</strong> Pizza Hut, zwischen Sony<br />

<strong>und</strong> Nike. Die selbstverordnete Umfeldtherapie bringt<br />

77


zunächst wenig. Denn die Angst bleibt <strong>und</strong> die<br />

Energiezustände ebenso.<br />

<strong>Das</strong> wohl außergewöhnlichste passiert mir vor<br />

Shakey´s Pizzeria. Wir gehen über einen öffentlichen<br />

Platz. Zur Mittagszeit. Plötzlich ist mein Körper<br />

lichtdurchflutet <strong>und</strong> ganz transparent. Ich kann nach<br />

innen <strong>und</strong> nach außen in jede Richtung gleichzeitig<br />

blicken. Als würde ich von außen auf mich <strong>und</strong> von<br />

innen aus mir heraus schauen. Ich bin komplett<br />

transzendiert. Kein Körpergefühl. Ich sehe mich von<br />

außen <strong>und</strong> kann zugleich r<strong>und</strong>um wahrnehmen.<br />

Allumfassendes dezentrales <strong>und</strong> vor allem<br />

körperloses Wahrnehmen.<br />

Etwa 200 Meter entfernt auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite des<br />

Platzes steht <strong>der</strong> Yogi <strong>und</strong> schaut mich an. Er sieht<br />

aus wie ein Obdachloser, in Lumpen gekleidet. Eine<br />

Illusion? Martina sieht ihn aber auch. Ich sehe <strong>und</strong><br />

will nicht wahr haben, was ich sehe. Einfach<br />

weitergehen, denke ich.<br />

Pizza Quattro Staggioni <strong>und</strong> Bier erscheinen mir die<br />

gesün<strong>der</strong>e Alternative. Dieser Seite gebe ich den<br />

Vorrang gegenüber <strong>der</strong> spirituellen Sogkraft.<br />

Zwischen diesen Polen werde ich noch Jahre hin <strong>und</strong><br />

herkämpfen. Ein Befreiungskampf. Freiheit von<br />

beiden Seiten. Erst das ist echte Unabhängigkeit. Die<br />

Freiheit von religiösen Welten <strong>und</strong> die Freiheit von<br />

Markenwelten.<br />

WEITER NACH CHINA<br />

Nach eine Woche im Konsumwun<strong>der</strong>land Hongkong<br />

verlassen wir die Stadt mit Ziel China. Damals<br />

brauchte man noch für jeden Ort ein geson<strong>der</strong>tes<br />

Visum. Die Stimmung än<strong>der</strong>t sich etwas. Hier gibt es<br />

keinen religiösen Geist, <strong>der</strong> lebendig ist. Mir gefällt es<br />

hier nicht. Eine dumpfe Atmosphäre. Glotzende<br />

Augen. Wir reisen die Küste entlang bis auf die Insel<br />

Hainan. Im Golf von Tonking. Eigentlich dürften wir<br />

hier nicht sein. Dafür reichen unsere Visa nicht. Aber<br />

es hin<strong>der</strong>t uns keiner. Am Strand von Hainan schlägt<br />

direkt neben uns eine Kugel in den Sand ein. Ein<br />

Irrläufer vom Truppenübungsplatz gleich nebenan ?<br />

O<strong>der</strong> ein Warnschuss des Schicksals?<br />

78


Wir buchen eine Schiffspassage durch das<br />

Südchinesische Meer zurück nach Hong Kong. Zwei<br />

Tage schlechte See, mieses Essen, miese<br />

Stimmung. Ein einziges Aushalten. Von Hongkong<br />

weiter auf die Philippinen. Die wie ein weiterer<br />

amerikanischer B<strong>und</strong>esstaat wirken. Aber erholsame<br />

Tage bieten.<br />

Nach 103 Reisetagen fliegen wir von Metro Manila<br />

zurück nach Frankfurt. Endlich wie<strong>der</strong> auf heimischen<br />

Boden. Aber <strong>der</strong> wankt.<br />

ZURÜCK IM WESTEN<br />

Ich bin zwar wie<strong>der</strong> im Westen, aber mein Wesen<br />

bleibt im Osten. Dadurch öffnet sich ein an<strong>der</strong>er<br />

Zustand. Eine an<strong>der</strong>e bisher verdeckte Landkarte.<br />

Eine psychische Landkarte in <strong>der</strong> ich mich unsicher<br />

bewege. Die neu ist, die sich fast aufdrängt <strong>und</strong><br />

bereist werden will.<br />

Wenn die Sicherheit verloren geht, weiß man: Es gibt<br />

keine Hilfe. Außer in dir selbst. Aber wie kannst du dir<br />

trauen? Ein langer, langer Weg. Eine an<strong>der</strong>e Art <strong>der</strong><br />

Reise. Zu sich selbst.<br />

OUT OF BODY<br />

Sobald ich mich entspanne, falle ich unfreiwillig in<br />

eine Trance. Mein Körper erstarrt zur<br />

Bewegungslosigkeit. Ich kann nichts bewegen. Von<br />

den Füssen steigt Energie auf mit <strong>der</strong> Intensität eines<br />

Sandstrahlgebläses. Sie fegt durch den gesamten<br />

Körper. Alles ist Energie. Keine Form mehr, son<strong>der</strong>n<br />

nur Energie. Ich wun<strong>der</strong>e mich anfangs, dass <strong>der</strong><br />

Körper bei dieser Intensität nicht zerstört wird. O<strong>der</strong><br />

sich auflöst in einen Sandsturm.<br />

Nur mit äußerster Anstrengung meines Willens bringe<br />

ich etwas Bewegung in meinen Körper. <strong>Das</strong> bewirkt<br />

ein Umschalten <strong>der</strong> Wahrnehmung zurück zur Form.<br />

79


OUT OF ORDER<br />

Meine bisher vertraute Identität ist nur noch ein vager<br />

Ort. Ich lasse alles los. Will alles loslassen. Will mein<br />

altes <strong>Leben</strong> nicht mehr. Und verabschiede mich<br />

rigoros von jedem <strong>und</strong> allem: Martina, Wohnung,<br />

Studentenjob, Uni, Fre<strong>und</strong>en, Gewohnheiten <strong>und</strong><br />

schließlich auch von den Ersparnissen. Nichts bleibt<br />

haften. Alles löst sich auf.<br />

Ich habe ständig unfreiwilige außerkörperlicher<br />

Erfahrungen. Hun<strong>der</strong>te im Laufe <strong>der</strong> Zeit. Am Anfang<br />

dokumentiere <strong>und</strong> erforsche ich die verschiedenen<br />

Ebenen.<br />

Die magere Literatur, die zu diesem Zeitpunkt<br />

verfügbar ist, kann ich nicht lesen. Denn was dort<br />

beschrieben ist, beginnt sich sofort zu manifestieren.<br />

Als wenn das Bewußtsein das Beschriebene sofort<br />

nachbildet.<br />

JA ODER NEIN<br />

Eines Tages spüre ich in meinem Zimmer die<br />

Anwesenheit eines an<strong>der</strong>en Bewußtseins. Im<br />

Moment, in dem ich es bemerke, verstärkt sich die<br />

Präsenz. Verdichtet sich durch meine Ahnung zur<br />

Form. Wie aus dem Nichts ziehen sich an einen<br />

Punkt im Raum Formpartikel zu einem Körper<br />

zusammen. Der Yogi erscheint in vager Form.<br />

Der ganze Raum ist von einem JA erfüllt. Fast ist kein<br />

Platz mehr für ein zweites. Dem setze ich mit meiner<br />

ganzen Kraft ein NEIN entgegen. <strong>Das</strong> Ja will sich zur<br />

Form verdichten. Es ist faszinierend. Der Kern <strong>der</strong><br />

Erscheinung zieht aus <strong>der</strong> Umgebung Materie an. Als<br />

würde die Umgebung formgebene Partikel spenden.<br />

<strong>Das</strong> Umfeld assistiert dem zukommenden Neuen für<br />

seine Absicht. O<strong>der</strong> ist die Materie vom Geist gar<br />

nicht verschieden? Und alles ist ein gemeinsamer<br />

Geist, nur unterschieden durch unterschiedlich starke<br />

Absichten.<br />

<strong>Das</strong> entscheidet die Anschauung. Es gibt<br />

unterschiedliche Frequenzen. So wie beim Radio.<br />

Verschiebt man den Fokussierungspunkt auf <strong>der</strong><br />

80


Skala, dann empfängt man eine an<strong>der</strong>e Realität. So<br />

auch im <strong>Leben</strong>. Vielleicht ist mein<br />

Fokussierungspunkt "verrutscht".<br />

Carlos Castaneda spricht vom Montagepunkt, <strong>der</strong><br />

uns mit einer bestimmten Ebene von Realität<br />

verbindet. Verschiebt man ihn, schaltet man direkt<br />

um in eine an<strong>der</strong>e Realität. Zum Test, ob seine<br />

Schüler das Verschieben beherrschen, läßt er sie von<br />

einer 200 m hohen Klippe springen. Während des<br />

Stürzens müssen sie eine an<strong>der</strong>e Realität herstellen.<br />

Durch Verschieben des Montagepunktes. Nur für<br />

Fortgeschrittene empfehlenswert.<br />

Mein Nein nimmt zu <strong>und</strong> zugleich <strong>der</strong> Druck des Jas<br />

auf <strong>der</strong> Gegenseite. An einem Punkt sind Ja <strong>und</strong><br />

Nein gleichstark <strong>und</strong> ich <strong>und</strong> er unmittelbar nah. Fast<br />

aus einem gemacht. Nur durch Wille geschieden. An<br />

diesem Kummulationspunkt verpufft die<br />

Wahrnehmung.<br />

UNTERWEGS IN SPIRITLAND<br />

In den folgenden Monaten bin ich bei den<br />

verschiedensten spirituellen Traditionen auf <strong>der</strong><br />

Suche nach einer für mich geeigneten Methode, die<br />

innere Landkarte zu bereisen <strong>und</strong> zu stabilisieren.<br />

Auch auf <strong>der</strong> Suche das Geschehene zu verstehen.<br />

Erfahrung allein hilft mir nicht. Verständnis muss<br />

hinzukommen. Ohne Verstehen taugt Erfahrung zu<br />

gar nichts. Aber das Verstehen muss objektiv sein.<br />

Subjektive Persönlichkeitserkenntnis interessiert mich<br />

nicht. Therapeutische Ansätze finde ich flach. Und<br />

das sich Hineinsteigern in ekstatische Zustände o<strong>der</strong><br />

religiöse Verzückung o<strong>der</strong> Schwärmerei sind mir ein<br />

Greuel.<br />

Ich suche nach einer verlässlichen Methode<br />

systematischer Selbsterforschung. Ich habe zwei<br />

Kriterien angelegt: eine weltanschaulich neutrale<br />

Methode, ohne Gurufixierung <strong>und</strong> ohne<br />

Gruppenorientierung.<br />

Ich bin in allen Traditionen unterwegs, die <strong>der</strong><br />

Berliner Eso-Markt an spirituellen Eitelkeiten zu<br />

bieten hat: bei indianischen Schamanen,<br />

81


tibetanischen Tulkus, indischen Gurus,<br />

Erweckungschristen, Astralreisenden,<br />

Handauflegern, Astrologen, Auralesern, Tantrikern -<br />

ich lasse nichts aus. Und reise 288 Tage durch den<br />

Dschungel <strong>der</strong> Welterleuchtungslehren.<br />

Schließlich lande ich bei einer sehr nüchternen<br />

Methode, die ich immer noch ausübe: die<br />

Transzendentale Meditation.<br />

Mit diesem Vehikel reise ich vier Jahre durch<br />

unendliche innere Welten. Chakra, K<strong>und</strong>alini, Veden,<br />

Sidhis, Nirvana, Gurus <strong>und</strong> allerlei Hokos-pokus.<br />

Reisen im äußeren brauche ich nicht. Ich entspanne<br />

<strong>und</strong> reise in die entlegensten Winkel des Geistes.<br />

Als ich am an<strong>der</strong>en Ende rauskomme, sitze ich auf<br />

<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite <strong>der</strong> Weltanschauung. In einer<br />

kleinen düsteren Werbeagentur in Goslar am<br />

Harzrand.<br />

IN DER ZWISCHENWELT<br />

Ein gutes Beispiel für self-fullfilling prophecy. Ich<br />

dachte immer, bis 30 bin ich Student, Rumtreiber <strong>und</strong><br />

Globetrotter. Und brauche mir keine Gedanken über<br />

die Wahl eines Berufes zu machen.<br />

Einen Tag nach meinem 30igsten Geburtstag habe<br />

ich meinen ersten Arbeitstag als Werbetexter <strong>und</strong><br />

sitze in einem düsteren, nikotingeschwängerten<br />

Raum mit Grastapete <strong>und</strong> erotischen Bil<strong>der</strong>n an den<br />

Wänden. Vor mir sitzt Alexan<strong>der</strong> Sowa. Klein, dicke<br />

Brille. Los geht´s in eine an<strong>der</strong>e Richtung.<br />

IN DER WELT DER DINGE<br />

Die Dinge sind die Schatten unserer Gedanken. Und<br />

unsere Gedanken sind die Schatten <strong>der</strong> Dinge. Wir<br />

sehen die Dinge, die zu unseren Gedanken passen.<br />

So wie <strong>der</strong> Schatten zur Sache passt. Etwas verzerrt<br />

<strong>und</strong> <strong>und</strong>eutlich zwar. Aber untrennbar verb<strong>und</strong>en.<br />

Haben wollen ist ein natürlicher Impuls des<br />

Begreifens. Er hilft uns, über die Dinge besser an die<br />

Gedanken zu erinnern.<br />

82


Werbung macht aus Haben wollen, besitzen wollen.<br />

Und aus simplen Dingen begehrliche Produkte. Und<br />

aus dem natürlichen Impuls des Dienen wollens eine<br />

Dienstleistung.<br />

Von Produkten geht eine verstärkte Sogkraft aus, die<br />

aktiv nach unseren Gedanken greift. Aus Begreifen<br />

wollen ist besitzen wollen geworden.<br />

Werbung ist eine Art Licht. <strong>Das</strong> die Dinge bestrahlt.<br />

Die Dinge werfen ihren Schatten in unsere<br />

Gedankenwelt. Und ein Wie<strong>der</strong>erkennungseffekt löst<br />

den Besitzen-wollen-Impuls aus. Ja, ich will haben!<br />

Religion ist ein an<strong>der</strong>es Licht. Ideen werfen ihre<br />

Schatten in unseren Geist. Und lösen den Seinwollen-Impuls<br />

aus. Ja, ich will sein!<br />

Beides ist Illusion. Weil das Ich, <strong>der</strong> Bezugspunkt <strong>der</strong><br />

Wahrnehmung Illusion ist. Die Warenwelt versklavt<br />

<strong>und</strong> die sogenannte "wahre Welt" genauso.<br />

SPEEDKING RÜCKWÄRTS<br />

Wir leben das <strong>Leben</strong> vorwärts <strong>und</strong> verstehen es<br />

rückwärts hat einmal ein kluger Mann behauptet.<br />

Was passiert wenn wir es rückwärts leben?<br />

<strong>Das</strong> vergangene <strong>Leben</strong> ist unmittelbar Wirkung <strong>der</strong><br />

Gegenwart. Wir erleben die Vergangenheit im Jetzt<br />

<strong>und</strong> gestalten daraus die Vergangenheit des Morgen.<br />

Auf einer meiner schamanistischen Reisen ging es<br />

darum in vergangene <strong>Leben</strong> zu reisen. Was zuerst<br />

gar nicht klappte <strong>und</strong> dann aber extrem gut klappte.<br />

Zuerst sah ich meine <strong>Leben</strong> in linearer Folge. Dann<br />

sah ich sie alle gleichzeitig. Immer mehr gleichzeitig.<br />

Tausende.<br />

Lei<strong>der</strong> erreiche ich nicht den uranfänglichen Anfang.<br />

Wenn es den überhaupt gibt. Mein ich ist eine Röhre,<br />

wie ein Kaleidoskop. Wenn sich das Bewußtsein<br />

verlangsamt, erelbt man die Teile in linearer Folge.<br />

Beschluenigt das Bewußtsein, sieht man die Teile<br />

gleichzeitig <strong>und</strong> hintereinan<strong>der</strong>. Tunnelblick seit<br />

Äonen. Vielleicht löst sich <strong>der</strong> Tunnelblick am Ende.<br />

Kann die Ursache die Wirkung überholen <strong>und</strong> die<br />

83


Wirkung aufsaugen. Bis pure Ursächlichkeit<br />

dominiert? Was kommt dann?<br />

Wir sehen alles was sichtbar ist <strong>und</strong> zusätzlich die<br />

Details <strong>und</strong> Ausschnitte. Dann verschwimmt das<br />

Ganze. Es ist immer <strong>der</strong> Wechsel vom Ganzen aufs<br />

Teil <strong>und</strong> zurück nach innen, voraus nach außen. Ein<br />

beständiges Auskleiden des Bewußtseinsraumes mit<br />

Eindrücken. Fokussierungspunkte können wir nach<br />

freier Entscheidung wählen.<br />

84


INTRO 3:<br />

DAS REISEN IN DIE ZWISCHENWELT.<br />

In <strong>der</strong> wahren Welt liegt die Warenwelt. Im dritten <strong>und</strong><br />

letzten Teil meiner Betrachtungen wird um die Welt <strong>der</strong><br />

Werbung kreisen. Alles zusammen erscheint zum<br />

Jahresende 2004 in Buchform.<br />

Copyright by<br />

<strong>Andreas</strong> Don<strong>der</strong> unterwegs<br />

ZIELE WEGE RESULTATE<br />

Rothenbaumchaussee 27<br />

20148 HAMBURG<br />

FON: 040/4107506<br />

FAX: 040/4504368<br />

MOB: 0179/9266388<br />

MAIL: mail@<strong>Andreas</strong>Don<strong>der</strong>.de<br />

ONLINE: http://www.Don<strong>der</strong>-unterwegs.de/<br />

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