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Klassenspezifischer Habitus und/oder exklusive ... - Studium generale

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über den Erwerb <strong>exklusive</strong>r Bildungstitel. Bourdieus Aussagen über die zentrale Bedeutung dieses<br />

<strong>Habitus</strong> für die Reproduktion der gesellschaftlichen Klassenstrukturen erfahren also eine eindeutige<br />

Bestätigung, während die zur Rolle des Bildungsystems <strong>und</strong> des „institutionalisierten kulturellen<br />

Kapitals“ in diesem Prozeß in ihrer Gänze nur auf die französische Situation zutreffen, für<br />

Deutschland dagegen zumindest einer erheblichen Einschränkung bedürfen.<br />

Diese unmittelbare Bedeutung des klassenspezifischen <strong>Habitus</strong> bei der Besetzung von Managementpositionen<br />

dürfte in den nächsten Jahren sogar noch zunehmen, denn zum einen hält der<br />

schon seit einiger Zeit zu beobachtende Trend an, daß das Gewicht zentraler persönlichkeitsgeb<strong>und</strong>ener<br />

Besetzungskriterien aufgr<strong>und</strong> veränderter Rahmenbedingungen <strong>und</strong> neuer Management-<br />

Leitbilder wie vor allem das des „Intrapreneurs“ 52 (Deutschmann 1997) steigt, zum anderen<br />

schwinden durch Änderungen der Unternehmensstrukturen zugleich die Möglichkeiten von<br />

„Hauskarrieren“ <strong>oder</strong> „Kaminkarrieren“, d.h. Karrieren in nur einem einzigen Unternehmen <strong>oder</strong><br />

sogar nur einem einzigen Bereich eines Unternehmens wie etwa der Produktion, dem Verkauf<br />

<strong>oder</strong> den Finanzen deutlich.<br />

Die Veränderungen im Umfeld (wie vor allem die starke Internationalisierung des Geschäfts, der<br />

wachsende Konkurrenzdruck, die kürzeren Innovationszyklen <strong>und</strong> das gestiegene Ausbildungsniveau<br />

der Beschäftigten) <strong>und</strong> die erfolgreiche Etablierung neuer Leitbilder eines der heutigen Zeit<br />

angemessenen Managementstils erhöhen die Anforderungen exakt in den Punkten, in denen der<br />

Nachwuchs des etablierten Bürgertums deutliche Vorteile besitzt. Es wird mehr persönliche Souveränität,<br />

ein schnelleres Zurechtfinden in neuen Umgebungen, eine bessere Kenntnis fremder<br />

Sprachen <strong>und</strong> Kulturen, ein größeres Maß an Kommunikations- <strong>und</strong> Motivationsfähigkeit sowie<br />

ein stärker unternehmerisch ausgerichtetes Denken verlangt. Fachwissen <strong>und</strong> der mit ihm verb<strong>und</strong>ene,<br />

vor allem von Managern ohne gehobenen familiären Hintergr<strong>und</strong> vielfach gewählte Aufstiegspfad<br />

über eine Lehre, ein ingenieur- <strong>oder</strong> naturwissenschaftliches <strong>Studium</strong> <strong>und</strong> eine anschließende<br />

Karriere in einem einzigen Unternehmensbereich <strong>oder</strong> einem Unternehmen verlieren<br />

dagegen an Bedeutung. 53<br />

Unter dem Stichwort „Lean Management“ haben gleichzeitig viele große Konzerne seit Anfang<br />

der 90er damit begonnen, ihre Führungsebenen auszudünnen. Die Kontrollspannen sind vergrößert<br />

<strong>und</strong> die Anzahl der Führungsebenen ist deutlich reduziert worden. Diese Veränderung wird in der<br />

Regel von einer weiteren Umstrukturierung begleitet, die unter Stichworten wie „Lean Production“<br />

<strong>oder</strong> „fraktale Fabrik“ die Aufgliederung der großen Unternehmen in eine Anzahl kleinerer, in<br />

vielen Dingen selbständig operierender Einheiten zum Ziel hat. Für die Besetzung von Spitzenpositionen<br />

im Management großer Firmen sind beide Prozesse insofern wichtig, als sie die Anforderungen<br />

an Manager unterhalb des Vorstandsebene <strong>und</strong> deren Karrierewege stark beeinflussen.<br />

Entscheidend ist dabei, daß die Vergrößerung der Führungsspannen das Anforderungsprofil auf<br />

den mittleren Führungsebenen stark in Richtung auf mehr „General-Management“-Fähigkeiten<br />

verändert <strong>und</strong> die Verselbständigung einzelner Unternehmensbereiche gleichzeitig das Gewicht<br />

unternehmerischen Denkens erhöht, fachbezogene Kenntnisse dagegen einen nicht unerheblichen<br />

Teil ihrer Bedeutung einbüßen. Es wird dementsprechend schwieriger, eine in erster Linie auf<br />

Fachwissen basierende Managementkarriere zu machen, vor allem wenn sie in nur einem Unter-<br />

52 Unter Intrapreneur wird ein Typ von Manager verstanden, der auch auf der unteren <strong>und</strong> mittleren Managementebene<br />

wie ein selbständig tätiger Unternehmer denken soll.<br />

53 In besonders großem Umfang trifft diese Entwicklung die Branchen, die bisher so etwas wie die „Hochburgen“ für<br />

den Nachwuchs aus den Mittelschichten <strong>und</strong> der Arbeiterschaft darstellten, die Versicherungswirtschaft <strong>und</strong> die Energieversorgung.<br />

Sie werden nämlich – <strong>und</strong> das ist ein wesentlicher Gr<strong>und</strong> für den bislang überproportional hohen Anteil<br />

an Managern aus der Durchschnittsbevölkerung in diesen beiden Branchen (Hartmann 1996: 31ff.) – erst in jüngster<br />

Zeit durch die europaweite Öffnung der Märkte mit diesen Anforderungen konfrontiert.

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