Berlin Friedrichstraße Metropole, Mode und mehr (Vorschau)
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langt. Seitdem kann Ungarn den Weg gehen,<br />
den es immer schon wollte. Wir sind seit 15<br />
Jahren Mitglied der NATO <strong>und</strong> seit zehn Jahren<br />
Mitglied der Europäischen Union. Auch<br />
unsere Zukunft liegt in Europa. Das moderne<br />
Ungarn bedeutet Tradition <strong>und</strong> Laptop. Es<br />
verbindet historisch-kulturelle Tradition mit<br />
Innovation. Wir sind innovativ, offen, zielorientiert<br />
<strong>und</strong> leistungsfähig. Zugleich stehen<br />
wir aber auch zu unseren historisch gewachsenen<br />
Wurzeln, wollen diese pflegen <strong>und</strong> die<br />
traditionellen Werte nicht aus den Augen verlieren.<br />
Die fruchtbringenden Neuerungen einer<br />
globalisierten Welt können sich dabei als<br />
willkommene Ergänzungen erweisen.<br />
→ Wieviel Tradition ist denn heute noch in<br />
Ungarn erhalten?<br />
Die historische Tradition des ungarischen<br />
Bürgertums wurde am Ende des Zweiten<br />
Weltkrieges, einhergehend mit der sowjetischen<br />
Besetzung des Landes, mit dem Verlust<br />
seiner Unabhängigkeit <strong>und</strong> mit der Etablierung<br />
der kommunistischen Diktatur für<br />
viereinhalb Jahrzehnte unterbrochen <strong>und</strong> in<br />
vielerlei Hinsicht beinahe ausgelöscht. Unter<br />
»Traditionsgeb<strong>und</strong>enheit« verstehen wir die<br />
Wiederherstellung einer gelebten Werteordnung,<br />
deren Wesen die traditionellen christlich-humanistischen<br />
bürgerlichen Werte Europas<br />
ausmachen, wie die Familie als Gr<strong>und</strong>element<br />
der Gesellschaft, der Patriotismus,<br />
die Verantwortung des Einzelnen der Gemeinschaft<br />
gegenüber, das Bewusstsein von<br />
Freiheit <strong>und</strong> wie man damit umzugehen hat<br />
– um nur einiges zu nennen. Man kann das<br />
als »Konservativismus« einfach abtun, aber<br />
ohne diese gelebten Werte ist eine bürgerliche<br />
Gesellschaft <strong>und</strong>enkbar.<br />
→ Worin bestehen die bedeutendsten kulturellen<br />
Unterschiede zwischen den Ungarn<br />
<strong>und</strong> den Deutschen?<br />
Abgesehen von der enormen Verschiedenheit<br />
unserer Sprachen gibt es kaum bedeutende<br />
kulturelle Unterschiede. Viel<strong>mehr</strong> haben wir<br />
zahlreiche Gemeinsamkeiten, allein schon<br />
wegen der Geschichte <strong>und</strong> der geographischen<br />
Nähe. Die ungarische Kultur wurde<br />
von der deutschen bereichert. Ungarn wie<br />
Deutsche sind Mitteleuropäer, <strong>und</strong> das zeigt<br />
sich auch beinahe in allen Bereichen des Lebens,<br />
an der Ähnlichkeit der Denkweisen, der<br />
Auffassungen von Kultur, Politik, Recht oder<br />
Wirtschaft. Die deutsche <strong>und</strong> die ungarische<br />
Wirtschaft sind dicht zusammengewachsen.<br />
Daher können wir uns Nachbarn nennen,<br />
auch wenn wir keine gemeinsame Grenze<br />
haben. Die wesentlichen Unterschiede sind<br />
nicht kultureller Art, sie liegen viel<strong>mehr</strong> in<br />
den verschiedenen Größen <strong>und</strong> den daraus<br />
folgenden Rollen beider Länder.<br />
→ Ungarn hatte entscheidenden Anteil an der<br />
friedlichen Revolution in der DDR, die den<br />
Weg zur Wiedervereinigung Deutschlands<br />
ebnete. Auf welche Art <strong>und</strong> Weise wird die<br />
ungarische Botschaft an die Zeit vor 25<br />
Jahren erinnern?<br />
Vor 25 Jahren spielte Ungarn eine wichtige<br />
Rolle. Wie es der damalige B<strong>und</strong>eskanzler<br />
Helmut Kohl so schön formulierte – wir haben<br />
den ersten Stein aus der <strong>Berlin</strong>er Mauer<br />
geschlagen. Aber was noch viel wichtiger ist:<br />
Wir haben damals, gemeinsam mit den anderen<br />
Völkern Mittel- <strong>und</strong> Osteuropas durch<br />
unsere erfolgreichen friedlichen Revolutionen<br />
Freiheit <strong>und</strong> Demokratie im östlichen<br />
Teil des Kontinents geschaffen. Erst dadurch<br />
ist das vereinte Europa überhaupt möglich<br />
geworden. Und die große Bedeutung liegt<br />
dabei auf friedlich. Die <strong>Berlin</strong>er können das<br />
25-jährige Jubiläum dieses Vorganges mit uns<br />
gemeinsam feiern. Wir haben dazu <strong>mehr</strong>ere<br />
Veranstaltungen in <strong>Berlin</strong> <strong>und</strong> in Potsdam<br />
geplant.<br />
→ Wie erinnern Sie sich persönlich an den<br />
11. November 1989?<br />
Ich war damals der jüngste Diplomat der Botschaft<br />
<strong>und</strong> habe ein Abendessen für Wolfgang<br />
Mischnik, Otto Graf Lambsdorff <strong>und</strong> einige<br />
andere Politiker vorbereitet. Gegen 19 Uhr<br />
kamen <strong>mehr</strong>ere Anrufe, dass sich die Gäste<br />
verspäten würden. Der Gr<strong>und</strong> erklärte sich<br />
dann um 20 Uhr. Am Ende haben wir statt<br />
mit geplanten 20 Gästen mit nur zweien davon<br />
das großartige Ereignis gefeiert. Es war<br />
ein w<strong>und</strong>erbarer historischer Moment <strong>und</strong><br />
dieser Abend hat uns alle ergriffen. Ich werde<br />
diesen Tag nie in meinem Leben vergessen.<br />
Auch wenn wir uns erst später unserer<br />
Rolle bewusst wurden, haben uns alle sofort<br />
das Gefühl vermittelt »Wir verdanken es euch<br />
Ungarn«.<br />
→ In den vergangenen Jahren sind immer<br />
<strong>mehr</strong> Ungarn nach Deutschland übergesiedelt.<br />
Worin sehen Sie die Ursachen?<br />
Zurzeit leben <strong>mehr</strong> als 100.000 Ungarn in<br />
Deutschland <strong>und</strong> der Zuzug ist tatsächlich<br />
groß. Sie wollen aber nicht alle endgültig nach<br />
Deutschland übersiedeln. Die meisten unserer<br />
Mitbürger sind nach Deutschland gekommen,<br />
um hier zu arbeiten <strong>und</strong> nach ein paar<br />
Jahren wieder nach Ungarn zurückzukehren.<br />
Die Arbeitgeber sind sehr zufrieden, darüber<br />
liest man in der Zeitung leider nicht viel.<br />
Die deutsche Wirtschaft <strong>und</strong> der deutsche<br />
Arbeitsmarkt bieten ihnen Möglichkeiten,<br />
die in Ungarn leider noch nicht für alle gegeben<br />
sind. In Ungarn wird hart daran gearbeitet,<br />
<strong>mehr</strong> Arbeitsplätze zu schaffen <strong>und</strong> eine<br />
nachhaltige Besserung am inländischen Arbeitsmarkt<br />
zu erzielen. Dabei ist vieles schon<br />
gelungen, aber es ist noch ein langer Weg zu<br />
einem gleichen oder auch nur annähernd<br />
gleichen Wohlstand wie in Deutschland.<br />
→ Sie waren schon einmal zwischen 1997 <strong>und</strong><br />
2002 in <strong>Berlin</strong>. Was sind seitdem die größten<br />
Veränderungen in der Stadt?<br />
Was mir persönlich schon in jener Zeit auffiel,<br />
ist, dass <strong>Berlin</strong> sich fortwährend ändert.<br />
Die Stadt kam mir vor wie ein Teenager, der<br />
allmählich zum Erwachsenen wird. Es ist mir<br />
eine Freude, zu sehen, wie jetzt diese Entwicklung<br />
vorangeht. <strong>Berlin</strong> – früher ein Symbol<br />
der verhängnisvollen Spaltung Europas<br />
– hat nun den ihm gebührenden Platz unter<br />
den europäischen Hauptstädten <strong>und</strong> den großen<br />
<strong>Metropole</strong>n der Welt erlangt. In diesem<br />
Sinne ist das gegenwärtige <strong>Berlin</strong> zugleich das<br />
Symbol des wiedervereinigten Deutschlands<br />
<strong>und</strong> des geeinten Europas. <strong>Berlin</strong> steht aber<br />
auch für Toleranz <strong>und</strong> Weltoffenheit <strong>und</strong> das<br />
soll auch so bleiben.<br />
→ Wie werden die hier in <strong>Berlin</strong> lebenden<br />
Ungarn begleitet? Gibt es eine Gemeinschaft?<br />
Es gibt keine amtlichen Zahlen, aber wir<br />
schätzen, dass ungefähr 10.000 bis 15.000<br />
Ungarn in <strong>Berlin</strong> leben. Das sind zum einen<br />
Ungarn, die damals in die DDR gezogen sind,<br />
zum anderen ehemalige politische Emigranten<br />
sowie viele Studenten, was mich persönlich<br />
sehr freut.<br />
Die Botschaft in <strong>Berlin</strong> ist nicht nur die<br />
amtliche Vertretung des Staates Ungarn, sie<br />
steht für jeden offen. Für die Ungarn, die in<br />
Deutschland leben, soll sie dabei auch ein<br />
wenig Heimat darstellen. Gemeinsam mit<br />
dem Ungarischen Kulturinstitut Collegium<br />
Hungaricum (CHB) bieten wir verschiedene<br />
Veranstaltungen an. Es gibt aber auch zahlreiche<br />
Eigeninitiativen ungarischer Vereine <strong>und</strong><br />
Gemeinschaften oder Einzelpersonen. Auch<br />
diese unterstützen wir nach Kräften.<br />
→ Wie reagieren die <strong>Berlin</strong>er auf ungarische<br />
Kulturangebote in der Hauptstadt?<br />
<strong>Berlin</strong>.<strong>Friedrichstraße</strong> Nr. 3 2014 13