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januar 2014 - Strandgut

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THEATER<br />

Näher zu Gorki<br />

Andrea Moses bringt »Die Kinder der Sonne«<br />

ans Schauspiel zurück<br />

Kompletter Januar-Spielplan www.freiesschauspiel.de<br />

20 | <strong>Strandgut</strong> 01/<strong>2014</strong><br />

Spielt die Jelena:<br />

Stephanie Eidt<br />

© Blommers & Schumm<br />

© Birgit Hupfeld<br />

Die in Berlin und Moskau ausgebildete<br />

Dresdener Regisseurin Andrea<br />

Moses ist für ihren entschiedenen<br />

gesellschaftskritischen Zugriff<br />

bekannt. Für ihre Premiere in Frankfurt,<br />

die nach drei Jahren Engagement<br />

als Leitende Regisseurin an<br />

der Oper Stuttgart eine Rückkehr<br />

zum Schauspiel bedeutet, kündigt<br />

sie an, Gorkis Figuren in ihrem Versuch,<br />

sich selbst zu bestimmen, aus<br />

dem historischen Kontext zu entwickeln.<br />

»Ernst nehmen« wolle sie<br />

den Dichter, der vom geldgierigen<br />

Kapitalisten bis zum verzweifelt um<br />

sich schlagenden Proletarier einen<br />

»Kosmos der russischen Gesellschaft«<br />

abbilde, dem ihre Inszenierung<br />

mit mehr als 15 Darstellern zu<br />

entsprechen suche.<br />

Die mörderische Zerschlagung<br />

einer Massendemonstration von<br />

Zehntausenden streikender Arbeiter<br />

in St. Petersburg durch die<br />

Soldateska des Zaren, der »Petersburger<br />

Blutsonntag« vom 5. Januar<br />

1905, bildet den Hintergrund von<br />

Gorkis Drama, das während seiner<br />

Haft im Gefängnis entstand, die der<br />

Dichter aufgrund seines Protests<br />

gegen das Massaker verbüßte. Es<br />

konfrontiert die zur Intelligenzija<br />

zählende familiale Gemeinschaft<br />

um den Chemiker Pawel Protassow,<br />

zu der noch ein Tierarzt, ein<br />

Maler und zwei wohlgebildete<br />

emanzipierte Frauen und eine<br />

eher halbgebildete reiche Witwe<br />

gehören, mit existenziellen Fragen<br />

einer Gesellschaft, die sich dem sich<br />

rücksichtslos ausbreitenden Kapitalismus<br />

ebenso ausgeliefert sieht<br />

wie dem von Seuchen geplagten<br />

im Elend lebenden Massen. »Im<br />

Zentrum stehen aufgeschlossene<br />

Menschen mit Utopien und Idealen<br />

einer gesellschaftlichen Zukunft,<br />

die wir keinesfalls besserwisserisch<br />

ironisieren wollen«, sagt Andrea<br />

Moses. Auch in der historischen<br />

Distanz rücke die Zeitlosigkeit der<br />

Fragen von Gorkis Sonnenkinder<br />

schnell ins Zentrum der Wahrnehmung.<br />

So weist sie beispielhaft<br />

auf Protassows Überzeugung hin,<br />

als Wissenschaftler für das Wohl<br />

der einfachen Menschen sorgen<br />

zu wollen, oder auf den Glauben<br />

an die emanzipatorische Funktion<br />

der Vernunft, den seine Frau Jelena<br />

vertritt. »Eigentlich gehen wir einen<br />

Schritt zurück, um ins Heute zu finden«,<br />

so Moses.<br />

Aus dem Ensemble des Frankfurter<br />

Schauspiels hat die Regisseurin<br />

Thomas Huber für die Rolle des<br />

Chemikers Protassow ausgedeutet.<br />

Issak Dentler vertritt als der verliebte<br />

Maler Dimitri Wagin die Position<br />

der Kunst, und Oliver Kraushaar<br />

gibt den resignativen Tierarzt Boris<br />

Tschepurnoi. Die männlichen<br />

Protagonisten treffen über die<br />

Probleme der Welt hinaus auf eine<br />

wunderbare weibliche Troika mit<br />

Stephanie Eidt (Protassows Gattin<br />

Jelena), Verena Bukal, (Protassows<br />

feinfühlige Schwester Lisa) und<br />

Claude de Demo (die reiche Jungwitwe<br />

Melania). Viktor Tremmel<br />

wird den Proletarier Jegor geben,<br />

Josefin Platt die Amme und Olaf<br />

Altmann das Bühnenbild.<br />

Viele Gründe also, freudig gespannt<br />

zu sein auf einen Abend,<br />

der zwangsläufig auch die Inszenierung<br />

von Stefan Kimmig in<br />

Erinnerung ruft, die vor zwei, drei<br />

Jahren als Gastspiel des Deutschen<br />

Theaters Berlin im Schauspiel und<br />

auf Wiesbadens Maifestspielen zu<br />

sehen war – und gefeiert wurde.<br />

Aber es gab auch böse Stimmen,<br />

die diesen auch personal sehr reduzierten<br />

psychologischen Zugriff als<br />

eine Gorki-ferne Nabelschau in einem<br />

Milieu, das wir in Frankfurt mit<br />

dem der kinderlosen Nordendelter<br />

umschreiben würden, bespöttelten.<br />

Vor solchem sind wir gewiss<br />

gefeit.<br />

Winnie Geipert<br />

Termine 18. (Premiere)<br />

19., 26. Januar, jeweils 19.30 Uhr<br />

www.schauspielfrankfurt.de

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