P.T. MAGAZIN 05/2014
Magazin für Wirtschaft und Gesellschaft. Offizielles Informationsmagazin des Wettbewerbs "Großer Preis des Mittelstandes" der Oskar-Patzelt-Stiftung
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Last Exit „Mea Culpa-Strategie“<br />
Hatte Christian Wulff noch eine Chance, sein Image zu retten? Ich glaube ja.<br />
Wirtschaft<br />
42<br />
Kann man in einer fortgeschrittenen<br />
öffentlichen Image-Krise irgendwann<br />
das Ruder noch einmal herumreißen?<br />
Ja, ich nenne das Mittel „Mea Culpa-<br />
Strategie“. Was heißt das?<br />
Mea Culpa (lateinisch meine Schuld)<br />
sind Worte, die seit dem 11. Jahrhundert<br />
im Schuldbekenntnis der katholischen<br />
Liturgie gesprochen werden: „Confiteor<br />
… quia peccavi nimis cogitatione, verbo,<br />
opere et omissione: mea culpa, mea<br />
culpa, mea maxima culpa …“<br />
Der deutsche Text lautet: „Ich<br />
bekenne … ich habe gesündigt in Gedanken,<br />
Worten und Werken durch meine<br />
Schuld, durch meine Schuld, durch<br />
meine große Schuld …“ Beim Sprechen<br />
schlagen sich die Gläubigen an die Brust.<br />
Die berühmteste Mea Culpa-Geste<br />
der jüngeren deutschen Geschichte war<br />
1970 Willy Brandts eindrucksvoller „Kniefall<br />
von Warschau“. Ob diese Geste spontan<br />
erfolgte oder aus politischem Kalkül,<br />
werden wir nie erfahren. Sie hatte<br />
jedenfalls Folgen und steht bis heute für<br />
die erfolgreiche Versöhnung mit Polen,<br />
dessen Bevölkerung allen Grund hatte,<br />
unversöhnlich zu bleiben.<br />
Die übliche gängige Imagekrise<br />
einer Persönlichkeit oder eines Unternehmens<br />
ist selbstverständlich nicht<br />
vergleichbar mit der Dimension jener<br />
Schuld, die Deutschland im Krieg gegen<br />
Polen auf sich geladen hat. Doch mir<br />
geht es hier viel mehr um die gewaltige<br />
positive Energie, welche eine Demutsgeste<br />
freisetzen kann. Wer hätte seinerzeit<br />
gedacht, dass es jemals wieder und noch<br />
dazu so rasch zu einem freundschaftlichen<br />
Verhältnis zwischen Opfer und<br />
Täter kommen kann?<br />
Exekution auf mittelalterlichen<br />
Marktplätzen<br />
Verlassen wir die große Geschichte und<br />
wenden uns den Krisen des Alltags zu,<br />
in denen die Grenze zwischen Schuld<br />
und Unschuld in einer nebeligen Grauzone<br />
verläuft. Ein Unternehmen verkauft<br />
fehlerhafte Produkte und wird von<br />
einem Shitstorm heimgesucht. Ein stolzer<br />
Geschäftsmann erleidet Schiffbruch<br />
und kassiert mediale Häme. Ein Politiker<br />
stürzt über eine Affäre. Das Geschäftsmodell<br />
der meisten großen Massenmedien<br />
funktioniert wie ein mittelalterlicher<br />
Marktplatz. Es gibt Klatsch, jede Menge<br />
feiste Früchte. Ab und an eine Exekution,<br />
die mit viel Trommelwirbel angekündigt<br />
wird. Im verstörenden Werk „Masse<br />
und Macht“ von Elias Canetti beschreibt<br />
der Literaturnobelpreisträger die Dynamik<br />
entfesselter Menschenmengen und<br />
konstatiert sie als eine Eigenschaft der<br />
Masse: „Die Masse braucht eine Richtung.“<br />
Ich ergänze: Hin-Richtung. Dazu<br />
braucht man natürlich einen spektakulären<br />
Fall, einen „Schuldigen“. Der ist<br />
stets rasch gefunden.<br />
Wir sind hier die Bank,<br />
weil wir in der Region<br />
für unseren Mittelstand<br />
da sind.<br />
Sünder ohne Sünden<br />
Die Schuldfrage klammere ich hier<br />
bewusst aus. Die Öffentlichkeit braucht<br />
keine Beweise, sie urteilt aus dem Bauch<br />
heraus. Und oft wird alles noch schlimmer<br />
für den, der die Schuld von sich<br />
weist. Ich möchte sogar so weit gehen,<br />
dass es vernünftiger sein kann, eine<br />
Schuld einzugestehen, wo eigentlich gar<br />
keine ist.<br />
Es gibt einen Moment in der öffentlichen<br />
Krise, wo kein Bestreiten mehr<br />
hilft, jede Gegenanschuldigung ins Leere<br />
läuft und Unschuldsbekundungen nur<br />
mehr lächerlich wirken. Das Urteil der<br />
öffentlichen Meinung senkt sich wie das<br />
Beil des Scharfrichters gen Nacken eines<br />
Beschuldigten. Jetzt ist der Augenblick<br />
gekommen, die letzte Karte zu ziehen<br />
- die „Mea Culpa-Strategie“. Ich habe<br />
Fehler gemacht, ich bereue, ich bitte<br />
um Entschuldigung. So einfach geht die<br />
„Mea Culpa-Strategie. Die muss natürlich<br />
gemeinsam mit einem guten Berater<br />
Wort für Wort wohlüberlegt sein. Manch<br />
schlauer Mensch gibt zu, was er niemals<br />
getan hat und verschleiert damit, was<br />
besser im Verborgenen bleibt.<br />
P.T. <strong>MAGAZIN</strong> 5/<strong>2014</strong>